Ein Traum von Gaia oder das „Lebewesen Erde“

Die Auffassung der Erde als ein lebendiges Wesen mit einer „Seele“ war in der Spätantike bereits vorhanden. Schon der griechische Philosoph Plato hatte geschrieben: „Wir bekräftigen, dass der Kosmos, mehr als alle anderen, einem lebenden Wesen gleicht, von dem alle anderen lebenden Wesen ein Teil sind“ (Plotin IV, 4).

Gaia - Lebewesen ErdeÄhnliche Ideen vertrat auch der Astronom Kepler: „Wie die belebten Körper Haare haben, so hat die Erde Gras und Bäume – wie Lebewesen in einer Blase Urin haben, so machen die Berge Quellen, den Exkrementen entspricht der Schwefel und vulkanische Produkte, dem Blut und Schweiß entsprechen Metalle und Regenwasser, die Nahrung der Erde ist das Meerwasser.“

Zu viel Regen oder große Dürre bedeuteten für Kepler eine Krankheit der Erde. Doch als wissenschaftliche Tatsache formulierte es erstmals der schottische Wissenschaftler James Hutton. 1785 sagte er auf einer Versammlung der Royal Society of Edinburgh, dass die Erde ein riesiger Organismus sei, der von Physiologen wissenschaftlich erforscht werden müsste.

Er verglich in seiner These den Kreislauf der Nährstoffe im Boden und die Bewegung der Ozeane zum Land hin mit der Zirkulation des Blutes. James Hutton ist zweifellos als einer der Väter der Geologie in die Geschichte eingegangen, doch seine Idee von der lebenden Erde ist in Vergessenheit geraten oder wurde in dem gewaltigen Reduktionismus des 19. Jahrhunderts verworfen.

Ein Zeitgenosse von Hutton, der Mediziner Lewis Thomas, sah die Erde ebenfalls als Einheit, als ein zellähnliches System: „Vom Mond aus betrachtet, ist das Atemberaubendste an der Erde, dass sie lebendig ist. Sie hat das organisierte, selbsterhaltende Aussehen einer lebendigen Kreatur, voller Information, unglaublich geschickt im Umgang mit der Sonne. Ich habe versucht, von der Erde als einem Organismus zu denken, aber das funktioniert nicht, es gleicht mehr einer lebenden Zelle.“

Und nicht zuletzt schrieb 1844 auch der Naturforscher Alexander von Humboldt (der schon im 19. Jahrhundert multidisziplinär dachte), in seinem Buch „Kosmos“ ähnliche Ansichten:

„Die Natur ist für die denkende Betrachtung Einheit in der Vielheit, Verbindung des Mannigfaltigen in Form und Mischung, Inbegriff der Naturdinge und Naturkräfte als ein lebendiges Ganzes.“

Doch ob Superorganismus, Organismus oder Zelle – meistens galten diese Sichtweisen im 19. und 20. Jahrhundert als suspekt, unwissenschaftlich und romantisierend. Entsprechend umstritten war und ist teilweise heute noch diese Vorstellung von der Erde, da wir von den alten Sichtweisen der Abspaltung und Reduktion langfristig geprägt wurden.

Seit damals versuchen uns Geologen davon zu überzeugen, dass der Planet nur eine von den Meeren und Flüssen befruchtete Steinkugel sei; dass uns nichts als eine dünne Luftschicht von „dem da draußen“ fernhält, beschützt und vom rauen Vakuum des Alls trennt; und dass das Leben ein bloßer Zufall sei, ein heimlicher Passagier auf dem großen Kreuzfahrtschiff des Universums, der auf diese blaue Kugel aufgesprungen sei, als er gerade auf kosmischer Fahrt des Weges kam.

Erde GaiaSicherlich ist die Sichtweise nicht falsch. Aber sucht sie auch nach anderen Antworten, daneben, dahinter? Robert Anton Wilson, in der New-Age-Szene der 80er Jahre (und bis heute) unvergessen bleibt, zitierte einmal den einsteinschen Satz, … „dass das Universum viel verrückter sei, als wir denken können!“

Die Biologen waren auch nicht fortschrittlicher, denn sie behaupteten, richtig aber eingleisig gedacht, dass lebende Organismen die Fähigkeit hätten, sich an alle materiellen Veränderungen anzupassen, die es im Laufe der Erdgeschichte gegeben hatte.

