Übung: Wie man „aktives Zuhören“ lernt

Die Grundlage für jedes Gespräch ist, dass wir einander richtig oder „aktiv“ zuhören. So einfach das klingt, aber die meisten Menschen hören nicht zu und verstehen nicht, was der Andere sagt. Hier beschreiben wir, was mit „aktivem“ Zuhören gemeint ist und wie man es üben kann.

Was heißt „aktiv Zuhören“?

Jemand hört aktiv zu, wenn man als Zuhörer ein ehrliches Interesse am Thema hat. Es geht dabei nicht nur darum, akustisch zu verstehen, was der Andere sagt, sondern um ein „Verstehen wollen“, was der andere meint. Viele geben sich damit zufrieden, irgendetwas zu verstehen und prüfen nicht, was der Sprecher wirklich zum Ausdruck bringen will. Sprich – das, was jemand sagt und wie es verstanden wird, können völlig unterschiedliche Dinge sein.

Was ist aktiv zuhören

Aktives Zuhören bezeichnet also einen Verständnisprozess, bei dem man aktiv prüft, ob man das Gesagte richtig einordnet. Dazu muss man Fragen stellen, wenn man sich nicht sicher ist, welche Bedeutung eine Aussage hat. Speziell dann, wenn mehrere Möglichkeiten offen stehen, Kontexte unklar oder Aussagen sehr allgemein formuliert sind.

Ein aktives Zuhören kann durch verschiedene Verhaltensweisen ausgedrückt werden. Im Weiteren liste ich einige Indizien auf, anhand derer Sie ein aktives Zuhören erkennen können. Sie enthält Beispiele, die Sie auf reale Gesprächssituationen übertragen können.

Körpersprache beim aktiven Zuhören

Wenn wir kommunizieren, senden wir auch mit dem Körper Signale aus, die man als nonverbale Kommunikation bezeichnet. Dies geschieht in den meisten Fällen unbewusst, indem wir unsere Mimik, Gestik oder Körperhaltung im Gespräch verändern. Sie geben oft unsere Stimmung wieder und signalisieren dem Gegenüber, wie wir uns aktuell fühlen.

Dabei lernen wir oft aufgrund von früheren Erlebnissen, wie solche Körpersignale gedeutet werden können. So kann ein bestimmter Gesichtsausdruck oder eine Geste als ablehnend oder als zustimmend gedeutet werden. Da wir solche Körpersignale aber oft nicht thematisieren, liegt hier ein großes Feld für Missverständnisse. So mag ein „ernster Blick“ in einem Fall ein Signal für Ablehnung, in einem anderen Fall ein Ausdruck von Konzentration sein.

Körpersprache

Viele sind sich nicht sicher, wie sie die nonverbale Kommunikation ihres Gegenübers deuten sollen. Und ein offenes Gespräch ist nur dann möglich, wenn der andere seine Bereitschaft dazu zeigt. Insofern lassen sich viele Missverständnisse und Unsicherheiten vermeiden, wenn man beim Anderen im Zweifelsfall nachfragt, ob man seine Körpersprache richtig deutet.

Offene Fragen stellen

Aktiv zuzuhören setzt eine Bereitschaft voraus, sich selbst zurückzunehmen und einem Anderen den Raum zu überlassen sich auszudrücken. Er / Sie soll den Raum und die Zeit bekommen, einen Sachverhalt, Emotion, Befindlichkeit etc. in eigenen Worten angemessen auszudrücken. Dabei will man zuerst möglichst vollständig verstehen, worum es bei dem Thema geht. Hierzu können offene Fragen sehr hilfreich sein, dem Sprecher zu zeigen, dass man ihn verstehen will.

Beispiele für offene Fragen sind: „Möchtest du über XY mehr erzählen …“, „Worin besteht für dich der Unterschied zwischen XY …?“ , „Ich verstehe nicht, wie du XY meinst?“ oder „Das hört sich an, als ginge es dir sehr nahe …“. Das Kennzeichen für offene Fragen ist, dass man den Antwortraum nicht vorgibt, wie es bei Ja-Nein-Fragen der Fall wäre.

Wichtig ist in dieser Phase, dass man Wertungen, Kritik oder anderweitig ablehnende Signale vermeidet. Der Prozess, den anderen möglichst gut zu verstehen, ist aber nur der erste Schritt. Nachdem man sein Gegenüber richtig verstanden hat, ist auch eine (kontroverse) Diskussion oder konstruktive Kritik angemessen und fruchtbar.

