Evolutionstheorie: Das Schöpferische in der Schöpfung

Ist die Schöpfung lediglich das „auf sich gestellte Weltall der Erscheinungen“? (Mathilde Ludendorff) Oder ist es darüber hinaus das sich dauernd erneuernde Werk einer göttlichen Kraft, etwa der matriarchalen „Großen Mutter“, die ohne Zeugung, „jungfräulich“, d.h. ursachlos aus sich heraus unentwegt neues Leben gebiert?

Ist das „auf sich gestellte Weltall“ als ein Mechanismus zu denken, der bis ans Ende der Tage nach
dem Gesetz von Ursache und Wirkung wie ein einmal in Gang gesetztes perpetuum
mobile unaufhörlich, ziel- und sinnlos fortwirkt? Ist es dem Toten näher
als dem Lebendigen, ohne allerdings als Ganzes sterben zu können, weil
ihm keine Möglichkeit gegeben ist aufzuhören? Ist eine Schöpfung
denkbar ohne schöpferische Spontaneität, ohne ursachloses Hervorbringen
von Neuem?

Ist andererseits Spontaneität in einer Schöpfung, einer Erscheinungswelt,
denkbar, die ja nur deshalb bestehen kann, weil ihre Gesetze ausnahmslos wirken?
Kann eine streng nach ihren Naturgesetzen geregelte Schöpfung ohne Spontaneität
eine Mannigfaltigkeit ihrer Geschöpfe zulassen, wie sie sie ja tatsächlich
hervorgebracht hat und immer noch hervorbringt?

Denken wir an das Beispiel der Schneekristalle, deren Grundbauplan der Sechsstrahligkeit
zwar stets gleichbleibt, die in ihrer feinen Ausgestaltung aber voneinander
abweichen. Forscher haben unter den Abertausenden, die sie auf ihren eisgekühlten
Objekträgern unters Mikroskop legten, nicht zwei völlig gleiche gefunden!
Und auch Lebewesen mit gleichem Erbgut sind nicht gleich! Selbst eineiige Zwillinge
weisen Verschiedenheiten auf.

Wie wäre die Entwicklung des Weltalls und seines Lebens auf der Erde möglich
gewesen ohne schöpferische Spontaneität? Wie konnte aus Nichterscheinung
Erscheinung werden? Wie kam das erste Lebewesen zustande? Und wie konnten aus
dem Erbgut schon gewordener Lebewesen völlig neue, andersartige Gestalten
entstehen ohne schöpferische Spontaneität?

Charles DARWIN versuchte die letzte Frage mit der Vorstellung von Mutationen
zu beantworten, kleinen, zufällig entstehenden Änderungen am Erbgut.
Heutige Darwinisten kennen die Strukturen der Chromosomen mit ihren Genen in
den Keimzellen und stellen sich vor, daß nach dem Zufallsprinzip punktuell
einzelne Gene von irgendwelchen Ursachen betroffen und damit Veränderungen
in dem Lebewesen bewirkt werden, die sich nun, nach der von POPPER beschriebenen
Methode „Versuch und Irrtum“ (Karl R. Popper, Alles Leben ist Problemlösen,
1994), in der feindlichen Umwelt zu bewähren hätten.

Könnten sie dies nicht leisten, würde dieses genveränderte Lebewesen ausgemerzt.
Durch diese Selektion kämen – so DARWIN und POPPER und deren Anhänger – über
Millionen von Jahren hinweg, allmählich lebensfähige „Neuschöpfungen“ zustande,
ein quälend langwieriger Vorgang, der bei genauerem Hinsehen aber hauptsächlich
aus zwei Gründen nicht wirklich denkbar ist:

1. Alle Zwischenstufen wären in ihrer Unvollkommenheit der Ausmerze
ausgeliefert und könnten wohl kaum Nachfahren hervorbringen, die in ferner
Zukunft nach vielen weiteren punktuellen Mutationen und Selektionen endlich
dem „Konkurrenz- und Daseinskampf“ in feindlicher Umwelt gewachsen
wären.

2. Fossile Funde lassen auf verschiedene Erdzeitalter schließen, in
denen jeweils eine reiche Fülle neuer Arten und Formen entstand, die
nicht denkbar sind als zufällig und in Abstammung von Vorwesen in kleinsten
Schritten abgeleitete, qualvoll in langen Zeitläuften von der Natur als
einer Reparaturwerkstatt hergestellte Wesen.

