Zahlwörter: Die Sprache, die Zahlen und die Logik

Die Logik

Ist Sprache logisch? Ausführlicher gefragt: Ordnet sich Sprache stets in die Gesetze der Logik ein? – Nein. Eine Sprache, gleich welche, ist kein von Theoretikern oder Wissenschaftlern geschaffenes Instrument. Sprachen sind das Ergebnis einer Jahrtausende währenden Entwicklung, die in engem Zusammenhang mit der Entwicklung des Menschen steht. Deshalb unterliegen Sprachen keinem eindeutigen Algorithmus, sind auch nicht konstant, nicht fix – sie verändern sich ständig, passen sich an die Veränderungen im Leben der Völker an, die sie sprechen und schreiben.

Zahlen auf einer RechnungDies bedarf auch keiner künstlichen administrativen Regulierung, etwa durch Vorschriften, Erlasse und Bestimmungen staatlicher oder anderer gesellschaftlicher Organe, dieser Entwicklungsprozeß vollzieht sich ausschließlich durch die Sprech- und Schreibpraxis der ethnischen Gruppen oder der Völker, die die Sprache verwenden.

Ausgenommen hiervon sind Kunst- oder Welthilfssprachen, die von Einzelpersonen oder kleineren Gruppen erdacht wurden, von Gruppen oder Organisationen gesprochen werden mit dem Ziel, weltweite Anerkennung zu erlangen und die internationale Kommunikation zu erleichtern. Beispiele sind Esperanto, Bellaba, Ido, Interlingua, Loiban, Kotawa, Tundrisch, Vabungula, Volapük, Solresol, es gibt über 1000 Projekte.

Das Fehlen von Volksgruppen, die solche Sprachen als Muttersprache pflegen, erschwert ihre Verbreitung. Kaum gibt es Kinder, die eine Kunstsprache als Erstsprache erlernen. Somit fehlt diesen Sprachen eine eigene Kultur und historische Traditionen. Vorteil der Kunstsprachen: Sie sind logisch aufgebaut, es gibt ein Regelwerk, das die logischen Elemente des Denkens und Sprechens erfaßt, es gibt keine Ausnahmen. Das erleichtert ihre Erlernbarkeit.

Logische Elemente gibt es auch in natürlichen (auch ethnischen) Sprachen. Zum Beispiel hat jede Sprache die Möglichkeit, Zeiten darzustellen, also vergangenes, gegenwärtiges und zukünftiges zu beschreiben (Präteritum, Präsens, Futur), jede Sprache kann Möglichkeitsformen abbilden (Konjunktiv), jede Sprache besitzt Steigerungsformen der Adjektive (Positiv, Komparativ, Superlativ, Elativ) und vieles andere mehr.

Die Sprachwissenschaft kategorisiert diese Elemente und versucht, sie in Regeln zu fassen, die ermöglichen, die im Kindesalter intuitiv erlernte Sprache in der Schulausbildung mit intellektuellen Mitteln und Methoden zu vervollständigen und zu verfeinern. Auch für das Erlernen einer Fremdsprache ist das Regelwerk unerläßlich. Die praktische sprachliche Erscheinungsform dieser logischen Strukturelemente in Wort und Schrift ist jedoch oft sehr vielgestaltig, keineswegs einheitlich und von Ausnahmen durchbrochen, die sich der allgemeinen Regel entziehen.

Eine Sprache ist kein durchgängig logisches Instrument. Viele Einzelheiten sind historisch gewachsen und von Traditionen getragen, die durch Überlieferung erlernt werden und von den ethnischen Gruppen und Völkern so akzeptiert und auch verteidigt werden, um sie zu erhalten, wie sie sind. Künstliche Eingriffe durch Behörden, Ämter oder andere Einrichtungen, auch durch Einzelpersonen, die mit regulierenden Absichten auftreten und die Sprache nach ihrem Ermessen verändern möchten, stoßen dabei meist auf energischen Widerstand und werden von den Völkern kaum toleriert.

