Joachim Schumacher: Die Angst vor dem Chaos

Joachim Schumacher (1904-1984) studierte Jura, vergleichende Literaturwissenschaft, Philosophie und Musikwissenschaft. 1932 emigrierte er nach Zürich, weil er das Unheil des Nationalsozialismus voraussah. 1933 lernte er Ernst Bloch (1885-1977) kennen, mit dem er lebenslang befreundet blieb. Da die Deutschen die Schweizer unter Druck setzten, wurde Schumacher ausgewiesen. 1937 emigrierte er in die USA. 1939-1969 unterrichtete er Kunstgeschichte und Philosophie in Middlebury (Connecticut). Mit seiner Frau Sylvia hatte er zwei Kinder: Marc und Noëlle.

Für sein Buch „Die Angst vor dem Chaos – Über die falsche Apokalypse des Bürgertums“ (Paris 1937), das er als illegaler Migrant in Südfrankreich schrieb, überlegte Schumacher ursprünglich (1934) den Titel „Protokolle des Chaos“. Dieser Titel gefiel Bloch besser als „die ‚Angst vorm Chaos‘, worunter man sich – bei einem Buch – nichts Rechtes vorstellen kann“ (Bloch/Schumacher 473).

Joachim Schumacher Angst vor dem Chaos

Es ist eine merkwürdige Streitschrift für einen christlichen, demokratischen Sozialismus und gegen den Faschismus. Man kann das Buch auch als seltsame Art der Geistesgeschichte und als Begriffsgeschichte des Chaos lesen. Zur Erklärung des Titels genügen folgende Worte: „Chaosangst als Unterwerfungshysterie unter den ‚Führer'“ (S. 126).

Für einen christlichen, demokratischen Sozialismus

Für Schumacher ist nicht die Religion das „Opium des Volkes“, sondern die „Irreligion jeglicher Art, einschließlich politscher Täuschungs- und Betäubungsmittel“ (S. 29). Während die Kirchen für ihn schon am Ende sind, spricht er dem Christentum „ewiges Leben“ zu (S. 37). Das Christentum bedeute die „Entdeckung der inneren Freiheit“ (S. 220), doch die „Freiheit eines Christenmenschen“ (Luther) ist für Schumacher noch kein „irdisch durchgehaltener Zustand“ (S. 129). Die Kirche sei unglaubhaft, modern und treulos geworden. Ihr Trost sei deshalb falsch.

Mit „seiner volkstümlichen Definition der Sünde als ‚Absonderung'“ stimme das Christentum „sowohl mit der Entwicklungslehre als auch mit dem Leitsatz der Demokratie“ überein: Wer sich nicht mehr entwickele oder gar zurückbilde, sündige (S. 254).

Über die Voraussetzung von Freiheit: „Es kann keine Freiheit geben ohne die Willensfreiheit von Individuen, die die Freiheit aller wollen. […] Denn es gibt keine Gedankenfreiheit ohne Freiheit, wie es keinen Seelenfrieden mehr gibt ohne Frieden“ (S. 228).

Marx wußte, daß ein „‚Volk, das andere Völker unterdrückt, […] nicht frei sein kann‚“ (S. 167). Ein Arbeiter „ist nur frei, solange er über seine Arbeitsmittel und -erzeugnisse verfügen kann“ (S. 240).

Die Wurzeln des Sozialismus sieht Schumacher in der Soziologie der Franzosen, der Nationalökonomie der Engländer und der Philosophie der Deutschen. „Er ist also die Summe des Besten, was jedes dieser Länder aus seinen Erfahrungen gemacht hat“ (S. 60). Schumacher definiert ihn als „Nationalisierung der für das gesellschaftliche Leben entscheidenden Produktionsmittel„, als „eine neue Produktionsordnung, die die Widersprüche der alten beseitigt“ (S. 127).

Der Dialektische Materialismus ist für Schumacher „die einzig praktische und von allen großen Denkern (oft nur instinktiv) geübte Methode, ein kühnes Denken mit einer noch unbekannten Wirklichkeit in Kontakt zu bringen, so daß unser Handeln zweckmäßig sei“ (S. 97). In der Geschichte gehe es „nicht mechanisch, sondern dialektisch“ zu (S. 112).

Unter Materialismus versteht Schumacher „gar nichts anderes als: die Welt aus sich selbst erklären; und: es gibt für den Menschen kein Ziel über sich selbst hinaus als der Mensch.“ Angewandt auf den Sozialismus folgt daraus, „die kapitalistischen Krisen aus dem Wesen des Kapitalismus zu erklären und aus dem Wesen eines realen Humanismus zu überwinden“ (S. 119).

