Kritik: Problematischer Umgang mit „Arbeitslosigkeit““ in unserer Gesellschaft“

Lügen, Märchen und Stimmenfang der Politik mit ArbeitslosigkeitSeit um 1780 herum die Lohnarbeit eingeführt wurde, wurde Arbeitern immer wieder erzählt, dass schon bald mehr Arbeitsplätze geschaffen werden und es danach weniger Arbeitslose geben wird. Dieses Märchen wird heute, über 200 Jahre später, immer noch gerne von Politikern verwendet.

Mitt Romney will, wenn er Präsident der USA wird, 12000 neue Arbeitsplätze schaffen. Aber wie will er diese schaffen? Ist er ein mächtiger Zauberer, der einen Abschluss in der Elitezauberschule Hogwarths gemacht hat?

Wohl eher nicht. Aber warum glaubt Mitt Romney dies bewerkstelligen zu können? Und warum kann man, obwohl dieses Problem schon lange bekannt ist, mit diesem Argument immer noch auf Stimmenfang gehen?

Existiert heute ein Drei-Klassen-System?

Irgendwie schon. Es scheint so, als würden Politik und Wirtschaftsgrößen zusammenarbeiten. Sie sorgen, bewusst oder unbewusst, dafür, dass es viele Leute gibt, die wenig bis gar kein Geld haben. Dann gibt es noch einige, die genug Geld haben, um gerade noch über die Runden zu kommen, wenn sie fleißig arbeiten. Zu guter Letzt gibt es dann noch wenige Menschen, die zu viel Geld haben (siehe Index 1).

Die, die kein Geld haben, egal ob selbst Schuld oder nicht, werden von unserer Gesellschaft als faul abgestempelt und fühlen sich dadurch wertlos und resignieren. Die zweite Gruppe kommt nicht dazu, darüber nachzudenken, ob in unserem System etwas falsch läuft, weil sie viel zu sehr damit beschäftigt ist, ihren Lebensstandard irgendwie zu bewahren.

Die Reichen wiederum wissen zwar oft um die Missstände, die existieren, aber warum sollten sie etwas ändern wollen, wenn sie doch die großen Profiteure dieses Systems sind. Durch diese Ordnung ist sichergestellt, dass eine große Menge an Menschen vorhanden ist, die man mit dem Versprechen, neue Arbeitsplätze zu schaffen, ködern kann.

Führt Fortschritt zu mehr Arbeitslosen?

Der Einsatz von Maschinen und die daraus resultierende Arbeitsteilung Ende des 18. Jahrhunderts führten zu einer wachsenden Unzufriedenheit bei den Arbeitern. Bei Fließbandarbeit z. B. waren nur mehr einige einfache Handgriffe auszuführen, was nicht zu vergleichbaren Glücksgefühlen führt, wie das Ausüben und die dadurch erlangte Perfektion eines Handwerks. Zusätzlich war man großem Stress ausgesetzt, weil viele Teile in kurzer Zeit gefertigt werden mussten.

Eine weitere psychische Belastung war das neue Bewusstsein, austauschbar zu sein. Heutzutage arbeiten Maschinen ganze Fertigungsgänge und sogar Fertigungszyklen mit mehreren Stationen automatisch ab. Früher waren in einer Fertigungsstraße zum Bearbeiten und Bewegen der Werkstücke mehrere Arbeiter nötig. Dank automatisch arbeitender Maschinen und Robotertechnik überwachen heute nur mehr ein bis zwei Fachkräfte den Fertigungsprozess. Für jeden wirtschaftlich denkenden Menschen ist diese Entwicklung fantastisch.

Man spart sich Arbeiter, denen man mindestens zwölf Mal Lohn auszahlen muss und bei maschineller Fertigung können mehr Teile in viel kürzerer Zeit gefertigt werden. Die Maschine amortisiert (siehe Index 2) sich nach einigen Jahren und verursacht dann keine Fixkosten mehr.

Auch in anderen Bereichen als bei der Lohnarbeit werden Arbeitsplätze abgebaut. Ein Grund dafür sind z. B. Sparmaßnahmen in der Privatwirtschaft und in staatlichen Institutionen. Dort wird z. B. in der Verwaltung gespart, indem Angestellte gekündigt werden und deren Aufgaben auf die verbliebenen Angestellten aufgeteilt werden. Das bedeutet mehr Stress für die, die Arbeit haben und natürlich mehr Arbeitslose. In der Verwaltung werden teilweise die Angestellten durch Computerprogramme ersetzt, was auch nicht zu mehr Arbeitsplätzen führt.

