Was sind Träume?

Obwohl wir jede Nacht träumen, ist die Frage „Was sind Träume“ nicht leicht zu beantworten. Die folgenden Perspektiven auf Träume erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern soll Sie mit unterschiedlichen Sichtweisen inspirieren, sich eine eigene Meinung zu bilden.

Bedeutung von Träumen in der Geschichte

Die Frage „Was Träume bedeuten“ hat schon die alten Ägypter beschäftigt, die vor rund 4000 Jahren erste Aufzeichnungen über Traumsymbole und Traumdeutung anfertigten. Die Ägypter glaubten in Träumen, den Göttern und der Götterwelt selbst zu begegnen, unterschieden aber zwischen „gewöhnlichen“ und „heiligen“ Träumen. Insbesondere die Träume wichtiger Personen fanden große Beachtung und wurden von den Priestern als Orakel gesehen und gedeutet.

Was sind Träume

Ebenso findet man Traumaufzeichnungen in Mesopotamien, Babylon, bei den Juden im alten Testament und in islamischen Schriften des Propheten Mohammed. Interessant ist, dass Mohammed seinen Jüngern zwar lehrte, dass Menschen im Schlaf in eine spirituelle Welt eingehen, in der Raum und Zeit nicht mehr existieren, führte aber auch den Standpunkt ein, dass man persönliche Merkmale des Träumers (z. B. Herkunft, Beruf, sozialer Stand, Alter etc.) beim Deuten berücksichtigen müsse.

In all diesen Kulturen herrscht eine theologische Deutung von Träumen vor. Man interpretierte sie als Botschaft der Götter, Geister oder Dämonen usw., also als Kommunikation mit einer transzendenten Welt.

Einige Historiker glauben, dass diese Sicht auf die Traumwelt, die Sagen und Mythen der jeweiligen Kulturen mit Geschichten und wunderlichen Wesen belebten und daher die Quelle für die Vielfalt an Fabelwesen wie Riesen, Zentauren, Drachen usw. waren.

Die antiken Griechen übernahmen anfangs zwar ebenfalls viele Sichtweisen von älteren Kulturen, doch ihre Philosophen fingen an, neue Fragen zu stellen. Heraklit vertrat beispielsweise die Auffassung, dass Träume im „Inneren des Träumers“ entstehen und damit nicht als Botschaften der Götter aufzufassen sind.

Auch Aristoteles argumentierte, dass Träume keine Botschaft der Götter sein können, da nicht nur die Weisen und Vernünftigen träumen, sondern auch die Dummen – wodurch allerlei Unsinn entstünde. Für ihn waren Träume eher ein Resultat aus dem sinnlichen Erleben des Einzelnen. Er glaubte, dass Träume den Ärzten Hinweise auf bestimmte körperliche Leiden geben können und sich dort bereits Symptome einer Krankheit vor deren Erscheinen zeigte.

Er definierte einen Traumdeuter als Menschen, der „einen Blick auf Ähnliches“ haben müsse, um die Sprache der Träume zu erkennen und passend zu interpretieren. Insofern könnte man sagen, dass die griechischen Philosophen den Grundstein für eine „wissenschaftliche“ Perspektive zum Thema Träumen gelegt haben.

Was sind Träume in der Psychologie?

Den ersten Schritt zu einer „moderneren“ Auffassung von Träumen hat in der Psychologie Sigmund Freud mit seinem Werk „Die Traumdeutung“ gelegt. Dort beschreibt er den Zusammenhang zwischen der persönlichen Lebensgeschichte einer Person und dem Inhalt von Träumen. Mit dem Begriff des „Unbewussten“ hat er auch erstmals ein neuen „Ort“ definiert, an dem sich Träume ereignen.

Für ihn waren Träume (verdrängte oder kindliche) Wunschvorstellungen des Träumenden, die sich im realen Leben nicht erfüllen ließen. Er sah Menschen als triebgesteuerte Wesen, die aufgrund der herrschenden Moralvorstellungen Probleme, speziell mit dem Ausleben ihrer sexuellen Triebe, hatten.

Da Sex zu dieser Zeit ein Tabuthema war, hat er mit seiner Ansicht für einige Aufregung gesorgt. Darüber hinaus wird er bis heute dafür kritisiert, dass seine Sicht – die Ursache von Träume seien „verdrängte Triebregungen infantil-libidinöser Art“ – zu engstirnig ist.

