Bernard Mandeville: Die Bienenfabel

Bernard Mandevilles berühmte Bienenfabel beschreibt, wie das Laster bzw. die Schurkerei (und nicht die Tugend) zur Quelle des Gemeinwohls wird. Solche provokanten Thesen haben immer wieder viele Kritiker auf den Plan gerufen, die Sie hier im Weiteren nachlesen können.

Mandeville

Bernard Mandeville (1670-1733) studierte Philosophie und Medizin. Er promovierte in beiden Fächern. Ab 1691 praktizierte er als Nervenarzt in England. 1705 veröffentlichte er das Gedicht „Der unzufriedene Bienenstock oder Die ehrlich gewordenen Schurken“. 1714 und 1729 erschienen noch Kommentare dazu.

Bernard Mandeville Bienenfabel

Der Inhalt: Die Bienen benehmen sich wie Schurken, aber der Bienenstock gedeiht. Als sie auf die Predigt eines Moralisten hin anständig werden, verarmt ihre Gesellschaft. Viele wandern aus.

Harald Landry zufolge war Mandeville „kein Zyniker: Er sagt nicht, daß die ‚blühende‘ Gesellschaft gut sei, und er nennt das dem Gemeinnutz dienende private Verhalten Laster, nicht Tugend“ (KNLL 11/16).

Trotzdem wurde er teilweise heftig angegriffen.

1. Zur Rezeption

George Berkeley (1685-1753) tat das Rudolf Metz zufolge „nicht immer ganz sachlich und gerecht“; doch die Schwachpunkte habe er „mit großem Scharfsinn“ aufgedeckt und „vom Standpunkt seines eigenen Theismus aus“ widerlegt (S. 31). Berkeley warf Mandeville die „Auflösung der moralischen Grundsätze und die Lockerung des staatlichen und religiösen Lebens“ vor (S. 39f).

Im zweiten Dialog des „Alciphron“ von Berkeley bescheinigt Lysicles Mandeville, er habe „exakt bewiesen […], daß die Laster des einzelnen Wohltaten für die Allgemeinheit sind“ (S. 55). Konkrete Beispiele: Der Alkoholismus erhöhe die Malzsteuer und schaffe Arbeitsplätze. Das Kartenspiel unterstütze Lumpensammler, Papiermühlen, Bauhandwerk und den Geldkreislauf.

Euphranor wendet ein, daß ein mäßiger Trinker länger lebe und deshalb „mehr Geld umsetzen“ könne, „als ein Vielfraß oder Trinker in einem kurzen“ Leben (S. 62). Lysicles läßt das nicht gelten: „Was ich bewiesen habe, habe ich klar bewiesen, und es bedarf keiner weiteren Worte darüber“ (S. 63). Euphranor will auch nicht gutheißen, daß die Brandstiftung keine Straftat sei, weil sie das Eigentum umverteile und den Handwerkern Arbeit verschaffe, was der Protestant Crito im Hinblick auf Mandeville vorbringt. Usw. usw.

Adam Smith (1723-1790) faßte in seiner „Theorie der ethischen Gefühle“ Mandevilles Lehre dahingehend zusammen, daß er die Eitelkeit und Egoismus als Motiv tugendhafter Handlungen betrachte. Smith hielt dagegen, daß die Liebe zur Tugend und Ruhm nur dann der Eitelkeit entspringen würde, wenn der Betreffende für Eigenschaften gelobt werden wolle, die er nicht habe oder die nicht lobenswert seien. Als Beispiele nannte er Gecken, Lügner und Plagiatoren.

Smith kritisierte an Mandeville weiter, daß er alles, was über die reine Selbsterhaltung hinausgehe (z.B. die Liebe zur Kunst), schon als „Üppigkeit und Schwelgerei“ betrachte, „so daß schon in dem Gebrauch eines reinen Hemdes oder einer bequemen Wohnung ein Laster liegt“ (S. 519). Er würde ehelichen Sex und Hurerei gleichsetzen. Doch mäßiger Sex sei kein Laster.

Überhaupt würde Mandeville jeden Affekt als Laster hinstellen, doch laut Smith kommt es bei Affekten auf die Stärke und die Richtung an, ob sie nun als lasterhaft zu gelten hätten oder nicht. Mandevilles „Lieblingsschluß, daß die Laster des einzelnen Wohltaten für die Allgemeinheit seien“, gründe in dem Sophisma, „daß er alles als Eitelkeit behandelt, was irgendeine Beziehung auf die Empfindungen anderer in sich enthält, sei es, wie diese nun wirklich sind, oder wie sie sein sollten“ (S. 520f).