Dieses Prinzip zieht sich durch alle möglichen Berufssparten. Aufgrund der Fortschritte in der Informationstechnologie mit viel leistungsstärkeren Computern, neuen Programmen und immer besseren Maschinen, benötigt man für Untersuchungen, die früher ein ganzes Team an Wissenschaftlern erforderte, heute nur mehr ein bis zwei Wissenschaftler.

Durch Sparmaßnahmen an öffentlichen Universitäten forschen Wissenschaftler nicht mehr nur zwecks Wissenszuwachses, sondern es ist wichtig, Geld und prestigeträchtige Projekte zu beschaffen. Nur wer häufig Fachartikel in renommierten Fachzeitschriften publiziert, kann sich langfristig behaupten. Befristete Stellen für zwei bis drei Jahre an Universitäten erhöhen den Leistungsdruck zusätzlich und sorgen für Konkurrenz und Stress.

Die Finanzwirtschaft trägt durch Börsenspekulationen auch zur Erhöhung der Arbeitslosenzahlen bei. Börsennotierte Unternehmen reagieren auf Talfahrten ihres Börsenkurses, wenn sie es sich gerade leisten können, mit Entlassungen. Dadurch steigt die Aktie wieder und die Aktionäre stoßen ihre Anteile nicht ab, was ein weiteres Sinken des Aktienkurses verhindert. Ist man einer der Entlassenen, tröstet einen die Rettung des Aktienkurses des ehemaligen Arbeitgeberunternehmens leider relativ wenig.

Hat der Staat noch Einfluss auf die Wirtschaft?

Die oben genannten Entwicklungen und die Zunahme der Weltbevölkerung führen dazu, dass immer weniger Arbeitsplätze für immer mehr Menschen zur Verfügung stehen. Was wiederum zu Konkurrenz und Wettkampf unter den Arbeitnehmern führt. Weiters wird die Abhängigkeit gefestigt. Denn jeder, der einen Beruf ergattern konnte, hat im Hinterkopf: „Wenn ich mir nicht alles gefallen lasse, dann warten schon zehn andere auf meinen Arbeitsplatz, die alles machen werden, um diesen zu behalten.“

Auch die Industriestaaten und Gewerkschaften werden unter Druck gesetzt, indem (besonders die sehr großen) Privatfirmen drohen ins Ausland zu gehen, falls man ihnen hier zu strenge Auflagen erteilt oder die Arbeiter zu viele Rechte erhalten. Dies würde zu noch mehr Arbeitslosen führen und das will die Politik auch nicht, deswegen wird klein beigegeben.

Vor gar nicht allzu langer Zeit, vielleicht ein bis zwei Generationen vor meiner, war man hier in Österreich überzeugt, mit genügend Fleiß zu Wohlstand zu kommen. Dieser Wohlstand bestand darin, sich ein Eigenheim leisten zu können und, nach Familiengründung, seine Kinder ernähren zu können. Die meisten jungen Leute in der Nachkriegszeit hatten auch das Ziel, ein besseres Leben, als es die Eltern führten, zu haben. In den Zeiten des Aufschwungs war das auch durchaus die Regel, wodurch eine breite Mittelschicht entstehen konnte.

Ein entscheidender Faktor dafür war wohl das keynesianische Modell, das vom Staat angewandt wurde. Dabei wird der Wirtschaftsabschwung, der in unserem derzeitigen Wirtschaftssystem auf jeden Wirtschaftsaufschwung folgt, durch Investitionen des Staates, weitgehend verhindert. Auf lange Sicht führte das unweigerlich zu einer immens hohen Verschuldung des Staates. Durch Sparmaßnahmen soll der staatliche Schuldenberg schrumpfen, doch diese sorgen für ungebremste Wirtschaftsabschwünge, welche zu hohen Kündigungszahlen führen.

Aufgrund dieser Entwicklung sind sichere Arbeitsplätze heute eher Mangelware, wodurch der Traum von einem besseren Leben in Wohlstand meist ein Traum bleibt. Dadurch wird der Antrieb für junge Menschen arbeiten zu gehen vermindert und die allgemeine Resignation gesteigert.

Für Betroffene ist Arbeitslosigkeit oft schwer zu ertragen

Problem ArbeitslsogikeitLeider werden wir in unserer Gesellschaft so erzogen, genauso zu denken, wie es den Wirtschaftsbossen gefällt. Ich denke mir z. B. immer wieder, wenn ich an der amerikanischen Botschaft in Wien vorbeigehe: „Wozu braucht es denn sieben Sicherheitskräfte, die mit Pistolen vor der Botschaft stehen?

