Die lebendige Welt der germanischen Götter

Fast alle im nord- und zentraleuropäischen Raum verwurzelten Menschen haben, zumindest zum Teil, germanische Vorfahren. Dennoch wird heute ein jeder, welcher sich mit unserer alten Religion auch nur befaßt, zumindest skeptisch beäugt.

Im Zuge der Christianisierung wurde der alte Glaube mit Feuer und Schwert bekämpft, die heiligen Plätze zerstört, meist mit christlichen Kirchen besetzt und so Unmengen von unschätzbarem Wissen vernichtet. Bis in die Neuzeit wurde durch die Inquisition versucht jedwede Erinnerung auszulöschen. Die wenigen, noch Verbliebenen, welche einen Teil des alten Wissens bewahrt hatten, mußten sich in den Untergrund zurückziehen oder endeten auf dem Scheiterhaufen. Mit dem ausgehenden 19. Jahrhundert begannen etwas andere Töne zu erklingen. Jedoch gerade diese sind es, die uns heute den größten Schaden zufügen.

Es begann eine Ära, in der die germanische Kultur so wie die alten heiligen Symbole und Mythen verfälscht und auf übelste Weise für eine krankhafte Idee von Herrenrasse, Blut und Boden mißbraucht wurden. Den Höhepunkt fand dieser Wahnsinn in der Propaganda des sogenannten 3.Reiches.

Vergessen wird hierbei meist die Tatsache, daß sich eine faschistische Diktatur in keinster Weise mit dem ursprünglichen germanischen Weltbild vereinbaren läßt. Wer einen Blick für Zusammenhänge hat, wird bei den Gesten, Aufmärschen und Standarten dieser unseligen Epoche, eher an die Legionen eines imperialistischen Roms erinnert.

Leider scheinen wir alle, seit jener Zeit, unter einem Trauma zu leiden, das unseren Blick trübt und uns eine differenzierte Betrachtungsweise erheblich erschwert. Dies wiederum bringt mit sich, daß heute eine erneute „Hexenjagd“ begonnen hat, gegen all jene, welche sich zu unserer alten germanischen Religion bekennen.

Allzu oft werden Angehörige der alten Religion einfach pauschal dem rechten Lager zugeordnet, was für diese natürlich Anfeindungen, Diskriminierung und zuweilen offene Angriffe mit sich bringt. Erschwerend kommt hinzu, daß tatsächlich faschistische Kreise immer öfter die alte Religion als Deckmantel benutzen und auch versuchen in der Heidenszene Fuß zufassen. Doch hier gilt: „An ihren Taten werdet ihr sie erkennen!“

Faschisten tragen die alten Götter wohl auf den Lippen, jedoch niemals im Herzen! Schon vor über zwanzig Jahren wurde mir, durch den engen Kontakt zu Indianern, deren Kultur und deren altem Wissen gewahr, daß es für mich von äußerster Wichtigkeit sein mußte, in den Tiefen meiner Wurzeln die Verbindung zum Göttlichen zu suchen, die Weisheit meiner Ahnen zu erforschen und das Band zu Mutter Erde neu zu knüpfen. Nach einigen Jahren intensiver Arbeit wurde ich praktizierender Wicca-Priester.

Es folgte eine bewegte Zeit, in welcher sich der germanische Teil meiner Herkunft zu Wort meldete und immer mehr vertiefte ich mich in die Studien der germanischen Mythen. Zusammen mit einigen Wiccas, Asatru und anderen Heiden, begann ich gemeinsam die Verbindung zu unserem Urgrund zu knüpfen. Fragment für Fragment wurde zusammengetragen. Es ging uns nicht darum, alte Rituale einfach nur stumpf zu wiederholen, sondern die wirkliche Verbindung zu schaffen. Wenn eine Religion lebt, so bewegt sie sich.

Es sind keine verstaubten Knochen, die von irgendeinem Archäologen sortiert werden. Weit gefehlt, es ist Leben! Die germanische Religion ist hoch komplex und schlüssig, voll von Energie und Mythe und dennoch voll von metaphysischer Logik. Am Anfang war das große Chaos, im nordgermanischen Ginungagab geheißen. Die Riesen/ Thursen/ Joten sind die Mächte des Chaos, der Naturgewalten in ihrer zerstörerischen Form.

