Mycebo: Heilende Placebo Effekte selbst erzeugen

Wer die eigenen Selbstheilungkräfte aktivieren will, kann die Erfahrungen aus der Placebo-Forschung nutzen und sich selbst seinen „Mycebo“ herstellen. Welche Elemente man für einen wirksamen Placebo braucht und wie man unerwünschte Nocebo-Effekte mildern oder vermeiden kann, haben wir hier in einer Anleitung mit Anwendungsbeispielen für Sie zusammengestellt.

Was Placebos, Nocebos und offene Placebos sind und wie sie als Trigger zur Aktivierung der eigenen Selbstheilungskräfte wirken, haben wir bereits im Artikel „Selbstheilung: Placebo und Nocebo Effekte“ beschrieben. Daher lasse ich die theoretischen Grundlagen in diesem Artikel weg und konzentriere mich auf verschiedene praktische Anwendungsmöglichkeiten, die jeder selbst im Alltag testen kann.

Mycebo (für „mein Placebo“) ist in diesem Kontext ein frei erfundenes Kunstwort, das auf der Idee und Wirkungsweise des offenen Placebos beruht. Es soll zum Ausdruck bringen, dass der erschaffene Placebo selbst erfunden, hergestellt und auf die eigenen Überzeugungen zugeschnitten ist.

Warum wirken Placebos?

Eine mögliche Erklärung ist, dass Placebos wie Trigger funktionieren, die unsere Überzeugungen und Erwartungen zur Wirkung bringen, in dem sie schlummernde Potentiale zur Selbstheilung aktivieren. Was wirkt, ist nicht der Placebo selbst, sondern unsere „Heilerwartung“, unser Glaube und unsere Überzeugungen – sprich es ist unsere Psyche, die entsprechende körperliche Prozesse auslöst.

Mycebo: Heilende Placebo Effekte selbst erzeugen

Neurowissenschaftler können heute nachweisen, dass Placebos Veränderungen in bestimmten Teilen des Nervensystems hervorrufen – beispielsweise in dem körpereigene Opioide unsere Schmerzsensoren unterdrücken und so unser Schmerzempfinden dämpfen oder ganz ausschalten [1]. Bekannt, aber noch wenig erforscht ist, dass sich auch unser Stoffwechsel beim Einnehmen von Placebos ändert.

Insofern mögen zwar die Bestandteile eines Placebos medizinisch wirkungslos sein, die durch ihn im Körper gestarteten Prozesse ( z. B. die Aktivierung der körpereigenen „Hausapotheke“) sind es nicht. Es werden somit „reale“ biochemische Prozesse in Gang gesetzt, die medizinisch nachweisbar sind.

Mycebo: Konstruktionsprinzip eines heilenden Placebos

Das Konstruktionsprinzip stammt aus Forschungen des Medizinprofessors Ted Kaptchuk zum „offenen Placebo-Effekt“, d. h. obwohl die Probanden wissen, dass sie einen Placebo zu sich nehmen, treten positive Placebo-Effekte auf. Angefangen bei der Linderung von Leiden bis hin zur vollständigen Heilung. [2]

Hier werden drei Kernpunkte genannt, die ich hier kurz näher erläutern will:

1. Positive Erwartung einer Heilung aufbauen

Die Grundlage für einen positiven Placebo-Effekt ist, dass man eine Heilung für möglich hält. Je klarer man vor Augen hat, wie eine optimale Genesung aussieht, desto konkreter kann man sich die Realisierung des eigenen Wunsches vergegenwärtigen.

Der Placebo fungiert dabei nur als Trigger, um den Wunsch, die Selbstheilungskräfte zu aktivieren und wirksam zu machen. Die eigentliche Wirkung wird durch das positive Denken erzeugt, welches mentale und körperliche Prozesse in Gang setzt, die eine Heilung fördern.

