Was macht Menschen glücklich?

Haben Sie sich schon einmal gefragt, was Ihnen fehlt, um richtig glücklich zu sein? Was müsste passieren, um Ihr Glück vollkommen zu machen? Oder halten Sie Glück für reinen Zufall, der nur wenigen Auserwählten beschieden ist? Dieser Artikel beschreibt Wege und Umwege zur Frage „Was macht Menschen glücklich?“

Das Glück und die Wünsche

Fragt man einen Menschen, was ihn glücklich macht, wird man oft eine Antwort in der Art bekommen, eine gesunde Familie, sichere Arbeit oder materieller Wohlstand, „sich dieses und jenes leisten können“.

Oder man träumt von einem Sach- oder Geldgewinn, für manchen ist es eine Reise oder Karriere beziehungsweise wachsendes Ansehen und höherer Status bei seinen Mitmenschen. Die Liste ließe sich noch lange fortsetzen, doch soll das zur Illustration genügen.

Glücksforschung Was macht Menschen glücklichIn
den meisten Beispielen stehen die angenehmen Dinge im Vordergrund, die Schokoladenseite
unserer Zivilisation, seien es luxuriöse Dinge oder Statuszuwachs und Anerkennung.
Fragen Sie sich: Was würde ich antworten? Nehmen Sie sich Zeit, um darüber nachzudenken
und eine Antwort zu finden. Schließlich geht es um Sie – die wichtigste Person
in Ihrem Leben.

Ein gewisser Lebensstandard und Ansehen sind natürlich wichtig; es gibt
wohl niemanden, der darauf ganz verzichten will. Wenn außer Zweifel steht,
dass sie das Leben angenehmer machen, lohnt sich doch die Frage, wie genau
sie bewirken, dass man glücklich wird.

Vielleicht verändert sich
ja unsere Sicht der Dinge und wir kommen zu dem Schluss, dass sie
Platzhalter für dieses schwer fassbare Etwas ‚Glück‘ sind
– und an ihrer Stelle könnte auch etwas ganz anderes stehen, was uns als
Menschen viel näher ist. Schon die alte Binsenweisheit „Geld allein
macht nicht glücklich“ drückt aus, dass Glück nicht
in der Natur des Geldes liegt. Wo liegt es dann? Es lohnt sich, dem nachzugehen.

Unsere Kultur hat ihre ganz eigenen Werte und Vorstellungen darüber, was
den Individuen wichtig ist, entwickelt und tradiert. Andere Epochen zeichnen
sich durch andere Werte aus. Hat unsere Gesellschaft also auch Werte? Ja? Gut,
nur – was ist dann mit dem häufig angeprangerten ‚Werteverfall‘? Ich
halte die Bezeichnung Wertewandel für treffender; die heute propagierten
Werte kann jeder im Fernsehen oder anderen Medien erkennen.

Udo Lindenberg in
der Anti-Drogenkampagne oder Boris Becker im neuen Mercedes genauso wie die
‚Lindenstraße‘ oder die Skandale der ‚Bild‘-Zeitung stellen
doch Werte dar, teilen etwas mit, womit wir uns identifizieren sollen. Was keiner
sehen, kaufen, haben will, wird abgesetzt. Nach dem Common sense sind materieller
Wohlstand, Sicherheit und stärker auch wieder familiäre Bindungen
und Tradition besonders wichtig.

Vorstellungen der Antike

Aristoteles schreibt in der ‚Nikomachischen Ethik‘: „Jede Kunst
und jede Lehre, desgleichen jede Handlung und jeder Entschluss, scheint
ein Gut zu erstreben, weshalb man das Gute treffend als dasjenige bezeichnet hat, wonach alles strebt. Das Ziel der Heilkunst ist die Gesundheit, das der Schiffsbaukunst das Schiff, das der Strategie der Sieg, das der Wirtschaftskunst der Reichtum.“

So hat jeder Bereich seine eigenen Ziele, die alle für etwas Nachfolgendes
wichtig sind. Doch es gibt ein Ziel, ein Gutes, das von allen Menschen um seiner
selbst willen begehrt wird, denn es ist der oberste Zweck, das höchste
Gut. Im Namen stimmen hier wohl die meisten überein: „Glückseligkeit.“
Alle anderen Ziele, seien es Ehre, Lust, Verstand oder eine andere Tugend, streben
wir an, weil – bzw., nur dann – wenn wir uns erhoffen, dass wir dadurch
auch glücklicher werden.

Anders ausgedrückt – jeder erstrebt dasjenige Ziel, was ihn der Glückseligkeit
am nächsten bringt. Am glücklichsten wird man, wenn man das tut, wozu
man mit allen Facetten seiner Persönlichkeit, mit seinem ganzen Wesen steht.
Nicht wir sollen uns irgendeiner beliebigen, geforderten oder erwarteten Aufgabe
hingeben und auf irgendeine Weise ‚damit klarkommen‘. Sondern wir sollen
das anstreben, was uns am meisten gilt.

