Globalisierung – nichts Neues?! Über Sinn und Unsinn einer uralten Entwicklung

trockene Erde„Globalisierung!“
– der Schreckensruf unserer Zeit! Wir klagen über die Grenzenlosigkeit der Weltwirtschaft,
über die damit zusammenhängende grenzüberschreitende Wanderbewegung von Arbeitsplätzen
und „Arbeitskräften“, über die Absenkung des Preis-Lohn-Niveaus im eigenen Land,
über die Vermischung und Atomisierung der Völker und damit über den Verlust
ihrer spezifischen Kulturen, über das Vordringen fremder Religionen und Lebensanschauungen,
die das mühsam errungene Maß unserer Freiheit bedrohen. Wir klagen über die
Zunahme der Verbrechen, namentlich über die der überstaatlich organisierten
Kriminalität.

Wie gern würden wir es sehen, daß wir unser Land in Freiheit ohne
fremde Einmischung gestalten könnten. Einige Jahrhunderte hindurch wurde
die einheimische Wirtschaft durch Zölle geschützt. Sie hatte ihre
eigene Währung. Gegen Neid und Habgier des Auslandes versuchten wir uns
durch militärische Rüstung zu wappnen. Gegen Willkür und Unrecht
im Inneren des Landes schufen wir den Rechtsstaat.

Hat es aber jemals in dem geschichtlich überschaubaren Zeitraum von gut
3000 Jahren eine friedliche Zeit gegeben, in der die Menschen verwirklichen
konnten, was auch einem Erich Ludendorff als Ideal vorschwebte: eine Volksgemeinschaft,
einig in Recht, Glauben, Kultur und Wirtschaft, in der die Menschen sich ihrer
angeborenen Wesensart gemäß seelisch entfalten und das Volksleben
sowie den Umgang mit anderen Völkern nach moralischen Grundsätzen
gestalten konnten, die sich nicht an Fremdreligionen ausrichten, sondern am
Göttlichen, das im Ich jedes Menschen auf seine besondere Weise lebt und
auf seine Entdeckung wartet? Früher oder später gerieten die Völker
unter den Einfluß fremder Mächte. Ist also Globalisierung wirklich
etwas Neues?

Die Dorer

Wenn sich die Gelehrten wie auf allen Wissensgebieten so auch besonders auf
dem Gebiet der Geschichte streiten und wir gezwungen sind, unendlich viel Literatur
zu bewältigen, um alle Begründungen für und wider eine bestimmte
Sicht der gewesenen Ereignisse und Verhältnisse in Erwägung ziehen
und einigermaßen unangefochten mitreden zu können, so kann uns nicht
verwehrt werden, letztlich ein Bild in unserer Vorstellung entstehen zu lassen,
das uns als das am ehesten zutreffende erscheint.
Weitgehende Übereinstimmung herrscht jedoch darin, daß um das Jahr
1220 v. u. Zr. eine globale Umwälzung der Völkerkulturen stattgefunden
hat, deren Auswirkungen bis heute andauern. Jürgen Spanuth ist es gelungen,
eine Materialfülle zusammenzutragen, die es erlaubt, für diesen Einschnitt
eine überzeugende Erklärung abzugeben:

Eine Naturkatastrophe ungeheuren Ausmaßes hat Europa von der Nordsee
bis an die Ost- und Südküste des Mittelmeeres heimgesucht und Heimat,
Kultur und Leben vieler Völker zerstört. Ein Meteorit schlug in der
Eidermündung an der Westküste Schleswig-Holsteins ein, hinterließ
eine breite Brandspur in Europa, warf eine Meereswoge auf, gegen die der schreckliche
Tsunami des Jahres 2005 gering erscheint, löste Erdbeben und Vulkanausbrüche
sowie in deren Gefolge eine Klimaverschlechterung aus und versenkte die Königsinsel
Atlantis in der Helgoländer Bucht in den Abgrund.

„Wenn man durch Kleinasien fährt, dann sieht man an vielen Stellen,
an denen neue Straßen durch Hügel gegraben wurden, bis zu 1 m mächtige
schwarze Aschenschichten, in denen nicht selten verbrannte Holzstrunken liegen.
Das sind offenbar die Reste der großen Wälder, die einst Kleinasien
bedeckten und von denen hethitische Texte bis in die Zeit kurz vor dem Untergang
des hethitischen Reiches berichten … Heute sind diese Gebiete baumlos.