Schumacher tritt für „Wahrheit und Gerechtigkeit“ ein. Er will „Armut und Angst“ aufheben. Es geht ihm um „Kraft zur ehrlichen Utopie“ und „Initiative zu den jeweils nächsten, die Freiheit erzeugenden Schritten“ (S. 22). Durch die Selbstbestimmung der Produzierenden will er deren Ausbeutung überwinden. Er wendet sich gegen die Verfälschung des Marxismus durch die „‚Murxisten'“ (S. 27).

Auch in der klassenlosen Gesellschaft gebe es noch Probleme. „Das nachbürgerliche Stadium wird in der umfassenden dialektischen Erkenntnis und Beherrschung der Natur und Gesellschaft bestehen; die Natur wird vergesellschaftet und die Gesellschaft wieder natürlich sein“ (S. 107).

Die UdSSR kannte Schumacher aus eigener Anschauung: „er war mit seiner Frau dort gewesen, dachte sogar dorthin zu übersiedeln, war aber enttäuscht vom russischen Dogmatismus und ließ den Plan fallen. […] In Moskau besuchten sie auch Lukács, dessen Verhältnis zu Bloch nach der Lektüre von Erbschaft dieser Zeit gespannt war“ (Karola Bloch, in: Bloch/Schumacher 459) – Bloch überlegte 1936, Georg Lukács (1885-1971) den Krieg zu erklären, weil dieser die Expressionisten polemisch für das Aufkommen des Nationalsozialismus mitverantwortlich gemacht hatte.

Was Schumacher 1937 nach seiner Rückkehr über die UdSSR erzählte, wollte Bloch nicht glauben. Im Nachtrag zum 14. Kapitel berichtet er: „Jeder einzelne Kontakt mit bestimmten Menschen dort war gut, nicht weil Sozialismus gelang, sondern weil die meisten Menschen überhaupt überall gerne gutartig sind, nicht durch die Umstände sondern trotz dieser“ (S. 224).

Sein politisches Ideal faßte Schumacher in folgender Formel zusammen: „Größere demokratische Kontrolle der öffentlichen Dinge, größere Freiheit der wirklich privaten Dinge“ (S. 387). Zu den öffentlichen Dingen rechnete er auch die Wirtschaft: „Eine Fabrik ist eine öffentliche Sache. Sie gehört also in die öffentliche Hand, und es ist unvernünftig, eine öffentliche Sache eine Privatsache und zumal eine private Geschäftssache bleiben zu lassen“ (S. 348).

Schmachers moralisches Ideal ist gut kantianisch: „Der Mensch soll nicht Mittel sein, am wenigsten aber Mittel zu einem außermenschlichen oder menschenfeindlichen Zweck. Umgekehrt: der Staat kann gar nicht instrumental und unfeierlich genug aufgefaßt werden“ (S. 370).

Wider den Faschismus

Schumacher war davon überzeugt, daß Hitler nicht an die Macht gekommen wäre, wenn die Deutschen sich an seine früheren Äußerungen erinnert (und natürlich eine höhere Moral gehabt) hätten. Als Bonmot: „Das schwache Gedächtnis der Untertanen ist eine Hauptstärke der modernen Diktaturen“ (S. 61).

Zum Rassismus und Antisemitismus der Nationalsozialisten: „Jedesmal, wenn eine Gesellschaft alt und krank geworden ist, beginnt sie von ihrer Rasse und Jugendkraft zu reden“ (S. 302). Die Franzosen und Engländer brauchten laut Schumacher im Gegensatz zu den Deutschen, die sich Hitler unterwarfen, „keinen starken Mann, weil sie stark sind. Sie reden nicht die ganze Zeit von ihrer Rasse und ihrem Mut, weil sie gesund und mutig sind“ (S. 237). „Wer aber wirklich stark und überlegen ist, glaubt vor allem an die Gleichheit der Menschen“ (S. 320).

Schumacher charakterisierte Hitler als verwirrend, widersprüchlich, infantil und größenwahnsinnig. Er kenne nur die Knechtschaft und habe nur den in ihm wohnenden Tod entfaltet. „Der Einzelne bedeutet buchstäblich nichts mehr. Je weniger Person er ist, Gesicht und Charakter er hat, desto tauglicher, diensttauglicher dünkt er den Herren“ von der Gestapo (S. 288). Wer das Gehorchen als Wonne empfinde, sei ein Masochist, meinte Schumacher. Anstatt zu „Arbeit und Liebe“ anzuhalten, habe Hitler „zum Terror und Tod“ ausgebildet (S. 315). Statt „Kameradschaft und Kollektiv“ habe er „Militarismus und Bürokratie“ gebracht (S. 288).