Auch John C. ECCLES stellt fest: „Einige der wichtigsten Vorgänge
in der Hominidenevolution scheinen sich vollzogen zu haben, ohne eine fossile
Spur zu hinterlassen. So ging der … ungeheuer wichtige Übergang vom Baumleben
zum Bodenleben mit bipedem Gang einher mit einer starken adaptiven Veränderung
des Beckens und der Beinknochen, aber es gibt keine fossilen Zeugnisse dieses
Übergangs.“ (John C. Eccles, Die Evolution des Gehirns – die Erschaffung
des Selbst, 1989, S. 38)

So entstand im Proterozoikum vor rund 2 Milliarden Jahren u.a. eine unerhörte
Vielfalt schönster Einzeller, z.B. viele Tausende Formen der Diatomeen
und Radiolaren, die sich bis auf den heutigen Tag erhalten haben, sich munter
fortpflanzen und sich vom „Kampf ums Dasein“ bisher nicht genötigt
sahen, sich höherzuentwickeln. Sie sind nach wie vor für den Überlebenskampf
bestens geeignet und bringen uns schlicht den Beweis dafür, daß der
von DARWIN angenommene Grund zur Evolution, der „Kampf ums Dasein“,
nicht der alleinige und ausschlaggebende gewesen sein kann.

Rauhe Klimaverhältnisse wie z.B. im Perm ließen viele Arten aussterben,
und folgende Zeiten günstigeren Klimas brachten eine Fülle völlig
neuer „Erfindungen“ hervor. So gingen beispielsweise die Urbäume
der Steinkohlenwälder unter, und Nadelbäume und Blütenpflanzen
traten auf, die nicht mehr auf Sümpfe angewiesen waren, sondern trockenes
Land besiedeln konnten. Eine mannigfaltige Vogel- und Insektenwelt entwickelte
sich. Im Tertiär besiedeln Laubwälder die Erde bis zu den Polen, und
die Säugetierarten erreichen eine Blüte des Formenreichtums, die bis
zu Menschenaffen führt. Die dann folgende Todesnot durch die auftretenden
Eiszeiten im Quartär beschleunigen die Entstehung des ‚HOMO SAPIENS SAPIENS‘,
des Jetztmenschen.

Wie aber waren solche „Erfindungen“ möglich? Seit DARWIN, dem
wir die geniale Intuition von der Entwicklung der Arten verdanken, mit der er
uns von den biblischen Vorstellungen befreite, ein Übermann, „Gott“
Jahweh, habe in 7 Tagen die Welt gemacht, grübeln Menschen über die
Möglichkeiten nach, wie die Entwicklung der Arten im einzelnen vor sich
gegangen sein könnte.

Vor den Zeiten des Jahweh-Kultes allerdings hatten matriarchale Steinzeitkulturen
in Europa, Asien und Nordafrika schon eine „Große Mutter“, eine
göttliche Kraft angenommen, die aus sich heraus, ursachlos einen Lebensstrom
hervorbringt, jungfräulich spontan Neues gebiert. Das Matriarchat war nicht
ohne Naturbeobachtung, das beweisen die astronomischen Steinsetzungen der Steinzeit,
und ein enges Zusammenleben mit der Natur und damit Kenntnisreichtum über
sie können wir mit Sicherheit bei den damals lebenden Menschen annehmen.

Wie weit sie allerdings die Schwierigkeiten mit uns Heutigen teilten, eine
Brücke zu schlagen von der Naturerkenntnis einzelner Gegebenheiten der
geschaffenen Schöpfung hin zu Erkenntnissen schöpferischer Kräfte,
die sie hervorgebracht haben könnten, das wissen wir nicht. Wir Heutigen,
soweit uns solche Gedanken überhaupt bewegen, stehen einander wegen dieser
Frage nach dem Schöpferischen in der Schöpfung in verschiedenen Denkschulen
gegenüber:

Die Materialisten – diese Bezeichnung soll keine Herabsetzung beinhalten,
sie nennen sich selbst so – gehen einzig von der vorgefundenen Materie und
deren Kausalgesetzlichkeit aus und glauben an keine spontan wirkende Schöpferkraft.
Von Gehirnforschung, Genforschung, Paläonthologie erhoffen sie die Gewinnung
von Beweisen für die Richtigkeit ihrer Denkweise, ihres streng vernunftmäßigen
Vorgehens, geben aber zu, ohne Phantasie nicht auszukommen. So entstehen viele
Denkmuster zur Entwicklungsgeschichte.

