Was ist Kampfkunst – Kampfsport?!

… von einem Pfeiler des Kriegerweges

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
2. Was bedeutet der Begriff „Sport“?
3. Kampfkunst und Ästhetik?
4. Vergeistigung des Materiellen
5. Über den „Geist“ der Kampfkunst
6. Quo Vadis?
7. Neuaeonischer Krieger

1. Einleitung

Wer Foren in der „Kampfkunstscene“ besucht findet fast überall ein Thema, daß von allen Besucher mehr oder weniger heftig diskutiert wird. Die große Frage, ist mein Stil eine Kampfkunst oder eher ein Kampfsport. Die meisten verteidigen ihren Stil als „die echte Kunst“ mit langem traditionellen Background bzw. werten andere Systeme, denen sie weniger freundlich gesinnt sind, als reinen „Sport“ ab. Wer nun versucht sich über die Bedeutung der beiden Begriffe Gedanken zu machen, findet hierzu eine Vielzahl von Postings mit sehr unterschiedlichen Auffassungen und Deutungen.

Es war für mich schon erstaunlich, wieviel die Leute zu diesen Themen zu sagen hatten, ohne sich über eine konkrete Bedeutung der Begriffe im klaren zu sein. Sehen wir uns zunächst einige Definitionsversuche an, um die auftretenden Schwierigkeiten verständlicher zu machen.

Beispiel: 1
Ein System ist immer dann eine „wahre“ Kampfkunst, wenn es sich auch auf der Straße als leistungsfähig erweist. Schön und gut – nach dieser Definition ist dann jeder erfolgreiche Schläger ein Kampfkünstler. Aber – wer will sich schon mit Schlägern auf eine Stufe stellen und dann noch ernsthaft behaupten, er „verkörpere“ eine Kunst? Offensichtlich benötigt man weder viel Hirn noch besondere Fähigkeiten dazu ein Straßenschläger zu werden – das konnten wir schon in der Steinzeit.

Beispiel: 2
Mein System hat eine lange Tradition bzw. hat im Laufe seiner Entwicklung viel „Geheimwissen“ angehäuft, das nur den obersten Graden (jenseits des Schwarzgurts und im persönlichen Kontakt zum Meistern) vermittelt wird. Klingt gut – das Problem ist jedoch, wenn man nach dem Wissen fragt, wird man meist an die jeweiligen Obermeister verwiesen (die meist für Normalsterbliche nicht zu sprechen sind). Hier kann man nur andächtig das Haupt senken und das Ganze glauben – oder eben nicht. Spätestens dann wird klar, daß dieser Ansatz einer gemeinsamen Verständigung nicht dienen kann.

Ich denke, daß ein Verständnis dieser Ideen Voraussetzung für einen Krieger ist, sich selbst und sein Handeln konkret einordnen zu können. Aus diesem Grunde will ich im folgenden einen Vorschlag vorstellen, der eine sinnvolle Unterscheidung zwischen diesen beiden Ideen zuläßt. Darüber hinaus will ich zeigen, daß der Kriegerweg des Neuen Aeons ein Weg der Kampfkunst sein muß. Um dies plausibel machen zu können, beginne ich zunächst mit dem einfacheren Begriff und stelle die Frage…

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2. Was bedeutet der Begriff „Sport“?

Um eine Unterscheidung zwischen diesen beiden Ideen zu treffen, bestand für mich zunächst die Frage:

  • Welche Kriterien helfen die Idee Kunst und Sport sinnvoll zu trennen bzw.
  • kann ich nach den Kriterien einzelne Stile eindeutig zuordnen?

Der naheliegende Ansatz war für mich, die beiden Begriffe als zusammengesetzte Ideen zu verstehen. Beide Aspekte verbindet die Idee des Kampfes, nur einmal soll er als Sport verstanden werden und im anderen Falle als Kunst.

Betrachten wir zunächst, was im allgemeinen unter Sport verstanden wird. Sport beschäftigt sich im weitesten Sinne mit einem Training des Körpers. Dieses Training kann dazu führen unsere Gesundheit zu bewahren oder auch neue Fähigkeiten zu erwerben oder zu steigern. Trainiere ich beispielsweise meine Ausdauer durch Joggen, so besteht für mich die Möglichkeit Fähigkeiten meines Körpers auszubauen. Diese könnten Ausdauer, Kondition, Muskelaufbau oder ähnliches sein. Jede Sportart bietet darüber hinaus die Möglichkeit sich mit anderen Sportlern gleicher Disziplin in einem fairen Wettkampf zu messen.

In diesem Sinne könnte ich nun auch die beiden Ideen von Kampf und Sport verknüpfen. Jedes halbwegs gute Buch über Trainingslehre kann die für einen Kämpfer benötigten Fähigkeiten aufzählen. Da das Kämpfen an sich mehrere Fähigkeiten erfordert, (Geschicklichkeit, Schnellkraft, Körperkoordination, Ausdauer etc.) ist das Training entsprechen komplexer als bei einfachen Sportarten, wie dem Joggen.