Das Hakenkreuz beschreibt Schumacher als „ein Rad, das sich nur um sich selber dreht, eine Art schwarzer Feuerwerkskörper.“ Es sei „bloßes Mechanon, Lust ohne Ziel und Klimax, Verewigung der Qualen“ (S. 89).

Faschistische Diktatoren „können nur wollen, was sie müssen. Und sie müssen vertrusten, zentralisieren, zunehmend produzieren und zunehmend die Massen verarmen, um den Profit aufrecht zu erhalten; sie müssen konstantes Kapital und Elend reproduzieren, Kriege führen, um die Arbeitslosen und die Waren zu absorbieren, Produktionsapparate schaffen, die der Vernichtung fremder Produktionsapparate dienen, statt dem Konsum des eigenen Volks. Sie müssen Menschen knechten, um Menschen zu vernichten, von ‚Frieden‘ sprechen, wenn jede ihrer Taten Kriege meint“ (S. 92). Sie wissen alle, „daß sie als Krieg nach außen abwälzen müssen, was innen nicht in Ordnung ist“ (S. 159).

Sie wollen „nicht wissen […] lassen“, was sie wollen (S. 94). „Sie sind nur die Knechte ihres Knechtens. Ihre ‚Macht‘ ist Ohnmacht, ihr ‚Wille‘ Willkür. Sie, die ‚Hüter der Ordnung‘, können nicht aufhören, Chaos zu zeugen. Nicht aufhören können mit Krieg und Unterdrückung, keine Grenze finden des Verwirrens und Verleumdens, aus der Anormalität nicht zur Norm zurückfinden, die Ausnahme zur Regel machen, die Krankheit Gesundheit nennen und die Verrücktheit Führerprinzip, mit Folter argumentieren, in jeder Weise die Selbstkontrolle verlieren und die Fremdkontrolle ablehnen – […] Dieser entsetzliche Zustand ist heute in Deutschland herrschend und sein Name heißt Faschismus, sein Wesen aber ist Anarchie“ (S. 93).

Zur Diktatur gehört der Überwachungsstaat: „Es liegt im Wesen der Diktatur, dauernd in die private Sphäre hereinzupfuschen“ (S. 251). „Denunziation wird befohlen und gut Denunziertes wird bezahlt. Sogar die Denunziation der Nichtdenunzierung ist eine nationale Tat“ (S. 309). Während in der Demokratie der Wert jedes Menschen betont wird, pocht die Despotie auf „den Unwert der meisten Menschen“ (S. 253). „Lüge und Gemeinheit“ werden von den Despoten belohnt (S. 309).

„Wie alle Reaktionäre werten die Faschisten das Volk, die breite Masse, als minderwertige Herdentiere, als Arbeitstiere.“ Das sei „alte Despotenpraxis. Das Volk aber hat sich prompt gerächt und gegen seine feudalen Unterdrücker eben grade die – Tierfabel erfunden. […] Wie im Märchen die Riesen, kommen hier die hohen Tiere denkbar schlecht weg; oder aber die starken Tiere sind edel und großmütig und gar nicht faschistisch“ (S. 255).

„Nicht die Institutionen und Methoden der modernen Despoten als solche, sondern ihre Grundsätze und Motive sind chaotisch“ – „Die Gewalt aber, die der Unvernunft dient, wirkt nicht nur blindlings gegen die Vernunft, sondern wendet sich auch gegen den eignen Herrn“ (S. 169).

Wer auf die Parallelen zwischen UdSSR und Drittem Reich hinweise, lasse außer acht, daß deren Ziele verschieden waren, wenn auch nicht deren Mittel: „Grade weil sie Todfeinde sind, imitieren sie einander die Methoden bei gänzlich disparaten Zielen und Motiven. […] Die Faschisten verstehen unter Freiheit die Ausbeuter-Freiheit, die Freiheit zum Unterdrücken. […] Die Kommunisten kämpfen für die Befreiung von aller Ausbeutung und Unterdrückung“ (S. 174f).