Paraphrasieren – offene Fragen klären

Während offene Fragen dabei helfen können, ein Thema zu entfalten, dient die Paraphrase dazu, das eigene Verständnis zu prüfen. Paraphrasieren bedeutet, eine fremde Aussage sinngemäß in eigenen Worten wiederzugeben (siehe auch unseren Artikel: „Paraphrase: Paraphrasieren lernen leicht gemacht„). Nicht jeder Sprecher ist fähig, sein Anliegen präzise oder unmissverständlich vorzutragen. Nicht wenige drücken sich sehr allgemein aus und werden erst dann konkreter, wenn man nachfragt. Eine Paraphrase ist gelungen, wenn der Sprecher meiner Interpretation zustimmt.

Paraphrasieren

Verbalisieren emotionaler Erlebnisinhalte

Verbalisieren Sie die Gefühle, die Sie aus den Aussagen Ihres Gesprächspartners heraushören. Denn neben dem eigentlichen Inhalt sind auch die damit verbunden Gefühle wichtig. Sie färben ein Thema ein und geben ihm seine spezielle Bedeutung. Beispielhafte Fragen hierzu wären:

  • Wie fühlst du dich in der Situation?
  • Hast du Zweifle an …?
  • Fürchtest du, dass …?
  • Freust du dich über …?

Anhand der Antworten kann man oft besser einordnen, wie jemand eine spezielle Situation erlebt und warum sie mit solchen Gefühlen verbunden ist.

Ausreden lassen

Lassen Sie Ihren Gesprächspartner in Ruhe ausreden. Er soll den Eindruck haben, dass Sie sich für ihn Zeit nehmen und er alles sagen kann, was ihm wichtig ist. Den Anderen zu unterbrechen, zeugt eher von Desinteresse und Egoismus.

Wofür ist Aktives Zuhören nützlich?

Wenn Sie aktiv zuhören, dann zeigen Sie Interesse an Ihrem Gesprächspartner. Das erzeugt Vertrauen. Es entsteht eine lockere und freundliche Atmosphäre, in der es leichter ist, offen über sich selbst und seine Wünsche oder Probleme zu reden.

Gerade wenn es um schwierige oder emotional stark belastete Themen geht, können Sie durch aktives Zuhören Ihrem Gegenüber zu einer positiven, lösungsorientierten Sichtweise verhelfen. Zu einem Streit gehören immer zwei Parteien, die den Zwist aktiv befeuern. Sobald eine Partei aufhört zu streiten und ein verständnisvolles Gespräch sucht, kann sich die Situation entschärfen. Weg von den Vorwürfen, hin zu einem lösungsorientierten Gespräch.

Übung zum aktiven Zuhören

Besprechen Sie vorab mit den Teilnehmern die Regeln und Kriterien des aktiven Zuhörens. Setzen Sie sich zu zweit oder in einer Dreiergruppe gegenüber. A redet, B hört aktiv zu (und C ist der Metabeobachter, der darauf achtet, dass ‚richtig‘ aktiv zugehört wird). Das Thema lautet „Was mich am meisten nervt“.

  • A beginnt zum Thema zu erzählen.
  • B versucht sich in den anderen hineinzudenken und zu -fühlen und wendet die oben angegebenen Verhaltensweisen an.
  • Nach etwa 10 Minuten gibt A Feedback, ob er den Eindruck hatte, dass B ihm aktiv zugehört hat.
  • Falls ein Metabeobachter C anwesend war, kann er A und B zusätzlich seinen Eindruck vom Gespräch nennen.

Anschließend wechselt man die Rollen, sodass jeder Teilnehmer Erfahrungen machen kann, wie sich ein aktives Zuhören auf ein Gespräch auswirkt.

Für das aktive Zuhören gibt es nur formale Verhaltensregeln, die anfangs etwas steif und gewöhnungsbedürftig wirken. Es ist aufwendig und erfordert viel Aufmerksamkeit und Zuwendung, die viele im Alltag überfordert. Daher ist es wichtig zu verstehen, in welchen Situationen diese Methode für alle Seiten ein Gewinn ist. So kann es bei Konflikten oder regelmäßigen Streitthemen eine Lösung sein, um festgefahrene Positionen aufzuweichen. Denn oft beruhen diese auf einem gegenseitigen Missverstehen des anderen – man sieht vor lauter Problemen nicht, dass es auch Lösungen gibt – oder geben könnte, wenn man einen Schritt auf den anderen zumacht.

Man zeigt damit, dass man ein wirkliches Interesse am Anderen, seinem Empfinden, seinen Gefühlen und seinen Werten hat.

Viel Erfolg beim aktiven Zuhören!

Andrea Munich