Richard Wagner: Wie antisemitisch darf ein Künstler sein?

Dieser Aufsatz beleuchtet den Künstler Richard Wagner und seine Rolle im Nationalsozialismus und der Judenverfolgung. Er stellt die Frage, wie antisemitisch ein Künstler sein darf.

Vorwort

Die Herausgeber Heinz-Klaus Metzger und Rainer Riehn stellen fest, daß es nicht darum gehe, Wagners Antisemitismus nachzuweisen, da er allgemein bekannt sei. Stattdessen gehe es „um Bedeutung und Funktion dieses Antisemitismus: sowohl um seine subjektive Funktion für den Komponisten selbst als auch nachdrücklich um seine objektive Funktion für die politische Geschichte“. Denn von Wagners „Wahnsystem“ führe zum Dritten Reich und zum Holocaust „eine beweisbare Linie“ (MK 3).

Richard Wagner Antisemitismus

Die Behauptung im letzten Satz gipfelt in Hartmut Zelinskys Aussage, Wagner und Hitler hätten „eine ganze Welt bis an den Rand der völligen Vernichtung“ gebracht (MK 111). Ich halte das für falsch: Ohne Wagner wäre es nicht anders gekommen. Begründung: Die Nationalsozialisten mochten zwar zum Teil Wagners Opern, bezogen sich aber zur Begründung ihres Antisemitismus nicht auf Wagner, auch wenn sie dessen Schriften kannten.

Wagners Verleugnung von Heine

Karl Richter wirft Wagner vor, daß er Heinrich Heine in seinen Schriften verschwiegen habe. Das interpretiert er „als schuldhafte Verdrängung“ (MK 12). Wagner verdankte Heine die Stoffe zu seinen Opern „Der fliegende Holländer“ und „Der Tannhäuser“.

Heine war Jude, besuchte aber christliche Schulen und ließ sich um seiner Karriere willen taufen. Das bereute er später allerdings. Sein „Verhältnis zum Judentum“ sei „ambivalent“, meint Wolfgang Hädecke. „Einerseits beschäftigt ihn sein Volk notwendig ein Leben lang, […] andererseits kritisiert er auch das Judentum freimütig und scharf, zumal die halbherzigen Reformjuden, die keine wirkliche Emanzipation zu fordern wagen; bei einigen Gelegenheiten übermannt ihn jüdischer Selbsthaß“ (Hädecke 22).

Über die Quellen des Nationalsozialismus

Peter Viereck schreibt, Wagners politische Aufsätze seien Hitlers „‚Lieblingslektüre'“ gewesen, räumt aber ein, daß sie „den Amerikanern ebenso unbekannt wie den meisten Deutschen“ seien. Deshalb fragt er: „Aber wie können sie dann so einflußreich sein?“ (MK 16)

Meine Antwort auf diese Frage ist: Sie waren nicht einflußreich. Die Nationalsozialisten bezogen ihren Rassismus, Antisemitismus und Expansionismus aus anderen Quellen. Durch die Lektüre von Wagners Schriften konnten sie sich allenfalls bestätigt sehen, mehr nicht.

Viereck meint: „Die bekanntesten Figuren des Wagner-und Bayreuther Kreises sind Wagners Witwe Cosima, Wagners Schwiegersohn Houston Stewart Chamberlain und beider Freunde Alfred Rosenberg und Dietrich Eckart“ (MK 17).

Er räumt ein, daß Wagner keine der „Doktrinen“ des Nationalsozialismus „in die Welt gesetzt“ habe, aber er sei „der Brennpunkt, in dem alle diese kontradiktorischen Doktrinen sich zu einem einzigen demagogischen Programm vereinigen“ (MK 17).

Wenn man die Texte von Nationalsozialisten liest, findet man allerdings nur die Begeisterung für Wagners Opern. Ich habe keine einzige Äußerung gefunden, in der sich ein Nationalsozialist auf Wagner berufen hätte, um den Nationalsozialismus zu erklären oder rechtzufertigen.

Viereck meint, Gobineau sei Wagners Busenfreund gewesen, doch anhand der Tagebücher von Cosima sieht man lediglich, daß Gobineau bei den Wagners zu Besuch war und Wagner dessen Bücher gerne gelesen hat. Allerdings nicht zuerst Gobineaus „Versuch über die Ungleichheit der Menschenrassen“, sondern seine Dialoge über „Die Renaissance“, „Amadis“ (das ihm überhaupt nicht gefiel), „Asiatische Novellen“ und „Die Plejaden“.

Cosima war sehr gefesselt von der „Histoire d’Ottar Jarl, private norvégien„, was „das Gespräch auf die alten nordischen Sitten führt“ (CWT 4/660). Als sie erwähnte, daß Gobineau „eine böse Frau gehabt, ergeht sich R. darüber, wie schrecklich es sei, daß ein in der Jugend empfundenes Bedürfnis nach Ergänzung nun das ganze Leben hindurch als Elend geschleppt würde. Er erwähnt diese naive Scheidung bei den Orientalen, und wie falsch die Stellung der Frau bei uns sei, einerseits die Form ritterlicher Anbetung, und dabei die geringschätzigste Meinung von ihr“ (CWT 4/673).