Natürlich gebe es niemand, der seine Affekte vollständig im Griff habe, und natürlich würde „Handel und Gewerbefleiß“, ja sogar das ganze „Getriebe des menschlichen Lebens“ ohne Affekte zu Ende sein. Doch daraus abzuleiten, „daß es keine wahre Tugend gebe“ und „daß die Laster des einzelnen Wohltaten für die Allgemeinheit seien“, sei falsch (S. 521). Mandeville habe zwar durch seine Bienenfabel niemand lasterhaft gemacht, aber alle Lasterhaften in ihren Lastern bestärkt. Das sei nur dadurch möglich geworden, daß er „in gewissen Punkten an die Wahrheit“ streifte (S. 522).

Karl Marx (1818-1883) schrieb in „Die heilige Familie“: „Bezeichnend für die sozialistische Tendenz des Materialismus ist Mandevilles […] Apologie der Laster. Er beweist, daß die Laster in der heutigen Gesellschaft unentbehrlich und nützlich sind. Es war dies keine Apologie der heutigen Gesellschaft“ (MEW 2/138f).

In „Das Kapital“ beanstandete Marx, Mandeville habe noch nicht begriffen, „daß der Mechanismus des Akkumulationsprozesses selbst mit dem Kapital die Masse der ‚arbeitsamen Armen‘ vermehrt, d. h. der Lohnarbeiter, die ihre Arbeitskraft in wachsende Verwertungskraft des wachsenden Kapitals verwandeln und ebendadurch ihr Abhängigkeitsverhältnis von ihrem eignen, im Kapitalisten personifizierten Produkt verewigen müssen“ (MEW 23/643). Kurz: Mandeville habe gerade das Gegenteil von dem behauptet, was Marx für richtig hielt.

Max Horkheimer (1895-1973) charakterisierte in seiner „Vorlesung über die Geschichte der neueren Philosophie“ Mandeville so: Bei ihm seien nicht mehr wie bei Machiavelli oder Hobbes „die Gesetze die Wurzel alles Übels oder alles Wohlergehens“, da sie „ja überall umgangen“ würden, „wo es nötig ist“. Die Geschichte würde von anderen Kräften bestimmt. In einer unharmonischen Gesellschaft seien „die Laster unentbehrlich und nützlich“ (9/395f).

Ernst Bloch (1885-1977) faßte in seinen „Leipziger Vorlesungen zur Geschichte der Philosophie“ Mandevilles Theorie drastisch zusammen: „Nur indem die Menschen Egoisten und Schweinehunde sind, nur indem sie ihren Nachbarn den Hals abschneiden wollen, nur indem sie ihre Ellenbogen gebrauchen, nur auf diese Weise hält sich das Wirtschaftsleben in Gang“ (3/207).

Er fragte: „Ist das nun eine Satire, ist das ein Verzweiflungsschrei, oder ist das eine zynische Rechtfertigung?“ Und fuhr fort: „Es ist sehr dunkel, was damit gemeint ist.“ Dann interpretierte er Mandeville vor dem Hintergrund von Hegels „Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte“ (12/49):

„Die Individuen suchen ihr Eigenes und sie treiben Allgemeines und zwar allgemein Gutes. Sie haben hier nicht nur das Leibnizsche der prästabilierten Harmonie darin, Sie haben auch bereits die ‚List der Vernunft‘ darin, indem der Weltgeist sich durch die Individuen die Kastanien aus dem Feuer holen läßt […]. Die Individuen glauben ihre privaten Angelegenheiten zu betreiben, ihre Rachsucht, ihren Neid, ihre Ruhmsucht, ihren Ehrgeiz, und es geschehen weltgeschichtliche Ereignisse. Die List der Vernunft, wie sie von Hegel formuliert ist, hat auch hier eine Wurzel“ (3/207).

2. Vorwort

Mandeville wehrt sich gegen die Unterstellung, seine Fabel sei „eine Satire auf die Tugend und Moral“ (S. 59). Er wolle zeigen, daß man nicht gleichzeitig tugendhaft sein und bequem leben könne. Es sei unvernünftig, über „Laster und Mißstände“ zu klagen, die zu einem blühenden Staat dazugehören würden (S. 61).

