Kleine Einführung in die Philosophie des Epikur

Epikur war ein griechischer Philosoph, der ca. 300 vor Christus lebte. Seine Lehren wurden von berühmten Philosophen wie Cicero oder Plutarch kritisch reflektiert. Speziell seine hedonistische Lehre hat lange Zeit für hitzige Diskussionen gesorgt. Lesen Sie hier einen kleinen Überblick über seine philosophischen Ideen.

Epikur

Epikur (341-270 v. Chr.) hat bei manchen Philosophen keinen guten Ruf. Da ca. 300 Hauptschriften von ihm verloren sind, kennen wir ihn vor allem aus den Werken von Lukrez, Cicero, Plutarch und Diogenes Laertios. Von ihm selbst sind nur von Diogenes Laertios zitierte Briefe (an Herodot, Pythokles und Menoikeus) und Hauptlehrsätze, eine im Gnomologium Vaticanum (14. Jh.) enthaltene Spruchsammlung und Fragmente aus Schriften und Briefen erhalten.

Epikur Philosophie Überblick

Die Kritik Plutarchs

Am ausführlichsten und heftigsten hat ihn Plutarch in seinen Moralia kritisiert. An Epikurs Naturphilosophie hatte er auszusetzen, daß Atome nichts erzeugen können. An seiner Moralphilosophie kritisierte Plutarch,

  • daß sich Epikur für eine Beleidigung rächte,
  • daß er keine bedeutenden Schüler hatte,
  • daß er und seine Jünger nur ihren Bauch pflegten,
  • daß sie zwar vom Gemeinwesen profitierten, aber nichts beitrugen,
  • daß sie mit den Gesetzen auf Kriegsfuß standen, solange sie das verbergen konnten, und dazu aufriefen, sie zu verachten,
  • daß sie Staatsdiener verspotteten und andere vom Staatsdienst abhielten,
  • daß sie engagierte Bürger haßten und weise Gesetzgeber schmähten.

Ausgehend von der Philosophie und dem Verhalten der Epikureer fand Plutarch, daß ihr Leben nicht funktionieren konnte: Nur der Tugendhafte habe Vergnügen am Leben. Da die Epikureer nicht tugendhaft lebten, hätten sich auch kein Vergnügen am Leben.

Die Lust sei kurz, der Schmerz währe lang. Der Körper könne Schmerzen länger als Lust ertragen. Wie könne Epikur Lust genießen, wenn er auf seine Schmerzempfindlichkeit stolz sei? Von der Lust bleibe nur die Erinnerung übrig. Wer in dieser schwelge, zeige damit nur, daß er unglücklich sei. Doch sogar wer sich im Augenblick wohl fühle, müsse darum bangen, daß es in Zukunft nicht mehr so sei. Die Freude über die Abwesenheit von Leid sei nur dürftig. Das Glück liege nur in frei gewählter Aktivität. Erkenntnis mache glücklicher als Sinnenlust (also Essen, Trinken und Sex), ebenso die Beschäftigung mit Mathematik, Musik und Dichtung. An große Taten erinnere man sich lieber als an eine gute Mahlzeit. Noch schlimmer: Die Betonung der Fleischeslust beeinträchtige die Denkkraft.

Atheisten seien noch glücklicher als Epikureer, die ihre Angst vor den Göttern überwinden wollten. Die Epikureer würden die Segnungen der Religion entbehren. Sie würden die religiösen Kulte aus Furcht vor den Göttern vollziehen, anstatt daß sie dabei ihre Nähe spüren würden. Die Götter seien gut und gnädig. Wer nicht an sie glaube, habe im Unglück keine Zuflucht.

Die Epikureer würden nicht auf die Unsterblichkeit der Seele hoffen, sondern meinen, daß sie nach dem Tod in Atome zerfalle und vernichtet werde. Auch an Vorsehung und Reinkarnation würden sie nicht glauben. Die Ruhmsucht Epikurs zeige, daß er unglücklich war.

Fazit: Die Epikureer seien nicht besser als Tiere.

Die Darstellung des Diogenes Laertios

Aus der Philosophiegeschichte des Diogenes Laertios bekommen wir einen ganz anderen Eindruck: Epikur interessierte sich durchaus für Erkenntnis und Wissenschaft.

Vom Weisen hatte Epikur laut Diogenes folgendes Ideal: Mit Hilfe des Verstandes setze er sich über den Schaden hinweg, den andere Menschen ihm zufügten. Sogar unter der Folter sei er glücklich, wenn er auch stöhne und jammere. In puncto Sex würde er sich an die Gesetze halten, seine Diener nicht schlagen, tüchtigen Menschen verzeihen. Ein Weiser verliebe sich nicht und mache sich keine Sorgen um seine Beerdigung. Er interessiere sich nicht für Rhetorik und werde in der Regel nicht heiraten. Auf die Politik lasse er sich nicht ein und wolle schon gar nicht Tyrann werden. Doch einem Herrscher sei er zu gegebener Zeit zu Diensten. Er würde nicht betteln. Erblinde er, bringe er sich um. Er würde Geld verdienen, Prozesse führen und sich um sein Eigentum kümmern, aber nichts Nutzloses kaufen. Er bevorzuge das Leben auf dem Land. Er versuche zu vermeiden, daß andere Menschen ihn verachten. Nur aus pädagogischen Gründen würde er sich über den Schaden anderer freuen. Er sei eventuell bereit, für einen Freund zu sterben.

Ciceros Auseinandersetzung mit Epikur

Wer sich dafür interessiert, kann die Stellen anhand der Register zu den „Gesprächen in Tusculum“ (hg. v. Olof Gigon) und „Über das Wesen der Götter“ (hg. v. Ursula Blank-Sangmeister) zusammentragen. Cicero hat übrigens De rerum natura von Lukrez herausgegeben. Dieses Lehrgedicht über den Atomismus ist laut Harald Merklin die einzige Darstellung der epikureischen Philosophie im Zusammenhang, die nicht verloren ging.

Die tatsächliche Moralphilosophie Epikurs

Zentral ist die Sorge um die Gesundheit von Körper und Seele, die wir erlangen, indem wir nach Frieden und Glückseligkeit streben. Die Vernunft sei das höchste Gut und Wurzel aller Tugenden, die Bedingung für ein Leben in Freude seien. Wer in einer wissenschaftlichen Diskussion unterliege, habe mehr davon, als wer siege, da er etwas lerne. Wer hungrig und durstig sei, könne die einfachste Mahlzeit genießen.

Gott sei unsterblich und selig. Da mit dem Tod alle Empfindung aufhöre, sei er kein Übel. Der Weise werde Gott ähnlich. Er bitte ihn um nichts, was er selbst tun könne. Er genieße das Lernen und schätze die Freundschaft über alles. Die Schmerzen des Freundes empfinde er wie seine eigenen. Er klage nicht, wenn es ihm schlecht gehe, sondern helfe ihm. Er gebe lieber, als daß er nehme.

Er halte sich an die Gesetze und die guten Sitten. Er heuchle nicht, ein Philosoph zu sein, sondern philosophiere tatsächlich. Die Gerechtigkeit bestehe darin, andern nicht zu schaden und sich selbst vor Schaden zu bewahren. Alles Unrecht komme irgendwann an den Tag. Die Freiheit stehe über dem Zwang, doch der Natur müßten wir gehorsam sein. Der Weise strebe nicht nach dem Beifall der Massen, sondern lebe verborgen.

© Gunthard Rudolf Heller, 2017

Gunthard Heller