Im Gegensatz zu Hitler habe Lenin „nie gelogen“ (S. 260), die Sozialisten allerdings schon. Sie hätten auch „verleumdet“ und „eingeschüchtert“ (S. 261), Lenin habe auch „geflucht, gehöhnt, gezürnt, überredet, frohlockt, bisweilen auch gelästert“ (S. 260). Doch „den Massen“ habe er „Selbstbewußtsein und Erleuchtung des Ziels ihrer Selbstbefreiung“ vermittelt (S. 261).

Die Korruptionsprozesse in der UdSSR seien ein Zeichen der Gesundung. „In den faschistischen Ländern wird wesentlich mehr geschoben, bestochen, gemogelt und schmarotzt“ (S. 200).

Den Unterschied zwischen Diktatur und Demokratie beschrieb Schumacher so: „Despotie ist immer die Diktatur der Alleshaber über die Habenichtse, um zu verhindern, daß alle genug haben, was das Ziel der Demokratie ist“ (S. 176).

Die kolportierten Bemerkungen „Wenn das der Führer/König/Zar/Duce wüßte …“ kommentierte Schumacher folgendermaßen: Das klinge zwar wie eine Entschuldigung des jeweiligen Despoten, sei aber „in Wahrheit eine schreiende Anklage“: Wer nicht wisse, fühle nicht. „Tatsächlich wollen die gar nicht wissen, was sie tun. Das Vernünftige selbst wird unter den Händen von bevollmächtigten Ignoranten Wahnsinn“ (S. 200).

„Das Böse hat Angst, indem es Angst macht; es fürchtet sich, indem es durch Furcht regiert. Es läßt noch seine Philosophen Angst dozieren und zur letzten Instanz aller Gefühle erheben; Angst, aus der dann der unbedenkliche Mord herausbricht, der hündische Mut gegen Wehrlose“ (S. 228).

Die „Angst der Besitzenden vorm ‚Chaos'“ erklärt Schumacher psychoanalytisch mit der Projektion: „Die Patienten, die sich nicht als solche fühlen, suchen beunruhigende Vorstellungen dadurch zu verdrängen, loszuwerden, indem sie nicht nur die eigenen Handlungen, sondern auch die eigenen Absichten ihren Feinden unterstellen“ (S. 229f).

Als Beispiele aus der Politik nennt Schumacher Nero, der Rom anzündete, „um die Christen, die so störrisch waren, Gott mehr zu fürchten als den Kaiser, mit dem Gerücht und Gericht der Brandstiftung belasten zu können“ (S. 230), und den Reichstagsbrand am 27.2.1933, für den Marinus van der Lubbe zum Tod verurteilt wurde. Daß die NSDAP den Brand legte, wurde allerdings nicht bewiesen (Stand: 1998).

Betrachtungen zur Geistesgeschichte

Schumachers summarischer Durchgang durch die Geistesgeschichte ist einseitig: Er konzentrierte sich auf das jeweils Ideologische, Falsche und überging die jeweiligen Erkenntnisse oder Verdienste der Autoren. Er glorifizierte die Nominalisten, die Renaissance, die Aufklärung und die Französische Revolution.

Unter Revolution verstand Schumacher „die Selbstbefreiung der Unterdrückten“, „die Wiederherstellung der Norm“ (S. 93). Damit das möglich ist, müssen zwei Voraussetzungen gegeben sein: daß „die alte Ordnung und Gesellschaft nicht mehr so weiterleben kann“ und daß „die neue Ordnung innerhalb der alten sich so stark fühlt, daß sie nicht mehr so weiterleben will.“ Da beides nicht so oft vorkomme, seien „große Revolutionen […] selten“ (S. 71).

Bezahlte Revolutionen funktionieren nicht, meinte Schumacher, nur bezahlte Konterrevolutionen. „Denn nur Kapitalisten und Kapitalhörige sind Konterrevolutionäre“ (S. 163). „Chaos ist nicht rot; Chaos ist weiß und kalt, das Ausgeblutete. Kein Terror war je grausamer als der ‚weiße‘, der konterrevolutionäre. […] Die Revolutionen der Völker (und namentlich des Proletariats) sind planvolles und gewolltes Antichaos. Aber das Chaos jeder Bürokratie und jedes Militarismus wirkt auf die Dauer konterrevolutionär und antidemokratisch. Revolution heißt also nicht Entfesselung des Chaos, sondern Freisetzen der besseren Ordnung oder dieser Ordnung zur Freiheit verhelfen“ (S. 203).