Aus dem Riesen Ymir schufen die Götter die Welten, sie brachten das Chaos in Form. Da war das eine Göttliche, das unbenennbar ist. Die Götter waren deren Viele, geschaffen von dem Unbenennbaren und dennoch gleichzeitig die Eins und das unbenennbare Göttliche selbst (in der Metaphysik durchaus logisch, newtonsche Mechanik und aristotelische Logik sind da eben zuweilen nicht ganz ausreichend). Die Verbindungen des Göttlichen mit den Urgewalten erzeugte die ersten Götter. Diese Götter formten aus den Naturgewalten (Riesen) die Welten.

Dazu sei noch zu sagen, daß nach dem alten Wissen, es zyklische Wandlungsphasen gibt, in welchen Altes zerstört und Neues geschaffen wird, wie in der Götterwelt, so auch bei den Menschen. Diese Wandlungsphase wird im Nordischen Ragnarök genannt.

Bei jedem Neubeginn wird aus der Naturgewalt (den Riesen) Neues geschöpft, Auch Götter vergehen und entstehen. So gilt als Ahn des Burr, der schließlich den Odin / Wotan zeugte, der Riese Bergelmir, sein Vater war Drugelmir und dieser wurde wiederum von Örgelmir und Urm gezeugt usw..

Auch die Sonne, welche als Sol / Sul eine eigene Gottheit ist, wird zu Ragnarök von zwei Wölfen (Sköll und Hati) gefressen. Danach wird ihre Tochter als neue Sonne über der Erde erscheinen. Interessant erscheint mir in diesem Zusammenhang, daß nach den alten Mythen, die Sonne beim nächsten Ragnarök ihren Schild, mit Namen, Swalin=Sänftiger verlieren wird, so das Berge und Wälder Feuer fangen .

Nun gibt es auch zwei Stämme der Götter; die Äsen und die Wanen.

So beschreiben die Mythen, daß zuerst Krieg zwischen den Beiden ausbrach. Nachdem sie aber erkennen mußten, daß sie gleich stark waren und um weiteres Blutvergießen zu vermeiden, schlossen sie Frieden. Es wurde vereinbart, daß einige Asen zu den Wanen kommen, um dort gleichberechtigt aufgenommen zu werden und ebenso umgekehrt. So geschah es auch (Njörd, Freyer und Feya sind Wanen).

Bemerkenswert ist hier, daß wie in der Götterwelt so auch bei den Menschen sich ähnliche Begebenheiten abspielen; Aus der „Megalitkultur“ (Matriachal, Fruchtbarkeitskult ackerbauend-, „wanisch“ ) und der „Streitaxtkultur“ (eher patriachal, viehzüchtend, teil nomadisch, Kriegerkult -„asisch“) entstand die „Jasdorfkultur“ welche wiederum den Ursprung der germanischen Stämme bildete.

Zum besseren Verständnis: Die Römer bezeichneten pauschal alle rechtsrheinischen Stämme als Germanen, daher bezeichnen wir heute die gesamte „Sprachfamilie“ so. Im Ursprung entstammt diese Bezeichnung offenbar durchaus der germanischen Sprache (Germanen = Speerleute), jedoch bezeichnete sich wohl nur ein Stamm oder eine Gruppe so oder wurde von einer Nachbarsippe so bezeichnet. Die einzelnen Gottheiten wurden auch von Stamm zu Stamm verschieden benannt, hatten regionale Besonderheiten und wurden verschieden stark verehrt. Auch Unterschiede in der Gesamtsichtweise der alten Mythen waren üblich.

Oft wurden bestimmte Gottheiten auch miteinander verschmolzen. Hier jedoch gehe ich von metaphysischen Gesichtspunkten in einer einigermaßen schlüssigen Form aus. So will ich jetzt ein wenig auf einige der alten Götter näher eingehen.