Gobineaus vierbändiges Buch über die Rassen mit über 1000 Seiten lernte Wagner zuerst über das Buch des Professors August Friedrich Pott kennen, „in welchem er plötzlich Gobineau’s Werk über die Ungleichheit der Racen eingehend besprochen und kritisiert findet. Er teilt uns den Hauptgedanken Gobineau’s von dem Untergang der Menschheit nach 14000 Jahren Bestand mit, welcher ihn und uns interessiert. […] Daß die Menschheit untergeht, ist gar keine Unmöglichkeit; nur wenn man außer Zeit und Raum die Dinge betrachtet, weiß man, daß es auf etwas andres ankommt als auf Racenstärke, gedenkt man des Evangeliums“ (CWT 4/690).

„Er erzählt von dem zänkischen Ton des Pr.s Pott und dessen lächerlicher Wut gegen Gobineau, weil dieser an den Verfall glaubt und sich nicht darum kümmert, daß es jetzt Eisenbahnen gibt! […] Der Gedanke von Gobineau dagegen nimmt ihn immer mehr ein, und wie ich ihm sage, ‚wenn wir keine Zeit und Raum annehmen, gibt es auch keinen Verfall‘, sagt R.: ‚Es beschäftigt mich eben der Gedanke, ob die Moralität nicht zu retten sei als das, worauf alles tendiert, das Bestehen ist dann ganz gleichgültig'“ (CWT 4/691).

„Bei Tisch über Gobineau, welcher den Brahmanismus dem Buddhismus vorzieht, ich meine, daß, wenn man die Realität der Dinge betrachtet, er wohl nicht unrecht hat, der Buddhismus löste auch alles auf“ (CWT 4/693).

„‚Die intellektuale Gleichheit ist nicht hervorzubringen‘, sagt R., Graf Gob. gleichsam erwidernd, ‚aber die moralische Gleichheit, diese zu erlangen, darauf könnte man dringen“ (CWT 4/700). Diese moralische Gleichheit ist in den Menschenrechten verwirklicht, v.a. in der Gleichheit vor dem Gesetz.

„Wir lesen das Werk des Gfen G. gemeinschaftlich, d. h. er ganz frühe und ich gegen Mittag.“ Später sprechen sie über Gobineaus Ansicht „über Zivilisation und Christentum“ (CWT 4/706). Was mit diesem „Werk“ gemeint ist, ist klar: „Von dem Buch des Gfen G. meinte R., man merke ihm das Unreife an, und dicke Bücher solle man eigentlich nicht schreiben“ (CWT 4/721). Gobineaus Hauptwerk handelt von der Degeneration der Völker durch Rassenvermischung. Seine „Asiatischen Novellen“ sind eine Art Illustration dazu.

„Gobineau’s Buch“ machte Wagner „weniger Freude als Jacolliot“ (CWT 4/712). Er fand, die Franzosen könnten alle Völker außer den Deutschen verstehen (CWT 4/719): „‚Das ist germanisch, kann man Gobineau sagen, diese Genügsamkeit der Schweiz, alles übrige, Kaiser-, Königs-Pracht, ist es nicht'“ (CWT 4/1032). Auch ärgerte er sich über Gobineaus Äußerungen über die Kelten „und über manches“ (CWT 4/719). „Das Buch von Gf Gobineau macht ihn müde, und er spricht sich wieder darüber aus, wie man sich vor dicken Büchern hüten müsse“ (CWT 4/728).

Doch Wagner las trotzdem weiter. Das dritte Kapitel des vierten Bandes gefiel ihm sehr – „es regt wiederum in ihm seine Gedanken über ‚Heldentum und Christentum‘ an“ (CWT 4/737). Als er mit der Lektüre fertig war, freute er sich (CWT 4/742). Er las auch „das Buch des Grafen ‚Dogme et Philosophie'“, welches ihm Freude bereitete (CWT 4/743).

Als Gobineau in Bayreuth war, sprach Wagner mit ihm „über alles“. Über das Wort „gotisch“ wurden sie sich nicht einig (CWT 4/737f), doch Gobineau war „ganz zufrieden mit den Kinderchen“ (CWT 4/735).

Über die Irländer kam es zum Streit. Gobineau hielt sie für arbeitsunfähig, Wagner meinte, „auch er würde nicht arbeiten unter den Bedingungen, und er geißelt die englischen Vornehmen. Der Graf geht in seinen Gedanken so weit, dem Evangelium einen Vorwurf daraus zu machen, für die Armen eingetreten zu sein. Doch endigt alles sehr freundlich, R. bekennt, daß er die Frage im einzelnen nicht kenne, und der Graf sagt ihm“ (CWT 4/739): „Sie sehen die Sache als Philosoph, ich als Mann der Politik“ (CWT 4/1253).

Auch hier sieht man wieder, daß von Wagner kein Weg zu den Nationalsozialisten führt, von Gobineau aber schon.

Als Gobineau von Persien erzählte, kam Europa nicht gut weg. Am Tag darauf, nach einer schlechten Nacht, explodierte Wagner „förmlich zu Gunsten des Christlichen gegenüber dem Racengedanken“ (CWT 4/744). Doch er betrachtete Gobineau als „in jeder Hinsicht […] wertvolle Bereicherung des Lebens“ (CWT 4/746) und hielt ihn für seinen einzigen Zeitgenossen (CWT 4/751). Seine Hypothese hielt er für genial (CWT 4/808).

Am 16.6.1881 empfand er das Hauptwerk von Gobineau als „‚peinlich wie alles, was Geschichte ist'“ (CWT 4/750). Ein paar Tage später: „Abends wünscht R. ‚Coriolan‘ und freut sich dessen und sagt: ‚Das ist Race, das ist für Gobineau‘; und ich: Tristan ist die Musik für die Aufhebung aller Schranken, also auch der Racen“ (CWT 4/751).

