Urheberrechtsreform Erklärung: Was bedeutet Artikel 13 / 17?

Das EU-Parlament hat Mitte April 2019 dem Entwurf für ein neues Urheberrecht zugestimmt. Doch was besagt der umstrittene Artikel 13 (17) überhaupt? Leider wurden wichtige Informationen von Politikern und Medien teilweise so verzerrt, einseitig oder falsch dargestellt, dass es kaum möglich war, sich einen Überblick über das Pro und Kontra zu verschaffen. Daher will ich hier die wichtigsten Argumente erklären und aufzeigen, was man auch jetzt noch konstruktiv tun kann.

Allgemeines zur Urheberrechtsreform

Da die beschlossene EU-Richtlinie erst in den nächsten zwei Jahren in nationales Recht übertragen wird, kann auf die Art der Umsetzung noch Einfluss genommen werden. Es ist also noch nicht zu spät, Argumente mit Politikern auszutauschen oder über eine Stimmabgabe in den kommenden Wahlen eine Partei zu stärken, die vernünftige Lösungen bevorzugt.

Urheberrechtsreform Erklärung: Was bedeutet Artikel 13 wirklich?

Außerdem ist es mir wichtig zu vermitteln, dass die vorgeschlagenen Richtlinien in Artikel 13 (17) tatsächlich gravierende Folgen für Millionen von Webseitenbetreibern, Usern, Urhebern usw. haben können, d. h. nicht nur ein Problem von ein paar Jugendliche ist. Immerhin warnen auch viele Experten und Datenschützer davor, dass der Unterschied zwischen Uploadfiltern und einer mechanisierten Zensur fließend ist.

Sprich – es gibt eine reale Grundlage für die Befürchtung, dass die Meinungsfreiheit in großem Stil eingeschränkt wird. Zumindest wäre das der „worst case“, wenn die Richtlinie nicht an entscheidenden Punkten bei der Umsetzung in nationales Recht entschärft wird.

Um die Problematik zu verstehen und beurteilen zu können, will ich zuerst etwas Hintergrundwissen einbringen …

Wie funktioniert das aktuelle Urheberrecht im Internet?

Es gibt schon seit langen gesetzliche Regelungen zum Schutz des geistigen Eigentums. Urheber können heute jederzeit durch spezielle Suchmaschinen Raubkopien von Texten und Bildern etc. ermitteln und die verantwortlichen Autoren / User abmahnen – sprich Geld für die Nutzung ihrer eigenen Werke bekommen.

Zudem sind Online-Plattformen – die Content von Fremdautoren veröffentlichen – auch heute schon dazu verpflichtet, Raubkopien bei Kenntnis zu löschen und die Daten der Verantwortlichen bei Anfrage zu übergeben. Gerecht ist die aktuelle Lösung insofern, als die rechtlichen Konsequenzen der Verursacher der „Straftat“ zu tragen hat – sprich – wer das Recht bricht, wird dafür auch zur Verantwortung gezogen.

Online-Plattformen nicht in die Haftung zu nehmen hatte bislang den guten Grund, dass es technisch, personell und finanziell nicht tragbar ist, jeden hochgeladenen Content vorab auf Rechtsverstöße zu prüfen. Nur so können kleinere Webseiten mit Fremdbeiträgen (wie Foren, Kommentare, Bildergalerien, Blogs, Themenwebseiten etc.) mit überschaubaren Ressourcenaufwand arbeiten und ohne Existenzängste überleben. Insofern haben wir schon heute eine gesetzliche Grundlage, die grundsätzlich vertretbar und umsetzbar ist.

Da die Richtlinie aber bereits vom EU-Parlament beschlossen wurde, wird es wohl künftig auch eine Haftung von Webseitenbestreibern geben müssen. Unter dem Strich wird die Frage zu klären sein, ob bzw. welche Ausnahmen erlaubt werden.

Sehen wir uns hierzu an, wie das Urheberrecht im Artikel 17 (vormals 13) geändert wurde bzw. welche Konsequenzen dies haben könnte.

Was ändert die neue EU-Richtlinie im Artikel 13 (jetzt 17)?

Die wichtigste Änderung ist aus meiner Sicht, dass künftig die Online-Plattformen für Rechtsverstöße ihrer User mithaften müssen. Statt also die Täter direkt zu belangen, sollen zusätzlich auch die Dienstleister / Webseitenbetreiber haftbar gemacht werden.

Damit entsteht für die Webseitenbetreiber das Problem, wie sie sicherstellen können, dass alle Veröffentlichungen ihrer User rechtskonform sind. Außerdem wird so jede Veröffentlichung eines Users zu einem potenziellen Risiko für Abmahnungen, die schnell einen vierstelligen Betrag annehmen kann.

Um dieser Risiko- /Kostenfalle einer vorgreifenden Haftung zu entgehen, bietet die EU-Richtlinie folgende „Lösungsmöglichkeiten“ an:

A) Die Webseitenbetreiber können vorab alle nötigen Nutzungsrechte (Lizenzen) erwerben, um nachweisen zu können, dass sie zur Nutzung eines bestimmten Contents berechtigt sind.