In
Syrien und Palästina wurden dieselben Beobachtungen gemacht. Ugarit, heute Ras
Schamra, an der syrischen Küste gegenüber der Ost-Ostspitze von Zypern gelegen,
war bis 1200 v. Chr. eine reiche und mächtige Königsstadt … Erdbeben und Feuersbrünste
vernichteten Ugarit für immer. Dasselbe Schicksal, wie alle anderen Gebiete
im östlichen Mittelmeerraum, erlitt auch Zypern. Auch auf dieser Insel zeugen
die Schichten aus dem 14. und 13. Jhdt. v. Chr., daß dort eine blühende Kultur
herrschte.“ (Spanuth, Die Phönizier, Ein Nordmeervolk im Libanon, Osnabrück
1985, S. 16-17)

Davongekommene nordeuropäische Seefahrervölker machten sich auf ihren seetüchtigen
Schiffen auf den Weg zu neuen Ufern im Süden. Sie trafen auf verwüstete, dünnbesiedelte
Landstriche rund ums östliche Mittelmeer. Die vom Nil gespeiste Flußoase Ägyptens
war ihre Fruchtbarkeit erhalten geblieben, und so strebten die Heimatlosen dorthin.
Doch die Ägypter waren wohlgerüstet. Die Nordleute unterlagen im Kampf und gerieten
in Gefangenschaft, wie die Texte und Bilder des Tempels Ramses III. in Medinet
Habu und die Papyrusrollen von Memphis berichten.

Schließlich aber gelang den Nordmeervölkern, den berühmt-berüchtigten Dorern
mit dem führenden Adelsgeschlecht der Herakliden, die Ansiedlung an den Küsten
des östlichen Mittelmeeres. Berühmt sind sie bei den einen, die in ihnen die
Bringer und Entwickler einer ganz neuen Hochkultur der ausgehenden Bronze- und
angehenden Eisenzeit sehen Berüchtigt sind sie bei denen, die ihnen die Zerstörung
der mittelmeerischen Völker mit ihrer blühenden minoisch-mykenischen Kultur
in die Schuhe schieben.

Im Tempel Ramses III. in Medinet Habu werden 3 Stämme der Nordmeervölker
genannt: die Pheres, das sind die Philister, die Sakar, das sind die Phönizier,
und die Denen, die vom dänischen Jütland gekommen waren. Die Philister
besiedelten Südkanaan, die Phönizier den Libanon, die Denen Galiläa
und Zypern. Die Nordvölker blieben in ihrer neuen Heimat ihrer Kultur treu,
und bald waren sie durch ihr hohes handwerklich-technisches Können berühmt,
ihre Waren begehrt.

So kam 967 v. u. Zr. auch der israelitische König Salomo mit dem phönizischen
König Hiram von Tyros an der Küste des Libanon ins Geschäft: Zum Bau seines
Tempels in Jerusalem bekam er Zedern- und Tannenholz aus dem Libanon gegen die
Lieferung von Weizen und Öl. Der phönizische Baumeister Hiram, gleichen Namens
also wie sein König Hiram und ebenfalls aus Tyros stammend, „ein Meister im
Erz, voll Weisheit, Verstand und Kunst, zu arbeiten allerlei Erzwerk“ (1. Könige,
7,14) stattete den Tempel mit allen Anzeichen der nordeuropäischen Ursprungskultur
aus. Mit Säulen, die oben in zwei ausladenden Armen endeten wie die Irminsul,
mit einem Riesenwasserkessel als Symbol des Meeres mit einem Fassungsvermögen
von 50 000 Litern und einem Gewicht von 30 Tonnen, getragen von 12 metallenen
Rindern, je 3 nach einer der 4 Himmelsrichtungen ausgerichtet, mit 10 Kesselwagen,
Tier- und heidnischen Göttergestalten wie Baal und Aschera aus Bronze. (2. Könige,
23,4)

Durch ihren Handel mit den Völkern des Mittelmeeres, durch ihren Welthandel
an den Nord- und Westküsten Afrikas von Ägypten bis nach Kamerun,
ja bis nach Südamerika wurden sie unermeßlich reich. Im selben Maße
wurden sie beneidet, bekriegt, ausgeraubt und schließlich in den Untergang
gezwungen.

Dido, die phönizische Königstochter von Tyros, floh nach der Ermordung
ihres Gatten durch ihren Bruder „mit einem Segelschiff“, wie die Sage
erzählt, nach Westen und gründete an der nordafrikanischen Küste
die Stadt Karthago, die bald ebenfalls durch globalen Handel überaus reich,
aber schließlich durch Rom in den punischen Kriegen von der Landkarte
gestrichen wurde.