Betrachten wir nochmals die Zielsetzung von Sportarten:
Der primäre Zweck einer x-beliebigen Sportart ist die Schulung und Entwicklung von körperlichen Fähigkeiten.

Wird in einem Dojo also hauptsächlich ein körperliches Training (plus Wettkämpfe) ausgeführt, könnte ich somit von einer Kampfsportart sprechen. Meiner persönlichen Erfahrung nach dürfte dies in 90% (oder mehr) der offiziellen Dojos der normale Ausbildungsweg sein.

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3. Kampfkunst und Ästhetik?

Gehen wir zum zweiten Begriff – der Kunst – über und überlegen, was damit gemeint sein könnte. Im allgemeinen wird der Begriff Kampfkunst so gebraucht, daß er nicht nur ein reiner Sport ist, sondern darüber hinaus geht. Aber was genau geht darüber hinaus? Indirekt ist in solchen Aussagen die Idee enthalten, daß eine neue Qualitätsstufe hinzukommt. Ein „Etwas“, daß mehr als reine körperliche Ertüchtigung ist und als „Kunst“ betrachtet wird.

Kunst kann hier nicht im rein ästhetischen Sinne gemeint sein. Ästhetik beschäftigt sich nämlich im wesentlichen mit der Betrachtung darüber was als „Schön“ oder „Häßlich“ zu bewerten ist. Dieser Blickwinkel wäre für den Kampf zu speziell. Eine Kata kann zwar auch unter ästhetischen Kriterien betrachtet werden, dies ist aber eher ein Ausnahmefall als die Regel.

Kein Budofreund würde einen Stil primär nach dem Gesichtspunkt auswählen ob er „schön“ oder häßlich“ ist. Kein Mensch sagt, daß die Kicks oder Fußtritte von Stil X ja erbärmlich häßlich sind und die Fauststöße meines Systems ein ästhetisches Werk darstellen.

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4. Die Vergeistigung des Materiellen

Was könnte mit Kunst sonst noch gemeint sein? Ein interessanter Aspekt der Kunst könnte sein, daß sie über das reine „Handwerk“ hinaus gewachsen ist und eine besonders hohes „Können“ des Künstlers repräsentiert. Die alten Griechen betrachteten Kunst auch als eine Art Vergeistigung des Materiellen. Die Suche nach einer Art höheren Harmonie des Geistes, ein Streben nach dem Göttlichen.

Diese Perspektive scheint auch für uns von Nutzen zu sein, da hier von einer neuen Qualität die Rede ist – dem Geistigen. Betrachten wir Kunst als „Art of life“ (einer Lebenskunst), so bekommen wir ein neues Element hinzu, was über das reine körperliche Training hinausgeht.

Nebenbei erwähnt kommt hier auch ein Prinzip des Kriegerweges deutlich heraus – die Arbeit mit dem Körper/ Materiellen/ Sammeln von praktischen Fähigkeiten zum Zweck der Transzendenz, d.h. zum Zweck der eigenen Erleuchtung und der Illumination der Welt. Der „Weg des Kampfes“ hin zum ewigen Leben, gegen den den lauernden Verfall – ein Spiegel des Tanzes der Elemente.

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5. Über den „Geist“ der Kampfkunst

Was ist aber nun das „Geistige“ am Kampf? Untersuchen wir zu diesem Zweck z.B. die Geschichte der Samurai, so fällt ins Auge, daß sie eine eigene „Art of life“ oder Philosophie entwickelt haben – den Bushido. Der Bushido der Samurai ist ein eigener Ehrenkodex und beschäftigt sich mit den Idealen dieser Kriegerkaste.

Samurai war man natürlich nicht nur in der Trainingshalle, sondern auch in der Gesellschaft, Gemeinschaft oder Familie. Als oberste Kaste im alten Japan hatte der einzelne Angehörige auch die Pflicht als Vorbild für andere zu wirken. Kampf und Leben waren keine getrennten Dinge, sondern verschmolzen ineinander. Ich erwähne sie in diesem Kontext wohlgemerkt als Vorläufer dieser Idee – nicht als letztendliches Ideal.

In unserer multikulturellen Zeit, in der das Individuum sowohl seinen eigenen Weg (als auch den der Gesellschaft) mitgestalten kann – ist der Weg der Samurai endgültig veraltet. Samurai bedeutet „Dienender“ was natürlich nur in einer streng hierarchischen Kultur Sinn macht. Der Krieger des Neuen Aeons ist jedoch gefordert seinen eigenen Wahren Willen zu finden – seine Welt selbstverantwortlich zu gestalten – ein Gott zu werden.