B) Einen Uploadfilter einbauen, der nutzergenerierte Inhalte auf Urheberechtsverstöße prüft und blockt.

C) Startups, die weniger als drei Jahre alt sind, weniger als 10 Millionen Jahresumsatz erzielen und weniger als 5 Millionen Besucher pro Monat haben, sind von der Uploadfilterpflicht befreit.

Bei genauerer Betrachtung bringen diese Optionen leider nicht die erhoffte Rechtsicherheit, sondern gleich einen ganze Menge neuer Probleme mit sich.

Urheberrechtsreform Erklärung: Was bedeutet Artikel 13 wirklich?

Rechtssicherheit durch den Erwerb von Lizenzen

Hier lautet die Preisfrage, wie und woher man gültige Lizenzen für Texte, Bilder, Videos oder Musikstücke seiner User bekommen soll. Vielleicht mag es für die Big-Player – wie Facebook oder YouTube – möglich sein, mit allen Verwertungsgesellschaften Pauschalabkommen für Lizenzverträge abzuschließen, aber für kleinere kommerzielle Webseiten sicher nicht.

Zudem ist unklar, wie die User selbst an gültige Lizenzen kommen können, die sie als den rechtmäßigen Urheber ausweisen. Wer prüft, ob eine Erstveröffentlichung eines Autors lizenzberechtigt ist? Auf solch basale Praxisfragen, haben die Macher der Richtlinie leider keine Antwort.

Klar ist, dass die Big-Player wie die Film- und Musikindustrie, die großen Medienhäuser und die Verwertungsgesellschaften auch heute schon solche Lizenzen für einzelne Werke ausstellen könnten. Für die Millionen kleiner User / Webseiten ist diese Praxis aber nicht – oder nur mit sehr großem Aufwand – machbar. Zumindest dann, wenn hier keine oder nur sehr wenige Ausnahmen gestattet werden.

Uploadfilter als Schutz vor Raubkopien

Die zweite Option für Plattformbetreiber eine Vorabhaftung zu vermeiden ist, einen Uploadfilter zu installieren. Dies wurde beschlossen, obwohl im Koalitionsvertrag steht …:

„Eine Verpflichtung von Plattformen zum Einsatz von Upload-Filtern, um von Nutzern hochgeladene Inhalte nach urheberrechtsverletzenden Inhalten zu ‚filtern‘, lehnen wir als unverhältnismäßig ab.“ (Koalitionsvertrag Zeilen 2212 – 2214)

Doch was sind überhaupt Uploadfiltern? Bei Uploadfiltern geht es darum, dass urheberechtsverletzende Publikationen schon beim Hochladen erkannt und geblockt werden sollen. Um aber eine Raubkopie als solche überhaupt erkennen zu können, braucht es eine Blaupause des Originals, d. h. man bräuchte eine Datenbank, die alle bisherigen Originale aller Urheber enthält und den Upload auf Übereinstimmungen prüft.


Zum Aktivieren des Videos müssen Sie auf den Start-Button klicken. Wir weisen darauf hin, dass beim Starten des Videos Daten an YouTube übermittelt werden.

Technisch wäre das mit einer Serverkapazität von Google oder Facebook, ein paar kleinen Kraftwerken und einer Datenbank zu lösen, die sämtliche Webseiten und sonstige Publikationen aller Urheber im Zugriff hat. Wie die Experten der CDU richtig anmerken, hat Google bereits ein funktionierendes Content-ID-Filtersystem zum Schäppchenpreis von etwas über 100 Millionen Dollar in Betrieb.

Es erlaubt, Duplikate im Internet zu erkennen und in den Suchergebnissen zu filtern. Doch es gibt aktuell leider kein Filtersystem, das ein Original von einer Kritik, Satire, Rezension etc. unterscheiden kann, denn dazu wäre zusätzlich eine KI (künstliche Intelligenz) nötig, die noch zu entwickeln wäre.

Auf diese Problematik von Kritikern angesprochen, meinte der CDU Politiker Axel Foss optimistisch, dass man hier ja noch 2 Jahre Zeit habe, das Problem zu lösen.

Wer sich einmal mit Urheberstreitigkeiten auseinandergesetzt hat, weiß, wie schwierig manche Fälle für Gerichte zu entscheiden sind. Nur kann man bei solchen Verfahren hoffen, dass Menschen – wie Anwälte, Richter, Urheber und Beklagte – durch faires Abwägen aller Argumente zu einer gerechten Entscheidung kommen. Solch wichtige Entscheidungen einem automatischen Filter oder einer KI anzuvertrauen ist intransparent und völlig verantwortungslos.

Urheberrechtsreform Erklärung: Was bedeutet Artikel 13 wirklich?

