Ideale Kommunikation: Das verständigungsorientierte Gespräch

In diesem Artikel will ich der Frage nachgehen, wie ein ideales Gespräch zwischen Menschen aussieht. Welche Kriterien führen zu einer idealen Kommunikationssituation? Wenn Sie Wert darauf legen freundlich, respektvoll und verstehend zu kommunizieren, finden Sie im folgenden einige Perspektiven, die Ihnen weiter helfen werden.

Verständigung ist eine Frage der Einstellung

Wenn ein Gespräch aus den Fugen gerät und zu Streit, Missverständnissen oder Rechthaberei führt, ist etwas grundsätzlich schiefgelaufen. Freundschaftliche Beziehungsverhältnisse mögen solche Extreme durchaus vertragen, aber als Dauerzustand vergiften wir damit unsere sozialen Beziehungen.

Streit machtorientierte Kummunikation

Gerade Menschen, die wenig Wert auf Empathie legen, übersehen oft „banale“ Signale wie den Tonfall, Formulierung und ihre Körpersprache, die anschließend zur Eskalation führen. Da es schwierig ist eher unbewusste Verhaltensgewohnheiten anzugehen, ist der erste positive Schritt auf den Inhalt der eigenen Aussagen zu achten.

Daher will ich im Folgenden auf eine relativ einfache Differenz eingehen, die ich „verständigungsorientierte“ versus „machtorientierte“ Kommunikation nenne, die sich am Inhalt und der Form des Gesprächs zeigt. Mit etwas Übung lässt sie sich leicht erkennen, was die Möglichkeit eröffnet, die Richtung des Gesprächs aktiv zu lenken.

Bitte bedenken Sie: Wenn ein Gespräch außer Kontrolle gerät, müssen sich ALLE Gesprächspartner falsch verhalten – somit auch Sie selbst. Sobald sich auch nur eine Partei verständigungsorientiert zeigt, funktioniert kein Streit.

Die fruchtbarste Perspektive ist bei den eigenen Gewohnheiten anzufangen – an sich selbst zu arbeiten. Andere Personen erziehen zu wollen ist in den meisten Fällen völlig zwecklos. Man sollte bereit sein selbstkritisch zu denken und eigene Verhaltensweisen zu ändern.

Dies ist zwar nicht leicht, aber der Gewinn ist, dass man am Ende Freundlichkeit, Einfühlungsvermögen, Spaß und Freude im eigenen Umfeld fördert. Zumindest für mich war das Motivation genug, um meine eigenen negativen Verhaltensweisen erkennen und verändern zu wollen.

Was meint verständigungsorientiertes Gespräch?

Ein verständigungsorientiertes Gespräch beginnt mit der Einstellung, die man zu anderen Menschen hat. Denn ein „Verstehen-wollen“ setzt voraus, dass man ein Weltbild von anderen Menschen als Bereicherung und nicht als „Gefahr“ ansieht. Es setzt die Erkenntnis voraus, dass es mehr als die eigene Perspektive auf Dinge, Situationen und Menschen gibt.

Was ist verständigungsorientierte Kommunikation

Dabei stehen unterschiedliche Perspektiven nicht in Konkurrenz zueinander, sondern erweitern die Möglichkeiten, die Welt wahrzunehmen, zu interpretieren und zu bewerten. Da man nur sehen kann, was und wie man selbst beobachtet, können andere Arten der Beobachtungen zu neuen Erkenntnissen führen oder eigene blinde Flecken aufdecken. Wie R. A. Wilson sagt: „Was der Denker denkt, wird der Beweisführer beweisen.“

Insofern sind verständigungsorientierte Gespräche immer „ergebnisoffen“, d. h., man arbeitet erst gar nicht darauf hin, jemanden vom eigenen Standpunkt zu überzeugen, sondern lässt im Verständigungsprozess Spielraum für einen Wandel der (eigenen) Ansichten. Eine Meinung muss primär verstanden werden, nachvollziehbar sein – es gibt dabei weder etwas anzugreifen, noch etwas zu verteidigen.

Dies funktioniert allerdings nur dann, wenn man die Fähigkeit „seine Meinung zu ändern“ als Stärke und nicht als Charakterschwäche sieht. Der Gewinn ist eine neue Sicht der Dinge.

Jemanden in dieser Form zu verstehen heißt jedoch nicht, seine eigene Meinung aufzugeben oder nur opportunistisch sein Fähnchen in den Wind zu hängen. Denn man kann auch NACHDEM man jemand anderen verstanden hat unterschiedlicher Meinung sein.

Verständigungsorientierte Kommunikation

Das Ziel bei jedem verständigungsorientierten Gespräch ist es zu verstehen und selbst verstanden zu werden – also ein zweiseitiger Prozess, den beide Gesprächspartner anstreben.