Über die Judenverfolgung in Rußland: „Die Zeitung bringt wieder Nachricht von Hetzen gegen die Juden in Rußland, und R. meint, es gäbe nur das, Äußerung der Volkskraft, und sagt: Gobineau hat recht, sie fühlen – die Russen – sich noch als Christen“ (CWT 4/780).

Der Schluß von Gobineaus Hauptwerk über den Untergang der Arier „leuchtet ein, und mir will es bedünken, daß all dies ziemlich gleichgültig sei gegen das Sterben eines großen Menschen; müssen diese vergehen, was sind dann Massen und Himmelskörper?“ (CWT 4/781)

„R. meint, die Katholiken seien doch keine rechten Deutschen – ich meine, sie hätten aber die meiste Anlage zur Kunst, ’nun ja‘, sagt er, ‚das ist eben schwarzer Einfluß – wie Gobineau es ansieht'“ (CWT 4/809).

Bei einem Gespräch über Gobineau und Schopenhauer meinte Wagner, deren Theorien „ließen sich vereinigen; schwarz geboren, sei der Mensch, auf den Höhen gedrängt, weiß und auch ein ganz andrer geworden“ (CWT 4/1025).

Schopenhauers Theorie von der Entstehung der Arten finden wir in seiner Abhandlung „Zur Philosophie und Wissenschaft der Natur“ (V 123-210):

„Auf verschiedenen Teilen der Erde ist unter gleichen oder analogen klimatischen, topographischen und atmosphärischen Bedingungen das gleiche oder analoge Pflanzen- und Tiergeschlecht entstanden. Daher sind einige Spezies einander sehr ähnlich, ohne jedoch identisch zu sein (und dies ist der eigentliche Begriff des Genus), und zerfallen manche in Rassen und Varietäten, die nicht aus einander entstanden sein können, wiewohl die Spezies dieselbe bleibt. Denn Einheit der Spezies impliziert keineswegs Einheit des Ursprungs und Abstammung von einem einzigen Paar (diese ist überhaupt eine absurde Annahme – wer wird glauben, daß alle Eichen von einer einzigen ersten Eiche, alle Mäuse von einem ersten Mäusepaar, alle Wölfe vom ersten Wolfe abstammen?), sondern die Natur wiederholt unter gleichen Umständen, aber an verschiedenen Orten denselben Prozeß und ist viel zu vorsichtig, als daß sie die Existenz einer Spezies, zumal der obern Geschlechter, ganz prekär sein ließe, indem sie dieselbe auf eine einzige Karte stellte und dadurch ihr schwer gelungenes Werk tausend Zufällen preisgäbe. Vielmehr weiß sie, was sie will, will es entschieden, und demgemäß geht sie zu Werke. Die Gelegenheit aber ist nie eine ganz einzige und alleinige“ (V 185).

„Jedoch ist das Menschengeschlecht höchst wahrscheinlich nur an drei Stellen entstanden; weil wir nur drei bestimmt gesonderte Typen, die auf ursprüngliche Rassen deuten, haben: den kaukasischen, den mongolischen und den äthiopischen Typus, und zwar hat diese Entstehung nur in der alten Welt stattfinden können. […] Ferner hat die Entstehung des Menschen nur zwischen den Wendekreisen eintreten können; weil in den andern Zonen der neuentstandene Mensch im ersten Winter umgekommen wäre. […] In den heißen Zonen nun aber ist der Mensch schwarz oder wenigstens dunkelbraun. Dies also ist ohne Unterschied der Rasse die wahre, natürliche und eigentümliche Farbe des Menschengeschlechts, und nie hat es eine von Natur weiße Rasse gegeben; ja von einer solchen zu reden und die Menschen kindischerweise in die weiße, gelbe und schwarze Rasse einzuteilen, wie noch in allen Büchern geschieht, zeugt von großer Befangenheit und Mangel an Nachdenken“ (V 186).

Gobineau dagegen „geht davon aus, daß sich alle Völker aus einem gemeinsamen Stamm entwickelt und über die Erde verteilt haben. Je näher die einzelnen Menschengruppen dabei dem rassischen Ursprung geblieben seien, desto höher seien auch ihre kulturellen Leistungen zu veranschlagen. […] Er postuliert, daß die ‚arische Rasse‘, die ihm fortan zur Exemplifikation positiver Anlagen dient, dem gemeinsamen Ursprung der Menschheit am nächsten stehe“ (Gerhard Wild, in: KNLL 6/407).

Wieder Cosima in ihrem Tagebuch: „Dann sagt er mir, er habe an Homer gedacht, der war Ionier, also das weibliche Prinzip; nun läßt Gobineau nur die Dorier gelten, welche sich selbst von Athen den Sänger zur Begeisterung borgen mußten, das ist doch schlimm“ (CWT 4/853).

„Beim Abendbrot spricht er von den Ansichten des Grafen über die Sprachen, ihren Zusammenhang mit den Racen, und wie gemischte Sprachen keinen Wert hätten; und er rühmt es, welche Klarheit er auf diesem Gebiete Gobineau verdanke“ (CWT 4/951).

Gobineau verteidigte „keinen Stand, aber die Reinheit des Blutes“ (CWT 4/958).

Den dritten Akt des „Siegfried“, in dem Siegfried auf Brünnhilde trifft, bezeichnete Wagner als „‚Gobineau-Musik'“ und erklärte: „‚das ist Race'“ (CWT 4/1026). Während eines früheren Gesprächs über den „Ring“ hatte Wagner gesagt, „er könnte es Gobineau nicht verdenken, daß er bei dieser Darstellung des Unterganges einer Gattung bleibe und sich nichts aus Parsifal mache, das Christentum nicht brauche, bei diesem Stolz des Unterganges in der Liebe“ (CWT 4/1022f).