Was sind Träume Traumdeutung

Carl Gustav Jung sah in Träumen hingegen eher eine Aufarbeitung des Tagesgeschehens einer Person, die sich nicht nur auf Libido, unterdrückte Sexualität usw. beschränken ließ. Besonders interessierten ihn „bedeutende“ Träume, d. h. archetypische, präkognitive, sich wiederholende und kompensatorische Träume. Sich wiederholende Träume waren für in ein Fingerzeig, dass das Unterbewusste ein Problem aufzeigt und zu lösen versucht.

Er war der Meinung, dass es ein kollektives Unterbewusstsein geben müsse – also ein Unterbewusstsein, das sich nicht auf einen einzelnen Menschen beschränkt. Ähnlich, wie wir in der Evolution unsere Gene teilen und vererben, so vererben wir auf einer mentalen Ebene ein kollektives Unterbewusstsein.

Präkognitive Träume sind nach C. G. Jung Träume, in denen wir – wie in einer Art Zukunftsschau – reale künftige Ereignisse vorhersehen. Obwohl er für solche präkognitiven Träume keine wissenschaftliche Erklärung fand, hat er doch eine Vielzahl beobachtet und festgehalten.

Unter dem Strich finde ich es dabei interessant, dass diese Pioniere einen Ort erfunden haben, der sich als „Unbewusstes“ oder „Unterbewusstes“ im allgemeinen Denken etabliert hat – auch wenn im Grunde niemand weiß, wo dieser Ort liegt oder was er genau sein soll.

Viele gehen heute wie selbstverständlich davon aus, dass Träume eine Art Zwiesprache oder Kommunikation zwischen dem Bewusstsein und dem Unterbewusstsein sind. Dies mag die recht eigenwillige Sprache von Träumen plausibilisieren, erklärt jedoch nicht, wie man auch von einer „realen“ Zukunft träumen kann.

Was sind Träume in der Gehirnforschung / Medizin?

In der Gehirnforschung werden Träume mit „mechanischen Hilfsmitteln“ wie EEGs oder MRTs sichtbar gemacht, d. h., man kann optisch Gehirnareale bestimmen, die beim Träumen aktiv sind. Das Problem dabei ist, dass diese Beobachtungen keinerlei Rückschlüsse auf die Bedeutung der Gehirnaktivität zulassen.

Insofern wundert es nicht, dass man in der Gehirnforschung von „zufälligen Erregungsmustern“ im Hirnstamm spricht, wobei der „Cortex versucht, aus diesem Chaos Muster zu bilden und Bedeutung zu erzeugen“. Demzufolge folgen Träume keinem „höheren Zweck“. Man bezweifelt auch, dass Träume irgendeine sinnvolle Bedeutung haben.

Aus medizinischer Sicht ist hinzuzufügen, dass Wachen und Schlafen – also eine kontinuierliche Bewusstseinsveränderung – wichtig für unsere geistige und körperliche Gesundheit ist. Es ist beispielsweise bekannt, dass Menschen, die länger als 48 Stunden nicht schlafen, mit Funktionsstörungen des Körpers (z. B. Kreislaufbeschwerden, Halluzinationen, Wahnvorstellungen, Gleichgewichtsproblemen u. ä.) zu kämpfen haben.

Der regelmäßige Bewusstseinswechsel zwischen Wachen und Schlafen scheint für Körper und Geist lebensnotwendig zu sein.

Spirituelle / individuelle Bedeutung von Träumen

Das Phänomen des Träumens spielt in nahezu allen Religionen oder esoterischen Richtungen eine tragende Rolle. Da es hier viele verschiedene Deutungen gibt, werde ich mich im Folgenden nur auf wenige Kernthesen beschränken, die in spirituellen Glaubenssystemen eine tragende Rolle spielen.

Ältere Religionen weisen Träumen immer wieder eine prophetische Eingenschaft zu, in denen der Träumer mit Göttern, Engeln oder anderen Wesenheiten Kontakt aufnehmen kann. Da das Traumbewusstsein vom Alltag losgelöst ist, wird es möglich Botschaften von der „Anderswelt“ oder einer „höheren Ebene“ zu empfangen.