Wir sprechen hier von einer eigenen Lebensauffassung – dem Weg des Kriegers. Um diesen Weg zu gehen benötigen wir mindestens eine eigene, kriegerspezifische Perspektive der Welt (z.B. eigene Philosophie oder Ethik ähnlich des Bushido) und den Willen uns als Persönlichkeit – hin zu diesen Idealen – weiterentwickeln zu wollen. Der Mensch muß sich „als Ganzes“ als Krieger begreifen und nach einer Vervollkommnung seiner Persönlichkeit trachten, um eine eigene „Kunst des Lebens“ zu entwickeln. Erst dann „lebt“ er sein Kriegerdasein voll und ganz und nicht nur in den wenigen Stunden körperlichen Trainings in der Halle.

Akzeptieren wir diese Perspektive, bekommt der Begriff „Kampfkunst“ einen neuen Sinn. Ein Kampfkünstler ist somit jemand, der über den Sport hinaus aktiv das Ziel verfolgt, sich als Mensch nach bestimmten Idealen weiterzuentwickeln.

Dies bedingt natürlich, daß er überhaupt konkrete Ziele oder Ideale hat. Diese müßte er in seiner eigenen Art – ähnlich des Bushido – als ethische Perspektive oder Lebensauffassung formulieren können. Darüber hinaus müßte beobachtbar sein, das er sich bemüht sein Kriegerdasein auch im Alltag zu verwirklichen und seinen „Ehrenkodex“ als vorbildliches Verhalten anderen gegenüber zu leben.

Zusammenfassend könnte man sagen, daß Kampfkunst dann Sport plus geistiger Background (Ethik, Selbsterkenntnis etc.) als gelebte Lebenskunst wäre.

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6. Quo vadis?

Ob sich jemand nach den genannten Kriterien nun als Kampfsportler oder als Kampfkünstler einordnet, muß jeder selbst entscheiden. Wichtig für mich ist der Umstand, daß ich keine Wertung in dem Sinne – „Das eine ist besser als das andere“ – einbauen will.

Es ist nicht schlechtes daran für mich zu entscheiden, Kampf primär als Körperertüchtigung zu nutzen. Klar ist jedoch, das reine Körperertüchtigung in den wenigsten Fällen zu einer Weiterentwicklung der eigenen Persönlichkeit führt – und schon gar nicht zum Erlangen des „Wahren Willens“ einer Person. Der Körper ist an die Gesetze der Materie gebunden – dem Weg alles „Irdischen“ (würden die Christen sagen) – und dieser endet letztendlich bei den Würmern.

Ein Krieger macht aus seiner Passion einen „Lebensinn“. Für welchen Lebensinn sich ein Mensch entscheidet (siehe auch die drei Wege: Einsiedler – Liebender – Mensch der Erde – in der Thelemafibel) steht jedem frei. Es gibt mehrere Wege sein eigenes Selbst zu vervollkommnen. Krieger tun dies nur auf eine ihrer wesensmäßigen Anlagen entsprechenden Art und Weise. In den alten Schriften wird dieser Weg auch der „Große heilige Krieg“ genannt und bezeichnet den Weg der Selbsterschaffung und Selbstverwirklichung entgegen dem Widerstand der inneren (Faulheit, Feigheit, Dummheit etc.) und äußeren Feinde.

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7. Neuaeonische Krieger

Wenn ich hier von „Neuaeonischen Kriegern“ spreche, gehe ich von bestimmten Voraussetzungen aus. Es dürfte nunmehr klar sein (so hoffe ich), daß damit nicht ein Krieger im Sinne eines Schlägers oder reinen Kampfsportlers gemeint sein kann. Um von Kriegeradepten des Neuen Aeons sprechen zu können, müssen mindestens folgende Leitideen angestrebt werden:

  • Das Lebensziel, den eigenen „Wahren Willen“ finden und realisieren zu wollen.
  • Das Ideal „Liebe unter Willen“ für sich selbst zu leben bzw. dafür zu kämpfen, daß die Gesellschaft diese Idee annimmt und umsetzt.
  • Die Entwicklung der Kundalini d.h. die Erlangung der individuellen Unsterblichkeit.

Man muß kein Prophet sein um zu verstehen, daß diese Fähigkeiten nur entwickelt werden können, wenn man mit ganzen Herzen und Einsatz daran arbeitet. In diesem Sinne muß der thelemische Krieger ein Kampfkünstler sein, ein Kampfkünstler der an seiner eigenen Selbstvervollkommnung arbeitet.

Gerade dieses Thema hat für mich einen so hohen Stellenwert, daß ich es an anderer Stelle gerne ausführlicher beschreiben möchte. Hier will ich mich zunächst damit zufriedengeben aufzuzeigen, inwiefern der Weg der Kampfkunst ein Pfeiler der Krieger sein muß.

Der Schwerpunkt lag jedoch auf einer Klärung der Ideen – Kampfkunst und Kampfsport – d.h. einem leistungsfähigen Modell mit plausiblen Zusammenhängen und Bedeutungen.

… denn ein Begriff ohne Bedeutung ist wie ein Pfurz im Weltall – bedeutungslos – ohne Wirkungen.

…und… Ideen ohne Bedeutung sterben aus!

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Amn ho!

Sperber

Tony Sperber