Tyr / Tiwaz / Tiu / Saxnot

In Urzeiten wohl als Hauptgott angesehen, wurde er später zum Kriegsgott . Dies sollte man allerdings nicht mißverstehen; Tyr ist in erster Linie ein Gott der Verantwortung und der Entscheidung. So gibt es die Geschichte, daß der Alles vernichtende Fenriswolf gebunden werden sollte. Die Asen ließen von den Zwergen ein sehr filigranes jedoch unzerreißbares Halsband fertigen. Nun mußte der Fenris davon überzeugt werden, daß dieses Halsbad für ihn harmlos sei, um es ihm überstreifen zu können.

Darauf legte Tyr, als „Faustpfand“ seinen Arm in des Fenris Rachen. Wohl wissend, daß der Wolf seinen Arm verschlingen würde, sobald er sich der Fessel gewahr würde. So geschah es auch und Tyr opferte einen Arm um die Bestie zu binden. Tyr wird daher einarmig dargestellt. Sein Zeichen ist die Tyr- Rune und das Schwert, welches in der ursprünglichen germanischen Kultur, als Zeichen der Verantwortung galt.

Hlödin / Hludana / Fjörgyn / Jörd

Diese Göttin ist die Erdmutter in all ihrer Schöpfungskraft. Mit ihr zeugte Odin die Brüder Thor und Meili.

Thor / Donar

Er ist ein sehr starker und dennoch gutmütiger Gott. Zeitweilig kann er wohl etwas aufbrausend sein, was ihm oftmals hinterher leid tut. Auch passieren ihm zuweilen Mißgeschicke, welche er jedoch, dank seiner enormen Kraft, wieder „ausbügeln“ kann. Ein etwas rauher und polternder Gott, der Unmengen Essen verschlingen kann und auch dafür bekannt sein soll, daß er bei Trinkgelagen von Allen der Durstigste ist.

So kennen wir die Geschichte, daß Thor eines Tages bei einem Riesen zu Gast war. Dieser forderte ihn auf ein großes Trinkhorn in wenigen Zügen zu leeren. Thor trank und trank, jedoch als er das Horn absetzte, war es immer noch nicht gänzlich leer. Darauf sollte er mit einem alten Weibe einen Ringkampf machen. Trotz aller Anstrengungen gelingt es ihm nicht die alte Riesin nieder zu ringen. Zu guter letzt soll er eine Katze vom Boden aufheben. Auch dies gelingt ihm nicht ganz. Ein Bein des Tieres berührt immer noch den Boden.

Thor grämt sich zutiefst und glaubt sich zu nichts mehr nütze. Später wird ihn gewahr, daß er dem Riesen dennoch Respekt eingeflößt hatte. Es stellt sich heraus, daß es sich bei dem Trinkhorn um das Weltmeer handelte, das alte Weib das Alter war und die Katze niemand anderes als die Midgardschlange selbst. Thor ist oft mit einem, von Ziegenböcken gezogenen Wagen unterwegs und die Bauern glaubten, wenn es blitzt und donnert, daß Thor soeben mit diesem Gefährt über sie hinweg gebraust ist.

Weitere Attribute dieses Gottes sind sein Kraftgürtel und Kampfhammer Mjölnir. Einst von den Zwergen gefertigt, ist Mjölnir nicht nur eine fürchterliche Waffe, die beim Wurf zu ihrem Besitzer zurückkehrt, sondern auch ein Fruchtbarkeitssymbol. Mit der Riesin Jarnfara zeugte Thor die Brüder Magni und Modi. Diese Beiden werden Ragnarök überleben und einen „Neuaufbau“ mit den anderen Überlebenden beginnen. Thors eigentliche Gemahlin ist Sif.

Meili

Er ist Thors Bruder und symbolisiert in der Metaphysik den Doppelwert und auch die Zweiseitigkeit. In dem alten Mythos taucht Meili kaum auf, bzw. uns ist wenig bekannt.

Sif

Sie ist eine Göttin der Fruchtbarkeit und der Erotik, der Pflanzenwelt und der Lust.

Odin / Wotan / Wuodan

Im Allgemeinen wird er als Anführer und oberster Feldherr der Götter gesehen. Allerdings ist Odin, nach meinen Erkenntnissen, vor allem der oberste „Schamane“ und Metaphysiker. Äußerst oft ist er damit beschäftigt Wissen zu sammeln, und im alten Mythos ist eindeutig sein schamanistischer „Einweihungsweg“ beschrieben. Um aus Mimirs Quelle, der Quelle der Weisheit, trinken zu können opferte er ein Auge. Daher wird er auch einäugig dargestellt und beschrieben.

