Leitfaden zur professionellen Diskussionsleitung & Moderation

In diesem Leitfaden für Diskussionsleiter besprechen wir die Grundlagen einer professionellen Diskussionsleitung und deren Moderation. Sie bilden die Basis, auf der eine erfolgreiche Kommunikation in Gruppen geführt werden kann.

Grundlagen: Beziehungs- und Sachaspekt in Diskussionen

Als Diskussionsleiter haben Sie es mit Menschen zu tun, die kommunikativ ein bestimmtes Ziel anstreben. In sozialen Gruppen bilden Menschen Beziehungen miteinander aus, die positiv (im Sinne eines verständigungsorientierten Miteinanders) oder auch negativ (z. B. in Form von Machtspielen, Herabwürdigungen usw.) sein können. Dieser Beziehungsaspekt bestimmt ganz wesentlich die Art und Weise, wie Teilnehmer miteinander umgehen.

Leitfaden professionelle Diskussionsleitung

Auf der anderen Seite gibt es den Sachaspekt – also ein bestimmtes Thema, Problem etc. – welches kommunikativ bearbeitet werden soll, um ein Ziel (z. B. einen Konsens) zu erreichen. Wenn Menschen auf dem Sachaspekt miteinander kommunizieren, kann man ein rationales – im besten Fall auch verständigungsorientiertes – Gespräch erwarten, bei dem die Sache im Vordergrund steht. Man könnte es „die optimale Gesprächssituation“ nennen, in der der Austausch und die Abwägung von Argumenten das Ergebnis bestimmt.

Ob eine Diskussion rational oder beziehungsorientiert verläuft, hängt vom Beziehungsaspekt ab. Sind die Beziehungen unter den Teilnehmern geklärt und akzeptiert, ist ein rationales Gespräch möglich. Sind die Verhältnisse jedoch ungeklärt – z. B. die Hierarchie, Status und Befugnisse – wird sich das im gegenseitigen Austausch bemerkbar machen. Im schlechtesten Fall ist ein rationales Gespräch nicht möglich, da Hahnenkämpfe und Statusfragen das Gespräch dominieren.

Viele Anfänger machen den Fehler, nur den Sachaspekt einer Diskussion vorzubereiten und sind bei Beziehungsproblemen überfordert. Die „Schuld“ am Misslingen wird anschließend gerne dem Diskussionsleiter gegeben, der in seiner Funktion versagt hat. Insofern ist es ratsam, sich zusätzlich über die Teilnehmer und deren Verhalten vorab zu informieren. So können sie sich deeskalierende Maßnahmen – für einzelne Personen oder die Gruppe -zurechtlegen.

Im Folgenden wollen wir jedoch zunächst die Grundlagen besprechen und gehen davon aus, dass eine rationale Gesprächsführung möglich ist.

Aufgabe eines Diskussionsleiters

Wer eine Diskussion leiten will, muss sowohl die Themen kennen als auch ein bestimmtes Ergebnis oder Ziel anstreben können. Ein Thema zu kennen bedeutet, dessen Inhalt selbst zu verstehen und offene Fragestellungen finden und formulieren zu können. Nicht selten sind die Vorgaben ungenau und somit unklar, was genau besprochen und geklärt werden soll.

Damit ist die erste Aufgabe eines Diskussionsleiters ein Thema so zu verstehen, dass Sie konkrete Fragestellungen formulieren, die eine Gruppe später bearbeiten kann. Weiterhin brauchen Sie ein klares Ziel vor Augen – d. h. Sie müssen wissen, zu welchen sinnvollen Ergebnis ein Austausch führen kann. Ist das konkrete Thema oder Ziel noch unklar – z. B. bei kreativen Fragen – besteht die Aufgabe des Diskussionsleiters in der Klärung dieser beiden Faktoren.

Vorbereitung der Diskussionsleitung

Damit man als „neutrale Instanz“ ein Gespräch zwischen verschiedenen Interessengruppen moderieren kann, muss man sich von Inhalt und Ausgang der Diskussion lösen. Wer selbst Partei ergreift, wird zum Teilnehmer und verliert so seine übergeordnete Orientierungsfunktion. Bedenken Sie, dass nur eine „neutrale Instanz“ von allen Parteien akzeptiert wird. Und diese Akzeptanz ist notwendig, damit ihnen alle Teilnehmer die Führungsrolle zubilligen.

Wenn Sie bemerken, dass Sie emotional zu sehr in ein Thema involviert sind und keine neutrale Distanz herstellen können, sollten Sie die Diskussionsleitung ablehnen.