Wenn wir aber einmal als Annahme voraussetzen, dass die Erde lebendig ist in einer geistigen Art und Weise der Selbstorganisation, dann müssten wir die Evolution der Organismen und die Evolution der Gesteine nicht mehr als getrennte wissenschaftliche Disziplinen erforschen.

Statt der getrennten Wissenschaften in getrennten Universitäten, wie es jetzt größtenteils der Fall ist, könnte die Frage: Was ist Leben?, in einer einzigen Entwicklungslehre dargestellt werden. Die mögliche Folge wäre ein Verknüpfungsprozess der Evolution der Arten und der Evolution der Umwelt.

Eine Menge Menschen fragen sich, wie eine ganzheitliche Sichtweise auf die Welt etabliert werden könnte: Zur Lösung werden Außerirdische/Ufos als Option genommen, die Spezies Mensch zu solidarisieren, um eine globale Sichtweise zu üben.

Wenn wir aber von der Gaia-Hypothese ausgehen, wie sie auch James Lovelock in seinen Büchern propagiert hat, dann könnte ein einziger untrennbarer Prozess beginnen, der ebenfalls zu dieser ganzheitlichen Weltsicht, zu einem globalen Verantwortungsbewusstsein und einer weltweiten innovativen Gesellschaft führen würde.

Weg von den unzähligen Scheuklappen-Disziplinen hin zu einem planetaren Verständnis. Wir brauchen eine verbindende Matrix unserer Wissenschaften! Und wer wäre geeigneter als Mutter Erde, Gaia, die ihren Namen von der altgriechischen Erdgöttin bekam und deren Name zu einem Synonym geworden ist für eine neue Art, uns selbst und die Evolution der komplexen Welt, in der wir leben, zu begreifen.

Meiner Meinung nach fängt die These, obwohl schon einige Jährchen alt, den aktuellen globalen Zeitgeist und die weltweiten Herausforderungen am besten ein.

Für unser Überleben wird eine neue Maxime gebraucht, auch wenn viele Strukturen, politisch, weltwirtschaftlich, geistig & geistlich, dabei infrage gestellt werden müssen. Das Gaia-Prinzip ist für etablierte Wissenschaftler eine Annahme, die zwar verquer und ungewöhnlich gedacht ist, aber dennoch erneut auf den Prüfstand gehört. Das gilt für theoretische Ökologie, Evolutionsbiologie und für die Geowissenschaften überhaupt.

Die Theorie von Gaia besagt, dass die chemische Zusammensetzung der Erde und das Klima über lange Zeit im Gleichgewicht gehalten werden, bis irgendeine innere Störung oder eine Kraft von außen ein Überspringen bzw. einen Quantensprung in ein neues Gleichgewicht erzwingt. Wir sind mitten drin, wenn ich mir die internationalen Gegebenheiten anschaue.

In einem lebenden Organismus sind sprunghafte Veränderungen, Transformationen, Evolutionen, selbst pathologische Zustände, als normal anzusehen. (Jeder Mensch kennt das aus seinem eigenen Leben.) Eine neue Theorie über die Erde und das Leben kann nicht als wissenschaftliche Verschlusssache behandelt werden.

Auch die Weltreligionen oder andere spirituelle Glaubensrichtungen werden berührt: Es entsteht die Aufmerksamkeit von Theologen, Philosophen, Humanisten, Umweltschützern, Künstlern und vielen anderen Interessierten auf dem Globus. Und doch hat die Gaia-Theorie weder mit der humanistischen Welt noch mit der anerkannten Wissenschaft noch mit religiösen Vorstellungen etwas zu tun.

Für Gaia sind wir eine Spezies, weder Verwalter noch Besitzer des Planeten. Wenn ich zynisch wäre, würde ich sagen, auch Vergewaltiger ihrer Kraft haben nicht das Sagen, denn diese Erde zeigt uns (zur Not), wo es lang gehen soll. Unsere Zukunft hängt in großem Maße davon ab, wie richtig (oder falsch) wir dieses Verhältnis, diese Beziehung zu diesem Makro-Organismus gestalten; weniger von dem endlosen egoistischen Drama der Menschheit, und auch nicht von den Werten der alt hergebrachten Weltreligionen.