Schumacher wertete Goethe als Spießbürger ab. In der deutschen Romantik sah er krankes Gefühl, gestörte Vernunft und vor allem Weltfremdheit: „Sie bauen mittelalterliche Burgen, während die ersten Fabriken entstehen. Im Zeitalter der Dampfmaschine pflegen sie Umgang mit Elfen und Dämonen. Während Deutschland verdirbt, suchen sie das Land der Seele bei den Griechen und Indern“ (S. 79).

Die Lehre von Schopenhauer, Eduard von Hartmann und Nietzsche faßte Schumacher in folgender „Formel“ zusammen: „wahrscheinlich geht alles unsäglich viel dümmer und bestialischer zu, als wir bisher glaubten“ (S. 90).

Marx habe darauf hingewiesen, daß das „Ideal […] in eine unmittelbare Beziehung zur Möglichkeit seiner Realisierung gebracht werden“ müsse (S. 106).

Schumacher warf Freud vor, daß er „nur die von ihren Objekten isolierten Triebe, nicht aber das wirkliche Tun der Menschen“ untersucht hat. Wer die tatsächlichen Handlungen der Menschen betrachte, würde nicht nur „amoralische und asoziale Triebe“ finden, sondern auch „mindestens gleich starke Triebe zum Sozialen und Moralischen“ (S. 102).

An C. G. Jung hatte Schumacher auszusetzen, daß er die Archetypen „wie Drogen handhabt“ (S. 103). Während Freud im Keller aufgeräumt habe, habe ihn C. G. Jung „mit lauter Grundmaterial“ aufgestockt (S. 104).

Die Existenzphilosophie war für Schumacher ontologisierte Theologie auf der Basis kapitalistisch bedingter existenzieller Nöte.

Spengler habe nichts geschrieben, was nicht jeder Kapitalist „ohne die Volksgemeinschaftsideologie“ ohnehin denke (S. 142).

Über das Chaos

Man kann das Buch von Schumacher auch als Begriffsgeschichte des Chaos lesen, die mit der Bibel (Gen 1,2) beginnt, doch in dieser Hinsicht ist es nicht sehr ergiebig, einfach aus dem Grund, weil es da nicht viel zu sagen gibt. Schumacher nannte mit Carlyle die „Unbestimmtheit“ als „Hauptelement sowohl des Chaos als der Angst“ (S. 76).

Kontrastiert mit seinem sozialistischen Ideal wird der Begriff deutlich: „Chaos, das ist genau die kapitalistische Wirtschaftsanarchie und der Wahnsinn des Krieges, Ordnung: das ist doch grade Planwirtschaft, beherrschte Natur und Gesellschaft, auf erhöhter Basis freigesetzte Norm, realer Humanismus“ (S. 128).

© Gunthard Rudolf Heller, 2020

Literaturverzeichnis

DIE BIBEL – Die Heilige Schrift des Alten und Neuen Bundes, Freiburg/Basel/Wien 201976

BLOCH, Ernst: Erbschaft dieser Zeit, Frankfurt am Main 11985

BLOCH, Ernst/SCHUMACHER, Joachim: Briefwechsel 1933-1958, hg. v. Karola Bloch und Anne Frommann, in: Briefe 1903-1975 – Zweiter Band, Frankfurt am Main 11985, S. 457-616

ENZYKLOPÄDIE DES NATIONALSOZIALISMUS, hg. v. Wolfgang Benz, Hermann Graml und Hermann Weiß, München 31998

LUTHER, Martin: Von der Freiheit eines Christenmenschen (1520), in: Ausgewählte Werke – Zweiter Band, hg. v. H. H. Borcherdt und Georg Merz, München 21935, S. 315-340

MARKUN, Silvia: Ernst Bloch mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten dargestellt, Reinbek bei Hamburg 1977

MÜNSTER, Arno: Ernst Bloch – Eine politische Biographie, Berlin/Wien 2004

SCHUMACHER, Joachim: Die Angst vor dem Chaos – Über die falsche Apokalypse des Bürgertums (Paris 1937), Neuausgabe Frankfurt am Main 1972

– Angedenken und Weiterwirken, in: „Denken heißt Überschreiten“ – In memoriam Ernst Bloch (1885-1977), hg. v. Karola Bloch und Adelbert Reif, Frankfurt am Main/Berlin/Wien 1982, S. 214-221

ZUDEICK, Peter: Der Hintern des Teufels. Ernst Bloch – Leben und Werk, Bühl-Moos/Baden-Baden 1987

Gunthard Heller