Um an Ödrörir, den Dichtermet heranzukommen, bediente er sich aller erdenklichen Tricks. Auch hing Odin neun Nächte am Baum, der Weltenesche, sich selbst geweiht, bis er die Runen fand. Runen sind nicht einfach Schriftzeichen, sondern in erster Linie magische Symbole, welche sowohl optisch als auch akustisch gebraucht sehr wirkungsvoll sind.

Bei uns wirken sie auch als „Schlüssel“ direkt auf das Unterbewußtsein. Ich glaube sagen zu können, daß die Symbolik des Hängens am Baum, man denke nur an die Tarotkarte „der Gehängte“, sehr klar als Initiation zu erkennen ist.

Odin wird oftmals mit einem breitrandigen Schlapphut, welcher die leere Augenhöhle bedeckt und mit einem weiten, blauen Mantel dargestellt. Dazu trägt er meist seinen riesigen Speer Ghugnir („der Wankende“). Zu Odin gehören weiterhin seine beiden Wölfe Geri und Freki, so wie seine Raben Munin und Hugin, welche ihm aus aller Welt Nachrichten zutragen. Sleipnir heißt sein achtbeiniges Roß auf welchem er die Schar der Einherier anführt.

Einherier sind die gefallenen Recken, welche Odin an seiner Tafel in Walhall sammelt, um zu Ragnarök über ausreichend Heerscharen zu verfügen. Wili und We sind Odins Brüder. Durch sie wird in erster Linie Odins metaphysischer „Zahlenwert“ symbolisiert (seine Dreiseitigkeit). Außer Thor sind Baldr / Baidur, Hermod, Widur und Wali Odins Söhne. Frigg / Frija ist Odins Gemahlin. Es ist bekannt, daß Odin oft in die Geschicke der, auch einzelner Menschen eingreift. So herrscht in unserer alten Tradition und überhaupt ein reger Verkehr zwischen der Götterwelt und der Menschenwelt.

Die Walküren schließlich sind die Schildmaiden / Kampfjungfrauen des Odin. Sie streiten für seine Pläne auf den Schlachtfeldern, geleiten die gefallenen Recken nach Walhall und bewirten dort die Einherier.

Frigg / Frija

Sie ist die Göttin des Hausstandes, der Sippe und der Familie. Sie ist Hüterin und Bewahrerin der göttlichen Ordnung, greift jedoch nicht, wie ihr Gatte Odin, so häufig in das irdische Geschehen ein.

Widar und Wali

Diese beiden Söhne Odins werden Ragnarök überleben. Widar wird den Tot seines Vaters Odin rächen. Beide werden zu denjenigen Göttern gehören, welche nach der Götterdämmerung ein neues Weltgefüge errichten.

Hermod

Er geht nach der hinterhältigen Tötung Baldurs zur Hel, um ihn dort auszulösen, was jedoch vorerst mißlingt.

Baldr / Baidur / Balder

Gott der Reinheit, Tugendhaftigkeit, Schönheit und des Lichts. Er ist auch der Sonne zuzuordnen, in ihrem philosophischen Sinn. Er sei so rein und strahlend, daß
kein Element und kein Wesen irgendeiner Welt ihm übel wolle, hieß es. Die Asen ließen alle Wesen in allen Welten fragen und keines wollte ihm schaden. Nur die Mistel hatten sie vergessen. Im Übermut schossen sie mit Pfeil und Bogen auf ihn, um aller Welt zu zeigen, daß ihm nun Nichts mehr Schaden zufügen würde.

Der hinterhältige Loki schnitzte einen Pfeil aus einem Mistelzweig und legte ihn dem blinden Gott Hödr auf die Sehne. So wurde Baidur getötet und mußte in die Unterwelt der Hel. Nach Ragnarök jedoch wird er aus der Unterwelt entlassen und die überlebenden Götter anführen. Auch hier erkennen wir die Logik des schamanistischen Weges. Die wahre Anführerschaft kann nur der wahrhaft Reine erlangen und zwar erst nach dem Aufenthalt in der Unterwelt und der Überwindung des eigenen Todes.