„Gott hat keine Religion“, wie Mahatma Gandhi sagte. Mögen sie richtig, nützlich und tröstlich sein, und viele ihr Seelenheil darin sehen: Das alles taugt nicht, um die dissonante derzeitige Beziehung des Mikro-Organismus Mensch zum Makro-Organismus Gaia zu verbessern! In den philosophischen Vorstellungen, in den spirituellen Werten und in allen möglichen wissenschaftlichen Disziplinen muss ein Meta-Modell her, dass dieser – von unserer Seite lebensnotwendigen Beziehung – gerecht wird. Vielleicht ist es ein bisschen so, als wenn die Menschheit eine neue gemeinsame Sprache erlernen müsste.

Die Gaia-Idee ist eine romantische, wenn wir sie mit der Realität vergleichen. Viele Menschen spüren ein Bedürfnis danach, ein neues Verhältnis zur Natur zu finden, denn wir sind im Umgang mit der Natur zu Autisten geworden. Auch ist es notwendig, den Umweltschäden entgegen zu wirken, doch müssen wir uns in allen Angelegenheiten fragen, ob diese in welchem Maße schädlich sind oder in welchem Maße nützlich für die Umwelt, denn die Medaille hat meistens zwei Seiten.

Es kommt viel mehr auf die durchdachte Handhabung des Menschen an. Auch in die höheren Stufen der Technisierung und Moderne muss der Mensch erst hineinwachsen, genauso wie die erste Eisenbahn manche Menschen verrückt werden ließ. Doch sind wir nicht mehr in einem Zustand der Unschuld, sondern des planetarischen Umbruchs, den wir verantwortlich gestalten müssen: mit klarem individuellen und politisch-internationalem Willen in eine lebenswerte globale Zukunft! Das ist der Auftrag, den wir uns im Sinne unserer Kinder und Enkel geben sollten.

 

Thomas Berry schreibt in seinem Dream of the Earth:

„Die Veränderung, die hier auf Erden in unserem Geist stattfindet, ist … die größte, da das, worüber wir sprechen, nicht einfach ein weiterer geschichtlicher Wandel, eine kulturelle Modifikation darstellt, sondern eine Veränderung geologischer und biologischer wie auch psychologischer Größenordnung. Wir verändern die Erde auf einer Skala, die sich nur mit den Veränderungen der Struktur der Erde und des Lebens überhaupt vergleichen lässt, wie sie über einige Hundert Millionen Jahre in unserer Entwicklung stattfanden.“

Baum GaiaWir mögen die gesamte Wirkung dieses transformativen Prozesses momentan nicht so klar erkennen. Erst im Rückblick werden Muster offenbar. Die Veränderung klingt uns wie eine vage Melodie, die wir nicht einordnen können, und wir hören sie nicht klar genug, um mit ihr in Einklang zu musizieren. Doch wissen wir, dass sie gespielt wird, und ein unbekannter Dirigent fuchtelt gehörig mit den Stäben.

Walt Whitman sagte, man „solle nicht zu genau oder nur wissenschaftlich mit Vögeln und Bäumen und Blumen umgehen.“ Auch der große Gott Pan hört ein Flötenspiel lieber als die Rede eines trockenen Dozenten. Die Sprache der Mutter Erde und Göttin ist vielleicht ein Stück mehr Poesie und Gesang, ein fröhliches Lachen im Kindermund und ein Zwitschern der Vögel, ein Meeresrauschen.

Diese Sichtweise ermöglicht es uns, den Planeten als ein Kunstwerk zu betrachten, das sich durch die Öffnung der feineren Sinne des Betrachters offenbart. Die indianischen Weisen sagen: „Wandere in Schönheit!“. Oder auch das Zentralgebet: „Für alle meine Verwandten!“, so kurz, wie es die Lakota lieben. Damit ist alles Lebendige auf Erden gemeint: Menschen, Tiere, Pflanzen. Mehr Quantität oder Qualität im Beten braucht es eigentlich nicht.

