Traumdeutung lernen: Erfahrungsbericht eines Träumers

Wer seine Träume verstehen will, muss einen eigenen Zugang zum Deuten der Träume finden. Dabei kann das Wissen von anderen Menschen hilfreich sein, die bereits über einige Kenntnisse im Bereich der Traumdeutung verfügen. Lesen Sie in diesem Erfahrungsbericht einige Tipps und Tricks eines erfahrenen Träumers, der aufzeigt, wie man Traumdeutung verstehen und anwenden kann.

Weshalb sollte ich meine Träume deuten?

Die erste Frage in diesem Zusammenhang ist natürlich: Wozu sollten wir unsere Träume deuten?

Mein Einstieg zu diesem Thema war die Erfahrung einer Freundin. Sie träumte, dass sie in einem Auto saß und gen Süden in den Urlaub fuhr. Während der Fahrt öffnete sich der Kofferraum und das Urlaubsgepäck flog heraus und verteilte sich auf der Autobahn.

Als sie am nächsten Tag tatsächlich mit dem Auto in den Urlaub fuhr, erinnerte sie sich an den Traum und erzählte ihn den Mitfahrern. Anfangs wurde sie mit Kommentaren wie "ist doch nur ein blöder Traum" abgespeist, aber nach einigem Beharren, hielt man an und sah nach. Der Kofferraum war tatsächlich noch offen, der Traum hätte also Realität werden können.

Solche "prophetischen Träume" sind natürlich recht selten. Aber er hat mich damals dazu angeregt, mich mehr mit meinen Träumen und deren Bedeutung zu beschäftigen. Manchmal braucht es eben einen konkreten Anstoß, bevor man sich für eine Sache interessiert und mehr darüber wissen will.

Sobald man damit anfängt, sich mit der Traumwelt näher zu beschäftigen und versucht die Ereignisse zu deuten, werden die Träume intensiver und man beginnt immer mehr Träume zu erinnern. Theorien, wie Träume zu deuten sind, gibt es viele, ebenso wie die dazu passenden Methoden der Traumdeutung. Die "wahre" oder "richtige" Methode gibt es nicht, wohl aber Methoden, mit welchen man persönlich gut klar kommt.

Denn jede Theorie und Methode zeigt immer nur einen ganz bestimmten Blickwinkel. Und bei der fantastischen Vielfalt können wir immer wieder einen neuen oder überraschenden Einblick erhalten. Während einige mit einer jungianisch-analytischen Traumdeutungsmethode gut klarkommt, können andere damit gar nichts anfangen. Hier hilft nur Ausprobieren, Experimentieren und die Methoden an die eigenen Bedürfnisse anpassen.

Das bringt mich zu meinem wichtigsten Kriterium, mit dem ich die Qualität einer Deutungsmethode beurteile: Sie macht dem Träumer Spaß (er wendet sie gerne und regelmäßig an) und ermöglicht es ihm, sinnvolle Aussagen über sich selbst, seine Umwelt und sein Leben zu abzuleiten.

Die hier vorgestellten Arten der Traumdeutung sind aus den praktischen Erfahrungen und Experimenten vieler Menschen entstanden. Trotzdem sind sie nur Anregungen, die jeder kreativ auf seine Bedürfnisse anpassen sollte. Wenn Sie mit meinen Vorschlägen zufrieden sind – prima. Wenn Ihnen etwas fehlt, sollten Sie sich weiter umsehen und andere Methoden ausprobieren.

Wichtig ist nur: Wenn Sie sich für eine Methode entschieden haben, dann sollten Sie auch eine ganze Weile dabei bleiben (bzw. nur Details verändern). Ich halte hier 4 bis 6 Wochen für eine akzeptable Zeit zum Testen. Denn erst, nachdem man einige Erfahrungen mit einer Methode gesammelt hat, weiß man, ob sie bei einem selbst funktioniert.

Wie lerne ich meine Träume deuten?

Aus meiner Erfahrung mit der Traumarbeit bin ich davon überzeugt: Je mehr, intensiver und länger ich mich mit meinen Träumen beschäftige (je intensiver und ausführlicher ich Träume deute), desto besser. Leider haben die meisten Menschen nicht die Zeit und/oder Lust, sich jeden Tag ein paar Stunden mit ihrer Traumwelt zu beschäftigen.

