Tips zur Lektüre der Werke von Teilhard de Chardin

Den Schlüssel zur Philosophie von Marie-Joseph Pierre Teilhard de
Chardin (1881-1955) birgt ein Satz im Flyer des Jesuitenkollegs
Notre-Dame de Mongré in Villefranche-sur-Saône,
in das er im April 1892 eintrat: „‚Es ist notwendig, daß die Lehrer, die die Jugend erziehen sollen,
sie lehren, die Wissenschaft durch die Religion zu heiligen und der
Religion durch die Wissenschaft zu dienen'“ (zit. n. Cuénot 27).

Teilhard
wurde Priester, Geologe, Paläontologe, Anthropologe und
Philosoph. Da er mit seinen theologischen Ansichten seine
Vorgesetzten und die katholische Kirche nicht überzeugen konnte,
durfte er zu Lebzeiten nur seine naturwissenschaftlichen Schriften
veröffentlichen. „Sein
langer Aufenthalt in China war nicht nur durch paläontologische
Arbeiten bedingt, sondern kam auch einem ‚Exil‘ gleich“
(Gottfried Gabriel, in: EphW 4/224).

Am
30. Juni 1962 veröffentlichte die „Oberste
Kongregation des Heiligen Offiziums“
ein „Monitum“ über Teilhard. Darin stellte sie fest,
daß seine Werke „in philosophischer Hinsicht
Doppelsinnigkeiten und auch schwerwiegende Irrtümer enthalten,
welche die katholische Lehre verletzen.“ Aus diesem Grund wurden
„alle Ordinarien (residierende Bischöfe) sowie Oberen
religiöser Gemeinschaften, Seminarleiter und
Universitätsrektoren“ aufgefordert, „die Geister –
namentlich der jungen Leute – vor den in den Werken Pater
Teilhards de Chardin und seiner Anhänger enthaltenen Gefahren zu
schützen“ (zit. n. Schmitz-Moormann 99).

1. Einige Bemerkungen über den Jesuitenorden

Das
Wesentliche sind die Exerzitien des Ordensgründers Ignatius von
Loyola (1491-1556), die der Willensbildung dienen. Das Ziel besteht
nach dem Jesuiten Francisco Suarez (1548-1617) im Aufgehen des
persönlichen Willens im Willen Gottes (vgl. Mt 6,10; 26,39.42
und Fülöp-Miller 17).

Wer
in den Orden eintritt, muß die drei Gelübde der Armut, der
Keuschheit und des Gehorsams ablegen. Besonders das dritte Gelübde
geriet als „‚Kadavergehorsam'“ (vgl. Fülöp-Miller 37) in Verruf, da Ignatius in den „Satzungen“ vom
Ordensangehörigen verlangte, er solle sich wie ein Toter oder
ein Stock manipulieren lassen (zit. in Guillermou 112).

Teilhard
legte seine Gelübde am 26. Mai 1918 ab, nachdem er als Sanitäter
und Priester am Ersten Weltkrieg teilgenommen hatte und mehrfach
ausgezeichnet worden war. Als er das Armutsgelübde ablegte,
dachte er daran, wie nützlich das Geld in einem gottgeweihten
Leben ist. Beim Keuschheitsgelübde dachte er, wie wichtig bei
der Erhebung zu Gott die Ergänzung von Mann und Frau ist. Beim
Gehorsamsgelübde dachte er an die Freiheit des gottgeweihten
Lebens (vgl. Cuénot 68 und 71).

Das
läßt an einen zweiten Begriff denken, der durch die
Jesuiten bekannt geworden ist: „die
‚Reservatio mentalis‘, die lateinische Bezeichnung für unser
deutsches Wort ‚Notlüge‘. […] Wörtlich übersetzt
bedeutet ‚Reseratio mentalis‘ Vorbehalt in Gedanken, exakter:
heimlicher Vorbehalt in Gedanken“
(Barthel 100f).

2.
„Der Göttliche Bereich – Ein Entwurf des
innern Lebens“
(1926/27)

Teilhard
betrachtet dieses Werk nicht als „vollständige
Abhandlung der asketischen Theologie“:
„Es will nur die seelische Entfaltung beschreiben, wie sie in einer
bestimmten Entwicklungsphase beobachtet wird

(Wichtige Bemerkung, S. 17).