Globalisierung war für die Männer der nordischen Seevölker offensichtlich
kein Thema, sondern etwas, was sich für sie von selbst verstand, seit sie
ihre seetüchtigen Schiffe zu bauen verstanden. Sie sehnten sich nach der
Ferne, nach Erkundung der Welt und stolzer Betätigung ihrer Fähigkeiten
und ihres Leistungswillens. Globalisierung ihrer Betätigungsfelder, ihres
Handels lag ihnen im Blut, wie sie auch ihren Stammverwandten, ihren Vor- und
Nachfahren der nordeuropäischen Heimat immer im Blut gelegen hat. Schon
1700 v. u. Zr. verewigte sich der Norweger König Woden-Lithi in Kanada
mit der damals gebrauchten Tifinag-Schrift, in der er von seinem Handel mit
den dortigen Indianern berichtet, mit denen er heimische Webwaren gegen Gold
getauscht hatte. (vgl. Barry Fell/Heinz B. Maass, Deutschlands Urahnen, Nordische
Schriftzeugnisse und atlantische Seefahrt der Bronzezeit, Band 1 und 2, Lemwerder
1999 bzw. 2003)

Jüngere Globalisierer

Im Mittelalter betrieben die königlichen Kaufherren der nordeuropäischen
Hanse mit ihren Schiffen Welthandel, gründeten Niederlassungen im Nord-
und Ostseeraum von London über Bergen in Norwegen bis Nowgorod, tauschten
Schätze der Welt und errichteten zu Hause, vor allem in Norddeutschland,
ihre stolzen, weithin sichtbaren Statussymbole in ihren Hansestädten, die
großartigen Kirchen, Rathäuser, Kontore und Wohnhäuser im Stil
der Backsteingotik. Eine „Herr“lichkeit im wahrsten Sinne des Wortes!

hotelDoch
wenn der Welthandel teils auch friedlich erscheinen mochte, wirklich friedlich
ging er wohl zu keiner Zeit vonstatten. Immer gab es Neider und unberechtigte
Nutznießer, gab es Habsucht und Übervorteilung bis zu offenem Krieg.
Einer der traurigen Höhepunkte war die rücksichtslose Kolonisierung,
das heißt die Ausbeutung und Zerstörung der Völker, die in diesem
Spiel die Unterlegenen waren. Sie haben sich bis heute nicht davon erholt, falls
sie überhaupt am Leben geblieben sind.

Doch auch die herrschenden Europiden mißgönnten sich gegenseitig
die „Absatzmärkte“. Die deutschen Absatzmärkte zu gewinnen,
war sogar offen erklärter Kriegsgrund Winston Churchills. Außerdem
meinte er: „Das unverzeihliche Verbrechen Deutschlands vor dem Zweiten Weltkrieg
war der Versuch, seine Wirtschaft aus dem Welthandelssystem herauszulösen
und ein eigenes Austauschsystem zu schaffen, bei dem die Weltfinanz nicht mehr
mitverdienen konnte.“ (Winston Churchill, Der Zweite Weltkrieg, Scherz,
München 1960)

Die mit reiner Vernunft am höchsten begabten Menschen der Erde, die Träger
höchster IQ-Werte und – wie es scheint – geringster Skrupel gepaart mit größter
Selbstgerechtigkeit sitzen heute an den Schalthebeln der Weltmacht, führen ungestraft
Angriffskriege um die Schätze der Erde, verfügen über die Weltbank mit indirekter
Weltwährung, über Medienkonzerne zur weltweiten Beeinflussung der Massen und
über ein unerhörtes Arsenal von Massenvernichtungsmitteln, mit denen sie alle
bedrohen, die nicht „für sie“ sind bzw. deren Bodenschätze sie auszubeuten gedenken.

Heute sind die Verkehrs-, Transport- und Kommunikationsmittel vielfältiger,
leistungsfähiger, schneller als jemals zuvor. Wer einen Rechner besitzt,
kann sich ins Weltnetz einschalten und sich am Welthandel beteiligen. Somit
sind viele Menschen der reichen Länder begeistert über den technischen
Fortschritt, den auch sie zu ihrer Freude und Bequemlichkeit nutzen können,
und daß sich ihr Denken über die engen Grenzen der eigenen Umwelt
hinaus erweitern und die „Welt umspannen“ kann. Junge Leute, die in
ein Europa hineingewachsen sind, das Ströme von Fremden aufgenommen hat,
finden ihr Land gerade darum liebenswert, weil es „internationaler“,
„bunter“ geworden sei.