Eines wurde z.B. im SPIEGEL (Der Spiegel, 6/2004) vorgestellt:

Der ‚HOMO ERECTUS‘, bis vor kurzem als kulturloses, dumpfes Zwischenglied zwischen
Menschenaffe und Mensch beurteilt, müsse als viel tüchtiger angesehen werden.
Schlank und schön gewachsen, nahmen diese Menschen, von Afrika über die Levante
nach Osten ausgreifend und um das Schwarze Meer herum nach Westen wandernd,
einen Raum in Besitz, der Asien bis nach Java und Peking und Europa bis nach
Spanien und Deutschland umfaßt. Dabei hätten sie ihre vegetarische Ernährung
immer gieriger mit Fleisch angereichert, wodurch ihr Gehirn im Laufe der Jahrhunderttausende
auf ein Gewicht von 750 bis auf 1100 Gramm gewachsen sei.

Diese materialistisch gedachte Kausalkette – der Verzehr von tierischem Eiweiß fördert
das Gehirnwachstum und erzeugt dauerhaft vererbbaren höheren Menschenverstand
– entspricht auch den Vorstellungen LAMARCKs, der annahm, daß erworbene Eigenschaften
vererbt werden könnten, hier eine etwaige erfolgreiche Umstellung der Verdauungsfähigkeit.

Der Lamarckismus wurde von „der“ Wissenschaft längst verworfen,
scheint aber doch weiter- bzw. wiederaufzuleben. Heute ist eine erworbene Fähigkeit
nicht mehr auf die Nachkommen vererbbar. Für Zeiten der Evolution aber
mag es in bestimmten Fällen zutreffen, daß erworbene Fähigkeiten,
z.B. Zwangstatenketten, vererbt wurden. Die Frage ist hier nur: Auf welche Weise
wurden diese Fähigkeiten „erworben“: schon in der Keimzelle durch
umfassende, nicht zufällige, sondern zielgerichtete, finale Mutationen
(für reine Materialisten undenkbar), oder hat sich das in der Lebenszeit
eines Individuums erworbene neue Können dem Erbgut „mitgeteilt“?

Niemand weiß es, wir sind auf unsere Vorstellungskraft angewiesen und
können nur Theorien aufstellen und gegebenenfalls wieder verwerfen, ganz
nach der von POPPER aus seiner Sicht der Evolution abgeleiteten und empfohlenen
Methode „Versuch und Irrtum“.

Eine ebensolche Spekulation scheint mir eine weitere Darstellung des SPIEGEL
zu sein: „Es sind diese Hetzjagden, bei denen unsere Vorfahren wahrscheinlich
ihr Fellkleid verloren. Weil sie häufig danebenwarfen, mußten sie
viel laufen. Über Jahrhunderttausende bildete sich so ein System von Schweißdrüsen,
das beim Dauerspurt vor Überhitzung schützte.“ (a.a.O., S. 151)

Dagegen verlor der Hetzjäger Wolf sein Fellkleid nicht, und im kalten
Deutschland wäre dem ‚HOMO ERECTUS‘ das Fell bestimmt sehr willkommen gewesen.
Hier werden also unbewiesene Behauptungen über den Grund einer Entwicklung
aufgestellt, angereichert durch eine weitere, nebenbei einfließende unbewiesene
Behauptung: ‚HOMO ERECTUS‘ sei unser Vorfahr gewesen.

Mit dem Materialismus und dazugehörigem „Erkenntnisorgan“ (Mathilde
Ludendorff) Vernunft allein sind der Schöpfung und ihrem Werden ihre Geheimnisse
offensichtlich nicht zu entlocken.

Mit dem sogenannten Dualismus wäre da möglicherweise weiterzukommen.
Der Direktor des Bremer Instituts für Hirnforschung Prof. Gerhard ROTH
(Gerhard Roth, Das Gehirn und seine Wirklichkeit, 1997) zeigt, daß hauptsächlich
Philosophen die Welt als eine duale ansehen.

Der Dualismus gehe von einer „wesensmäßigen Verschiedenheit“
der Welt der Erscheinungen einerseits und ihrer inneren Seinsweise andererseits
aus, so bei PLATON, ARISTOTELES, DESCARTES, LEIBNIZ, KANT bis zu heutigen Philosophen,
unter denen wie gewohnt keine Frau und schon gar nicht Mathilde LUDENDORFF genannt
wird, obwohl gerade Letztere in höchstem Maße erfüllt, was ROTH
als Forderung anführt:

„Es war und ist nach weitverbreiteter philosophischer Auffassung eine
vornehmliche Aufgabe der Philosophie, das Wesen der Dinge hinter und in den
Erscheinungen zu ergründen. Philosophie ist gegenüber den Einzelwissenschaften,
die sich mit den Erscheinungen befassen, Wesensschau“.