Wagner bedauerte, daß er die Geschichte der Perser von Gobineau erst nach dessen Tod las. Cosima berichtete er, daß Gobineau zufolge „die Perser früher alles heilig empfunden hätten, Wasser, Stein, alles, daß sie mit der Zeit nicht mehr selbst gearbeitet, aber die Unterjochten um so mehr verachtet hätten, weil sie für sie arbeiteten und das täten – wie z. B. Steine spalten -, was sie selbst nicht tun mochten“ (CWT 4/1046f).

An einem anderen Tag „teilt mir R. einiges aus der Geschichte der Perser mit, u. a. das Geständnis des persischen Geschichtsschreibers, daß viele Lügen da wären und daß Gott allein das Wahre davon wissen könne.“ Außerdem meinte Wagner, Gobineau hätte sich über Walther von Stolzing in den „Meistersingern“ gefreut: „so durchaus Ritter, trotzig, bis Hans Sachs kommt und ihn mit Weisheit lenkt“ (CWT 4/1048).

Als Wagner seiner Frau wieder einmal aus der Geschichte der Perser erzählte, fand er es „merkwürdig […], daß dem Vater des berufenen Helden stets ein tragisches Los zufiele“ (CWT 4/1050). Er las ihr auch eine Lebensweisheit aus dem Buch vor: „Es ist besser, sich zu versehen, als gar nichts zu sehen“ (CWT 4/1297). Er dachte, daß das Buch „die Historiographie ganz umändern“ hätte müssen (CWT 4/1067), und fand seine „Ahnungen“ durch das Buch bestätigt (CWT 4/1087).

Die beiden wandten Gobineaus Rassentheorie auf den „Ring des Nibelungen“ an: „die Götter, die weiß, die Zwerge, die Gelben (Mongolen), die Schwarzen [Schwarzalben] die Äthiopier; Loge der métis [Mischling]“ (CWT 4/1051).

Am 23.11.1882 sagte Wagner zu Cosima, „daß, wenn irgend noch etwas auf Verbreitung ankäme, er sehr gern die Werke Gob.’s übersetzt sähe“ (CWT 4/1055). Sein Gesamturteil über Gobineau: Er habe „so weit und so scharf gesehen, dabei aber nicht genug in die Tiefe geblickt“ (CWT 4/1109f).

In „Meyers enzyklopädischem Lexikon“ heißt es, Gobineau habe „auf Wagner, Nietzsche und die imperialistische Bewegung (Sozialdarwinismus) entscheidenden Einfluß ausgeübt und Argumente für den Rassenfanatismus des Nationalsozialismus geliefert. Durch seine Verherrlichung des Ausnahmemenschen, den er in Gestalten der Renaissance verkörpert sah, nahm er Nietzsches Vorstellung vom Übermenschen vorweg“ (MEL 10/521).

Gerhard Wild denkt, Wagners Wunsch einer deutschen Übersetzung von Gobineaus Hauptwerk „mag der Anstoß für jene verhängnisvolle Entwicklung gewesen sein, in deren Verlauf unter anderem Autoren wie H. St. CHAMBERLAIN als Wegbereiter, und schließlich H. ROSENBERG als Parteiphilosoph des Nationalsozialismus in der geschichtsphilosophischen Konzeption von Gobineaus Rassentheorie die pseudowissenschaftliche Untermauerung für die antisemitische Hetze und die rassistische Ideologie des Dritten Reichs fanden“ (in: KNLL 6/407).

In der „Enyzklopädie des Nationalsozialismus“ heißt es, Wagner sei „vom NS-Regime völlig vereinnahmt“ worden, habe aber „mit der späten Übernahme der Rassentheorien Gobineaus […] auch selber zu seiner Instrumentalisierung für die propagandistischen Zwecke des NS-Regimes“ beigetragen. „Von Hitler großzügig finanziell gefördert, wurde Bayreuth zur nationalsozialistischen Kultstätte“ (EN 891).

Albrecht Dümling schreibt: „Kontrovers wird weiterhin die Rolle Richard Wagners diskutiert: War er der direkte Vorläufer Hitlers, wie dieser selbst es sah, oder wurden Wagner und Bayreuth mißbraucht?“ (EN 176) Einen Beleg oder gar Nachweis, daß Hitler Wagner als seinen Vorläufer betrachtete, bleibt Dümling allerdings schuldig.

Dietrich Eckart schrieb Novellen und „zeitweise […] Kritiken von den Bayreuther Festspielen“ (Weiß 102). Erst nachdem er 1915 nach München gezogen war, hatte er Kontakt zum Fichte-Bund und schrieb für völkische Zeitschriften. Er betrachtete „das ganze deutsche Volk als Opfer des Materialismus der herrschenden Kreise, der internationalen Presse und nicht zuletzt des die Weltherrschaft anstrebenden Judentums […]. Bestätigung für seine Thesen glaubte er in den linken, in seinen Augen von Juden angezettelten Unruhen und Revolutionen in Deutschland, Ungarn und Rußland finden zu können“ (Weiß 103).