Er
formuliert hier auch „das katholische Grunddogma“, das alle
anderen Dogmen lediglich erläutern oder näher bestimmen:
In unserem
Weltall ist jede Seele für Gott da in Unserem Herrn

(S. 37). Mit „Herr“ meint er hier Christus. Diesem
Grunddogma fügt Teilhard noch einen Untersatz hinzu: „im
Weltall, wo jeder Geist in Unserem Herrn auf Gott zustrebt, ist alles
Wahrnehmbare für den Geist da

(S. 39). In syllogistischer Manier schließt er aus diesen
beiden Prämissen, daß „alles
ein Ganzes bildet

(S. 44), das wir mit jeder Arbeit zu vollenden helfen.

Claude
Cuénot stellt das Werk in eine Reihe mit der „Nachfolge
Christi“ (Thomas von Kempen), den „Geistlichen
Übungen“
(Ignatius von Loyola) und der „Philothea“ (Franz von
Sales).

3.
„Der Mensch im Kosmos“
(1938-40)

In
diesem seinem philosophischen Hauptwerk (Gottfried Gabriel, in: EphW 4/224), von dem Teilhard wünscht,
daß es „als naturwissenschaftliche Arbeit“ gelesen
wird (Vorbemerkung des Verfassers, S. 1), will er lediglich
Phänomenologie treiben, d.h. beschreiben, nicht erklären.
Er beruft sich auf die Erfahrung, räumt jedoch ein, daß
bei einer Betrachtung des Universums eine „Aura von subjektiver
Interpretation […] fast unvermeidlich“ ist. Diese ist bei
Teilhard von „zwei Grundauffassungen“ geprägt: „Die
erste besteht in dem Vorrang, der dem Psychischen und dem Denken im
Weltstoff zugebilligt wird. Die zweite im ‚biologischen‘ Wert, den
ich unserer sozialen Umwelt zuspreche“ (ebd., S. 2).

Teilhard
schreibt nicht nur über die Außenseite, sondern auch die
Innenseite der
Dinge
, die ebenso weit sich erstreckt wie ihre Außenseite
(S. 31). Mit „Innen“ meint Teilhard „ein Bewußtsein
und deshalb Spontaneität“
(S. 32). Beidem, dem Innen und dem Außen, schreibt er „atomare
Struktur“ (S. 34), Komplizierung und Differenzierung zu. Dabei
korrespondieren seiner Ansicht nach Höhe des Bewußtseins
und Komplexität stofflicher Strukturen. Als Brücke zwischen
Materie und Bewußtsein betrachtet Teilhard eine „geistige
Energie“ (S. 37).

Die
Evolution der Erde beginnt für Teilhard mit der Ablösung
eines Materiefetzens von der Sonnenoberfläche (S. 43). Er
vermutet darin einen „glücklichen Zufall“. Aus einer
Vorform des Lebens („Prä-Biosphäre„) in der „jugendlichen Erde“ entsteht schließlich das
Leben (S. 50f). Es „ist aus Bewußtsein aufgebaut“ (S.
152). Parallel zu einer fortschreitenden Individualisierung und
Personalisierung differenziert sich dieses Bewußtsein in der
Vorstellung Teilhards über den Instinkt der Tiere bis hin zum
Denken der Menschen.

Doch
damit ist die Evolution noch nicht zu Ende. Aus dem „Bedürfnis
nach allumfassender Brüderlichkeit“ (S. 237) postuliert
Teilhard die Entwicklung der Menschheit zu einem Überpersönlichen
in einem Zentrum hin, das er als „Punkt Omega“ bezeichnet
(S. 253). Das Mittel zu dieser Vollendung der Welt ist die Liebe (S.
259).

Die
Evolution erfolgt nach Teilhard also in drei Stufen: Kosmo-, Bio- und
Noogenese (griech. noos =
Geist) (vgl. a. Kurt Schanné, in: LphW 533).

Weltuntergangsphantasien
lehnt Teilhard ab. Denn er betrachtet den Menschen als unersetzlichen
Gipfelpunkt der Evolution (S. 271). Die Lösung der irdischen
Probleme erwartet er von einer „Wissenschaft vom Menschen“,
denn er hält den Menschen „als ‚Gegenstand des Wissens'“
für den „Schlüssel der ganzen Naturwissenschaft“
(S. 276).

Auch
„Der Mensch im Kosmos“ wurde erst nach Teilhards Tod 1955 veröffentlicht – die
Bitte an die Leser in der Vorbemerkung nützte also nichts:
Teilhards Ordensobere lasen das Werk trotzdem unter
theologischen Gesichtspunkten.