Hödr / Hödur

Er tötete unbeabsichtigt Baidur. Im Ursprung ist er der Gott des „Sehens ohne Augen“, des Ertastens mit dem Energiekörper. Landläufig sah man ihn als den Gott der Blinden.

Loki / Ledur

Er ist der zwiespältige Gott des Feuers. Am Anfang aller Zeiten schloß er mit Odin Blutsbrüderschaft. Auch holte er für die anderen Götter oftmals“die Kastanien aus dem Feuer“. Ansonsten strotzt er jedoch von den übelsten Machenschaften. Mit Tücke und List sät er Zwietracht wo er kann. Hinterlistig schadet er Göttern und Menschengeschlecht. Mit der Riesin Angrboda zeugte er die Unterweltsgöttin Hel, die Midgardschlange Jörmungandr und den Fenriswolf.

Nachdem den übrigen Göttern seine Übeltaten zuviel wurden, banden sie ihn fest an einen Felsen und Skadi befestigte eine Giftschlange über seinem Antlitz, deren Gift auf ihn tropfte. Die Riesin Sygin, Lokis Weib hält eine Schale unter die Gifttropfen und man sagt, daß jedesmal wenn Sygin die Schale entfernt, um sie zu leeren, Loki sich so windet, daß die Erde bebt.

Njörd

Er ist der Gott des Meeres und der Seefahrt. Auch die Meerestiere sind ihm zugeordnet. So wird sein amphibischer Wagen von zwei Walen gezogen, welche sich zu Lande in Ochsen verwandeln. Er herrscht in Noatun, der Halle am Meer. Da Njörds Gattin, die schöne Riesentochter Skadi, die Berge liebt, er jedoch die See, halten sich beide abwechselnd im Gebirge und am Meer auf. Njörd zeugte die Geschwister Freyja und Freyr.

Frey / Freyr / Feyer

Er ist der Gott der Liebe und der Fruchtbarkeit. Trotzdem ist er durchaus kämpferisch. In der Schlacht reitet er auf seinem goldenen Eber Hildiswin / Gulinborsti. Sein Schiff heißt Skilbladnir und gilt als das „Schiff der Schiffe“. Es ist Brauch, daß zur Julzeit Gelübte für das neue Jahr auf seinem Gulinborsti abgelegt werden. Dazu legt man die linke Hand auf eine goldene Eberfigur, während man der Gemeinschaft sein Gelübte bekannt gibt.

Die Gemahlin des Freyr ist Nana. Von Freyr gibt es zum Beispiel die Geschichte, wie ihn Liebeskummer befällt, er sich grämt in der Minne zu der Riesentochter Gerd und er seinen Diener aussendet „mit allen Mitteln die Gunst der Maid für ihn zu gewinnen“. Schließlich erkaufte er ihre Gunst indem er seine Waffe hergab. So ist Freyr der Gott der Minne, der entflammten, alles verzehrenden Glut der Liebe.

Feyja

Sie ist die Göttin der Liebe und der Fruchtbarkeit. Jedoch in etwas anderer Art als ihr Bruder. Es ist nicht, die fast schon schmerzhafte Liebe des Sehnens. Es ist eine reine und freie Liebe und auch das Handeln aus Liebe. So ist Frayja als Walfrayja die Liebende und die Geliebte, welche auch aus Liebe auf das Schlachtfeld zieht. Frayja besitzt den Brisingame, den strahlenden Halsschmuck, der Schönheit und Ausstrahlung aus Liebe symbolisiert.

Des weiteren ist ihr das Vogelgewand eigen, das sie befähigt ungesehen in allen Welten umherzufliegen und zu beobachten. Frayja sind auch die Katzen zugeordnet – ihr Wagen wird von einigen dieser Tiere gezogen.

Nana

Sie ist die Mondgöttin in allen Aspekten, welche dem Mond metaphysisch zugeordnet werden. Phantasie, Intuition und Gefühl, aber auch das Irrationale und der Rausch sind ihr Bereich. Das Blut, die Lebenssäfte und die Mensis werden ihr ebenso zugeordnet.

Gefion/Ostard

Sie ist die Göttin der „Wilden Natur“. Sie kennt das Schicksal von allem Lebendigen und sie ist auch die Göttin des Frühlings.