Die Biowissenschaftler wollen es sich nicht eingestehen, aber sie können das Leben nun einmal nicht umfassend mit wissenschaftlichen Begriffen erklären. Dies war auch im 19. Jahrhundert den Naturhistorikern nicht möglich; ebenso sind die Biologen des 20. Jahrhunderts an der existenziellen Frage der Fragen gescheitert.

Vielleicht ist die Antwort auf die Frage: „Was ist Leben?“, eine so bedeutende für unser Überleben – physisch und/oder spirituell -, dass sie aufbewahrt wird in den unbewussten kollektiven Schichten des menschlichen Geistes und auf eine spätere Bewusstwerdung und Lösung im Geheimen wartet. Die Evolution erzwang einen großen Selektionsdruck zu unverzüglichem Handeln.

Mir scheint, auch gegenwärtig wächst der evolutionäre Druck zur Selektion und zum schnellen Handeln, damit unsere Spezies eine Zukunftsperspektive hat. Entscheidend für unser Überleben ist die sofortige Unterscheidung und Entscheidung der optionalen Wege und die daraus folgende logische Handlung. Eine Verzögerung durch geistig-intellektuelles Abwägen oder bewusstes Nachdenken können wir uns nicht leisten.

Es ist notwendig, die Konsequenzen der Erkenntnis möglichst schnell einzuschätzen, und zwar in den am frühesten entwickelten und unbewussten Windungen unseres Gehirns. Allein aus dieser früh entwickelten Fähigkeit heraus wissen wir alle intuitiv, was Leben ist! Etwas zum Essen, etwas zum Lieben, etwas zum Schutz vor drohenden Gefahren – oder es ist tödlich!

Schwieriger ist es allemal, eine wissenschaftlich präzise Definition der Frage: „Was ist Leben?“ zu geben, und das Leben auf vielschichtigen Ebenen so zu erforschen, dass wir der Beantwortung dieser komplexen Frage möglichst umfassend näher kommen. Selbst angesehene wissbegierige Wissenschaftler schrecken davor zurück, Leben zu definieren.

Ein Merkmal von Leben ist Sozialität. Soziales Leben findet in Gemeinschaften und kollektiven Verbänden statt. In der Physik werden die Eigenschaften von Ansammlungen mit dem Wort kolligativ bezeichnet. Alle Ansammlungen von lebenden Organismen weisen Eigenschaften auf, die man aus der Kenntnis eines Einzelnen von ihnen nicht erwarten würde.

Gaia WeltmutterZum Beispiel könnten wir aus der Beobachtung einer einzelnen menschlichen Zelle nicht die Tatsache ableiten, dass die Menschen eine konstante Körpertemperatur haben, die unabhängig von der Umgebungstemperatur ist. Der französische Physiologe Claude Bernard stellte im 19. Jahrhundert erstmals die Tendenz einer Beständigkeit fest, und der Amerikaner Walter Cannon verfolgte seine Gedanken weiter. Er nannte das Phänomen „Die Weisheit des Körpers“ oder Homöostasie. Homöostasie ist also die kolligative Eigenschaft des Lebens!

Die Vorstellung, dass höhere Lebewesen wie z.B. die Menschen aus einem komplizierten, miteinander verflochtenen System von Zellverbänden bestehen, ist normal. Einen Volksstamm oder eine Nation als eine Einheit zu begreifen, ist uns ebenfalls nicht fremd. Aber können wir diese Vorstellung auch auf größere Ökosysteme oder auf den Planeten, also auf Gaia, ausweiten?

Hilfreich ist hier der Blick aus dem Weltraum herab auf die Erde, sei es auch stellvertretend durch die Medien. Etliche Astronauten haben von einer Erweiterung ihres Bewusstseins durch die veränderte Wahrnehmung gesprochen, die sich ihnen beim Anblick der ganzheitlichen Erde bot. Egal, ob vom All oder durch die Satelliten: Es kann ein persönliches Gefühl von einem tatsächlich lebenden Organismus entstehen, der umgeben von Leere wie ein Schiff im Meer schwimmt.