Die Juden entwickelten mit der Kabbalah als Erste ein Deutungssystem, in dem Symbole mit einer festen Bedeutung verknüpften. In ihrer Welt spricht Gott durch Zeichen mit uns, wobei sein Zeichenmittel die Welt und die darin stattfindenden Ereignisse sind. Wer also die „Sprache Gottes“ verstehen will, muss einerseits Ereignisse nicht als Zufall, sondern als „Zeichen“ verstehen und sie anschließend zu deuten wissen.

In ihren kabbalistischen Aufzeichnungen werden Zeichen und ihre Bedeutung systematisch erfasst und mit anderen Symbolen in Beziehung gesetzt. Insofern könnte man die Kabbalah auch als das erste „Traumdeutungsbuch“ bezeichnen.

Allerdings muss man kritisch bemerken, dass die Juden davon ausgingen, dass Zeichen eine universelle Bedeutung haben – sprich ein „Traumsymbol“ für jeden das Gleiche bedeutet. Auch heutige Traumlexika setzen diese Tradition fort – hier ändert sich – je nach Autor – nur die Deutung der Symbole.

Erst in der Neuzeit begann man Träume individueller zu sehen, d. h. man löste sich von der Allgemeingültigkeit von Symbolen und betrachtete sie vielmehr als Ausdruck einer einzelnen Psyche. Der Hintergrund war die Erkenntnis, dass Menschen ein und demselben Symbol völlig unterschiedliche Bedeutungen zuweisen.

Welches Symbol – oder Traumbild – für welchen Zusammenhang steht, bestimmt unter dem Strich die persönliche Erfahrung des Einzelnen. So kann eine Vaterfigur für den einen eine positive Erfahrung aus der Kindheit sein, während für den anderen sehr schlechte Erlebnisse damit verbunden sind. Sprich – was ein Symbol für den Einzelnen wirklich bedeutet, hängt von seinem Erfahrungshintergrund ab.

Insofern raten heute auch viele Traumratgeber mit einem Traumtagebuch die EIGENE Bedeutung von Traumsymbolen zu erforschen. Bei dieser Erforschung sind Traumlexika eher hinderlich. Es geht vielmehr darum, die individuelle Sprache seiner eigenen Psyche zu verstehen – sprich sich selbst und die eigene Bedeutung der Welt zu ergründen.

Wie man dabei vorgehen kann, haben wir in den Artikeln „Traumdeutung lernen: Erfahrungsbericht eines Träumers“ und „Traumdeutung: Wozu soll man Träume deuten?“ beschrieben.

Fazit

Was Träume wirklich sind, kann bis heute niemand zweifelsfrei sagen. Mir erscheinen diese Perspektiven wie eine Art einzelner Puzzleteile eines größeren Mosaiks. Jede Perspektive zeigt einen Ausschnitt und hat damit eine Berechtigung, aber keine zeigt das vollständige Bild.

Auch die moderne Psychologie liefert nur eine recht grobe Skizze, die nur einige Traumphänomene plausibel erscheinen lassen. Solange wir nicht wirklich wissen, was der „unbewusste“ oder „unterbewusste“ Teil eine Psyche wirklich sein soll, ob er nur in einer Person oder in allen Menschen gleichsam wirkt, ob Zeit und Raum eine Rolle spielen etc., spekulieren wir nur mit moderneren Glaubenssätzen.

Wenn mich Menschen fragen, welchen Nutzen so eine »Scheinwelt« für uns hat, antworte ich gerne mit Beispielen, die Geschichte gemacht haben. So entdeckte August Kekulé in einem Traum die chemische Struktur des Benzolrings, was die moderne Chemie revolutionierte. Auf Wikipedia finden Sie dazu unter „Bedeutende Träume“ eine ganze Sammlung von Träumen, die die Welt verändert haben.

Träume sind somit nicht per se sinnlos, sondern können für uns – wenn wir sie zu deuten lernen – eine interessante Quelle für Inspirationen sein. Ihre „wahre Ursache“ mag ein Geheimnis sein und vielleicht auch bleiben, aber wir können sie erleben und lernen zu deuten.

Viel Spaß beim Träumen!

Tony Kühn