Ullr / Uller

Er ist der Gott der Jagd, der Bogenschützen und der Skifahrer. Wild streift er durch die Wälder. In ihm sind viele Aspekte des walisisch – cymrischen Heorn wieder zu finden.

Bragi

Er ist der Gott der Dichtkunst. Man muß bedenken, daß heute die „Dichtkunst“ zu einer fast profanen Tätigkeit verkommen ist. Bei unseren Vorfahren, den Germanen, hatte die Dichtkunst eine höhere und vielfältigere Bedeutung: Dichtkunst war heilig. Alles Wissen sowie alle historischen Ereignisse, ja ganze Familienchroniken wurden so weiter vermittelt. Was der Nachwelt erhalten bleiben sollte, mußte in Gedichtform gebracht werden.

Magie ist ein anderer Aspekt der Dichtkunst. In der germanischen, magischen Tradition sind Zaubersprüche, welche direkt auf das Unterbewußtsein einwirken und nur durch gezielte Anwendung der Dichtkunst funktionieren ein wichtiger Angelpunkt. Dies alles müssen wir wissen, wenn wir den Bereich des Gottes Bragi verstehen wollen. Seine Gemahlin ist Idun.

Idun/Iduna

Sie ist die Göttin des ewigen Seins. Auch die Götter können nur leben, solange sie regelmäßig von Iduns goldenen Äpfeln essen.

Foseti/Forseti

Er ist der Gott der Gerechtigkeit, des Ausgleichs und der Thingversammlung. Er ist es, der sich mit dem Gewissen meldet, er gibt den „Gerechtigkeitssinn“. Vor jedem Thing wird Foseti angerufen um zu gerechten Entscheidungen zu kommen. Dieser natürliche Sinn für Gerechtigkeit durch Foseti wohnt ursprünglich jedem denkenden Wesen inne. Im Laufe der Menschheitsgeschichte haben leider immer mehr Menschen verlernt Foseti zu hören.

War

Sie ist die Göttin der Eide. Ein Eid war bei den Germanen heilig. Wer einen Eid brach, wurde aus der Gemeinschaft der Menschen ausgeschlossen. War und die Tatsache, daß ein Eid absolut eingehalten werden muß, sind Eins. Möglicherweise ist das Wort Wahrheit vom Namen der Göttin War abgeleitet.

Heimdall / Rig

Er ist der Wächtergott, er steht für Standhaftigkeit, Ehrhaftigkeit, Wachsamkeit und Kommunikation. Er gilt als ehernster der Asen. Als Wächter der Bifröst, der Regenbogenbrücke nach Asgard, verfügt er über das Gjalarhorn, ein Signalhorn, daß sobald er es benutzt, in allen neun Welten zu hören ist. Bei Ausbruch des Ragnarök wird er es blasen.

Als Rig wandelte er durch Midgard / Manheim, der Menschenwelt, und zeugte drei Söhne. Diese nahmen sich Weiber und wurden so die drei germanischen Stände. Die Knechte, die freien Bauern und die Runenkundigen Edelinge. Das nun anbrechende Zeitalter ist dem Heimdall zugeordnet.

Die drei Nornen

Die drei Schicksalsgöttinnen Urd, Werdandi und Skuld spinnen und weben, sitzend zu Wurzeln der Weltenesche, die Fäden des Schicksals. Selbst die übrigen Götter und Göttinnen, können das, von den Nornen gewebte Schicksal nicht beeinflussen. Diese Macht des Schicksals, von den Angelsachsen Wyrd genannt, verflechtet die Geschicke des Universums, der Götter und der einfachen Sterblichen oft auf seltsame Weise sehr intensiv miteinander.

Die alte Religion

Nur unter Berücksichtigung all der genannten Göttinnen und Götter ist ein wirkliches Praktizieren der alten Religion möglich. Wie anfangs erwähnt, unterscheidet sich die Sichtweise einzelner germanischer Stämme in manchen Punkten erheblich. Auch sind im südgermanischen Raum die Überlieferungen am Lückenhaftesten. Von manchen südgermanischen Gottheiten wissen wir nur aus römischen Quellen.