Vergeblich suchen wir den Horizont dort draußen in der Umgebung von Gaia, sondern begreifen ihre Wanderung und Odyssee als einzigartig und abenteuerlich, weil verletzbar.

Als ein gesamtplanetarisches Wesen verfügt Gaia über Eigenschaften, die sich nicht unbedingt aus dem Wissen über einzelne Arten oder Populationen von zusammenlebenden Organismen erschließen müssen. Es gibt viele Möglichkeiten, mit Gaia in Berührung zu bleiben. Das Stadtleben, dem die Menschen so eifrig nachgehen, erweckt und verstärkt die humanistische Häresie, diese ausschließliche narzisstische Hingabe an menschliche Belange.

Wir sehen die Sterne einfach nicht mehr so klar wie auf dem Land. Man könnte sagen, wir verlieren so schneller die kosmische Orientierung, da die Konzentration nicht mehr auf einem natürlichen Weg liegt. Insofern laufen wir Gefahr – im Gegensatz zu unseren Vorfahren -, die Zusammenarbeit mit der Natur um uns herum zu vernachlässigen bzw. ihre subtileren Stimmen nicht mehr zu hören, sondern uns nur als Herrscher über diese Natur wahrzunehmen, obwohl wir doch eigentlich Bittsteller sind.

Denn unsere Lebensmittel, unsere Überlebensmittel, sind abhängig vom Wohlwollen (oder anders ausgedrückt, von dem Funktionieren) unserer natürlichen Umwelt. Letztlich sind wir es Selbst: Natur! Keine Trennung von derselben ist möglich. Diese künstliche Absonderung, die wir uns durch die Zivilisation geschaffen haben, verschleiert die Einsicht, dass dieser Schleier eben nur hauchdünn ist und jederzeit zerrissen werden kann und unsere Zivilisation nur eine künstliche Barriere vor dem Grauen dort draußen bietet, vor der Natur, die uns wild im Außen begegnen kann, aber auch genauso wild im Inneren lebt.

Wir sind überwiegend als Spezies Barbaren, deren zivilisiertes Benehmen nur an der Oberfläche taugt. Das ist zumindest meine Selbsterkenntnis. Denn wenn Menschen ungewohnten Belastungen ausgesetzt werden, schwindet die Etikette meistens sehr schnell und die Primitivität kommt aus unserem Inneren erschreckend schnell ans Licht und an die Schamgrenze dessen, was wir dachten, von uns zu wissen oder zu kennen glauben.

Wie können wir weiter darüber nachdenken?

Jeder Mensch stellt eine dichte Ansammlung aus zellulären und endosymbiontischen Verbänden dar. Trotzdem ist er eine individuelle Persönlichkeit. Individuen stehen, wie jede einzelne Körperzelle, mit Gaia über den Kreislauf der Elemente und über die Steuerung des Klimas in Verbindung. In seinem Buch „Das selbstorganisierte Universum“ vertritt Erich Jantsch die Ansicht, dass überall eine Tendenz zur Selbstorganisation zu spüren ist.

Leben sei also kein zufälliges Ereignis, sondern eine unvermeidbare Folge. Jantsch stützt seine Behauptungen auf die Theorien der Altmeister der sogenannten "Thermodynamik des instabilen Zustands"; auf Max Eigen, Ilya Prigoyine, Humberto Maturana, Francisco Varela und ihre Nachfolger.

Wenn die Wissenschaftler Theorien in diesem undurchschaubaren Bereich entwickeln und sich die Beweisführung verdichtet, dann könnte die Metapher von einem lebendigen Universum vielleicht fassbar werden. Eine rationale Definition von Gott würde das intuitive Wissen ersetzen bzw. ergänzen!

Die Lehre von den globalen Katastrophen der Vergangenheit hat vor einigen Jahren ihre wissenschaftliche Weihe erhalten. Einige Berechnungen deuten darauf hin, dass es in den vergangenen 250 Millionen Jahren immer wieder Massenvernichtungen gegeben hat, und zwar im Abstand von etwa 26 Millionen Jahren.

 

Aufgrund der Regelmäßigkeit dieses Zyklus wurde nach einer astronomischen Ursache geforscht. Hier nun folgt eine Aufzählung der Hypothesen, die uns zu einem Denken in astronomischen Zyklen führt: Möglicherweise hat unsere Sonne einen dunklen Begleitstern, Nemesis genannt, der einer stark exzentrischen Umlaufbahn folgt.