3. „Der unzufriedene Bienenstock oder Die ehrlich gewordenen Schurken“

„Das Leben dieser Bienen glich / Genau dem unsern“ (S. 80) – es ist deutlich, daß Mandeville eine Gesellschaftskritik bringt. Er verlegt sie ins antike Rom – es ist Jupiter, der die Betrügereien der Menschen abstellt, weil er die Zänkereien nicht mehr erträgt.

Mandevilles Kritik an der Religion der Ägypter, Griechen und Römer in seiner „Untersuchung über den Ursprung der sittlichen Tugend“ (s.u.) ist übrigens ungerecht. Wenn er beanstandet, daß die Ägypter Zwiebeln anbeteten, die sie selbst gesät hatten, warum greift er dann nicht den Reliquienkult der Katholiken mit selbst produzierten Reliquien an? Wenn er behauptet, daß Juden und Christen den wahren Gott kennen, warum denkt er dann nicht an Platon, wenn er Nichtjuden und Nichtchristen die „Kenntnis des wahren Gottes“ abspricht (S. 99)? Die heiligen Texte der Ägypter konnte Mandeville nicht kennen – das muß man ihm zugute halten: Champollion konnte die Hieroglyphen erst 1822 entziffern.

Mandevilles Moral: In großen Staaten gebe es keinen großen Raum für die Tugend. Ein Volk könne nur gedeihen auf der Basis von „Stolz, Luxus und Betrügerei“. „Mit Tugend bloß kommt man nicht weit“ (S. 92).

4. „Eine Untersuchung über den Ursprung der sittlichen Tugend“

Die Spekulationen von Mandeville besagen im wesentlichen, „daß die ersten Ansätze von Sittlichkeit geschickten Politikern zu verdanken sind“ (S. 98). Walter Euchner nennt das in seinem „Versuch über Mandevilles Bienenfabel“ eine „ahistorische These“ (S. 39). Mandevilles Feststellung, daß man Prinzipien und Motive eines Menschen kennen muß, um seine Handlungen zu beurteilen, wurde in der modernen Strafgerichtsbarkeit verwirklicht.

Daß selbstlose Handlungen auch selbstsüchtig sein können, illustriert Mandeville anhand der Rettung eines Kinds vor dem Fallen ins Feuer: Der Retter werde vom Selbsterhaltungstrieb bestimmt und wolle den Schmerz vermeiden, zugesehen und nicht eingegriffen zu haben.

5. „Anmerkungen“

Einzelne Verse seines Gedichts hat Mandeville durch Großbuchstaben von A bis Y gekennzeichnet und kommentiert. Er zeigt sich hier als Moralist, der für den Schutz des Eigentums, die Förderung der Tugend, die Kontrolle des Lasters, den Vegetarismus, Gedankenfreiheit und den Rechtsstaat eintritt. Er spricht sich gegen Politiker aus, die ihr Amt mißbrauchen, um sich zu bereichern, und gegen unsittliche Geistliche. Dabei definiert er „wahre Sittlichkeit“ als das „Aufgeben selbstischer Neigungen“ (S. 197). Die Bettelorden stellt er auf eine Stufe mit Vagabunden.

Am schlimmsten findet er die Heuchelei. Er hält niemand für tugendhaft, der nicht „auf persönliche Vorteile“ verzichtet oder dessen Lebensführung seinen Äußerungen widerspricht (S. 194). Von sich selber hat er eine ziemlich realistische Meinung: Natürlich könne er theoretisch moralisieren, doch in der Praxis könne er bei Diebstahl oder einer Beleidigung kein philosophisches Verhalten garantieren.

Mandeville betrachtet Prostituierte als Schutzherrinnen ehrbarer Frauen. Gäbe es sie nicht, würden die Vergewaltigungen zunehmen. In diesem Sinne ist es zu verstehen, „daß Keuschheit durch Unsittlichkeit aufrechterhalten wird, und die höchste der Tugenden der Beihilfe des schlimmsten der Laster bedarf“ (S. 147). Er will keinesfalls „Laster […] ermutigen“ (S. 143) und läßt sich ausführlich über die verderblichen Wirkungen des Alkohols aus.