Ziffern und Zahlwörter

Zahlen auf WürfelnGanz besonders deutlich werden Regelabweichungen und Ausnahmen von logischen Grundannahmen bei den Zahlwörtern (Numeralia). Zahlen sind in ihrer Zifferndarstellung stets konsequent logisch. Sie haben einen eindeutigen Algorithmus zur Bildung der Zahlenwerte. Zahlwörter hingegen nicht. Zahlwörter sind in jeder Sprache unabdingbare Elemente vor allem zur mündlichen Kommunikation mit Zahlen.

Es gibt kaum einen längeren Text, in dem keine Zahlen vorkommen. Im Schriftlichen hat man die Wahl, Zahlen mit Ziffern oder mit Zahlwörtern niederzuschreiben. Wie die Wahl ausfällt, ist davon abhängig, welchen Charakter der Schreibende einer Zahl zumißt.

Beispiele. Kaum wird man schreiben: „Sie waren 2 gute Freunde.“ Hier wird man das Zahlwort zwei schreiben. Schreibt man aber „Die Kosten betragen zweihundert Euro“, so ist die Darstellung unpraktisch und nicht zweckmäßig. Hier ist die Zifferndarstellung sinnvoll: 200,- Euro.

Zahlwörter im Deutschen

Aber gerade im mündlichen und schriftlichen Umgang mit den Zahlen gibt es viele Eigenartigkeiten, die beim näheren Hinsehen unlogisch erscheinen. Schauen wir uns zunächst einmal in der deutschen Sprache um. Für die einstelligen Zahlen, die mit den Ziffernzeichen 0, 1, 2, 3, 4, 5, 8, 7, 8, 9 dargestellt werden, haben wir die Wörter null, eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben, acht, neun.

Bereits das Sprechen der Ziffern in der zweiten Stelle, wenn also die Zehner angesprochen werden, birgt Besonderheiten. Sprechen wir die Zehner, die mit der Endsilbe –zig gebildet werden, rückwärts, bemerken wir das: neunzig, achtzig, siebzig (warum nicht „siebenzig“?), sechzig, fünfzig, vierzig, dreißig (logisch wäre „dreizig“), zwanzig (logisch wäre „zweizig“), zehn (logisch wäre „einszig“). Auch die der Zehn folgenden Einerschritte haben solche „Unzulänglichkeiten“. Die meisten werden mit der Nachsilbe –zehn gebildet. Wieder gehen wir rückwärts: neunzehn. Das ist schon nicht konsequent, logisch wäre „zehnneun“, denn natürlicherweise werden die Ziffern in der Reihenfolge ihrer Niederschrift gelesen, also die höheren Stellen vor den niederen.

Akzeptieren wir aber jetzt neunzehn und zählen rückwärts: achtzehn, siebzehn (warum nicht „siebenzehn“?), sechzehn (warum nicht „sechszehn“?), fünfzehn, vierzehn, dreizehn, zwölf (warum nicht „zweizehn“?), elf (warum nicht „einszehn“?). Hier sind zwei Wörter entstanden, die völlig aus dem System herausfallen. Bei den nachfolgenden zweistelligen Zahlen geht die „Unordnung“ weiter.

Stets sprechen wir die Einer vor den Zehnern: einundzwanzig, zweiundzwanzig, dreiundzwanzig usw. Besonders deutlich wird es, wenn wir noch eine Hunderterstelle hinzuziehen: 432, gesprochen vierhundertzweiunddreißig, die natürliche Reihenfolge der Ziffern wird in der Sprechweise durchbrochen.

Zahl nullAber alle diese Unregelmäßigkeiten akzeptieren die Deutsch-Muttersprachler kritiklos. Wir sind damit aufgewachsen, haben uns daran gewöhnt, es entspricht unseren Traditionen, so zu sprechen. Es gibt ganz vereinzelt wenige Ausnahmen, Menschen, die sich mit Veränderungswünschen vielleicht nur wichtigtun wollen, aber sie gehen unter, ihre Ideen werden fast einhellig als Hirngespinste beiseite gelegt.