Lebewesen Göttin GaiaWenn dieser Stern sich der Kometenwolke am äußeren Rand des Sonnensystems nähert, löst er einen heftigen Schauer von Kometen aus, von denen etliche – über einen Zeitraum von bis zu einer Million Jahren – auf der Erde einschlagen. Ein anderes Modell geht bei der Interpretation dieser Zyklen von Schwingungen der Sonne in Relation zur Mittelebene unserer Galaxie aus.

Diese Schwingungen hätten Veränderungen in der Intensität der kosmischen Strahlung zur Folge, die ausreichend sein könnten, um größere Klimaveränderungen zu bewirken. Eine dritte Erklärung besagt, dass die Erde vielleicht periodisch in interstellare Staub- oder Gaswolken gerät. Allerdings bezweifeln viele Wissenschaftler, dass die großen Massenvernichtungen des Lebens auf der Erde überhaupt eine Periodizität aufweisen. Die Diskussion dauert an.

Auf dieselbe Weise, wie wir von der kopernikanischen Revolution gesprochen haben, können wir die gegenwärtige historische Periode als die Zeit der großen Gaianischen Häresie identifizieren.

Erinnern wir uns: Vor nicht allzu langer Zeit wurden Ketzer auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Heute mögen diese Menschen keine Forschungsgelder erhalten oder ihre Ideen werden lächerlich gemacht, trivialisiert und marginalisiert. Eine kritisch-wertvolle Auseinandersetzung wird dadurch erschwert. Ein großer Teil der Bedeutung der gaianischen Häresie würde folglich von unklarem Denken überlagert. Ideen müssen diskutiert und geprüft werden, gerade in Krisen.

Was sind die Lehrsätze der gaianischen Häresie? Erstens ist die Erde primär, die Menschen sind sekundär. Über Jahrtausende glaubten Menschen, die einzig signifikante bedeutende Gattung des Planeten zu sein. Ein Fehler, den ihnen nicht zuletzt die religiösen Führer gepredigt haben.

Anthropozentrismus ist ein prinzipieller philosophischer Grundsatz unseres westlichen Weltbildes, den wir uns nicht mehr leisten können. In Wahrheit sind wir eine entwickelte Form der Gattung Säugetier des Planeten. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Gaia: Dieses System, dem wir angehören, bietet einen derart großen Zusammenhalt, dass die Biologen Charles Birch und John Cobb uns mitteilen, die nächste Analogie zur Biosphäre der Erde sei eine einzelne Zelle.

Wir sind völlig eingebunden in ihrem Energiestrom und in ihren Organisationsmustern. Erinnern wir uns, dass wir uns unter dieser Perspektive nicht als getrennte Wesen begreifen können, die „die Erde retten“. Darum geht es nicht! Wir sind es selbst, die Erde, nämlich jener Teil, der nach einer Lösung sucht für die unerträglichen Unausgewogenheiten, die wir kreiert haben.

Wir sind jener Teil der Erde, der sich dazu entwickelt hat, selbstreflektiv zu sein. Diese Fähigkeit ist der einzige Anhaltspunkt für das sogenannte „menschliche Bewusstsein“, das sich von den übrigen Tieren andersartig absetzt. Obwohl z. B. Raben und einige andere Tierarten diese wertvolle Fähigkeit auch in gewissem Maße besitzen und weiter entwickeln.

Die zweite Grundannahme postuliert, dass die lebende Erde sowohl eine psychisch-spirituelle als auch eine physisch-materielle Existenz und Wirklichkeit ist. Die Anerkennung von Psyche und Spirit wäre neu.

Spirituell sehen wir die Erde lediglich als eine Haltestelle und betrachten uns selbst als spirituell Durchreisende. Das ist der gängige religiös-esoterische Standpunkt. Doch Geist im weitesten und spirituellsten Sinne ist immanent im größeren biologischen System. In dem Körper, dem wir alle angehören. Sie ist uns Nahrung, Elternteil und Führerin.