Was für eine Verschwendung.“ Das ist wirtschaftliches Denken par excellence. Dabei sollte ich doch froh sein, dass sieben Personen einen Arbeitsplatz haben.

Die Arbeitslosenquote beträgt in Österreich zwar nur 4,3 % (siehe Index 3), während sie in Spanien bei 24,63% liegt. Wenn man aber selbst von Arbeitslosigkeit betroffen ist, dann kümmert es einen relativ wenig, ob man zu den 4,3% oder zu 24,63% Arbeitslosen gehört.

Als ich im Krisenjahr 2009 zum Arbeitsmarktservice (siehe Index 4) ging, um mich arbeitslos zu melden, sagte man mir: „Derzeit gibt es für Personen mit Ihrer Ausbildung keine Arbeit und das wird sich auch in nächster Zukunft nicht ändern.“

Als ich wieder aus dem Gebäude des Arbeitsmarktservice kam, fühlte ich mich ziemlich nutzlos und wertlos. Dass die Arbeitslosenquote im September 2009 bei 6,5% lag und es noch 1000e Arbeitslose außer mir gab, war in diesem Moment wirklich kein Trost. Zumindest war die für mich zuständige Person beim Arbeitsmarktservice ehrlich zu mir.

Einem guten Freund von mir wurde nämlich gesagt: „Mit Ihrer Ausbildung und Ihrer Erfahrung werden wir bestimmt sehr bald einen geeigneten Job für Sie finden.“ Auf eine kurze Phase der Zuversicht folgte etwas mehr als ein Jahr voller Weiterbildungskurse, monatlichen Besuchen beim AMS, Enttäuschungen und Selbstzweifel.

Jeder denkende Mensch kann unsere Zukunft gestalten

Was also will Mitt Romney tun, damit die Arbeitslosenquote der USA (8,16% (siehe Index 5)) weiter sinkt und sich 12,1 Millionen US-Bürger nicht mehr nutzlos und wertlos vorkommen müssen? Ich weiß es nicht.

Ich weiß nur, wenn sich sehr viele Menschen Gedanken über diese Problematik machen, dann steigt die Wahrscheinlichkeit eine wirklich nachhaltige Lösung zu finden, die nicht nur kurzzeitig einen Aufschwung bringt, sondern der Menschheit auf lange Sicht ein friedliches Zusammensein untereinander, mit unseren Mitlebewesen und unserem Planeten ermöglicht. Ist der Spruch: „Geht es der Wirtschaft gut, geht es uns allen gut!“, erst einmal Realität, dann kann die Menschheit wirklich positiv in die Zukunft blicken.

Die Wurzel des Problems muss beseitigt werden. Wenn man giftigen Efeu loswerden will, dann muss man oft mehrere Meter tief graben, um auch die letzten Ausläufer der Wurzeln zu beseitigen. Das ist zwar eine sehr langwierige und mühevolle Arbeit, aber schafft man das nicht, wird die Pflanze immer wieder austreiben.

Solange unsere Wirtschaft darauf wurzelt, möglichst schnell sehr viel Geld zu verdienen ohne an die Folgen zu denken, wird in der Arbeitswelt das heute vorherrschende Gewinner-Verlierer-Prinzip (siehe Index 6) gelten. Darum muss unser Wirtschaftssystem geändert werden, denn solange dies nicht geschieht, wird das Versprechen von Politikern, die Arbeitslosigkeit zu senken, immer nur ein Märchen bleiben.

Quellenangaben und Erläuterungen zum Artikel

Index 1) Diese Darstellung ist natürlich stark vereinfacht. Die Grenze zwischen diesen „Klassen“ ist oft nicht genau bestimmbar.

Index 2) Die anfänglichen Investitionen werden durch die Produktion von Teilen auf der betreffenden Maschine abbezahlt.

Index 3) Stand 2.Quartal 2012, Statistik Austria; Die Arbeitslosenquote berechnet sich als Anteil der Arbeitslosen an den Erwerbstätigen plus Arbeitslosen im Alter von 15 bis 74 Jahren.

Index 4) entspricht in Deutschland dem Jobcenter

Index 5) Schätzwert laut Internationalem Währungsfond; Stand 14.12.2012

Index 6) Wer keinen Job hat, hatte eben Pech. Im Umkehrschluss bedeutet das: Wer einen Job hat, hatte eben Glück! Uns wird aber in den Medien, besonders in der Werbung, eingeredet, dass jeder es selbst in der Hand hat und man kein Glück braucht, um einen Job zu bekommen.

Manfred Ranalter