In welchem Maße, da die römischen Berichterstatter etwas falsch verstanden haben, Irrtümern erlegen sind oder lediglich eigene willkürliche Spekulationen weitergaben, wissen wir nicht. Auch wurde innerhalb einfacherer Bevölkerungsschichten das alte Wissen nur sehr vereinfacht und bruchstückhaft weitergegeben. Manch einfacher Bauer oder Handwerker wußte nur etwas von zwei oder drei Gottheiten. So wurde das göttliche Weltensystem bei einigen Stämmen auch stark vereinfacht dargestellt.

So wird Freyer zum Beispiel bei einigen Stämmen stellvertretend für die gesamten Wanen als Gottheit Ing / Ingwi verehrt. Njörd wurde in abgewandelter Form bei einem Stamm wahrscheinlich als Göttin Nertus gehuldigt. Beispielsweise bei den Chatten wurde Mannus als der Sohn Odins / Wotans und als Stammvater des Menschengeschlechts gesehen.

Bei den Friesen, welche einen besonders starken Bezug zu Freyja hatten, wurde sie als Wal-Freyja zur Kriegsgöttin Baduenna. An der Seite Tiwaz / Tyr / Ziv war bei anderen Stämmen die Erdgöttin Tanfara, welche auffallende Ähnlichkeit mit Fjörgyn / Jörd aufweist. Bei vielen südgermanischen Stämmen haben wir die Percht / Berchta / Frau Holle. Hier mußte Hel eine Doppelfunktion als Todesgöttin und als Göttin des Lebens erfüllen.

Ähnlich der keltischen Göttin Ceritwen, ist sie für den ständigen Lauf des Lebensrades verantwortlich. Die Igdrasil finden wir in der sächsischen Irminsul wieder, wobei sie eine mehrschichtige Bedeutung hat. Sowohl die Weltenesche als auch die befruchtende Verbindung zwischen Sonne und Erde sind in ihr symbolisiert. Wir sehen in der Irminsul auch die Verbindung zwischen den göttlichen und irdischen Ebenen.

Kraftvolle Symboliken spielen in der germanischen Religion eine große Rolle. So sind die schon erwähnten Runen nicht nur ein Schlüssel zum Unterbewußtsein, sondern erschließen uns auch das Verständnis für die Natur. Damit meine ich nicht alleine das, was wir heute unter „Naturwissenschaften“ verstehen, sondern die vollständigen, natürlichen Zusammenhänge und Transaktionen der sich gegenseitig beeinflussenden Ebenen.

Wie jede ursprüngliche Religion sind auch unsere germanischen Vorfahren einer „Ganzheitlichen Naturwissenschaft“ sehr nahe und somit muß jeder vollwertige germanische Priester / Gode, auch Philosoph, Metaphysiker, Naturwissenschaftler, Dichter, Heiler und Psychologe sein. Natürlich sind viele der heiligen Symbole im Laufe der jüngeren Geschichte mißbraucht worden und werden es zuweilen immer noch.

Ich halte es allerdings für ein Unding, daß von sehr vielen Menschen in der jetzigen Zeit diese uralten heiligen Zeichen anhand ihres Mißbrauchs und nicht nach ihrer tatsächlichen Bedeutung beurteilt werden. Innerhalb unserer heiligen Tradition unterscheiden wir sehr wohl zwischen Gebrauch und Mißbrauch, denn wir richten erhebliches Augenmerk darauf alles differenziert – und bei Bedarf auch distanziert – zu betrachten.

Nur so ist es möglich, ein klares und unverfälschtes Bild wahrzunehmen. Grundlegende Voraussetzung für jeden neuen Schüler ist die Aufarbeitung seiner Kopplungen, Prägungen und Programmierungen, bevor die eigentlichen Unterweisungen beginnen können. So basiert unsere alte Religion in erheblichen Maße auch darauf Zusammenhänge zu erkennen und verantwortungsvoll zu handeln. Die Natur und ihre Rhythmen sind ein weiterer wichtiger Faktor. Daher sind die Jahresfeste nicht nur in der Vergangenheit Angelpunkte des germanischen Lebens gewesen, sondern haben für uns auch in der jetzigen Zeit eine große Bedeutung.

Arto Lutz

Arto F.J. Lutz