Die Naturwissenschaften dagegen „haben im Laufe ihrer historischen Entwicklung
mit gutem Grund darauf verzichtet, vom „Wesen der Dinge“ zu sprechen
oder es zu ergründen versuchen …“ (a.a.O., S. 279)

Im weiteren Verlauf seiner Ausführungen zeigt ROTH allerdings, daß die
Dualisten wiederum sehr Verschiedenes unter dem „Wesen der Dinge“
verstehen. So zitiert er einen Herrn SEIFERT (1993) mit dessen „entlarvendem
Hinweis“, „die Farbe Rot sei von der Farbe Blau, wesensmäßig
verschieden‘ …“ (a.a.O., S. 278/9) SEIFERT entlarvt mit diesem Hinweis
die Unschärfe seines Denkens und seines Begriffes „Wesen“.

Unsere unterschiedliche Farbwahrnehmung ist durchaus auf Ursachen der Erscheinungswelt
zurückzuführen: Lichtwellen verschiedener Länge treffen auf die
Netzhaut der Augen, deren Nerven die Reize zum Gehirn leiten, das seinerseits
die Vorstellung von Farben erzeugt. Dieser Vorgang selbst übersteigt zwar
unsere Einbildungskraft, wir stehen vor einem der unfaßlichen Wunder der
Schöpfung, aber auch dieses Wunder ist hervorgebracht auf Grund von Gesetzen
der Erscheinungswelt.

Ein „Dualismus“ wie der hier von SEIFERT gezeigte, ist kein Dualismus.
Aber auch „ein Dualismus, der seinen Namen verdient, ist mit dem heutigen
naturwissenschaftlichen Weltbild unvereinbar und als interaktiver Dualismus“
– bei dem ein Ineinandergreifen göttlicher Kraft und Naturgeschehen angenommen
wird – „in sich widersprüchlich“ , meint ROTH. (a.a.O., S. 284)

Wer die Philosophie Mathilde LUDENDORFFs kennt, weiß, daß auch
diese überragende Philosophin unter den Dualisten einzureihen ist, wenn
es auch schwerfällt, sie mit derart zweifelhaften „Philosophen“
in Zusammenhang zu bringen. Sie stellt klar: Die Materie untersteht den unerbittlichen
Naturgesetzen mit den 3 Erscheinungsformen Raum, Zeit und Ursächlichkeit,
Kategorien, in denen allein, wie schon KANT (Immanuel Kant, Kritik der reinen
Vernunft) herausgearbeitet hat , die Vernunft zu Erkenntnissen gelangen kann;
das Wesen der Dinge, das Mathilde LUDENDORFF auch das Göttliche oder Gott
nennt, was das Matriarchat die „Große Mutter“ nannte, ist ein
ursachloses, raum- und zeitfreies Sein, das aber vom „gottahnenden Ich“
des Menschen durch innere Schau in den Erscheinungen erkannt werden kann.

Die Materie ist letztlich nichts anderes als eine Welt von kleinsten Energiewölkchen,
die als Elektronen in unvorstellbarer Geschwindigkeit – billiardenmal in einer
Sekunde – um ihre Atomkerne kreisen. Die Teile der Atome sind im Verhältnis
zu ihrer geringen Ausdehnung von weiten, nur von Äther erfüllten Räumen
voneinander entfernt. Nahe der Nichterscheinung befindet sich somit die Materie
einerseits durch diese Fast-Erhabenheit über die Erscheinungsformen Raum
und Zeit, aber auch deshalb, weil die Elektronen nicht vollständig nach
dem Kausalitätsgesetz ihre Bahnen auf den „Schalen“ um den Atomkern
einhalten, sondern hier über „Spielraum“ verfügen, eine
kleine Hintertür behalten haben zum göttlichen Freisein von der Erscheinungsform
Ursächlichkeit. Diese Nähe zur Nichterscheinung – so Mathilde LUDENDORFF
– sichert die Mannigfaltigkeit der Formen und ermöglicht das einstige Schwinden
des Weltalls.