Denn je höher uns ein Ziel steht, desto näher ist es dem letzten
Ziel: dem Glück. Was die „Glückseligkeit“ sein soll, darüber
entzweit man sich, und eine für alle geltende Antwort kann es nicht geben.
Das „Erkenne Dich selbst“ des Orakels von Delphi bekommt jetzt eine
ganz praktische Bedeutung, denn wie wir sehen, ist Selbsterkenntnis ein notwendiger
Schritt, um glücklich zu sein.

Sich selbst tiefer und umfassender kennen schließt ein, klarer zu sehen,
was im eigenen Leben wirklich wichtig ist. Was man wirklich will. Nun ist es
für uns deshalb schwierig, das herauszufinden, weil wir so komplexe Wesen
sind. Wir sind mehr, als wir von uns kennen (und trotzdem kennen wir uns immer
besser als jeder andere). Außerdem gibt es für Menschen keine Handbücher
wie für jedes technische Gerät.

Die andere Schwierigkeit liegt darin, dass jeder Einzelne sich in ständiger
Wechselbeziehung mit anderen befindet, die ihm etwas beibringen, vorleben, fordern …
– und was von dem, was ich tue, kommt von mir und was von anderen? Wo bin ich
ich selbst und wo mehr ein Sammelsurium anderer? Die Glückseligkeit, das,
was das Individuum erstrebt, ist nicht nur eine Nadel im Heuhaufen – so scheint
es – sondern der Heuhaufen ist versteckt in einem Haus in einer unbekannten
Stadt in irgendeinem Land. Viel Spaß beim Suchen!

Erkenne dich selbst

Sich selbst erkennen meint, mehr über sich herausfinden und Vorstellungen,
die man nur übernommen hat, mit denen man sich jedoch weniger identifiziert,
erkennen. Diese zwei Schwerpunkte lassen sich praktisch natürlich nie ganz
klar trennen, denn die Übergänge sind fließend. Betrachten wir
einmal das Wort, Selbsterkenntnis. Es bedeutet, sich zu erkennen, also über
sich Wissen zu erlangen. Wissen ist das Gegenteil von Glauben.

Wo wir wissen, glauben wir nicht mehr, sondern wir sind uns sicher. Wissen
bedeutet damit, sich über sich nicht zu täuschen, sich zu ent-täuschen.
Sich besser kennenlernen und sich besser verstehen fügt wie bei einem Puzzle
die unterschiedlichen Teile einer Person zusammen. Glück setzt dieses Eins-Sein
mit sich selbst voraus. Je stärker und vollständiger dies ist, desto
glücklicher ist man. Worin besteht nun dieses Eins-Sein mit sich selbst
genauer?

Normalerweise wird davon gesprochen, dass man sich mit sich selbst ‚eins
fühlt‘. Dass dieser gefühlsmäßige Anteil eine wichtige
Rolle spielt, dürfte klar sein. Schließlich geht es um Glück
und wer kann sich Glück ohne starke positive Gefühle auch nur vorstellen,
geschweige denn erleben? Aber ist das Eins-Sein nur ein Gefühl?

Die Bausteine des Glücks

Was macht Menschen glücklich UrsachenDie
Happyologie untersuchte ein sehr markantes Beispiel: Den Bergsteiger, der in
einigen hundert Metern Höhe in einer Felswand hängt. Er bereitete sich lange
und intensiv auf diesen einen Aufstieg vor, der ihm alles abverlangt.

Er weiß,
dass er all seine Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten jetzt braucht, der
kleinste Fehler kann sein Ende sein. Er hat nichts außer seinem Ziel vor Augen
– und in diesem Moment hat er nur ein Ziel – den Gipfel zu erreichen. Er verschmilzt
mit diesem Ziel und mit seiner Umgebung, ist vollkommen einpunktig.

Dieses Phänomen ist sehr bedeutsam. Man fand es bei Extremsportlern (z. B. Freeclimbern,
Wildwasserfahrern), Künstlern, bei Kampfsportlern, Yogis und Wissenschaftlern.

So verschieden die Bereiche – immer wird das Glück um so vollkommener erlebt,
je wichtiger das Ziel ist und je einpunktiger es angestrebt wird.

Die einfache und doch so schwer umzusetzende Regel lautet also: Um glücklich
zu sein, müssen Sie sich über Ihre Ziele im klaren sein und dafür
leben. Wer Ziele klären und möglichen Schwierigkeiten begegnen will,
braucht die Fähigkeit zielorientiert zu handeln.