Drittens akzeptiert die gaianische Häresie nicht die Doktrin einer unveränderlichen Natur der Dinge. Wir wissen z.B. heute, dass die Gesetze, von denen wir annahmen, sie seien auf ewig universell, wie die der Schwerkraft oder der Thermodynamik, vor fünf Milliarden Jahren nicht existierten. Die Schöpfung ist ein Prozess, in dem jeder Augenblick des Lebens den Nächsten bedingt und Ausgewogenheit nach einem ständigen Wechsel verlangt. Aus dieser Perspektive macht alles, was wir tun oder lassen, einen Unterschied – wir sind an dem nächsten wichtigen Schritt beteiligt.

Dennoch entziehen sich neunzig bis neunundneunzig Prozent der materiellen Wirklichkeit unserem Verständnis. Zum Beispiel interagiert die kosmische Antimaterie nicht mit unserer gewohnten Materie, außer durch die Schwerkraft. Möglicherweise hat die Physik oder Kosmologie hier das Kosmische Unbewusste entdeckt, analog unserem eigenen Unterbewusstsein.

Im Zusammenhang mit dieser journalistischen Auseinandersetzung fällt mir öfter der alte hermetische Grundsatz: „Wie oben, so unten!“ ein, welcher von den universellen Analogien der Werke der Schöpfung spricht, sowohl im Mikro- als auch im Makrokosmos. Eigenschaften und Einflüsse der Antimaterie sind unbekannt, doch hält sie alles im Kosmos zusammen und bestimmt die Verteilung von Galaxien und deren Struktur.

Ihre Menge wird irgendwann darüber entscheiden, ob das Universum weiter existieren wird oder nicht. Die Anerkennung der Antimaterie bedeutet, dass wir den weit überwiegenden Teil der Materie im Universum nicht kennen und auch durch unsere experimentellen Untersuchungsmethoden nicht erkennen können. Dies ist ein schwerer Schlag für Leute, die die Natur für rational erfassbar halten!

Rupert Sheldrake behauptet, dass alle Ebenen der Natur durch das organisiert sind, was er morphische oder formative Felder genannt hat. Seine Sichtweise macht aus dem Ganzen mehr als die Summe seiner Teile und organisiert die verschiedenen Teile eines Organismus, als Teil eines Holistischen Weltbilds.

Dieses basiert auf der Idee einer geschachtelten Hierarchie von Organisationen. Beispielsweise könnte die äußere Struktur ihr Körper sein, die inneren Strukturen sind die Organe, dann haben wir das Gewebe innerhalb der Organe, die Zellen innerhalb des Gewebes, die Organellen innerhalb der Zellen, Moleküle innerhalb derer, Atome innerhalb der Moleküle, subatomare Artikel innerhalb der Atome und schließlich, innerhalb der subatomaren Partikel, noch mehr subatomare Partikel.

Folglich ist der Organismus in einer Gesellschaft, in einem Ökosystem, in einem planetaren System wie Gaia, im Sonnensystem, in der Galaxis, im gesamten Universum (und dieses in was?) enthalten. Die holistische Weltsicht schlägt vor, dass es auf jeder dieser Ebenen eine Ganzheit gibt, die vom morphischen Feld abhängt, von dem jedes ein inhärentes Gedächtnis hat.

Implizieren Sie doch bitte einmal ein (träumendes?) Bewusstsein dieser planetarischen Ganzheit, die wir Gaia nennen wollen. Gibt es auf Gaia möglicherweise auch eine Geografie der Sinne, durch die sie sich selbst ausdrückt und wahrnimmt?

Ich denke, wir sollten uns bestimmte globale geomantische Orte und Landschaften als Tore des Geistes vorstellen, durch die der Zugang zu diesen planetaren Bewusstseinsfeldern am besten gefunden werden kann. Möglicherweise sind diese alten verehrten Stätten der physische Sinnesapparat der anima mundi oder Weltenseele.

Der irische Naturmystiker George William Russell betrachtete prähistorische Kultstätten ebenfalls als planetarische Sinne und berichtete uns, dass seine Fähigkeit, die „Übernatur“ wahrzunehmen (wie er es nannte), an solchen Orten zunahm. Möglicherweise bestanden einige Rituale unserer Ahnen darin, die Teilnehmer durch diese planetaren Geistestore zu führen, die die Kultstätten direkt mit dem spirituellen Gaia-Feld verbanden.