Schön sind seine Ausführungen über die Liebe: „Sie besteht darin, daß man die geliebte Person gern hat und ihr Gutes wünscht“ (S. 184). Er tritt nachdrücklich für die Ehe ein. Schon den begehrlichen Blick auf eine Frau betrachtet er als Folter. Was er über die Selbstprüfung schreibt, erinnert an Mt 7,3ff. Von Fremden größere Dienste zu erwarten, hält er für „unverschämt“, denn wer das tue, zeige „seine Selbstsucht offen […], ohne auf die des andern Rücksicht zu nehmen“ (S. 125). Unter Anstand versteht er die Bändigung von „Sinnlichkeit, Eitelkeit und Selbstsucht“ (S. 116f). Jeden, der die goldene Regel verletzt, betrachtet er als Schurken.

Zwei Beispiele für Mandevilles makabren Humor:

  • Ein schiffbrüchiger Kaufmann kann einen sprechenden, satten Löwen mit hungrigen Jungen nicht davon überzeugen, ihn nicht zu töten.
  • Mandeville spricht sich für die Beibehaltung von Duellen aus, da sie eine Gesetzeslücke füllen würden. Außerdem sei die Selbstmordrate doppelt so hoch wie die Mordrate. Das zeige, daß die Menschen ihre Nächsten mehr lieben würden als sich selbst.

Mandevilles Gedanken über den Gegensatz von Ehre und Religion gelten auch heute noch:

  • Die Religion gebietet, die Gerechtigkeit in die Hand Gottes zu legen, die Ehre verlangt, selbst darum zu kämpfen.
  • Die Religion verbietet das Töten, die Ehre zwingt zum Kampf.
  • Grundlage der Religion ist die Demut, Grundlage der Ehre der Stolz.

Eine Synthese findet Mandeville nicht.

Er hält daran fest, daß nur durch Laster eine Gesellschaft reich und berühmt wird. Er vergleicht das mit dem Wohlergehen von Juristen, die von der Selbstsucht und dem Streit anderer Menschen leben. Und er verwahrt sich gegen die Unterstellung, er trete deshalb für Laster, Selbstsucht und Streit ein.

6. „Eine Abhandlung über Barmherzigkeit, Armenpflege und Armenschulen“

Die öffentliche Meinung zur Zeit von Mandeville war, daß Armenschulen die Kinder und Jugendlichen davon abhalten, kriminell zu werden. Mandeville war anderer Ansicht: Bildung mache diese Schüler nicht religiös, sondern verschlagen und leiste auf diese Weise dem Verbrechen Vorschub. Außerdem mache sie „zu einfacher Arbeit unfähig“ (S. 330). „Kein Geschöpf unterwirft sich bereitwillig seinesgleichen, und verstände ein Pferd so viel wie ein Mensch, so möchte ich sein Reiter nicht sein“ (S. 322). Der Religionsunterricht sei bei der Kirche genausogut aufgehoben.

Der Einfluß der Schule sei beschränkt gegenüber dem der Eltern: „Liederliche Eltern, die einen schlechten Lebenswandel führen und sich um ihre Nachkommenschaft nicht kümmern, werden nie wohlerzogene Kinder haben, auch wenn diese die Armenschule bis zu ihrer Verheiratung besuchen“ (S. 301f).

7. „Eine Untersuchung über die Natur der Gesellschaft“

Mandeville versucht, durch mehrfache Wiederholungen seine Grundthese einzuhämmern. Was er in den Zwischenräumen schreibt, nennt er „Beweise“, doch man fragt sich jedesmal, warum seine These nun bewiesen sein soll. Das Ganze wirkt zum Teil vollkommen absurd: Die Übel auf der Erde seien „die feste Basis für die Entstehung und Erhaltung aller Berufe und Erwerbszweige ohne Ausnahme. Hier [also in den Übeln!] müssen wir den wahren Ursprung aller Künste und Wissenschaften suchen“ (S. 399).

Am Schluß der „Untersuchung“ hat man das Gefühl, Mandeville spüre, daß etwas nicht stimme, und so bringt er eine Generalentschuldigung vor: Ihm selbst habe das Schreiben schließlich Spaß gemacht. Das sei die Hauptsache. In seinen eigenen Worten: Er war „offen gestanden“ (war alles, was er bisher geschrieben hat, unehrlich?) „nicht halb so sehr um den Beifall anderer besorgt als auf meine eigene Unterhaltung bedacht“ (S. 400).

8. „Eine Rechtfertigung des Buches“

Mandeville wehrte sich „gegenüber Verleumdungen, die in der Anklage des Obergerichts von Middlesex und in einem Schmähbrief an Lord C enthalten sind“ (S. 401). Die Vorwürfe liefen im wesentlichen darauf hinaus, daß Mandeville mit seiner „Bienenfabel“ Religion und Moral unterminiere und dadurch den Bestand des Staats gefährde.