Mycebo: Heilende Placebo Effekte selbst erzeugen durch Erwartungshaltung

Aus Sicht der Gehirnforschung könnte man sagen: Man installiert bewusst ein neues Netzwerk (Verhaltensgewohnheit), dessen Zweck es ist, Heilungsprozesse zu triggern. Dabei ist es wichtig positive Gefühle (z. B. Vorfreude) mit der Tätigkeit zu verbinden, da das Gehirn Gefühle und Handlungen immer als Einheit speichert.

Wird diese Kopplung oft genug wiederholt, verbindet das Netzwerk irgendwann automatisch die Handlung mit positiven Gefühlen, was es wiederum verstärkt. Da das Gehirn keinen Unterschied zwischen Wahrgenommenen und Vorgestelltem macht, können wir so eine neue „Wirklichkeit“ installieren, d. h. den Placebo mit einer frei gewählten Wirkung verbinden.

Das mögliche Ausmaß der Wirkung / Heilung misst sich am Grad unserer Überzeugung, d. h. wer eine Wunderheilung will, muss auch an Wunder glauben.

2. Ritual gestalten – Erwartung verankern

Bei der Idee des Rituals geht es einmal darum, den Placebo regelmäßig einzunehmen – etwa drei bis viermal am Tag. Da das Ritual den Rahmen vorgibt, wie die Erfahrung verankert wird, sollte es ein bewusster Akt sein, der gleichfalls die Vorstellung einer Genesung fördert. Man kann sich beispielsweise extra Zeiten am Tag freinehmen, die für das Ritual reserviert sind, so dass man es in Ruhe ausführen kann.

Mycebo: Heilende Placebo Effekte selbst erzeugen durch Ritual / Setting

Auch das Setting und die Begleitumstände – z. B. ruhige Musik, angenehme Gerüche, Sonnenschein etc. – können bei einer positiven Konditionierung helfen. Als zeitlicher Rahmen könnte eine Erfahrung aus der Verhaltenspsychologie angelegt werden, bei der man von 4 bis 6 Wochen ausgeht, um eine Konditionierung / Verhaltensänderung zu stabilisieren.

3. Soziales Umfeld als Verstärker

Laut Ted Kaptchuk spielt auch das soziale Umfeld eine entscheidende Rolle. Speziell die freundschaftliche, positive Unterstützung wird als einer der stärksten Aktivatoren des Placebo-Effekts angesehen. Hier kann es sich um Freunde oder „Autoritätspersonen“ wie ein Arzt, Heilpraktiker, spiritueller Lehrer handeln, die aktiv eine positive Heilerwartung fördern.

Selbstheilung durch die richtige Wahl des Arztes

Man braucht nicht unbedingt einen Placebo zur Aktivierung der Selbstheilungskräfte, auch eine „normale“ Medikation lässt sich mit diesen Wirkprinzipien verstärken. Hier kann der Arzt eine positive Heilerwartung fördern, indem er dem Patienten möglichst genau und anschaulich den Optimalfall einer Heilung erklärt. Ebenso verbessert das Wissen über die Hintergründe einer Behandlung, in dem man den Sinn und Zweck der Therapie versteht, die Heilerfolge.

Problematisch ist hingegen das Schüren von Ängsten durch das Darstellen von Komplikationen und schädlichen Nebenwirkungen. Dies kann einen Nocebo-Effekt auslösen. Nocebos sind die bösen Brüder der Placebos, d. h. negative Erwartungen fördern negative Wirkungen.

Statt sich auf die Heilung zu konzentrieren, wird die Aufmerksamkeit auf schädliche Nebenwirkungen gelenkt, die dann als „Angst“ die positive Erwartungen überlagert. Der Arzt als Vertrauensperson spielt eine große Rolle, da er federführend die Placebo- oder Nocebo-Effekte beim Patienten erzeugt und verstärkt. Wählen Sie Ihren Arzt also mit Bedacht.