(In einem solchen Kontext wären möglicherweise auch die Botschaften der Kornkreise zu verstehen, als spirituelle Botschaften von Gaia selbst, also (meistens) nicht von Menschen gemacht, und auch nicht von Außerirdischen. Es wäre sozusagen eine Information aus dem Gaia-(Gedächtnis)Feld für uns, symbolisch-künstlerisch in Materie/Form ausgedrückt.)

Wenn wir als globale Kultur genügend Reife erlangen, liefert unser Planet vielleicht das Medium, mit dem wir diese Phänomene wissenschaftlich beweisen können. In der Zwischenzeit markieren besondere Landschaften und prähistorische Heiligtümer die Orte, wo diese Phänomene aufzutreten pflegen. Der Zweck der modernen geomantischen Forschung ist es deutlich zu machen, wie wir solche Orte erneut als Instrumente oder Tore benutzen können.

Es gibt nicht nur ein stargate, sondern auch und zuerst einmal ein earthgate, bevor wir zu den Sternen wandern können! Nur wenn es uns gelingt, Geist und Land in unmittelbarer Vereinigung zusammen zu führen – wie es vor uns alle naturreligiösen Völker der Erde in sinnbildlichen Ritualen und Mysterienspielen an heiligen Plätzen immer schon versuchten -, werden wir wirklich in der Lage sein, diesen Planeten ganzheitlich zu verstehen und in unseren menschlichen Geist liebend zu integrieren.

Wir sind von dieser heilenden Integration abhängig, vergessen wir das nicht. Lasst uns unser verlorenes Erbe wieder in Anspruch nehmen und zurück erobern: Die Fähigkeit, mit diesem Planeten, mit unser aller Mutter, zu kommunizieren, zu interagieren.

Die alte und immer noch brandaktuelle Gaia-Hypothese stellt den Versuch dar, ein neues kollektives Weltbild zu schaffen und zu etablieren, das gemeinsame globale Interessen hervorruft! Das wirtschaftliche und politische Zusammenwachsen der Weltgemeinschaft braucht eine neue philosophisch-spirituelle Grundlage: die lebendige Mutter, unsere Erde!

Von Eire Rautenberg

Quellen/Literaturhinweise:

* James Lovelock: Das Gaia-Prinzip – Die Biographie unseres Planeten – Insel Verlag, Frankfurt/Main 1993
* Susanne G. Seiler (Hg.): Gaia – Das Erwachen der Göttin: Die Verwandlung unserer Beziehung zur Erde, Aurum Verlag, Braunschweig 1991
* Rupert Sheldrake: Das Gedächtnis der Natur – Das Geheimnis der Entstehung der Formen in der Natur, Piper Verlag, München 1997
* Rupert Sheldrake: Das schöpferische Universum, München 1989
* Paul Devereux: Earthmind: Communicating With the Living World of Gaia (Destiny, 1992) – with John Steele and David Kubrin
* Paul Devereux: Earth Lights Revelation: UFOs and Mystery Lightform Phenomena: the Earth’s Secret Energy Force (Blanford Press, 1989)
* Paul Devereux: Der Heilige Ort: Vom Naturtempel zum Sakralbau, AT-Verlag
* Nigel Pennick: Einst war uns die Erde heilig – Die Lehre von den Erdkräften und Erdstrahlen, München 1990
* Marilyn Ferguson: Die Sanfte Verschwörung: Persönliche und Gesellschaftliche Transformation im Zeitalter des Wassermanns, Sphinx Verlag, Basel 1982
* Gregory Bateson: Ökologie des Geistes. Anthropologische, psychologische und epistemologische Perspektiven, Frankfurt 1985
* Morris Berman: Wiederverzauberung der Welt. Am Ende des Newtonschen Zeitalters, Reinbeck 1985
* Eugen Willerding: Die Gaia-Hypothese – Anhang zu einer Vorlesung Planetensysteme WS, Universität Bonn, 2003/Oktober 2004

Eire Rautenberg