Hitler weigerte sich, Eckarts Schrift „Adolf Hitler und die deutsche Freiheitsbewegung“ fertigzustellen, nachdem Eckart 1923 gestorben war. Die Schrift erschien dann 1924 unter dem Titel „Der Bolschewismus von Moses bis Lenin. Zwiegespräch zwischen Adolf Hitler und mir“. Hitler veröffentlichte 1925 „seine eigene Sicht der Dinge mit dem ersten Teil von Mein Kampf“ (Weiß 105).

Ein unvoreingenommener Blick auf Wagner

Wolf Rosenberg versucht im Gegensatz zu vielen Wagner-Interpreten nicht, „ein stimmiges Bild zu schaffen“, sondern läßt Wagners Widersprüchlichkeit so stehen, wie sie ist. Damit sind keine Entwicklungen gemeint, sondern gegensätzliche Aussagen zur selben Zeit. Er zeichnet Wagners Entwicklung vom sozialistischen Revolutionär hin zum Patrioten und wieder zurück zum rebellischen Sozialisten.

Wagners Antisemitismus erklärt Rosenberg folgendermaßen:

  • Wagner betrachtete die Welt als Bühne, auf der er einen Gegenspieler brauchte.
  • Er bekämpfte in den Juden das, „was er an sich selber als jüdisch empfand“ (MK 43).
  • „Als Schüler wurde er wegen seines jüdischen Aussehens und seines jüdischen Namens – bis zum vierzehnten Lebensjahr trug er den Namen seines Stiefvaters Geyer – oft gehänselt, und irgendwann muß ihm die Mutter anvertraut haben (oder eine Vermutung wurde ihm zur Gewißheit), daß Ludwig Geyer mehr als nur sein ‚Stief‘-Vater gewesen war“ (MK 43).
  • Rosenberg vermutet außerdem „Haß gegen den Vater, gewiß unbewußt, […] als Folge der eigenen überstarken Mutterbindung“ (MK 43), also einen Ödipuskomplex bei Wagner.
  • Wagner habe „andererseits“ seine Eifersucht auf Geyer verdrängt, „konnte also nie erkennen, wo die Wurzel seines Judenhasses lag. Das Verdrängte aber wurde übermächtig, zwang ihn geradezu, nach Bestätigung, mehr noch: nach Rechtfertigung seiner antijüdischen Neigungen zu suchen“ (MK 44).
  • Wagner habe gedacht, daß Meyerbeer und Mendelssohn den musikalischen Fortschritt behindern würden.
  • Den Sozialisten galten die Juden „als Stützen der Feudalherrschaft und Hauptexponenten kapitalistischer Ausbeutung“ (MK 44). Die Wagnerianer hätten diesen linken in einen rechten Antisemitismus verfälscht.
  • Den Einfluß von Gobineau hält Rosenberg für gering: „Gobineau war nämlich weder Antisemit, noch rechnete er die Europäer zur arischen Rasse; die Deutschen, von denen er wenig hielt, waren für ihn ’nordisch-degeneriert'“ (MK 45). Doch Chamberlain habe „seine eigenen Lehren als auf Gobineau fußend“ ausgegeben, „wodurch der Eindruck entstehen sollte, Wagner habe zuguterletzt, vom Grafen inspiriert, die Reinhaltung des Ariertums gepredigt“ (MK 45).

In seinen letzten Lebensjahren habe sich Wagner bewußt von der rechtsradikal-antisemitischen Bewegung nach der Gründung des deutschen Reichs distanziert und deren Projektion durchschaut: Wer etwas nicht erkenne, schlage es. Doch da er sich selbst damit treffe, meine er, er sei von andern geschlagen worden.

Wagners Deutschtum sei primär auf die Kunst bezogen gewesen. Doch die Nationalsozialisten hätten ihre Kunstideologie nicht von Wagner, sondern von Max Nordau entlehnt, der der Sohn eines Rabbiners war.

Rosenberg bedauert, daß die Nationalsozialisten Wagners Opern nicht zur entarteten Kunst rechneten oder als Kulturbolschewismus betrachteten. „Dann hätte man nach 1933 sachlich, nüchtern und kritisch über Wagner diskutieren können“ (MK 47).

Zusammenfassung: Im Gegensatz zu manchen seiner Schriften seien Wagners Opern nicht antisemitisch, sondern „weisen in die entgegengesetzte Richtung“. Wagners Demokratiekritik sei in erster Linien Parteienkritik gewesen: „er verlangte mehr Demokratie und nicht etwa weniger“ (MK 48).

Fazit: „Mit Zitatenklauberei läßt sich die gesamte deutsche Kultur der Vergangenheit als Vorbereitung auf Hitler darstellen“ (MK 47).

Antisemitismus aus Minderwertigkeitsgefühl?

Hans Mayer führt Wagners Antisemitismus darauf zurück, daß er sich einerseits in eine Reihe mit Gluck, Beethoven und Carl Maria von Weber stellte, sich andererseits aber gegenüber den „Meistern des musikalischen Handwerks“ wie Mendelssohn und Schumann, die Wagner verachteten, minderwertig vorkam. „Dieses Gefühl des Ungenügens, des Traumatischen geht sehr tief, das trifft nämlich Wagner auch als kreative Persönlichkeit“ (MK 66).

Bei Meyerbeer, der Wagner geholfen hatte, war es anders: „Da ist nun wirklich der Haß eines Mannes, der antichambrieren mußte, auf den Mann, der ihm Wohltaten erwiesen hat, das heißt, Wagner hat ihm nie vergessen im Haß, daß er sich gut zu ihm benommen hat“ (MK 67).