4. Einige Bemerkungen zur Evolutionstheorie

Teilhards
Betrachtungen wirken auf den unbefangenen Leser ganz und gar nicht
als Phänomenologie, sondern als metaphysische Spekulation.
Allerdings gibt es tatsächlich subjektive Wahrnehmungen der von
Teilhard sog. „geistigen
Energie“. Daß
die Welt nicht nur eine Außenseite, sondern auch eine
Innenseite hat, erfahren viele, die auch auf ihre spirituelle
Entwicklung Zeit verwenden.

Die
Evolutions- und Selektionstheorie (Stichwort: „Kampf ums
Dasein“, den der Stärkere überlebt) wurde unabhängig
von Alfred Russel Wallace (1823-1913) und Charles Darwin (1809-1882)
entwickelt (Hemleben 121996, S. 100).

Harry
L. Shapiro nennt auch noch Georges Louis Leclerc Graf von Buffon
(1707-1788), Georges Baron de Cuvier (1769-1832), Jean-Baptiste de
Monet, Chevalier de Lamarck (1744-1829), Sir Charles Lyell
(1797-1875) und den schottischen Richter Lord Monboddo (1714-1799)
als Vorläufer (S. 137f).

Carl
von Linné (1707-1778) ordnete zwar die Menschen „in
die Gruppe der Primaten (Herrentiere)“
ein, „zu denen
Lemuren, Affen und Menschenaffen gehören“,
doch ohne den Evolutionsgedanken (Shapiro 176f).

Darwin
formulierte seine Hypothesen in „Die Entstehung der Arten“
(1859) sehr vorsichtig und räumte ein, daß der Bestand an
archäologischen Funden zu seiner Zeit sie nicht stützte:
„Wer unsere geologischen Urkunden für annähernd
vollständig hält, muß meine Theorie verwerfen“
(S. 467). Seine Hoffnung auf Bestätigung seiner Hypothese, daß
sich die verschiedenen Arten aus einer gemeinsamen Vorform entwickelt
haben, hat sich nicht erfüllt: Es wurden keine Übergangsformen
zwischen den Arten (sog. „Missing Links“) gefunden (über
manche Funde wird gestritten).

Um
sie dennoch präsentieren zu können, scheute Ernst Haeckel
(1834-1919) nicht vor Fälschungen bzw. Idealisierungen zurück.
Klaus Keitel-Holz schreibt im Kapitel „Haeckel
als Fälscher?“
von „angeblichen
Fälschungen“ (S. 99).
Haeckel selbst räumte „‚Ungenauigkeiten'“ bzw.
„‚Fehler'“ ein (S. 100). Seine Gegner bezichtigten ihn
„‚der Unwissenheit und Fälschung'“, nannten ihn
„‚Taschenspieler mit Embryonenbildern'“, „‚Schwindler'“,
„‚Fälscher'“ und „‚Betrüger'“ (S. 101).

Haeckels
Verteidiger Richard B. Goldschmidt schrieb von einer „‚Tendenz,
seine Zeichnungen zu konventionalisieren und sie einem idealen Bild
anzunähern, das er in seinem Kopf hatte'“ (S. 99,
Übersetzung aus dem Englischen von mir). Eine Gruppe von 46
Professoren konnte „‚zwar die von Haeckel in einigen Fällen
geübte Art des Schematisierens nicht gutheißen'“,
erklärte aber, „‚daß der Entwicklungsgedanke […]
durch einige unzutreffend wiedergegebene Embryonenbilder keinen
Abbruch erleiden kann'“ (S. 101).

Egal,
wie man’s nun nennt – jedenfalls entsprachen die von Haeckel
vorgelegten Zeichnungen nicht den wirklichen Entwicklungsstadien von
Embryonen. Tatsächlich kann man die Evolution der Arten nicht
mit einem Baum vergleichen, der sich mit den Ästen verzweigt,
sondern lediglich mit Büschen, die unvermittelt nebeneinander
stehen: es gibt Links innerhalb
jeweils einer Art (= Fortpflanzungsgemeinschaft, MEL 2/649),
nicht jedoch zwischen verschiedenen Arten (vgl. Illies 106-119).