Mögen andere dagegen die Folgen der Globalisierung beklagen, Tatsache
ist, daß die Menschen mehr oder weniger stark am Welthandel beteiligt
sind und sein wollen. Wohlhabende fliegen um die Welt, um sie anzuschauen, bauen
für ihren Lebensabend in Ländern mit langer Sonnenscheindauer ihre
Alterssitze. Wissenschaftliche Eliten wandern zu den angesehensten Forschungsstätten,
wo immer die sich auf der Erde befinden. Die Armen versuchen, in die reichen
Länder einzudringen, um ihren bisher kärglichen Lebensstandard anzuheben.
„Ubi bene ibi pa-tria.“

Vaterland und Heimat – überholt?

Patria, „Vaterland“! Kann für die Umherschweifenden aber wirklich
überall dort „Vaterland“ sein, wo es ihnen angeblich „gutgeht“,
ubi bene? Trägt ein Land für einen Menschen zu Recht den Namen „Vaterland“,
in dem die eigenen Vorväter gar nicht gelebt haben? Welches Verhältnis
hab ich zu einem Land, das fern auch von der Mutter und den Vormüttern
liegt?

Bei aller Fülle materieller Güter darben die Menschen seelisch, wenn
sie nicht zu sich selbst kommen, zu ihrer Herkunft, ihren Wurzeln. Dann sind
sie „verurteilt … zu einem Dasein als Zombie, als wandelnde, nach außen
manchmal sogar trügerisch funktionierende Tote“, schildert die Psychotherapeutin
Estés (Clarissa Pinkola Estés, Die Wolfsfrau, Heyne 2004, S. 46
ff.) ihre Erfahrungen mit Menschen, ohne sich darin ihrer Übereinstimmung
mit ihrer Fachkollegin Mathilde Ludendorff bewußt zu sein, die gut 80
Jahre früher von „der wimmelnden, lärmenden Stadt der plappernden
Toten“ spricht. (Mathilde Ludendorff, Triumph des Unsterblichkeitwillens,
Erstausgabe 1921)

Schon Solon bedauert um 600 v. u. Zr.: „… die Bürger, die all‘
nur auf Eigennutz sinnen, wollen der glänzenden Stadt Macht vernichten
im Wahn; ruchlos ist die Gesinnung der Führer des Volkes … sie wissen
ja niemals die Lüste zu zügeln … Reichtümer schachern sie all‘,
achten Gesetz nicht noch Recht.“ (Solon, Die große Staatselegie,
in: Solon: Dichtungen, Sämtliche Fragmente, München 1940, S. 17)

Solon, ein bedeutender Staatsmann und Dichter des 7. bis 6. Jahrhunderts v.
u. Zr., gab Athen eine Verfassung und ein umfassendes Gesetzeswerk, womit Staat
und Volk Athens vor der Selbstzerfleischung bewahrt wurden und Solon seinem
Ruf als „diallaktes“, als eines „Wieder-ins-Lot-Bringers“,
voll entsprach. Ohne Gesetze und ohne Ordnungsmacht fällt eine Gesellschaft
in Anarchie, in der die Menschen aufgegeben haben, Rücksicht aufeinander
zu nehmen, und in der sie höhere Werte fallen gelassen haben zugunsten
hemmungsloser eigener Bereicherung.

„Vater“ Staat ist es, der in solchen haltlos gewordenen Völkern
Ordnung schaffen, erzwingen und vor Angriffen von innen und außen schützen
kann. Wenn er dabei die Grenzen nicht überschreitet, die Geist und Seele
in ihrem Freiheitsanspruch fordern, trägt er entscheidend dazu bei, daß
sein Land den darin lebenden Menschen das Empfinden von Sicherheit ermöglicht.
Hier können auch Fremde sich sicher fühlen, wenn sie selbst sich an
die Gesetze des Gastlandes halten.

Sicherheit ist ein Teil dessen, was Heimat ausmacht, aber bei weitem nicht
alles. Heimat bedeutet mütterliche Wärme, sie ist dort, wo befreundete
Menschenseelen leben, wo das Gemüt mitschwingt, wo entscheidende Lebensphasen
wie Kindheit, Liebe, Abschied durchlebt wurden, wo berufliche Erfüllung
möglich ist, wo der Mensch noch Zuflucht zu Stille, heilen Formen, ursprünglichem
Leben in der Natur nehmen kann, wo Geschichte des eigenen Volkes nacherlebbar
ist, wo die Muttersprache gesprochen und in ihr gedacht, gedichtet und gesungen
wird, wo der Mensch in seinem ganzen Sein verwurzelt und verwoben ist, wo er
sich verstanden fühlt und sich entfalten kann. Für das Können,
das diese Werte hervorbringt und zu schützen weiß, gibt es keinen
Intelligenz-Quotienten IQ.