Die Antworten Mayers auf die Frage, ob bzw. inwieweit Wagner für den Holocaust mitverantwortlich ist, sind etwas schillernd:

  • „Ist Wagner wirklich […] so ohne weiteres als ‚Prophet des Nationalsozialismus‘ zu sehen, oder sind da so viele Vermittlungsglieder zu berücksichtigen, daß man im Grunde dabei den dialektischen Zusammenhang verliert?“ (MK 61)
  • „Die Infamie Wagners, dann nun aus diesen individuellen, persönlichen Abneigungen diese Theorie zu machen, die in so ungeheuerlicher Weise wirkungsvoll gewesen ist und die natürlich Auschwitz möglich gemacht hat auf dem Weg über diese Wagnerianer, die dann Auschwitz befahlen, das ist offensichtlich. Aber das ist eine Entwicklung, die hängt nun wirklich mit den ganzen deutschen Situationen zusammen; denn es ist ja […] das gesamte Bayreuth, das gesamte wilhelminische Deutschland, die gesamte bürgerliche Situation […] zusammen mit Wagner und nicht nur durch Wagner antisemitisch gewesen“ (MK 67).
  • Wagner habe „keine faschistische Ideologie“ vertreten, „weil es noch keinen Faschismus gab.“ Er habe „sicherlich nicht“ zum Auftreten von Faschismus bzw. Nationalsozialismus beigetragen (MK 73).
  • Mayer hält „alle Versuche, von Wagner her eine gerade Linie zum Faschismus, oder gar eine Verantwortung, die auch eine subjektive, moralische Verantwortung sein müßte, zum Faschismus oder zum Nationalsozialismus zu führen, einfach für dialektisch falsch“ (MK 76).

Wagner und Hitler als Verursacher des Holocaust

Hartmut Zelinsky meint, Wagner und Hitler hätten „eine ganze Welt bis an den Rand der völligen Vernichtung“ gebracht (MK 111). Um das zu belegen, zitiert er ausgiebig aus den Tagebüchern von Cosima Wagner, die Hitler nicht wirklich kannte, und er zitiert auch noch selektiv. Ein Beispiel: „‚Ich bin der Plenipotentarius [unbeschränkt Bevollmächtigte, Allmächtige] des Unterganges'“ (CWT 3/624).

Der Zusammenhang fehlt bei Zelinsky. Es ist folgender: Wagner hatte schlecht geschlafen. Er hatte davon geträumt, daß Cosima kalt ihm gegenüber war und ihn verließ. Sein Aufsatz „Kunst und Religion“ erschien ihm als „der reinste Unsinn“ im Hinblick auf das, was andere Menschen darüber sagten. Nur durch die Kinder fühlte er sich noch mit der Welt verbunden, denn er meinte, Cosima schreite mit ihm „‚vom Himmel durch die Welt zur Hölle'“ (CWT 3/623).

Nachdem er Gobineaus Buch „Die Renaissance“ zu Ende gelesen hatte, gab er Cosima die letzte Szene mit dem 89-jährigen Michelangelo und Donna Vittoria zu lesen, die ihn sehr ergriffen hatte. Sicher fand er sich in dem altersschwachen Michelangelo, wahrscheinlich Cosima in der gütigen Vittoria wieder. Sie sagt zu ihm: „Den Greis, den Ihr vor meinen Augen in den tiefen Abgrund seiner Ohnmacht hinunterziehen wollt, erhebt, erhöht gerade die Fruchtbarkeit Eures Geistes“ (S. 394).

Michelangelo widerspricht nicht und meint, Vittoria sehe das doppelte Leid des Körpers, der sich auflöse, und der unsterblichen Seele. Vittoria antwortet, Michelangelo sei „nicht alt“, er sei „da“ und werde „immer da sein“. Michelangelo bittet Gott darum, ihn sterben zu lassen. Doch nicht, weil er lebensmüde sei, sondern weil er sich von der Fessel des Körpers befreien wolle: „Nicht den Tod, das Leben fühl‘ ich nahen, das Leben, von dem man hier auf Erden nur den Schatten wahrnimmt und das ich bald in seiner ganzen Fülle besitzen werde!“ (S. 395)

Vittoria denkt ebenso, betont aber den Unterschied zwischen dem Künstler und ihr: „Ihr seid Michelangelo. Ich bin nur eine verständnisvolle Frau“ (S. 395). Während er „viel für die Welt getan“ habe, habe sie nur ihren verstorbenen Gatten und Michelangelo geliebt. Michelangelo entgegnet: „Dann habt Ihr soviel vollbracht wie ich, nicht weniger“ (S. 396).

Doch Vittoria sieht das anders: Sie habe nur an sich selbst gearbeitet. Michelangelo antwortet, das sei dasselbe, wie als Bildhauer dem „leblosen Stoff […] Leben und Bewegung einzuhauchen“ – in beiden Fällen werde ein Vorbild für die Mitmenschen geschaffen. Deshalb betrachte er tugendhafte Menschen als Künstler und Künstler als „ebenso große Menschheitslehrer […] wie die Philosophen und Heiligen“ (S. 397).

Da teilt ihm Vittoria eine Offenbarung mit, die sie über Michelangelo empfangen hat: Als sie ihn kennenlernte, sei er ein selbstbezogener, ungeduldiger, reizbarer Griesgram gewesen. Doch mit zunehmendem Alter habe er „die Fülle, die Frische des Lebens erworben […], die Klarheit, Weite und Schärfe des Blickes und die wahre Kenntnis Euer selbst und der anderen“ (S. 398).