Daher finde ich es praktisch, auch "kurze" oder "schnelle" Methoden zu kennen und anzuwenden. Denn der beste Weg sich die Freude an der Traumdeutung zu verleiden ist, sich auf eine sehr tiefgründige und elaborierte Traumdeutungsmethode festzulegen, die man (meist aus Zeitmangel) kaum anwenden kann. Deshalb stelle ich kurze und schnelle Methoden der Traumdeutung zuerst vor.

Weiter unten finden Sie noch aufwendigere Methoden, die Sie ebenfalls testen können. Hierzu noch ein Tipp: Wenn Sie mit ausführlicheren Deutungen arbeiten, ist es sinnvoll, die Traumaufzeichnungen jeweils auf die linke Seite Ihrer Aufzeichnungen zu schreiben und auf der gegenüberliegenden rechten Seite die Assoziationen und Deutungen zu notieren. So haben Sie beides immer im Blick und können gut vergleichen.

Traumdeutung lernen: Erfahrungsbericht eines Träumers

Geben Sie jedem Traum einen Titel

Geben Sie jedem Traum einen Titel, als wäre er eine Kurzgeschichte oder ein Zeitungsartikel. Dies hat zwei Vorteile: Erstens kann man Träume leichter wiederfinden oder referenzieren. Zweitens sagt der (möglichst spontan gewählte Titel) schon einiges über die Bedeutung des Traumes aus.

Beschreiben Sie Thema und Handlungsfaden des Traums

Fassen Sie den Inhalt des Traumes in einem Satz zusammen. Dieser Satz sollte möglichst abstrakt formuliert sein, um die Grundstruktur besser sichtbar zu machen. Also nicht: „Peter nimmt mir meine Schokolade weg und ich hasse ihn dafür“, sondern: „Jemand nimmt mir etwas Wichtiges weg, was mich emotional belastet.“

Traumdeutung Methoden

Der Grund für diese Umformulierung ist einfach. Erfahrungsgemäß thematisieren unsere Träume persönliche Probleme oder Aufgaben als Metapher. Manchmal treffen Metaphern direkt zu (wie im Autobeispiel oben), manchmal stehen sie aber auch für allgemeinere Aussagen, z. B. die Befürchtung eines persönlichen Verlustes oder Betrugs.

Träume führen uns solche Situationen oft wie "Gleichnisse" vor. Es geht also nicht um die konkreten Personen oder Handlungen, sondern um das, was dargestellt wird. Peter wäre in diesem Beispiel nur der Platzhalter für "Jemanden", denn "Jemanden" kann man nicht bildlich darstellen. Daher ist es oft hilfreich zu verallgemeinern, um das Prinzip zu sehen.

Welche Emotionen waren im Traum primär?

Schreiben Sie bei der Traumaufzeichnung auf, welche Emotionen im Vordergrund standen. Ich persönlich unterstreiche alle „emotionsgelanden“ Worte und schreibe sie zwecks besserer Übersicht in eine Liste.

Dabei kommen oft schon spannende Deutungsansätze heraus, etwa wenn ich feststelle, dass ich die Abfolge der emotionalen Reaktionen aus der Wachwelt gut kenne – z. B. „Langeweile – Unruhe – Ärger“.

Man kann auch fragend herangehen, z. B.: "Gibt es eine emotionale Grundstimmung des Traumes oder außergewöhnlich starke und bewegende Emotionen?" Die Klärung der Emotionen ist wichtig, denn ein und derselbe Traum kann mit unterschiedlichen Emotionen etwas völlig anderes bedeuten.

Welche Frage stellt der Traum an mich?

Jeder Traum stellt den Träumer eine Frage. Das bewusste Formulieren dieser Frage erschließt uns die Bedeutung des Traumes. Ich komme noch einmal auf das Beispiel des Schokoladendiebs Peter zurück. Mögliche Fragen wären hier: „Worauf sollte ich besser achtgeben, damit es mir nicht abhandenkommt?“ oder „Wie sollte ich auf Vorfälle, die ich als ungerecht empfinde, reagieren?“

Es gibt in diesem Kontext keine "richtigen" oder "falschen" Fragen, nur solche, die für Sie Bedeutung haben oder eben nicht. Nicht selten stellt sich ein Aha-Gefühl ein, wenn man die Frage passend formuliert.