ROTH kennt diese konsequent dualistisch und tiefdenkende Philosophin nicht,
dafür aber den dualistisch denkenden und teils die Grenzen der Vernunft
überschreitenden, berühmten Gehirnforscher ECCLES. Schon von SEIFERT
abgestoßen, lehnt ROTH auch ECCLES ab, der zu dem Schluß kommt:
„Da die materialistischen Lösungen darin versagen, unsere erfahrene
Einzigartigkeit zu erklären, bin ich gezwungen, die Einzigartigkeit des
Selbst oder der Seele auf eine übernatürliche, spirituelle Schöpfung
zurückzuführen. Es ist die Gewißheit des inneren Kerns einer
einzigartigen Individualität, die keine andere Lösung als eine ,göttliche
Schöpfung‘ zuläßt…“ ( Eccles, Wie das Selbst das Gehirn
steuert, 1994, S. 261f.)

Diese Annahme ECCLES‘ ist keine Erkenntnis des Göttlichen selbst, sondern ein
Vernunftschluß, eine „erzwungene“, also verursachte Folgerung,
daß es das Göttliche geben müsse. Er steht also vor dem offenbar
für ihn noch verschlossenen Tor zum Wesen der Dinge. Dieses selbst aber
ist frei von Formen der Erscheinungswelt, also auch jenseits vom Zwang der Ursächlichkeit.
Es läßt sich nicht durch logische Folgerungen erschließen.
Bis hierhin ist ECCLES nichts vorzuwerfen, im Gegenteil, sein Gottahnen wird
deutlich. Dann aber versteigt er sich zu dem Glauben an ein Weiterleben der
Seele nach dem Tode. „Den Tod des Körpers und des Gehirns können
wir als Auflösung unserer dualistischen Existenz betrachten.“ Die
„vom Gehirn befreite Seele“ werde, – „so ist zu hoffen“
(!) – eine Zukunft „mit einem noch tieferen Sinn und noch berückenderen
Erfahrungen“ erleben. (Eccles, Die Evolution des Gehirns, S. 391)

Mit dieser Spekulation zeigt dieser „Dualist“, daß er keiner
ist, weil er die von Kant gezeigten Grenzen der Vernunft nicht einhält.
So muß er sich von ROTH fragen lassen: „Warum sollte denn der von
Gott unmittelbar geschaffene autonome und selbstbewußte Geist ein Gehirn
… nötig haben, um in der materiellen Welt zu leben?“ (Roth, a.a.O.,
S. 284)

Darüber hinaus stellt sich die Frage: Wozu der ganze Aufwand einer in
vielen Milliarden von Jahren entwickelten materiellen Schöpfung bis hin
zum Großhirn des Menschen, wenn die Seele, also das Wesen der Dinge, sich
auch ohne Materie erleben kann?

ROTH wendet sich daraufhin entschlossen wieder voll seiner Naturwissenschaft
zu. Menschen, die allein ihre Vernunft als Erkenntnisorgan gelten lassen, tun
gut daran, so folgerichtig zu handeln wie er, obwohl er bei seinen Forschungen
bis in letzte feinste Strukturen der Erscheinungswelt unentwegt an die Grenzen
der vernunftmäßigen Erkenntnisfähigkeit stößt, wie
diese Feinstrukturen selbst nahe der Nichterscheinung sind: „Das menschliche
Gehirn enthält zwischen Milliarden und einer Billion Nervenzellen, wovon
jede im Durchschnitt 10 000 Synapsen besitzt, was zwischen einer und zehn Trillionen
Synapsen ergibt – eine unvorstellbar große Zahl“ ( a.a.O., S. 283),
und das in unvorstellbar geringer räumlicher Ausdehnung und agierend in
unvorstellbar geringer Zeitbeanspruchung! So ist das Gehirn zwar bereits bis
in seine Feinstruktur hinein weitgehend erforscht, und mit der Positronen-Emissions-Topografie
(PET) kann sichtbar gemacht werden, welche Hirnregionen bei welchen Aufgaben
„feuern“, d.h. Nervenzellen miteinander vernetzen, aber unlösbar
ist die Frage, wie sich das Schöpferische im Gehirn vollzieht.