Michelangelo stimmt zu. Als junger Mann habe er sich nur auf seine Kunst konzentriert, weil er befürchtet habe zu versagen. Erst als er sein Werk vollbracht habe, habe er zur Ruhe gefunden. Erst jetzt habe er Zeit dafür gehabt, die Welt wahrzunehmen, „zu schätzen, zu billigen, zu lieben.“ Vittoria freut sich darüber, daß ihm der Verfall des Zeitgeists „weder Ärgernis noch Abscheu“ verursacht (S. 399).

Michelangelo antwortet, daß die Welt sein Mitleid errege. Sie sei wie ein Gefährte, der müde und schwach zusammenbrechen werde, während er auf das Leben im Jenseits hoffe. Als junger Mann habe er an sich gezweifelt, während die Welt ihrer sicher gewesen sei. Savonarola habe zwar nichts erreicht, aber Italien habe sich anderen Ländern überlegen gefühlt. Jetzt sei es umgekehrt. Die großen Künstler seien tot, nur er selbst sei noch übrig. Er verspricht ihr, sie am nächsten Tag wieder aufzusuchen, falls er da noch lebe. Er liebe und segne sie.

Cosima sagte nach der Lektüre: „ganz wunderbar wirkt es auf mich. Wie viele Züge seines [Richards] Wesens in M.A. [Michelangelo], und er sagt selbst, er sei an sich erinnert worden, wie er von der übermäßigen Heftigkeit seines Temperaments bei der großen Energie spricht. Wir ergehen uns über die Stellung von M.A. zur Renaissance, die Gobineau sehr feinfühlig dargestellt hat. Von sich sagt R. [Richard]: Ich bin der Plenipotentarius des Unterganges (diesen sieht er unaufhaltsam); wenn meine Gedanken Wurzel faßten, so würden alle diese großen Menschen als Lehrer angehört werden und würden nicht gleichsam nutzlos gelebt haben“ (CWT 3/623f).

Wagner hat sich also nicht als Verursacher des Holocaust verstanden, wie Zelinsky suggerieren will, sondern appellierte an die Menschheit, auf ihre großen Lehrer zu hören, weil sonst die Welt untergehe. Am Beispiel von Italien könne man es sehen.

Auch der weitere Zusammenhang der Stelle in Cosimas Tagebüchern fehlt bei Zelinsky:

  • „Dann setzt er seine Gedanken auseinander über Betrachtung der Geschichte, immer von dem Punkte aus, daß jede Geschichte Verfall ist. Von der Auswanderung im religiösen Sinn spricht R. auch, um neue Gemeinden und eine neue Menschheit zu gründen, da unsere Klimaten untauglich sind“ (CWT 3/626).
  • Als „das Wort: Abonnement auf den Verfall der Menschheit“ fällt, nachdem Hans von Wolzogen „auf Abonnement eingeladen“ hatte, verwandelt es „eine gedrückte Stimmung in eine ungemeine Heiterkeit“ (CWT 3/632).
  • Dann berichtet Cosima noch von einem philosophischen Gespräch mit dem jüdischen Pianisten Josef Rubinstein, „welcher die Welt abschaffen möchte!“ (CWT 3/647) Zelinsky teilt mit, Rubinstein habe sich an Wagner gewandt, weil er dachte, die Juden müßten untergehen. Er beging „im September 1884 […] in Luzern Selbstmord“ (MK 101).

Mein Verdacht ist, daß die Nationalsozialisten Wagners Opern nur zu gut verstanden und sich deshalb nicht auf ihn in Sachen Antisemitismus beriefen. Sein ganzes Leben war ja das genaue Gegenteil von allem, was sie taten. Wagner unterschrieb nicht einmal die „Massenpetition gegen das Überhandnehmen des Judentums“ (1882).

Zelinsky kommentiert bissig, Wagner habe die Unterschrift verweigert, weil er „seinen eigenen besonderen Kampf gegen die Juden vor Augen“ hatte (MK 103). Das kann im Kontext von Zelinskys Ausführungen nur bedeuten: Ihr Papiertiger werdet nichts erreichen, ich habe ganz andere Mittel vor Augen.

Doch tatsächlich bedeutete es, „daß alle Reden und Maßregeln unnütz seien, so lange der Besitz da sei. Der Welt-Friede würde allerdings in dieser Frage geholfen haben, aber so lange man auf dem Wehrfuß einer gegen den andren stünde, so lange würden auch die Juden mächtig sein. Sie seien die einzigen wirklich Freien, denn nur mit Geld jetzt kann ich es vermeiden, daß mein Sohn ein Sklave des Staates sei“ (CWT 3/644).

Wagners Antisemitismus aus der Sicht seiner Frau

Cosima Wagner läßt keinen Zweifel daran, was Richard für ein Mensch war: „Und auf sein Wesen und die Äußerung desselben kommend, sage ich ihm, daß er für mich der einzige Mensch sei, dessen Wort, dessen Sprache ihm sei, was dem Blatt die Farbe, der Blume der Duft, etwas Unwillkürliches, fern von jeder Absicht, daher sehr oft rücksichtslos scheinend; wenn er nun merkt, daß er durch die Unwillkürlichkeit jemanden gekränkt hat, dann will er es auf alle Weise gut machen, ja bis zur Verleugnung seiner Gefühle“ (CWT 4/671).

Mit diesen Worten ist eigentlich alles gesagt: Man darf Wagners Äußerungen über die Juden nicht als politisches Programm verstehen, das er umsetzen wollte. Im Gegensatz zu Hitler hat Wagner niemand umgebracht. Das darf man nie vergessen.