Von Seiten der Verantwortlichen der CDU / CSU und SPD wird zwar versichert, dass es in Deutschland keine Uploadfilter geben soll. So eine Richtlinie erstellen, um sie im Anschluss wieder aufzuheben, ist aber dann entweder sinnfrei oder unehrlich. Dennoch bleibt auch hier die Hoffnung, dass Uploadfilter später in deutschem Recht nur in Ausnahmefällen gefordert werden. Denn eigentlich gibt es nur eine sehr überschaubare Anzahl von großen Webprojekten, bei denen Urheberrechtsverletzungen faktisch eine nennenswerte Rolle spielen.

Kleine Startups sind von der Haftung entbunden

Aber nur, wenn das Unternehmen weniger als drei Jahre alt ist, der Jahresumsatz unter zehn Millionen Euro liegt und die Plattform weniger als fünf Millionen Besucher im Monat hat.

Wohlgemerkt müssen alle Kriterien zutreffen, um von der Haftung entbunden zu werden. Man darf also risikolos anfangen ein Unternehmen aufzubauen, wenn man weder finanziell, noch von der Reichweite an Besuchern irgendeinem Big Player gefährlich werden kann. So kann man sicherstellen, dass es für ein europäische Startup so gut wie unmöglich wird, mit einer genialen Idee – à la Google oder Facebook – einen komentenhaften Aufstieg zu erleben.

Wahrscheinlicher ist, dass viele gute Ideen gar nicht mehr angegangen werden, denn auch ein Startup muss in die Zukunft planen und überlegen, ob es sich spätestens nach 3 Jahren ein Haftungsrisiko durch usergenerierten Content finanziell leisten kann.

An dieser Stelle wäre es am einfachsten die Richtlinie zu entschärfen. Beispielsweise indem alle Webseiten von der Anforderung entbunden werden, die mindestens eines dieser Kriterien erfüllen.

Mögliche Konsequenzen von Artikel 13 (17)

Kritiker und Befürworter sind sich einig, dass man das aktuelle Urheberschutzgesetz verbessern kann und sollte – auch ohne unklakulierbare Kollateralschäden. Es wäre ein leichtes gewesen eine Richtlinie zu entwerfen, denen eine große Mehrheit zugestimmt hätte, wären die Verantwortlichen bereit gewesen, sich alternativen Vorschlägen von Experten, Datenschützern etc. überhaupt anzuhören.

Insofern lässt die bislang gezeigte Ignoranz und Verweigerungshaltung der Politiker wenig Hoffung, dass vernünftige oder angemessene Lösungen bei der Umsetzung in nationales Recht überhaupt angestrebt wird.

Wie schon die Vergangenheit bei größeren Änderungen (z. B. der Einführung der DSGVO) gezeigt hat, will die große Mehrheit der Webseitenbetreiber den gesetzlichen Bestimmungen nachkommen – denn Mahnverfahren und Gerichtsprozesse sind teuer.

Gerade kleinere kommerzielle Webseiten müssen dabei immer zwischen Aufwand und Nutzen abwägen. Wird der Aufwand, das finanzielle Risiko oder die Grundkosten eine Webseite rechtskonform anzubieten zu groß, wird sich das für viele Webseitenbetreiber nicht mehr rentieren.

Sie brauchen sich nur selbst zu fragen, ob Sie bereit wären für eine Webseite mit Fremdbeiträgen im Zweifelsfall ihre Existenz zu riskieren. Wahrscheinlich eher nicht …

Je mehr Online-Plattformen schließen, desto weniger Möglichkeiten werden am Ende auch die Urheber von Content haben, ihre Werke einem breiten Publikum vorzustellen.

Die wenigen Gewinner sind die großen Medienhäuser, Musik & Filmindustrie und die Verwertungsgesellschaften etc., da sie die einzigen sind, die auch heute schon mit Lizenzen handeln und damit Geld verdienen können.

Was kann man noch gegen Artikel 13 (17) tun?

Es ist noch nicht zu spät die Umsetzung des Artikel 13 durch die Politik maßgeblich zu beeinflussen, denn unter dem Strich ist entscheidend, wie und von wem diese Richtlinie in nationales Recht übertragen wird.

Eine Möglichkeit ist, dass jeder sich noch an der Pedition gegen Artikel 11 bis 13 beteiligen kann, so wie es über 5 Millionen Menschen bislang getan haben. Hier besteht die Hoffnung, dass die Verantwortlichen sich bewusst werden, wie viele Menschen (Wähler) so einen worst case verhindern wollen. Sie finden diese Pedition hier: Pedition gegen Artikel 13

Da anscheinend 150 000 Demonstranten in 50 deutschen Städten noch nicht genug waren, um Politiker der CDU, CSU und SPD zu überzeugen, dass hier ein Dialog dringend nötig und wichtig wäre, müssen es eben die Wahlen bzw. entsprechende Wahlergebnisse tun. Vielleicht gelingt es so Politikern klar zu machen, dass die Interessen von Millionen Betroffener wichtiger sind, als die Geldbeutel der Big Player.

Tony Kühn