Mycebo: Heilende Placebo Effekte selbst erzeugen durch Bewährtes

Hausmittel mit Placebo-Effekt verstärken

Es gibt in Deutschland viele Menschen, die bei bestimmten Krankheiten gute Erfahrungen mit „Hausmitteln“ aus Omas Apotheke gemacht haben. Meine Favoriten sind beispielsweise Zwiebelhustensaft und Ringelblumensalbe, von deren heilsamer Wirkung ich bereits überzeugt bin.

Auch hier kann man positive Effekte mit den oben genannten Konstruktionsprinzipien für Mycebos verstärken. Vorteilhaft ist, dass man keine Überzeugungen zur Heilserwartung erfinden muss, sondern „nur“ die positiven Erfahrungen der Vergangenheit verstärkt.

Speziell Eltern können so leicht ihre positiven Erwartungen auf die Kinder übertragen, indem sie positive Heilerwartungen aktiv fördern. Ich kann mich noch heute an den Ausspruch meiner Großmutter zur Ringelblumensalbe erinnern: „Diese Salbe heilt alles!“. Seitdem ist die Salbe für mich ein wirksamer Trigger, die mit ihrer schon fast magischen Heilkraft kleine Wunder bewirkt.

Nocebos erkennen und vermeiden

Egal ob in der Werbung oder in Zeitungsberichten – die Angstmache vor schädlichen Einflüssen, die unsere Gesundheit gefährden, hat Hochkonjunktur. Es vergeht kaum ein Monat, indem man keine schädlichen Substanzen im Essen gefunden werden, die uns auf irgend eine Art krank machen.

Je anschaulicher die Gefahren beschrieben werden, desto überzeugender wird die Erwartung geschürt, sich selbst zu schaden. Solche Ängste sind der beste Nährboden für Nocebo-Effekte, die Krankheiten auslösen.

Wenn man ständig in der Werbung oder Berichterstattung Warnungen zu Themen wie Bakterien, Feinstaub, Lebensmittelskandalen etc. verbreitet, muss man sich nicht wundern, wenn man damit Menschen krank macht.

Ich kann nur raten bewusst mit diesen Einflüssen umzugehen, denn Angst oder Panik nutzen nur der Pharmaindustrie. Gesundheitsfördernd ist, sich bewusst zu ernähren und positiv über die gewählten Lebensmittel zu denken. Machen Sie sich bewusst, dass man mit der richtigen Ernährung nicht nur am Leben bleiben, sondern damit auch viele Krankheiten auf völlig natürlichem Wege heilen kann.[3]

Mycebo: Heilende Placebo Effekte selbst erzeugen durch Entspannung

Entspannung und innere Ruhe als Verstärker

Um positive Placebo-Effekte optimal zu nutzen, ist neben einer gesunden Ernährung auch die Entspannung und innere Ruhe wichtig. Seit langem ist bekannt, dass regelmäßiger Stress ein Hauptauslöser für viele Krankheiten ist, da er die körpereigenen Abwehrkräfte enorm schwächt.

Hier kann man beispielsweise mit Meditation, Yoga, Tai Chi zur Ruhe kommen und die Abwehrkräfte aktiv stärken.

Grundsätzlich sei am Ende gesagt: Je mehr und bewusster man allen fördernden Faktoren umgeht, desto wirkungsvoller kann ein Mycebo werden.

Viel Erfolg beim Aktivieren der Selbstheilungskräfte!

Quellenangaben

[1] Spektrum – Artikel „Wie Placebos wirken“ – Abschnitt „Placebos wirken bereits im Rückenmark – https://www.spektrum.de/news/wie-placebos-wirken/153726
[2] Zeit Online Artikel „Ich heile mich selbst“ von Max Lebsanft – 28.11.2016
[3] NDR Doku – Die Ernährugs Docs – Essen als Medizin – Youtube: https://www.youtube.com/watch?v=Ac8KysBQdWo

Tony Kühn