Dabei stand Cosima Richards Äußerungen durchaus kritisch gegenüber. Als sie darüber sprachen, daß Musiker wie Brahms oder Berlioz etwa deshalb so boshaft seien, weil „sie vielleicht gereizter sind“, kommentierte Cosima: „Mir geht es immer tiefer auf, daß, wenn er (R.) zuweilen Dinge sagt, die kränkend und sehr verletzend sind, er vollständig unschuldig dabei ist und mit dämonischem Instinkt das Richtige trifft. Daß man wehrlos dagegen ist, das ist es, was einen so unbehaglich stimmt“ (CWT 4/720).

Das heißt für uns alle, daß es gilt hinzuschauen anstatt Vorurteile zu pflegen.

© Gunthard Rudolf Heller, 2023

Literaturverzeichnis

CARR, Jonathan: Der Wagner-Clan – Geschichte einer deutschen Familie, aus dem Englischen von Hermann Kusterer, Frankfurt am Main 2010

CHAMBERLAIN, Houston Stewart: Die Grundlagen des neunzehnten Jahrhunderts (1899), 2 Bände, München 201935

ENZYKLOPÄDIE DES NATIONALSOZIALISMUS, hg. v. Wolfgang Benz, Hermann Graml und Hermann Weiß, München 31998 (EN)

GOBINEAU, Arthur: Die Renaissance – Historische Szenen, ins Deutsche übertragen von Robert von Voß, Berlin 1927

GOEBBELS, Joseph: Tagebücher 1924-1945, hg. v. Ralf Georg Reuth, 5 Bände, München/Zürich 1992

GOODRICK-CLARKE, Nicholas: Die okkulten Wurzeln des Nationalsozialismus (1982), aus dem Englischen übertragen von Susanne Mörth, Graz/Stuttgart 1997

GREGOR-DELLIN, Martin: Richard Wagner – Sein Leben · Sein Werk · Sein Jahrhundert, München 1983

HÄDECKE, Wolfgang: Heinrich Heine – Eine Biographie, Reinbek bei Hamburg 1989

HAMANN, Brigitte: Die Familie Wagner, Reinbek bei Hamburg 32013

HELLER, Gunthard: Richard Wagners Weltanschauung

– Richard Wagner als Musikphilosoph I/II

– Richard Wagner als Musikinterpret

– Richard Wagner als Kulturkritiker I/II

– Richard Wagner als Revolutionär

– Richard Wagner als Dichter und Komponist I-IV

– Wagner-Interpretationen I-VI (alle Facebook 2023)

– Gottfried Wagner: Wer nicht mit dem Wolf heult (noch unveröffentlicht)

HITLER, Adolf: Mein Kampf, o.O.o.J

KINDLERS NEUES LITERATURLEXIKON, hg. v. Walter Jens, 21 Bände, München 1996 (KNLL)

KUBIZEK, August: Adolf Hitler, mein Jugendfreund, Graz/Stuttgart 61995

MUSIK-KONZEPTE 5 – Richard Wagner. Wie antisemitisch darf ein Künstler sein?, hg. v. Heinz-Klaus Metzger und Rainer Riehn, München 1978 (MK)

ORZECHOWSKI, Peter: Schwarze Magie – Braune Macht, Ravensburg o.J.

PICKER, Henry: Hitlers Tischgespräche im Führerhauptquartier – Entstehung, Struktur, Folgen des Nationalsozialismus, Berlin 21997

ROSENBERG, Alfred: Der Mythus des 20. Jahrhunderts – Eine Wertung der seelisch-geistigen Gestaltenkämpfe unserer Zeit, München 1935

SCHOPENHAUER, Arthur: Zur Philosophie und Wissenschaft der Natur, in: Parerga und Paralipomena II – Sämtliche Werke Band V, Frankfurt am Main 21989, S. 123-210

SPENGLER, Oswald: Der Untergang des Abendlandes – Umrisse einer Morphologie der Weltgeschichte (1918/22), München 141999

WAGNER, Cosima: Das zweite Leben – Briefe und Aufzeichnungen 1883-1930, hg. v. Dietrich Mack, München/Zürich 1980

– Die Tagebücher, 4 Bände, München/Zürich 21982 (CWT)

WAGNER, Friedelind: Nacht über Bayreuth, Berlin 1999

WAGNER, Gottfried: Wer nicht mit dem Wolf heult. Autobiographische Aufzeichnungen eines Wagner-Urenkels – Mit einem Vorwort von Ralph Giordano (1997), München/Zürich 1999

WAGNER, Richard: Gesammelte Schriften, hg. v. Julius Kapp, 14 Bände, Leipzig o.J.

– Mein Leben, München 21989

– Die Musikdramen, München 1978

– Das Braune Buch, Tagebuchaufzeichnungen 1865 bis 1882, München/Zürich 1988

WEISS, Hermann (Hg.): Biographisches Lexikon zum Dritten Reich, Frankfurt am Main 1999

WILPERT, Gero von: dtv-Lexikon der Weltliteratur – Autoren, München 1971

– Lexikon der Weltliteratur Band II – Hauptwerke der Weltliteratur in Charakteristiken und Kurzinterpretationen, Stuttgart 31993

Gunthard Heller

Einen Kommentar schreiben

Die Angabe des Namens ist optional.
Mit der Nutzung dieses Formulars erklären Sie sich mit der Speicherung, Verarbeitung und Veröffentlichung der angegebenen Daten durch diese Website einverstanden. Mehr Informationen finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.