Ein Beispiel aus der jüngeren Zeit: Der Bochumer Mathematikprofessor Lothar Gerritzen hatte anläßlich seines am 19. Januar 2004 durchgeführten „Kolloquiums zum Zahlenaussprechsystem“ allen Ernstes vorgeschlagen, wie im Englischen die Zehner vor den Einern zu sprechen, also „zwanzigeins“ statt einundzwanzig, „zwanzigzwei“ statt zweiundzwanzig,… „zwanzigsieben“ statt siebenundzwanzig usw. usf. Erwartungsgemäß hatte das eine Welle der Empörung ausgelöst, die geführt von der Zeitschrift Deutsche Sprachwelt ein landesweites Echo fand. Auch ich habe Herrn Prof. Gerritzen geschrieben, in dem ich ihm zusammen mit einem offenen Brief in Form einer satirischen Überspitzung den Unsinn eindringlich vorgeführt habe. Sie können beides hier nachlesen.

Zahlwörter im Englischen

Ist Deutsch die einzige Sprache mit Unregelmäßigkeiten beim Sprechen der Zahlen? Nein. Schauen wir zunächst ins Englische. Auch hier gibt es Zahlwörter zur Benennung der Ziffern: zero, one, two, three, four, five, six, seven, eight, nine. Auch im Englischen hat die Zehn einen eigenen Namen: ten. Die der Zehn folgenden Zahlen werden mit der Nachsilbe –teen gebildet, fourteen, fifteen, sixteen, seventeen, eighteen, nineteen, wobei auch hier die Frage stünde, warum teen nicht voransteht.

Mit eleven und twelve finden wir ähnliche Abweichungen wie im Deutschen, was wohl an den gemeinsamen Wurzeln beider Sprachen liegen wird. Dann aber heißt es thirteen (nicht „threeteen“), fifteen (nicht „fiveteen“) und beim eighteen fehlt ein t. Im Gegensatz zum Deutschen folgt aber bei den Zahlen nach der Zwanzig die Reihenfolge der Ziffern dem Stellenwert, also twenty one, twenty two, twenty three usw. Auch bei den runden Zehnern, die mit der Nachsilbe –ty (im Deutschen –zig) gebildet werden, sind Abweichungen sichtbar: twenty (nicht „twoty“), thirty (nicht „threety“) forty (nicht „fourty“), fifty (nicht „fivety“), sixty, seventy, eighty (nicht „eightty“), ninety.

So sieht man, auch im Englischen steht Tradition und Sprachgeschichte vor der Logik. Kein Englisch-Muttersprachler käme auf die Idee, die Logikabweichungen beseitigen zu wollen und das Zählen sozusagen auf „mathematisch korrekte“ Füße zu stellen.

Zahlwörter im Französischen

Was finden wir im Französischen? Wieder zehn Zahlwörter zur Benennung der Ziffern: zero, un, deux, trois, quatre, cinq, six, sept, huit, neuf. Auch die Zehn hat einen eigenen Namen: dix. Die Nachfolger der Zehn lassen kaum eine Regelmäßigkeit erkennen, man muß sie lernen: onze, douze, treize, quatorze, quinze, seize, dix-sept, dix-huit, dix-neuf (11 bis 19).

Bei den runden Zehnern ist es ganz ähnlich, es sind eigenständige Wörter, die nur bedingt einen Bezug zu den Ziffern erkennen lassen: vingt, trente, quarante, cinquante, soixante, soixante-dix, quatre-vingt, quatre-vingt-dix (20 bis 90).

Besonders augenfällig sind die Siebzig, die sich aus sechzig und zehn zusammensetzt (soixante-dix), ohne den Wortstamm sept zu verwenden, die Achtzig, die man als vier Zwanziger anspricht (quatre-vingt) ohne Bezug zu huit und die Neunzig, bei der man schon rechnen muß, sie heißt vier Zwanziger und zehn (quatre-vingt-dix), der Wortstamm neuf kommt nicht vor. Das mag für den Nicht-Franzosen ein wenig schwierig sein, aber es heißt nun einmal so, und ich kenne keinen Franzosen, der das zu ändern beabsichtigte.

Wiederum in aller Deutlichkeit: Tradition vor Logik. Regional gibt es die Zahlwörter septante, huitante oder octante und nonante (70, 80, 90), jedoch nur in Belgien und in der Schweiz, nicht in Frankreich und nicht in Quebec.

