Götterwelt: Bedeutung ägyptischer Götter in Tiergestalt

Ein typisches Erkennungsmerkmal von ägyptischen Göttern ist die Tiergestalt, wobei der Gott meist mit dem Körper eines Menschen und dem Kopf eines Tieres abgebildet wurde. Doch was steckt hinter der Idee, dem Göttlichen solch eine Form zu geben? In diesem Artikel erfahren Sie, anhand einiger Beispiele, warum diese Darstellungsform dem göttlichen Wesen gerecht wurde.

Ägyptische Götter in Tiergestalt

Den seltsamen tiermenschlichen Mischgestalten ägyptischer Götter wurde teils mit Spott aber auch Ratlosigkeit begegnet. Doch dass das Göttliche in Tiergestalt auftritt, ist nicht so ungewöhnlich oder nur dem alten Ägypten zu eigen.

Horus ägyptischer Gott in Tiergestalt

Wir kennen dieses Phänomen z. B. aus der christlichen Tradition, wo man von Jesus als das „Lamm Gottes“ spricht oder von dem Heiligen Geist, der auch als Taube dargestellt wird.

Göttliches ist auch außerhalb Ägyptens in Tiergestalt aufgetreten. Nur im alten Ägypten war das sehr früh der Fall, nämlich im 4. Jahrtausend vor Christus. Noch ältere Höhlen- oder Felszeichnungen von Tieren werden hier nicht mit eingerechnet, da bis heute nicht klar ist, ob es sich bei ihnen tatsächlich um die Darstellung des Göttlichen handelt.

Wie der Pharao als ein „Bild“, eine Verkörperung des Schöpfergottes galt, so wurden auch einzelne Tiere als Bilder bzw. Verkörperungen von Gottheiten verehrt, z. B. der Apis-Stier, in welchem der Schöpfergott Ptah seinen irdischen Wohnsitz einrichtete.

Bei vielen reinen Tierdarstellungen handelt es sich nicht um Darstellungen des Göttlichen. Doch man kann allgemein festhalten, dass das Tier Fähigkeiten und Fertigkeiten hat, die als den Menschen überlegen angesehen wurden.

Doch für die bildlichen Mischdarstellungen, d. h. bei Figuren, die tierische und menschliche Merkmale aufweisen, kann man sagen, dass für sie Folgendes gilt: „Mensch + Tier = Gott„. Das schloss natürlich nicht aus, dass das Göttliche auch in reiner Tiergestalt auftreten konnte, z. B. Anubis als Schakal, Sobek als Krokodil, Hathor als Kuh, oder Horus als Falke.

Die tiermenschliche Mischung göttlicher Darstellungen machten die Götter für die Menschen anschaulicher und erfahrbarer, verdrängte aber die anderen Möglichkeiten der Darstellungen nicht. Erstere wurden aber bevorzugt gewählt und – wie wir heute wissen – zu einem typischen Erkennungsmerkmal ägyptischer Götter. Das ist vor allem dann der Fall, wenn sie mit einem menschlichen Körper und dem Kopf eines Tieres dargestellt wurden.

Ein besonders wichtiges altägyptisches Erbe ist die Sphinx. Ursprünglich handelte es sich um ein Wesen mit dem Körper eines Löwen und dem Kopf des entsprechend ägyptischen Königs, also die umgekehrte Darstellungsvariante zum „Normalfall“. Die Sphinx wurde im Lauf der Zeit zu einer weiblichen Sphinx, über die wir heute durch die Griechen wissen, dass sie Rätsel aufgibt.

Wir kennen auch widderköpfige Sphinxen des Gottes Amun. Sie sind auch heute noch erhalten und können in den Sphinxallen des Tempels von Karnak bewundert werden. Es gibt falken-, schlangen- und krokodilköpfige Sphinxen. Die Fabelwelt kennt zahlreiche Abwandlungen der ursprünglichen ägyptischen Idee.

Tiergötter in Ägypten

Der Greif und die Sphinx haben ein gemeinsames Merkmal, den Körper des Löwen. Diese Darstellungsform verweist auf eine große Macht, die der ägyptische König bzw. Amun repräsentierte. Beim Greif kamen manchmal noch Flügel und Vogelkopf hinzu, was auf weitere Funktionen hindeutet. Die Flügel symbolisierten zum einen ungehinderte Bewegungsfreiheit, zum anderen Schutzfunktionen.

Durch die Flügel konnten die Schutzgottheiten anschaulicher dargestellt werden, als durch ausgebreitete Arme (und erlaubten darüber hinaus das Zufächeln von Luft), obwohl auch jene für die Darstellung verwendet wurden, z. B. bei Selket, Isis, Neith und Nephthys, wenn sie als Schutzgöttinnen auftraten.

Doch die Tiere lassen sich nicht auf einfache Gleichungen bringen, z. B. Löwe = Macht und Herrschaft, Stier = Fruchtbarkeit und Kraft. Dagegen lassen sich die Hieroglyphen in Form von Tieren meist eindeutig bestimmen, doch das gilt nicht für die bildliche Darstellung von Tieren. Jedes Tier ist eine eigenständige Persönlichkeit und lässt sich nicht auf eine einzige Deutungsformel reduzieren. Es verkörpert vielmehr eine Bedeutungswelt.

Ein Beispiel dafür ist die Schlange. Es hängt ganz vom Kontext ab, ob es sich um einen Feind des Sonnengottes handelt, oder um das Symbol der Erneuerung und Verjüngung, oder um einen Helfer des Sonnengottes, der seine Feinde vernichtet. Sie bedeutet – je nach Situation – etwas völlig Unterschiedliches.

Die alten Ägypter benutzten die Tiere, um etwas über das Wesen der Götter mitzuteilen. Ihre Bedeutungen verweisen z. B. auf die Kraft und Gefährlichkeit oder Macht und Herrschaft, auf Schutz und Zuwendung oder auf Bewegungsfreiheit in allen Elementen und Überwindung des Todes.

Dabei sollte man sich immer vor einem simplen Bedeutungsschema hüten. Jede Tierart verkörpert einen lebendigen Komplex von sehr verschiedenartigen Aussagen, was auch den komplexen Wesen der Götter besser gerecht wird.

Wenn Sie mehr über das Thema erfahren wollen, finden Sie auf meiner Homepage „Das alte Ägypten“ viele weitere Informationen über die Götter- und Tierwelt des alten Ägyptens.

Viel Spaß beim Schmökern!

Cassandra B.