Teilhard
war sich dessen bewußt: „Bei
sorgfältigster Analyse erwecken die Phylen [= Stämme; Anm.
v. mir] den Eindruck, als ob sie sich verflüchtigten [La
Vision du Passé
, Seuil
1956, S. 20]. Die wirklichen Geschlechter bilden ein
verworrenes Buschwerk; aber man muß eine allgemeine Richtung
erkennen wie bei einer Ähre oder einer Feder mit den vielfachen
Grannen und Ästen. Die Phylen sind gleichsam gelenkt. Und das
Ganze des Lebens weist im Laufe der Zeit eine Gesamtdrift zum
Komplexesten hin auf“ (Rabut
34).

Robert
Teldy-Naim kommentiert bissig: „Man hat sich bis heute noch
nicht zurechtgefunden in dem Gewirr dieser einander so nahen und
zugleich voneinander so verschiedenen Rassen, deren jede schon einmal
einen Augenblick lang für das immer wieder gesuchte Kettenglied,
das ‚Missing link‘, gehalten wurde“ (S. 70).

Vom
sog. Piltdown-Menschen, einem Exemplar des angeblichen Eoanthropus, war Teilhard beeindruckt, doch auch hier handelte es sich um einen
Betrug: „Der Kiefer
des Eoanthropus stammt von
einem modernen Orang-Utan, die Zähne sind künstlich in eine
menschliche Form gefeilt worden, und eine Färbung hatte dem
Knochen das Aussehen eines Fossils gegeben. Die Schädelstücke
sind menschlich und alt, jedoch künstlich mit Hilfe von
Eisenoxyd gefärbt und von einer anderen Fundstelle nach Piltdown
gebracht worden. Sie gehen nicht über das Neolithikum zurück.
Das Knochenwerkzeug seinerseits ist mit einem Stahlmesser bearbeitet
worden“ (Cuénot 61). Nach Harry L. Shapiro war es kein Kiefer eines
Orang-Utan, sondern eines Schimpansen, der chemisch behandelt wurde
(S. 57; vgl. a. Cremo/Thompson 1997, S. 37 und 139 / 32008, S. 599-626).

Darwin
nahm einen Schöpfer an, schloß aber Naturkatastrophen aus
(Die Entstehung der Arten, S. 677). Die von ihm postulierten langen
Zeiträume sollten die Theorie angeblicher Mutationen plausibel
machen. Künstliche Mutationen
sind inzwischen immerhin gelungen (Teldy-Naim 59, 62, 65). Demgegenüber plädierte
Velikovsky (vgl. a. de Grazia) aufgrund der Funde und antiken Quellen für Naturkatastrophen,
Zillmer für relativ kurze Zeiträume. Weitere Literatur zum
Thema: Reichholf und Schrenk (orthodox), Bürgin und Eichelbeck
(kritisch).

Der
sog. Peking-Mensch (Homo erectus pekinensis)
oder Chinamensch (Sinanthropus)
wurde von Davidson Black und Weng Chung Pei entdeckt, nicht von
Teilhard, der einen Stein als Werkzeug des Peking-Menschen erkannte
und Feuerstellen fand. Er „gehörte zu den ersten Geologen
bzw. Paläontologen, die die Bedeutung der neuen Funde erkannten“
(Hemleben 1984, S. 103). Harry L. Shapiro faßt diese Bedeutung
so zusammen: „Es ist äußerst selten der Fall, daß
man eine ganze Serie von Fossilien besitzt, die eine Mehrzahl von
Individuen einer einzigen Population vertritt. Sie liefert ein Wissen
über die Variationen und die Reichweite des Typs, das für
die Einordnung seiner Position von unschätzbarem Wert ist“
(S. 11f).

5.
„Die lebendige Macht
der Evolution“

Dieser
Sammelband enthält verschiedene Arbeiten aus den Jahren 1945-55,
die Teilhard „nicht
im Hinblick auf eine
Herausgabe durchgesehen“
hat (Hinweis der Herausgeber, S. 13).

In „Der Ort der
Technik in einer allgemeinen Biologie der Menschheit“
vom 16.1.1947 betrachtet Teilhard die Arbeitslosigkeit als
Ankündigung der „Freisetzung geistiger Energie […];
zwei befreite Arme sind ein für das Denken befreites Gehirn“
(S. 44).