In diesem Sinne gibt es weder Gewinner noch Verlierer – dennoch ist es eine Win-Win-Situation, da man nach einem erfolgreichen Prozess den Anderen ein Stück weit näher gekommen ist oder ihn besser nachvollziehen kann.

Hierzu müssen alle Gesprächspartner bereit sein, denn es ist Offenheit, Wahrhaftigkeit und Einfühlungsvermögen nötig, damit ein solches Gespräch überhaupt gelingen kann. Falls auch nur eine Partei sich weigert, verstehen zu wollen, recht haben will, Druckmittel einsetzt o. ä. pervertiert das Gespräch.

Fragen zeigen Interesse am Anderen

Das einfachste Kriterium eines verständigungsorientierten Gesprächs sind aktive Fragen. Denn nur aktive Fragen erlauben es, den Standpunkt des anderen zu rekonstruieren und so verstehen zu lernen. Ob man die Antworten verstanden hat, lässt sich mit Paraphrasen prüfen. Paraphrasen sind der „Checkpoint“ mit dem getestet werden kann, ob das, was man verstanden hat, auch das ist, was gemeint war.

Die Nachvollziehbarkeit des eigenen Standpunktes kann man dem Gegenüber durch eine transparente Argumentation erleichtern, d. h., man begründet seine Behauptungen und erklärt, wie man bestimmte Schlussfolgerungen daraus zieht.

Dies setzt Kommunikationskompetenz voraus, denn man muss einen roten Faden formulieren und konzentriert beibehalten können. Ständige Themensprünge, unbegründete Behauptungen, Schlussfolgerungen ohne Argumente o. ä. erschweren das Verstehen oder machen es unmöglich.

Das Ziel bei einem verständigungsorientierten Gespräch ist – beispielsweise bei Dissensen – Handlungsoptionen oder Lösungsmöglichkeiten mit dem Anderen kreativ zu erarbeiten. Ideal wäre es, eine Synthese der beiden Standpunkte zu finden, die beiden Ansichten am gerecht wird, d. h. die Wünsche und Bedürfnisse aller Beteiligten berücksichtigt.

M. D. Eschner hat die Einstellung der Beteiligten an einem verständigungsorientierten Gespräch einmal wie folgt zusammengefasst:

  • Miteinander reden – statt überreden
  • Aufeinander hören – statt weghören oder Ignoranz
  • Füreinander handeln – statt gegeneinander.

Wer diese Einstellung hat, wird gute Chancen haben eine glückliche Beziehung zu führen, Dissens als Chance zu einer Änderung zu nutzen oder allgemein mit Menschen gut auszukommen. Allerdings kenne ich keinen Menschen, der die genannten Fähigkeiten „natürlicherweise hat“ bzw. eine solche Gesprächsform gewohnheitsmäßig anstrebt oder ausführt.

Der „Normalfall“ ist meiner Beobachtung eher die machtorientierte Kommunikation, die ich als Gegenspieler vorstellen will.

Was meint machtorientierte Kommunikation?

Viele Menschen gehen bei Meinungsverschiedenheiten davon aus, dass sie die „richtige“ oder „wahre“ Perspektive vertreten, von der das Gegenüber „überzeugt“ werden muss. Das Ziel des Diskurses ist es, den Anderen zur „Aufgabe“ seines Standpunktes zu bewegen – das eigene „Recht haben“ anzuerkennen.

Machtoreintierte Kommunikation Streitgespräche

Beim „Recht haben“ muss es immer einen Gewinner und Verlierer geben. Damit ist der Gesprächsausgang von vornherein festgelegt, d. h., es geht nur noch darum, wie man den „Kontrahenten“ zur Annahme des eigenen Standpunktes nötigt.

Man beginnt die Argumente des „Gegners“ zu zerlegen, seine Schwächen zu analysieren, um sie dann geschickt widerlegen oder gegen ihn zu verwenden. Das Resultat ist damit fast zwangsläufig ein Streitgespräch, das mindestens für den „Verlierer“ unschön endet.

Solange ein Gespräch nur Gewinner und Verlierer zum Ausgang haben kann, ist es machtorientiert, d. h. es geht letztlich nur darum zu kämpfen, wer recht bzw. unrecht hat.

Das Problem ist, dass man Menschen so nicht überzeugen kann – im Gegenteil. Druck erzeugt Gegendruck und es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich der Verlierer widersetzt, die gewünschte Kooperation sabotiert oder das Ganze einfach ignoriert und geht.