Natürlich lässt sich auch diese Methode noch abkürzen, indem man nur einen Titel vergibt oder nur den Handlungsfaden aus dem Traum formuliert. Probieren Sie die Methode einfach aus und modifizieren sie, bis Sie ein brauchbares Ergebnis erzielen.

Träume mit einem Schema deuten

Wie deute ich Symbole?

Etwas unscharf möchte ich hier unter Symbolen das verstehen, was uns in einem Traum besonders bedeutsam erscheint. Nachdem Sie den Traum aufgeschrieben haben, lesen Sie ihn noch einmal durch und unterstreichen alle Worte oder Formulierungen, die für den Traum besonders wichtig waren. Folgen Sie dabei dem Gefühl bzw. der eigenen Intuition.

Solche Symbole lassen Sie im Geist kreisen und notieren dazu eigene Assoziationen. Beispiel: Symbol "Kabel" -> Assoziationen: Verbindungen, Festbinden, lange Leitung, Fesseln, Unfreiheit.

So bekommen Sie mit der Zeit Ihr eigenes Traumlexikon mit eigenen Traumsymbolen. Wichtig ist, dass es sich hierbei um Ihre ganz persönlichen Assoziationen handelt.

Träume als Drama deuten

In vielen Träumen findet sich die klassische Dreiteilung, welche ein Drama ausmacht. Zuerst wird die Situation beschrieben und die handelnden Personen eingeführt.

Beispielsweise: „Ich stehe auf einem hohen Berggipfel, fühle mich fröhlich und beschwingt. Ein dunkel gekleideter Mann steigt zum Gipfel und zu mir empor …“.

Danach folgt gemeinhin eine Art der Konfrontation, eine Schwierigkeit muss überwunden, ein Problem gelöst werden. Dann beginnen die „Darsteller“ zu handeln.

„… in mir steigt leise Furcht auf, denn der Mann ist sehr groß, sieht sehr kräftig aus und hat ein unerfreuliches Grinsen auf dem Gesicht. Er verlangt, dass ich den Gipfel verlasse. Ich weigere mich, wir kämpfen und schließlich werfe ich ihn vom Berg herunter …“

Schließlich folgt die (Auf-)Lösung:

„… ich sehe ihn fallen und fliege hinterher, fange ihn auf und lande wieder auf dem Gipfel. Schließlich holt er einen großen Käse aus der Tasche und wir teilen uns eine Mahlzeit.“

Versuchen Sie in den Traumaufzeichnungen diese „Akte“ ausfindig zu machen. Die Einteilung in „das ist die Situation“, „so reagiere ich darauf“ und „das kommt heraus“ eignet sich manchmal hervorragend, um den Traum auf das eigene Denken und Handeln zu übertragen.

Traumdeutung selber lernen

Ein paar andere Anregungen will ich nur kurz anreißen:

  • Rollenspiele (beliebt bei den Gestalttherapeuthen):
    Versetzen Sie sich in die Rolle einer Traumperson. Argumentieren und agieren Sie aus deren Perspektive (sehr interessant bei Traumgestalten, die man nicht mag). Versetzen Sie sich abwechselnd in zwei gegensätzliche Charaktere und lassen Sie sie miteinander diskutieren.
  • Weiterführen des Traumes / Visualisierung
    Das ist besonders hilfreich bei Träumen, aus denen man herausgerissen wurde bzw. bei denen es zu keiner Auflösung kam. Spinnen Sie in Gedanken das Traumgeschehen weiter. Was hätte noch geschehen können?

Zum Schluss bleibt noch zu betonen, dass die ganze Traumdeuterei nicht viel bringt, wenn es nicht gelingt, die Traum- und Wachwelt zusammen zu bringen. Dafür muss man seine Träume ernst nehmen, Ratschläge für sein Handeln ableiten und sich dann auch – so weit es eben geht – daran halten.

Es kann hilfreich sein, sich in gewissen Abständen ältere Traumaufzeichnungen nochmal anzusehen. Nicht selten kann man sich selbst dabei überraschen, wenn "wirre" oder scheinbar "sinnlose" Träume erst nach einiger Zeit ihre wahre Botschaft preisgeben.

Viel Spaß und Erfolg beim Deuten Ihrer Träume!

Heiko Diadesopulus