In „Die
psychologischen Voraussetzungen der menschlichen Einswerdung“
vom 6.1.1949 weist
Teilhard angesichts von Rohstoff- und Nahrungsknappheit darauf hin,
wie wichtig es ist, auf die psychischen Energiequellen aufzupassen und sie zu nähren: Auch sie sind eine
Voraussetzung für jedes menschliche Wachstum. Die Psychoanalyse
hielt er nicht nur für eine Heilmethode der Individuen, sondern
wies ihr die Aufgabe zu, eine „Human-“
bzw. „Psycho-Energetik“ für die Menschheit als Ganzes zu erarbeiten (S. 58).

6.
„Wissenschaft und Christus“

Es
handelt sich um eine Zusammenstellung von religiösen
Aufzeichnungen, die Teilhard wiederum „nicht
im Hinblick auf eine Veröffentlichung durchgesehen“
hat (Vorbemerkung der Herausgeber, S. 33).

In
der Einleitung zu Mein
Universum
vom 25. März 1924 gibt Teilhard ein Zeugnis von der
Inspiration beim Schreiben: „Wirklich,
ich fühle es, nicht ich habe diese Seiten entworfen: sondern in
mir ein Mensch, der größer ist als ich – ein Mensch,
den ich als immer denselben hundertmal in meiner Umgebung erkannt
habe“ (S. 65).

Im
dritten Kapitel dieser Schrift über „Moral und Mystik“
(S. 98) charakterisiert Teilhard das „innere
Leben“ eines
Christen: Er heiligt die Welt „durch
einen ganzen Glauben
, der sie in dem unendlichen Netz der
Zweitursachen den organischen Einfluß Christi schauen läßt“.
Er kommuniziert „mit
der Welt
[…] durch eine uneingeschränkte Treue„,
er ergreift „in ihr alle Gelegenheiten des Wachsens“ und
erleidet „in ihr alle Einladungen zum Sterben“ (S. 112).

In „Aktion
und Aktivation“
vom 9. August 1945 fragt Teilhard: „Läßt nicht das
Gift der geschlossenen Orthodoxien
alle philosophischen Systeme nacheinander sterben und bedroht es
nicht am ernstesten die Existenz der Religion?“ (S. 236)

7.
Zur Rezeption Teilhards durch die New-Age-Bewegung

Laut
einer Umfrage über die New-Age-Bewegung von Marilyn
Ferguson
(1977) ist Teilhard die „am
meisten als starker ‚Einfluss‘ bezeichnete Einzelperson. […]
Die nächstmeist genannten einflussreichen
Persönlichkeiten sind Aldous Huxley, C. G. Jung und Abraham
Maslow“ (S. 56). Im Register ihres Buchs hat sie 20 Stellen zu Teilhard
aufgeführt.

Auch Constance Cumbey nennt Teilhard als eine der Quellen
der New-Age-Bewegung (S. 60, 98, 154, 179, 189), die sie ansonsten
allerdings mit Nationalsozialismus und Satanismus in Verbindung
bringt. Das kommt dadurch zustande, daß sie als „fanatische
Gläubige“ (S.
110) die Bibel noch selektiver zitiert als die New Age-Literatur:
Bibelstellen wie Gen 6,7; Ex 17,14; Dt 7,10; 9,3; Jos 11,20; Ijob
12,23; Ez 25,16; Mi 5,8; Zef 1,3; 3,6; Mt 25,32.41 läßt
sie weg, regt sich aber über den New Age-Gedanken der „‚Säuberungsaktion'“
(S. 95) auf. Sie bekrittelt den Karma-Glauben der New Age-Anhänger,
ohne zu bemerken, daß der auch in der Bibel zu finden ist (Ijob
4,8; Spr 22,8; Sir 7,3; Hos 10,12; Gal 6,7). Usw.

Dagegen
zeigt Günther Schiwy anhand zahlreicher Zitate, daß
eine inhaltliche Verständigung zwischen Christentum und New Age
durchaus möglich ist (vgl. z.B. Röm 8,14; Apg 17,27f; Gal
2,20). Er bezeichnet Teilhard als „Brückenbauer
zwischen Christentum und New-Age-Spiritualität“
(S. 106).

Robert
Muller
, stellvertretender Generalsekretär der Vereinten
Nationen, wurde oft als „‚Teilhardianer'“ bezeichnet (S. 239; Stellen über Teilhard: 60f, 120, 126, 166,
238-252).

In
„Wendezeit“
stellt Fritjof Capra fest, daß Teilhards „Gedanken
denen der neuen Systembiologie am nächsten kommen“
(S. 338).