Das rechte Maß

brückeDie
Globalisierung der Wirtschaftsbeziehungen, der Wissenschaft, des Geisteslebens
ist nicht aufzuhalten, ja kann Bereicherung, Beglückung und Frieden bringen.
Werke musikalischer Hochkultur überschreiten ohnehin alle Grenzen und sind
allen aufgeschlossenen Menschen der Erde innerlich zugänglich. Wichtig
aber ist zu erkennen, daß der Mensch ohne Heimat nicht gedeihen kann und
daß zivilisatorische Hochentwicklung noch nicht wirklich etwas mit Kultur
zu tun hat.

Der „funktionierende“ und auf Lustgewinn erpichte Mensch in den „wimmelnden,
lärmenden Städten der plappernden Toten“ hat sich weit von seinem
Ursprung entfernt. Männliche Freude an Leistung, Machtgewinn und Vernunftanwendung
war einst vor 3000 Jahren bei Leben bedrohenden Umweltbedingungen gefordert,
das Schicksal des Volkes führend in die Hand zu nehmen, und war sicherlich
im eigenen Volk willkommen und anerkannt.

Doch dabei gerieten die mütterlichen Werte ins Hintertreffen: Gemütserleben,
Ausgleich, Verstehen, Fürsorge und Achtung vor der Würde des Anderen. Das Erleben
der Erde als der Mutter all ihrer Geschöpfe wurde verschüttet mit der bekannten
Folge schlimmster Mißhandlung und Ausbeutung der Natur mitsamt den Mitgeschöpfen
des Menschen, den Pflanzen und Tieren. Der Mann überhob sich zum Herrscher der
Welt und beweihräucherte sich selbst ob seiner Mächtigkeit. Endloser Kampf,
nicht allein zur Abwehr von Angriffen auf das eigene Volk, nein, vor allem für
„Ruhm und Ehre“ der Herrschenden, für Obsiegen und Vormacht über Konkurrenten
war nun an der Jahrtausende währenden Tagesordnung. Mütterlichem Wollen war
der Einfluß abgeschnitten.

Die Australierin Johanna Lambert berichtet, übereinstimmend mit Spanuth
und anderen Forscherinnen und Forschern und dabei die Spitze des männlich
bestimmten Extrems aufzeigend: „Das Alte Testament beginnt mit der Geschichte
vom Verlust einer natürlichen Umwelt, einer Heimat, die diese Stämme
wie ein Garten ernährt hatte … Sie verloren das tiefe Gefühl, an
einen bestimmten Ort der Erde zu gehören. Ebenso fühlt sich ein Kind,
das von der Mutter verlassen wurde.

Ist es nicht von symbolischer Bedeutung, daß Moses, der Prophet des autoritären,
strafenden und mitleidslosen Gottes Jahwe, ein verlassenes Kind war? Dieses
Gottesbild veranlaßte die Menschen, sich von der Heiligkeit der Wildnis
und der totemistischen Vision wilder Tiere und Geschöpfe abzuwenden und
eine Gesellschaft zu gründen, die … von Männern beherrscht wurde,
über eine spirituelle und gesellschaftliche Hierarchie verfügte und
es duldete, daß ein ,auserwähltes Volk‘ seine Macht erweiterte, indem
es andere Völker unterwarf.“ (Johanna Lambert, Weise Frauen aus der
Traumzeit, Das geheime Wissen der Abori-gines, München 2000, S. 180-181)

Solche Denkweise ist es, an der die globalisierte Welt seit Jahrtausenden krankt.
Nicht die Globalisierung an sich, sondern ihre rücksichtslose Nutzanwendung
ist das Übel. Mögen die mit reiner Vernunft Hochbegabten noch so stolz
auf ihr Können und ihre in die Welt ausgreifenden Leistungen sein, sie
sollten nicht so blind sein zu glauben, schon deshalb auch kulturell über
den Menschen und Völkern zu stehen, die den Sinn ihres Menschenlebens in
schlichter Natürlichkeit und arteigenem Gotterleben verwirklichen. Allein
dieser Maßstab seelischer Wertigkeit gilt.

Globalisierung ist nichts Neues, neu aber wäre sie weltweit und ausschließlich
am Wertmaßstab göttlichen Lebenssinnes auszurichten.

Heidrun Beißwenger