Zahlwörter im Russischen

Schauen wir nun auf eine slawische Sprache: Russisch. Die Ziffern heißen hier: ноль, один, два, три, четыре, пять, шесть, семь, восемь, девять. Die Zehn heißt десять. Der Zehn folgen die Zahlen 11 bis 19 mit den Zahlwörtern одиннадцать, двенадцать, тринадцать, четырнадцать, пятнадцать, шестнадцать, семнадцать, восемнадцать, девятнадцать.

Die in den germanischen Sprachen vorhandenen Abweichungen bei den Zahlwörtern elf und zwölf gibt es hier nicht. Die Zahlenreihe ist regelmäßig mit Ausnahme der Betonung, die bei elf und vierzehn auf der zweiten Silbe, bei den anderen auf dem vorletzten a liegt. Dafür gibt es Abweichungen in den runden Zehnern (20 bis 90): двадцать, тридцать, man erwartet nun «четыредцать», heißt es aber nicht, es heißt сорок, weiter spricht man die Zehn vollständig: пятьдесят, шестьдесят, семьдесят, восемьдесят, logisch wäre nun «девятьдесят», heißt es aber nicht, es heißt девяносто. So sieht man, auch im Russischen gibt es viele Abweichungen von den logisch zu erwartenden Zahlenbenennungen. Alle sind im Volk verwurzelt, niemand würde es ändern wollen.

Zahlwörter im Italienischen

Zahl achtEin der Logik sehr nahe kommendes Zahlensprechsystem findet man im Italienischen. Die Abweichungen vom Algorithmus des Zahlenaufbaus sind nur geringfügig. Die Zahlwörter zur Bezeichnung der Ziffern heißen hier zero, uno (un, una), due, tre, quattro, cinque, sei, sette, otto (alt attenzione), nove.

Die Zehn heißt dieci. Der Zehn folgen fast regelgerecht die Zahlen undici, dodici, tredici, quattordici, quindici, sedici, diciassette, diciotto, diciannove (11 bis 19).

Auffällig ist neben der geänderten Schreibung dici statt dieci, daß bei der 17 beginnend die Zehn vorangestellt wird. Warum es aber diciannove und nicht „dicinove“ heißt, wird man nur schwer erklären können. Auch die runden Zehner werden außer der Zwanzig beinahe regelmäßig gebildet: venti, trenta, quaranta, cinquanta, sessanta, settanta, ottanta, novanta (novantina ist eine feminine Form von novanta; aber warum gerade für die Neun?).

Größere Zahlen

Die meisten dieser „Unregelmäßigkeiten“ finden sich im Zahlenbereich unter hundert. Bewegt man sich in die höheren Zahlenbereiche, so stellt man fest, daß in allen hier dargestellten Sprachen diese vermeintlichen Unregelmäßigkeiten abnehmen. Vermutlich ist die Ursache dafür in der Sprachgeschichte zu sehen. Die Wörter für die kleineren Zahlen sind in einer sehr frühen Entwicklungsphase entstanden, als die Menschen noch nicht sehr viele Zahlen kannten.

In allen Sprachen werden zur Benennung der runden Hunderter die Zahlwörter für die Ziffern gefolgt vom Zahlwort für hundert verwendet, englisch hundred, französisch cent, russisch сто, ста, (Genitiv Singular), сот (Genitiv Plural), italienisch cento. Mit den Tausendern und allen höheren verhält es sich ganz genauso. Aber an einer Stelle muß man aufpassen. Die Milliarde heißt im Englischen billion, während in den anderen Sprachen mit Billion tausend Milliarden benannt werden.

Die Ursache für die scheinbar unregelmäßigen Hunderterbezeichnungen im Russischen liegen in der Grammatik begründet. Im Russischen verlangen die Zahlen, die auf zwei, drei und vier enden, den Genitiv Singular, alle anderen den Genitiv Plural. Die Eins steht natürlich mit dem Nominativ. Beeindruckend ist: Von dieser Regel gibt es keine Ausnahme. Deshalb heißen die runden Hunderter сто, двести, триста, четыреста, пятьсот, шестьсот, семьсот, восемьсот, девятьсот. Warum gerade двести weiblich benannt wird und nicht männlich etwa «дваста», kann man nicht sagen.