Als Vorbereitung auf die konkrete Diskussion ist es wichtig, diese vorab übersichtlich strukturieren und präsentieren zu können. Das erste Ziel muss sein, dass alle Teilnehmern ein Thema verstehen und mit einer vorgeschlagenen Lösung / Ziel einverstanden sind. Meist ist hier eine Einführung mit anschließenden Verständnisfragen geeignet, die alle Teilnehmer auf ein Level bringt. Ohne so ein gemeinsames Verständnis ist ein roter Faden – und damit eine gezielte Argumentation – nicht möglich.

Überlegen Sie sich ebenso, wie Sie Beiträge, Ideen oder Argumente in einer laufenden Diskussion festhalten wollen. Gerade bei komplexeren Themen können viele Faktoren wichtig sein, die man sich in einer laufenden Diskussion nicht alle merken kann. Solche Punkte – für alle sichtbar – zu notieren, ist für alle wichtig, um einen Überblick über den Stand des Gesprächs zu behalten.

Vorbereitung der Diskussionsleitung

1. Fertigen Sie sich vor der Diskussion eine Übersicht über die wichtigsten Fragen und Diskussionspunkte an – vergleichbar mit einer Tagesordnung bei einer Sitzung. Machen Sie sich Notizen zu der Frage „wozu“ dieses Thema wichtig ist.

Welche konkreten Eckdaten gibt es? Fragen Sie sich, welche Informationen die Teilnehmer am Anfang brauchen, damit sie das Thema verstehen und bearbeiten können.

2. Notieren Sie zu jedem Punkt, was genau geklärt werden soll. Was ist das Ziel des Themas? Was genau soll erreicht werden? Bedenken Sie – eine gute Vorbereitung ist der halbe Weg zum Ziel einer erfolgreichen Moderation.

3. Überlegen Sie sich vorab, mit welchen Medien (z. B. Tafel, Tageslichtprojektor, Beamer etc.) Sie Themen, Notizen und Ergebnisse präsentieren und festhalten wollen. Stellen Sie die Medien so auf, dass Sie den Kontakt zu den Teilnehmern behalten – ihnen zugewandt bleiben.

4. Um eine Diskussion zielführend zu gestalten, braucht es Regeln. Ein Diskussionsleiter braucht beispielsweise eine Position, die es ihm erlaubt, jemanden das Wort zu erteilen oder zu entziehen. Zudem ist eine bestimmte „Netiquette“ – wie ausreden lassen, Höflichkeit, etc. – wichtig, damit alle Teilnehmer sich wohlfühlen. Welche Regeln Sie genau brauchen, ist von der Gruppe und deren sozialen Kompetenzen abhängig.

Falls Sie noch keine eigenen Regeln haben, können Sie sich unsere Vorschläge im Artikel „Regeln für konstruktive Diskussionen“ ansehen.

Diskussion mit Methoden leiten

Je nachdem welches Ziel Sie bei einer Diskussion anstreben, können Sie unterschiedliche Methoden wählen, die sich für bestimmte Zwecke bewährt haben. Hier einige Beispiele mit Links zu Artikeln, die diese Methoden genauer erklären.

Sehen Sie sich die unterschiedlichen Methoden an und wählen Sie eine passende für den Zweck Ihres Themas. Im Folgenden gehe ich auf die Regeln für eine „normale“ Gesprächsmoderation ein, die Sie für Diskussionen mit „offenem“ Ziel und auch bei kontroversen Themen anwenden können.

Praxis der Diskussionsleitung für Diskussionsleiter

1. Beginnen Sie am Anfang eines jeden Treffens mit einer kurzen Übersicht. Stellen Sie die Themen den Anwesenden vor. Verwenden Sie Visualisierungen (wie eine Tafel, Flipchart, Beamer oder Tageslichtprojektor), die die Themen schriftlich, stichpunktartig zeigen.

Leitfaden Praxis der Diskussionsleitung

Prüfen Sie, ob alle Teilnehmer das Thema verstanden haben und mit einem bestimmten Ziel einverstanden sind. Falls ein Experte im Raum ist, können Sie ihn auch bitten, das Thema vorzustellen. Vor jeder Diskussion muss klar sein, welche Frage von den Anwesenden entschieden oder beraten werden soll.

2. Sobald das Thema verstanden wurde, fragen Sie aktiv nach Wortmeldungen oder sprechen Sachverständige oder Experten an, ob sie etwas Wichtiges zu ergänzen haben.

3. Ist die Diskussion im Gang, achten Sie darauf, dass alle Beteiligten aussprechen können. (Negativbeispiel: Die Diskussionsteilnehmer fallen sich gegenseitig ins Wort). Notieren Sie sich nebenbei die wichtigsten Eckpunkte des Redebeitrags.

