Depression: Menschlicher Umgang mit psychischen Problemen

Die fünfte Jahreszeit, wie der Fasching oder der Karneval oft auch genannt werden, ist oft ein Wechselbad der Gefühle. Die herbstlichen Nebel drücken die Stimmung. Die Sonnenstunden sind selten. Das Winterwetter ist oft nicht zum Aufenthalt in der frischen Luft einladend. Doch bei Veranstaltungen wollen wir beweisen, dass wir auch herzlich lachen können.

Es gibt in unserer Gesellschaft Krankheiten, die wir verharmlosend oft Zivilisationskrankheiten nennen. In Wahrheit geben wir sie wie im Kinderspiel weiter, den Schwarzen Peter.

Auch das Sprichwort sagt, dass es in jeder Familie ein „schwarzes Schaf“ gibt, jemanden, der nicht so ganz in die Herde passt. Und so ist das in vielen sozialen Gruppen, in der Arbeitswelt, in Vereinen.

Manche Menschen haben die Karte mit dem Schwarzen Peter dauernd, während andere sie ganz rasch abgeben können.

Wenn wir den Schwarzen Peter haben, dann sind wir verstimmt. Wenn wir ihn nicht und nicht abgeben können, werden wir verzagt, man merkt es uns an, dass wir ihn haben. Und manche Mitspieler frohlocken darüber. Natürlich ist das nicht ein Zeichen von großer sozialer Kompetenz. Wohl aber ein Merkmal, wie unsere Gesellschaft aufgebaut ist, dass manche meinen, dass es hier eben immer Gewinner und Verlierer geben muss.

Die Gewinner haben kaum Schwierigkeiten, eine große Anhängerschaft um sich zu versammeln und oft auch für sich arbeiten zu lassen, während die Verlierer in die Einsamkeit, in die Bedeutungslosigkeit abgedrängt werden. Sie können ihre Angelegenheiten und vitalen Bedürfnisse nicht mehr selbst bestimmen, sondern sind auf eine freundliche Unterstützung angewiesen, die sie aber kaum finden.

Viel zu selten denken wir daran, dass Krankheiten oft eine Kränkung, eine Beleidigung oder ein schockierendes Erlebnis vorangeht. Wenn der Gekränkte nicht in der Lage ist, den zugefügten Schmerz zu verarbeiten und sich wieder aufzurichten, dann ist eine Krankheit nur die logische Folge.

Umgang Depression psychischen Problemen Es mag sein, dass der Körper reagiert. Es mag aber auch sein, dass sich die Krankheit in unserem Gemüt einnistet, als eine dauerhafte Verstimmung. Wenn wir die Freude an unseren Lieblingsbeschäftigungen verlieren, wenn wir uns nur zurückziehen wollen und Kontakte abbrechen oder vermeiden, wenn wir uns über nichts mehr freuen können, dann sind das Anzeichen von depressivem Verhalten.

Das sollten nicht nur die Betroffenen selbst ernst nehmen und sich überlegen, wo sie Hilfe finden können, sondern da sind auch die sozialen Gruppen (Familie, Kollegen) gefordert, nicht einfach wegzuschauen, sondern Lösungen zu finden.

Wir brauchen die Courage zu sagen, dass wir nicht mit anschauen wollen, wie sich Kollegen und Bekannte selbst ins Abseits manövrieren und selbst ausgrenzen. Es ist völlig falsch, wenn wir uns zu diesen Personen so verhalten, dass wir sagen: „Wenn sie zu mir kommen und mich um Rat fragen, dann werde ich … Die Initiative muss der Betroffene ergreifen.“ Diese Theorie kann nicht stimmen, weil der Betroffene dazu wahrscheinlich gar nicht mehr in der Lage ist.

Ein sozial kompetenter Helfer muss sogar damit rechnen, vom Betroffenen zunächst einmal nicht mit offenen Armen empfangen zu werden, sondern mit Ausreden: „Es ist nicht nötig“, „ich komme schon allein zurecht“, usw. Erst wenn der Helfer dann die Zusatzfrage stellt: „Und woran werde ich morgen erkennen können, dass es dir bedeutend besser geht als heute?“, dann wird sich ein Gespräch anbahnen, in dem der Betroffene zugibt, dass er selber doch nicht den Weg aus der Krise kennt oder nur Schuldzuweisungen hat, die ihm aber letztendlich nicht weiter helfen.