Machtorientierten Menschen übersehen die Konsequenzen ihres Handelns, welches ein altes Sprichwort – „Wer Recht haben will, muss den Krieg lieben.“ – auf den Punkt bringt. Denn wer andere wirklich überzeugen und zum Handeln anleiten will, muss sie zuallererst verstehen.

Das Ziel machtorientierter Kommunikation ist immer die Manipulation des anderen – völlig egal, ob man den anderen nur tot quatscht, Druckmittel einsetzt oder ihn zum Idioten stempelt. Kurzfristig mag man so seine Meinung durchsetzen, aber langfristig baut man sich nur von Gegnern auf, die nur darauf warten, es einem heimzuzahlen.

Zusammenfassung der Kriterien

Wer Gespräche selbst einschätzen will, kann sich diese kurze tabellarische Zusammenfassung ansehen. Stellen Sie sich dabei die Gesprächssituation vor und fragen sich, welche Kriterien für Sie beobachtbar waren.

VerständigungsorientiertMachtorientiert
Ergebnisoffenes Gesprächsziel
Primär verstehen / verstanden werden
Miteinander reden
Aufeinander hören
Füreinander Handeln
Nachfragen / Paraphrasieren
Offenheit
Wahrhaftigkeit
Empathie
Win-Win-Situation
Feste Meinung
Den eigenen Standpunkt verteidigen
Jemand überreden
Weghören / Ignoranz
Gegeneinander handeln
Die andere Meinung widerlegen Manipulation
Gefühle oder Argumente als Druckmittel
Interessen ignorieren
Win-Lose-Situation

Übungen zur verständigungsorientierten Kommunikation

Gesprächstypen unterscheiden lernen

Hören Sie Gesprächen zwischen Menschen zu und versuchen Sie die genannten Kriterien darin zu entdecken. Versuchen Sie bei mindestens 4 unterschiedlichen Gesprächen zu erkennen, ob diese verständigungsorientiert oder machtorientiert verliefen. Machen Sie sich Notizen, anhand welcher Kriterien Sie zu welcher Schlussfolgerung kommen.

Gesprächsführung selbstkritisch beobachten

Versuchen Sie bei einem Dissens festzustellen, wie Sie sich auf ein „Streitgespräch“ vorbereiten. Wollen Sie den anderen wirklich verstehen oder geht es eher darum eine „Kampfargumentation“ vorzubereiten?

Konsequenzen vor Augen halten

Welche Vorteile hat es langfristig, wenn sich Menschen von Ihnen verstanden und nicht gedrängt oder überredet fühlen? Wie entwickelt sich eine Beziehung zwischen Menschen, die verständigungsorientiert bzw. machtorientiert verläuft?

Umgang mit machtorientierten Menschen

Leider gibt es auch Menschen, denen ein Verständnis von Anderen völlig egal ist. Sie haben mit Druckmitteln, Zwang, Manipulation oder Machtdemonstrationen kurzfristig Erfolg. Sie haben es nicht anders gelernt – Kontroversen sind für sie ein Ventil kurzfristig „Dampf abzulassen“.

Da Verständigung nur beidseitig funktioniert, kann man hier auch auf Granit beißen. Wenn sich überhaupt etwas ändert, dann nur dann, wenn Sie langfristig vorbildhaft agieren. Ob Sie für einen solchen Kraftakt bereit sind, müssen Sie selbst entscheiden.

Wer die Beziehung – z. B. im Beruf bei einem cholerischen Chef – nicht freiwillig wählen bzw. verlassen kann, hat nur die Möglichkeit die Wirkung negativer Gespräche zu mildern. Eine Option ist auf der Sachebene zu bleiben und persönliche Anspielungen konsequent zu ignorieren.

Persönliche Beziehungen leben hingegen von einem gleichgestellten Verhältnis der Gesprächspartner. Hier haben Sie eine echte Wahl, wie und wen sie in ihr soziales Umfeld lassen wollen. Machtorientierte Verhältnisse funktionieren eben nur, solange mindestens ein Beteiligter bereit ist, sich dauerhaft unterzuordnen.

Damit bin ich mit meiner Ausarbeitung am Ende und hoffe Ihnen wertvolle Perspektiven gezeigt zu haben, wie Sie Kommunikationssituationen neu kennenlernen und bewerten können.

Meiner Erfahrung nach ist das Streben zu verständigungsorientierter Kommunikation nie abgeschlossen. Obwohl ich seit über 30 Jahren danach strebe, lerne ich heute noch hinzu. Der Vorteil ist, dass ich mit Menschen immer besser auskomme – glückliche Beziehungen führe und manchen unnützen Kleinkrieg mit anderen nicht mehr nötig habe.

In diesem Sinne – viel Erfolg bei Ihren Bemühungen!

Tony Sperber