4. Ist ein Redebeitrag zu Ende, so fassen Sie diesen Standpunkt in kurzen Sätzen zusammen und achten Sie darauf, dass alle Teilnehmer den roten Faden behalten. (Negativbeispiel: Ein Redner führt seinen Standpunkt sehr ausschweifend aus, schweift vom Thema ab oder drückt sich sehr unklar aus. Am Ende wissen die Diskussionspartner nicht mehr, auf welchen Aspekt sie eingehen sollen – oder schweifen gar selbst völlig vom Thema ab.)

5. Achten Sie darauf, dass die Sprechzeiten der Teilnehmer etwa gleich verteilt werden. Jeder Beteiligte sollte die Chance bekommen, seinen Standpunkt darzulegen. (Negativbeispiel: Ein Vielredner monologisiert einen Großteil der Zeit, während andere Beteiligte kaum oder gar nicht zu Wort kommen.)

6. Werden Redner beleidigend oder verletzend, unterbrechen Sie deren Ausführungen. Bitten Sie den Teilnehmer am Sachaspekt der Frage zu bleiben und Vorschläge zu bringen, wie das Problem geklärt werden kann.

7. Notieren Sie sich die wesentlichen Argumente der Beteiligten, damit Sie am Ende der Diskussion Pro/kontra-Punkte nochmals in einer Zusammenfassung nennen können. Reduzieren Sie die Argumente dabei auf die wesentlichen Prämissen und Schlussfolgerungen. Ein Tipp ist, die Argumente – für alle sichtbar – auf eine Flipchart (oder Tafel) zu notieren, damit alle Beteiligten vor Augen haben, welche Aspekte des Themas bereits besprochen wurden. Dies kann Ihnen dabei helfen, Wiederholungen und Redundanzen von Redebeiträgen zu vermeiden.

8. Wenn die Teilnehmer beginnen sich zu wiederholen, weisen Sie darauf hin, dass Herr X dieses Argument bereits gebracht hat und fragen Sie nach, ob der Diskussionsteilnehmer noch andere Aspekte vorzutragen hat, die bislang noch nicht genannt wurden. Damit soll vermieden werden, dass sich das Gespräch ab einem bestimmten Zeitpunkt im Kreis dreht.

9. Behalten Sie für sich immer den roten Faden der Diskussion im Kopf – halten Sie sich die Frage bzw. das Ziel der Diskussion immer vor Augen. So können Sie Abschweifungen oder eine Themaverfehlung leichter erkennen.

10. Wenn Sie einen Teilnehmer das Wort entziehen, eine Frage stellen oder anderweitig die Diskussionsführung beeinflussen, denken Sie immer daran, freundlich, neutral und sachlich zu bleiben. Es gibt keinen effektiveren Weg die eigene Kompetenz zu untergraben als unsachlich, parteiisch, undiplomatisch oder unhöflich zu sein.

11. Bedenken Sie – ein Diskussionsleiter moderiert und strukturiert Redebeiträge als neutrale und übergeordnete Instanz. Auf keinen Fall sollte er selbst eine von ihm präferierte Position in der Diskussion vertreten. Damit kommt er leicht in die Versuchung, Beiträge der Teilnehmer selektiv auszuwählen oder nach eigenen Maßgaben zu gewichten. Es sollte einsichtig sein, dass damit jede offene Diskussion von vornherein zum Scheitern verurteilt ist. Ein guter Diskussionsleiter verhält sich völlig neutral und achtet „nur“ darauf, dass die Diskussionspartner am Thema bzw. an den wesentlichen Fragen bleiben.

12. Fallen keine neuen Argumente mehr in der Diskussion, übernehmen Sie das Wort und fassen den bisherigen Stand (Aufzählung aller Pro/kontra-Argumente) in kurzen und knappen Sätzen zusammen.

13. Überlegen Sie sich vorher, wie man mit kontroversen Standpunkten am Ende einer Diskussion umgehen kann. Wie kann das Thema zum Ziel (z. B. einer Entscheidung) geführt werden? Sind alle Informationen für eine Entscheidung vorhanden (genannt worden) oder braucht es noch Experten/ Informationen, die der Teilnehmerrunde jetzt noch nicht zur Verfügung stehen. Machen Sie am Ende einen Vorschlag, wie man konstruktiv mit dem Ergebnis der Diskussion umgehen kann. Falls alle Argumente oder Informationen auf dem Tisch liegen, können Sie die Beteiligten abstimmen lassen.

14. Falls eine Diskussion später fortgeführt werden muss, fertigen Sie ein Memo an, welches den aktuellen Stand wiedergibt. Händigen Sie es vor dem nächsten Treffen an die Teilnehmer aus, sodass diese dann an den letzten Stand anknüpfen können.

Viel Erfolg beim Moderieren von Diskussionen!

Aris Rommel