Die Dinge sind in Wahrheit oft nicht so, wie sie scheinen. Wenn sich jemand anscheinend aus eigenem Wunsch aus der Gesellschaft, aus dem Freundeskreis zurückzieht, so geschieht das trotzdem nicht ganz freiwillig. Eher hat es damit zu tun, dass auch die Pflege von Beziehungen für sensible Menschen oft emotionalen Stress bedeutet.

Umgang mit Depressionen psychischen ProblemenWenn jemand in einer Gruppe eine bestimmte Rolle spielen will und trotzdem immer wieder in eine andere Rolle gedrängt wird, dann hat dies Auswirkungen auf das Gemüt.

Es bedeutet das Ende der Gemütlichkeit. Es kommt zu vielen Versuchen, die Situationen aufzuarbeiten und zu bewerten und sich andere Strategien zurechtzulegen.

Meist findet diese Nachdenkphase in der Nacht statt, ohne aber zu positiven Ergebnissen zu führen. Es bleiben lediglich die Schlafstörungen. Und der Mangel an Schlaf belastet daraufhin auch den nächsten Tag. Gedanken können nicht mehr weiter entwickelt werden, sondern scheinen sich immer mehr im Kreis zu drehen.

Manche gut gemeinte Ratschläge können in solchen Situationen auch kontraproduktiv wirken: „Erhol dich erst einmal, und dann wird es schon wieder!“ ist nur eine simple Vertröstung, die besagt, dass sich der Ratgeber nicht wirklich mit der Situation beschäftigen will.

Der depressive Mensch braucht nicht Ruhe und Erholung, sondern soll wieder in den Kreis seiner Familie und der sozialen Gruppe zurückgeholt werden. Deshalb wird man ihm auch Aufgaben übertragen, mit deren Erfüllung er sich und der Gruppe beweisen kann, wie wichtig und wertvoll er ist.

Wir sollten wissen, dass an der Zivilisationskrankheit Depression vor allem Menschen leiden, die zu den hochsensiblen, zu den einfühlsamen Menschen gehören. Wir leben in Zeiten der Krise. Und diese bedeutet für viele Menschen Hoffnungslosigkeit. Es ist die fehlende Aussicht, sein eigenes Schicksal gestalten zu können. Es ist das mangelhafte Selbstwertgefühl, die eigenen Projekte umsetzen zu können.

Gedanken und Gefühle spielen verrückt. Da ist in unserem Inneren ein Brodeln wie in einem Vulkan vor einem Ausbruch und zugleich eine Schwere der Glieder, die lähmt. Sie zeigt uns an, dass es auf dem eingeschlagenen Weg kein Vorwärtskommen gibt.

Auch wenn wir versuchen wollen, möglichst ohne Schuldzuweisungen auszukommen, können wir doch nicht die Überlegung ausschalten, ob die potenziellen Retter aus unserer sozialen Gruppe genau die Personen sind, die uns vorhin beim Schwarzen-Peter-Spiel diese Karte immer zustecken wollten. „Zuerst gibst du mir die Karte, und dann soll ich nicht traurig sein, dass ich sie habe.“

Daher ist es wichtig, dass sich die Personen, die zuvor an Kränkungen, Beleidigungen und an schockierenden Erlebnissen beteiligt waren, eher heraushalten und den Weg freimachen in eine andere, wirklich verständnisvolle Gruppe.

Diese ist am besten so organisiert, dass es keine spürbare Leitung gibt, sondern nur ermöglicht, dass die Teilnehmer in erster Linie jeweils aus den Erfahrungen anderer Personen vieles für sich mitnehmen können, vor allem Zuversicht und realisierbar erscheinende Perspektiven. Mit einer guten Stimmung kehrt auch die Gesundheit zurück.

Von Günter Wittek

Günter Wittek