Es ist ohnehin schwer zu erklären, warum es gerade von zwei eine männliche und eine weibliche Form gibt: два, две. Sonst gibt es die Genusformen maskulin, feminin, neutrum nur für die Eins. Neutrum jedoch nicht im Italienischen, da es dort ein Neutrum nicht gibt. Diese Genusformen der Eins dienen auch gleichzeitig als unbestimmte Artikel.

Fazit

Die namentliche Benennung der Zahlen in verschiedenen Sprachen ist in keinem Fall eine exakte Abbildung des algorithmischen Aufbaus des Zahlensystems. Die Zahlen, die mit Hilfe der Ziffernzeichen im uns vertrauten Positionssystem mit der Basis 10 eindeutig und exakt logisch ohne jede Ausnahme dargestellt werden, finden in ihrer verbalen Benennung eine Vielzahl Besonderheiten, die ihre logischen Bildungsgesetze unterlaufen.

Sprachen sind also kein mathematisches Gebilde. Die gesprochenen und später auch geschriebenen Zahlenbenennungen haben in den einzelnen Sprachen eine viele tausend Jahre währende Geschichte. Sie gehören zur Kultur einer Sprache und sind tief traditionell verankert. Und doch können die Völker einer jeden Sprache mit ihren spezifischen Zahlenbenennungen in voller mathematischer Exaktheit umgehen.

Die Zahlennamen werden im Kindesalter erlernt und werden so zu Signalen, die für den Sprechenden und Schreibenden eindeutig sind. Auf keinen Fall sind sie ein Feld für Basteleien oder Reformen, die einzelne Angehörige einer ethnischen Gruppe oder eines Volkes ersinnen in der Absicht, die Sprache zu verbessern. Wie auf anderen sprachlichen Gebieten auch sind sie Begriffe, die die Verständigung innerhalb eines Volkes ermöglichen. Sie sind keine Beschreibungen. Würde man jedem Begriff einer Sprache beschreibende Funktionen abverlangen, müßte eine große Zahl Veränderungen herbeigeführt werden, die am Ende die Verständigung untergräbe.

Es könnte dann zum Beispiel den Begriff Schmetterling gar nicht mehr geben, weil die Eigenschaft „schmettern“ nicht erklärbar ist. Wäre etwa besser Flatterling? So soll zum Beispiel im Deutschen der Begriff Schraubenzieher dem vermeintlich treffenderen Wort Schraubendreher geopfert werden, weil – so die Schöpfer – mit dem Werkzeug an der Schraube nicht gezogen, sondern gedreht werde. Irrtum. Sprachlich sehr engstirnig. Schließlich werden Schrauben mit dem Werkzeug festgezogen. Aber selbst das ist für den Begriff nicht maßgeblich.

Es lassen sich ohne Mühe große Mengen Beispiele finden, in denen Begriffe keinerlei beschreibende Inhalte haben und trotzdem Gegenstände eindeutig bezeichnen. Zum Beispiel die Wörter Lampe, Tisch, Stuhl, Bett, Schrank, Tür, Tor, Wand, Boden, Luft, Wasser und Tausende andere benennen einen Gegenstand allgemeinverständlich, beschreiben ihn aber in keiner Weise. Es ist also weder sinnvoll noch vertretbar, mit scheinlogischen Argumenten an einer Sprache herumreformieren zu wollen, in dem Irrglauben, sie damit zu verbessern.

Neue Wörter entstehen durch die tägliche Sprachpraxis im Volke selbst, was Anerkennung findet, verbreitet sich und wird Allgemeingut, was abgelehnt wird, geht unter. Ich habe zum Beispiel noch nirgends „Tunfisch“ oder „Spagetti“ kaufen können, wie die Rechtschreibreform es vorschreiben möchte, es gibt überall ausnahmslos Thunfisch und Spaghetti. Und das ist begrüßenswert und richtig.

Ob mancher es anerkennt oder nicht – die Sprache gehört dem Volk. Gewaltakte wie etwa die sogenannte deutsche Rechtschreibreform lassen sich nur deshalb durchsetzen, weil die Zahl derer, die die Pflege und die Erhaltung unseres hochwertigen Kulturgutes Sprache als eine Herzenssache ansieht, die persönlichen Einsatz immer aufs neue herausfordert, noch zu klein ist.

Dr. Manfred Pohl