Er beteuerte, daß er „bei der Abfassung des Buchs keinerlei schlechte Absicht gehabt zu haben“ (S. 417). Er sei der Auffassung, „daß jeder Fehler, jedes Bedürfnis ein Übel ist“ (S. 418). Die „Bienenfabel“ sei „zur Unterhaltung von Leuten mit Wissen und Bildung“ geschrieben worden. Sie sei „ein Buch von strenger und hoher Moral“, das „die Natur und die Erscheinungsformen der menschlichen Leidenschaften“ beschreibe (S. 420).

Sein oberster Grundsatz sei es, daß in jeder Gesellschaft alle anständig zu sein hätten, den Gesetzen gehorchen müßten und Verstöße gegen die Gesetze ihre Strafe finden sollten. Diesem Grundsatz habe er nirgends widersprochen (S. 423). Er selbst sei eitel und „zu stolz, um Verbrechen zu begehen“ (S. 424).

Die Lektüre seines Buchs solle zur Selbstprüfung der Leser und zum Ertragen von Übeln anregen, gegenüber denen die Regierung machtlos sei. Er sei jedem dankbar, der ihn auf Irrtümer aufmerksam mache. Auf persönliche Angriffe und Volksverhetzung antworte er nicht.

9. Würdigung und Kritik

Das Menschenbild eines Nervenarztes ist negativer als das eines Durchschnittsmenschen, da er in seiner Praxis täglich mit seelischen Störungen konfrontiert wird. Mandevilles rigorose Moralansprüche sind ungefähr so überzogen wie die von Jesus in der Bergpredigt. Auf der anderen Seite relativiert er die Moral dadurch, daß er allem Schlechten eine positive Seite abgewinnt.

Man kann das alles nur so verstehen, wie Mandeville es selbst verstanden haben wollte: Er schrieb zur Unterhaltung. Man kann ihn so lesen, wie man sich die Bildergeschichten von Wilhelm Busch zu Gemüte führt. Wer ihn zur Rechtfertigung von Verbrechen mißbrauchen will, ist nicht besser als Kreuzzügler oder Inquisitoren.

Die Synthese zwischen Religion und Ehre konnte Mandeville nicht finden, da er zwei miteinander unvereinbare Regelwerke gegeneinander hielt. Wer Religiosität als Hingabe an Gott versteht und von ihm die menschliche Würde ableitet, hat damit keine Schwierigkeiten.

© Gunthard Rudolf Heller, 2020

Literaturverzeichnis

BALLESTREM, Karl Graf: The Fable of the Bees or, Private Vices, Publick Benefits, in: Lexikon der philosophischen Werke, hg. v. Franco Volpi und Julian Nida-Rümelin, Stuttgart 1988, S. 276

BERKELEY, George: Alciphron oder der Kleine Philosoph, Hamburg 21996

BLOCH, Ernst: Leipziger Vorlesungen zur Geschichte der Philosophie, Band 3, Frankfurt am Main 1985

GANSLANDT, Herbert R.: Mandeville, Bernard (de), in: Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie, hg. v. Jürgen Mittelstraß, Stuttgart/Weimar 2004, Band 2, S. 755f (EPhW)

HEGEL, Georg Wilhelm Friedrich: Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte, Werke 12, Frankfurt am Main 1986

HORKHEIMER, Max: Gesammelte Schriften Band 9: Nachgelassene Schriften 1914-1931, Frankfurt am Main 1987

LANDRY, Harald: The Fable of the Bees, or Private Vices, Publick Benefits, in: Kindlers Neues Literatur-Lexikon, hg. v. Walter Jens, München 1996, Band 11, S. 16f (KNLL)

MANDEVILLE, Bernard: Die Bienenfabel oder Private Laster, öffentliche Vorteile – Mit einer Einleitung von Walter Euchner, Frankfurt am Main 1980

MARX, Karl: Dritter Feldzug der absoluten Kritik, in: Karl Marx/Friedrich Engels, Die heilige Familie, Berlin 1990, S. 105-151 (MEW 2)

– Das Kapital – Kritik der politischen Ökonomie, Erster Band, Berlin 341993 (MEW 23)

METZ, Rudolf: George Berkeley – Leben und Lehre, Stuttgart 1925

SMITH, Adam: Theorie der ethischen Gefühle, Hamburg 2004

Gunthard Heller