Thomas
Broch
, der Capra ausführlich
zitiert (S. 29f), rechnet Teilhard „zu
den am meisten zitierten Denkern“ der New-Age-Literatur (S. 31). Er
räumt ein, daß „es
zwischen dem Denken Teilhard de Chardins
und der Gedankenwelt des New Age – falls man bei letzterem
überhaupt eine gemeinsame Linie ausmachen kann –
zahlreiche und weitgehende gemeinsame Vorstellungen, Fragestellungen
und Intentionen gibt“.
Doch er wehrt sich gegen die Vereinnahmung Teilhards als „Wegbereiter
des New Age“, obwohl er zugibt, „daß es manchmal
äußerst feiner und kaum mehr nachvollziehbarer
Differenzierungen bedarf, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede
auseinanderzuhalten“ (S. 175).

Als „Grundanliegen
des New Age“ nennt Broch die „Wiederbewußtwerdung
der Einheit des Ich mit dem
Göttlichen“ (S. 71). Diesen Gedanken findet man auch im Neuen Testament (vgl. Joh
5,19; 6,46; 8,28.38; 10,15.17f.30.38; 14,9; 15,15; 16,28).

Weitere
Literatur: Hemminger und Trevelyan mit zahlreichen Stellenangaben zu
Teilhard im Register (bei Hemminger unter „Chardin,
Teilhard de“). Über
New Age allgemein: Gruber, Hawken, König, Ruppert, Spangler.

© Gunthard Rudolf Heller, 2012

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    Zanta (Lettres à Léontine Zanta,
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    Hildegund Grüger, Freiburg im Breisgau 1967
  • Geheimnis und
    Verheißung der Erde – Reisebriefe 1923-1939 (Lettres
    de voyage 1923-1939
    , Paris
    1956), Deutsch von Eva Feichtinger, Freiburg im Breisgau/München
    1958
  • Pilger der Zukunft
    – Neue Reisebriefe 1939-1955 (Nouvelles
    olettres de voyage 1939-1955
    ,
    Paris 1957), Freiburg/München 1962
  • Der göttliche
    Bereich – Ein Entwurf des innern Lebens (Le milieu divin,
    Paris 1957), Übersetzung von Josef Vital Kopp, Olten/Freiburg
    im Breisgau 1962
  • Der Mensch im
    Kosmos (Le phénomène humain,
    Paris 1955), Übersetzung von Othon Marbach, München 21959
  • Die lebendige Macht
    der Evolution (L’activation de l’énergie,
    1963), Übersetzung von Karl Schmitz-Moormann, Olten/Freiburg im
    Breisgau 1967
  • Wissenschaft und
    Christus (Science et Christ, Paris 1965), Übersetzung
    von Karl Schmitz-Moormann, Olten/Freiburg im Breisgau 1970

TELDY-NAIM,
Robert: Auf den Scheiterhaufen mit Teilhard de Chardin? (Faut-il
br
ûler
Teilhard de Chardin
), Übersetzung aus dem Französischen von Friedrich Binder,
München 1964

THOMAS
VON KEMPEN: Nachfolge Christi, übersetzt von Hugo Harder,
Zürich/Einsiedeln/Köln 41988

TREVELYAN, George: Eine Vision des Wassermann-Zeitalters
– Gesetze und Hintergründe des „New
Age“ (A
Vision of the Aquarian Age
,
London 1977), aus dem
Englischen übertragen von Margaret C. Rae, München 11984

VELIKOVSKY, Immanuel: Welten im Zusammenstoss (Worlds
in Collision
, New York 1950), aus dem Englischen von F. W.
Gutbrod und Th. Hoffmann, o. O. 22008

  • Erde im Aufruhr (Earth in Upheaval, New York
    1955), aus dem Englischen von Christoph Marx, o. O. 22008

WIKIPEDIA –
Die freie Enzyklopädie (http://de.wikipedia.org/wiki/Monboddo)

ZILLMER,
Hans-Joachim: Darwins Irrtum – Vorsintflutliche Funde beweisen:
Dinosaurier und Menschen lebten gemeinsam, München 1998

  • Irrtümer der
    Erdgeschichte – Die Wüste Mittelmeer, der Urwald Sahara
    und die Weltherrschaft der Dinosaurier: Die Urzeit war gestern,
    München 2001
  • Die Evolutionslüge
    – Die Neandertaler und andere Fälschungen der
    Menschheitsgeschichte – Unterdrückte Fakten. Verbotene
    Beweise. Erfundene Dogmen, München 2005

Gunthard Heller