Die Materie selbst, je tiefer wir mit der Naturforschung in ihre Geheimnisse
blicken, ist dazu angetan, die Menschen, wenn sie ihre Augen dafür öffnen, vom
Materialismus ihrer Welterklärungen zu befreien. Der Glaube an ein Werden der
Arten nach der Methode „Versuch und Irrtum“ ist unhaltbar. Nur Zielgerichtetheit,
Finalität, konnte zum Großhirn und seiner bewundernswerten Leistungsfähigkeit
führen und läßt in der Evolution einen Sinn erschauen. Mathilde LUDENDORFF hat
ihn in ihren Werken enthüllt: „Am Anfang war der Wille Gottes zur Bewußtheit.“
(Mathilde Ludendorff, Schöpfungsgeschichte)

Dieser Wille hat zu seinem Ziel geführt, zum Großhirn des Menschen
und dem in ihm enthaltenen Ich, das zum Bewußtsein Gottes werden kann,
wenn es sich frei dafür entscheidet.

Von der Naturwissenschaft her gesehen ist diese Entscheidungsfreiheit das große
Rätsel. Der Materialist kann sich Gedanken und Willenskräfte nur neuronal
verursacht erklären. Logischerweise leugnet er die Willensfreiheit. Der
Philosoph, namentlich Mathilde LUDENDORFF aber erkennt die Möglichkeit
des Ichs, sich selbst frei zu gestalten. Da das Wesen der Dinge über die
Formen der Erscheinung erhaben ist, kann auch das Bewußtsein von ihm nur
ursachlos entstehen.

Wir können das selbst an uns immer wieder wahrnehmen: Bewußtsein
des Wesens der Dinge stellt sich von selbst ein, spontan, wir können es
nicht verursachen, erzwingen, bewußt herbeiführen. Jeder derartige
Versuch scheitert, das Göttliche bleibt verhüllt. Ebenso versiegt
das schöpferische Schaffen des Menschen in dem Augenblick, in dem wir beginnen,
es zu beobachten, und wenn wir ihm Zwecke beilegen wie Selbstdarstellung und
Ruhm, wenn es uns nicht um das Werk selbst, sondern um uns geht.

Um wahre Kunst, also göttlichfreie Schöpfung hervorbringen zu können,
müssen die Fähigkeiten des Leibes aber erst entfaltet, geübt,
muß das Gehirn vorerst strukturiert, müssen Synapsen an Nervenfasern
positioniert werden. Das Gehirn scheint solche Strukturen durch die Wiederholungen
des Übens letztendlich als „Gedächtnis“ beizubehalten. Solche
Gehirne „feuern“ dann auch längst nicht mehr so lebhaft beim
Schaffen des Menschen wie weniger gut strukturierte und verbrauchen weniger
Energie. Ohne Anstrengung, mühelos fließt Gestaltung in die Erscheinung
und entfaltet sich ungeahnt reich, als sei sie erhaben über die Materie
Gehirn, aus der sie stammt.

Eine ohne Schöpferkraft nur nach der Kausalität ablaufende Mechanik
dagegen können wir erleben, wenn wir Musik von einem elektronischen Rechner
wiedergeben lassen. Die Notenwerte werden exakt im vorgegebenen Zeitmaß
umgesetzt, ohne Spielraum zu belassen, und unsere Seele wird gemartert durch
das Tote der Wiedergabe.

Aber auch Menschen sind imstande, uns zu martern mit seelenlos-mechanischer
Wiedergabe von Musik und Sprache. Der Spielraum in der ansonsten strengen Naturgesetzlichkeit
der Erscheinungen des „auf sich gestellten Weltalls“ ermöglicht
also schöpferische Spontaneität und läßt damit das Leben
so lebendig, so mannigfaltig und immer neu und anders erscheinen.

Von der Naturwissenschaft selbst haben wir „den Beweis erhalten, daß
in diesem Weltall der Erscheinungen ein Mindestmaß an Einordnung in die
Gesetze der Kausalität und ein Höchstmaß an Spielraum, der den
Erscheinungen belassen ist, herrscht … Dies ist mit der herrlichen Wirklichkeit
gepaart, daß dem Menschen in allem seelischen Leben ein denkbar größter
Spielraum belassen ist, ja, daß dem Ich der Menschenseele die Erhebung
in Erhabenheit über die Kausalität gewährt ist.“ (Mathilde
Ludendorff, Das hohe Lied der göttlichen Wahlkraft, S. 24)

Damit kann sich das Göttliche in der Schöpfung, im Menschen, sein
Wunschziel erfüllen, Bewußtheit seiner selbst, und ist als das Schöpferische
in der Schöpfung weiterhin lebendig.

Heidrun Beißwenger