Wenn ein Bewohner der Sahara einen Eskimo fragt, „Was ist Schnee?“,
da er selber noch nie welchen gesehen hat, kann der andere versuchen zu erklären:

„Äh, Schnee ist weiß, oft pulvrig und kalt“.
„Weiß und oft pulvrig … also weißer Sand.“
„Nein, lockerer, es sind Wasserkristalle …“
„Ich habe schon mal Eiswürfel in einem Glas Limonade gesehen, meinst
du so was, nur in weiß?“
„Nein, mit Eis hat das nichts zu tun. Schnee ist weicher. Wenn Du bei ‚pulvrig‘
an Sand denkst …, das trifft es auch nicht. Schnee ist oft nämlich eher
fest und klebrig, wenn Du ihn anfasst.“
„Ach, Du redest von nassem Sand! … Bei euch gibt es wirklich so viel davon?
Da muss es doch ständig regnen.“
„Es regnet nie, es schneit nur.“
„Dann kommt der nasse Sand …?“
„Es ist keiner! Es ist Wasser, na ja, auch nicht … es ist eben Schnee.“

„…?“
„Sieh mal, mit meinem Schlitten kann ich auf Schnee fahren, aber nicht
auf Sand …“
„Na ja, der Sand hier ist ja auch gar nicht nass.“ …

Selbst wenn ich meine Erlebnisse so genau wie möglich schildern würde,
es bleiben meine Erfahrungen und jeder andere wird, immer und notwendig, etwas
anderes erleben. Ich kann Tipps geben und die allgemeine Richtung umreißen
– der Rest bleibt für Sie, das ist Ihre Chance. In unserem Beispiel von
dem Bergsteiger lässt es sich leicht nachvollziehen: Wenn er zu Hause
geblieben wäre und nur sein Freund, der oben war, ihm davon erzählen
würde, könnte er die Freude, die er empfand, weil er auch oben war,
nicht erleben.

Die heute verbreiteten Vorstellungen von Glück haben wir mit denen der
Antike verglichen. Glückseligkeit, sagte Aristoteles, ist das höchste
Ziel jedes Menschen. Je höher uns ein Ziel ist, desto näher kommen
wir der Glückseligkeit, indem wir es anstreben. Je einpunktiger wir dabei
sind, desto mehr sind wir eins mit uns selbst. Wenn wir uns selbst besser kennenlernen,
erkennen wir auch deutlicher, welche Ziele uns persönlich am wichtigsten
sind. Dies ist an eigene Erfahrungen gebunden, die jeder nur selbst machen kann.

Betrachten wir noch einmal die exemplarische Situation von dem Bergsteiger.
Er will unbedingt auf den Gipfel und verschmilzt mit diesem Ziel, ist vollkommen
einpunktig. Er ist in diesem Moment eins mit sich selbst, mit seinem Tun und
seiner Umgebung. Eins-Sein ist also nicht nur ein Gefühl, es schließt
sein Denken und Tun mit ein. Genau diese Einheit von Ziel, handeln, um genau
dieses eine zu erreichen, sich gedanklich auf das Tun konzentrieren und das
starke Gefühl der Freude führen zu Flow; denn nichts anderes ist dieses
Eins-Sein mit sich selbst.

Denken, Fühlen und Handeln streben zu diesem
Ziel; sie müssen schon eine gewisse Übereinstimmung haben, um das
Ziel anstreben zu können. Und sie werden andererseits von diesem beeinflusst:
Je näher Sie einem Ziel kommen, desto leichter wird es, alles Wichtige
zu überdenken, desto mehr fühlen Sie sich hingezogen und desto leichter
fällt es Ihnen weiterzumachen.

Die Kunst der Glückseligkeit

Glück ist nicht nur ein Gefühl. Andererseits ist es notwendig
auch ein Gefühl, bzw. mit einem Gefühl verbunden. Glück ist kein
intellektuelles Konzept. Das spezifische Gefühl von Glück, von glücklich
sein, ist Flow. Flow heißt soviel wie Fluss oder fließen und
meint den (psychischen) Zustand von Menschen in Augenblicken, wenn alles, was
sie ausmacht (wie sie sich als Individuum wahrnehmen, was sie denken, fühlen
und tun), harmonisch geordnet ist und sie etwas um der Sache selbst willen tun.
Dann gehen sie ganz in diesem Tun auf.

Glück erfordert also, dass Sie etwas dafür tun. Es ist an das
Streben nach einem Ziel gebunden. Sie kommen dem Glück auch andersherum
auf die Spur: Jedesmal, wenn Sie in Ihrem Leben glücklich waren oder sind,
haben Sie etwas erreicht, das Ihnen wichtig ist. Wenn Sie diese Situationen
überdenken, erfahren Sie mehr darüber, was Sie glücklich macht.
Legen Sie den Artikel einmal für einen Augenblick beiseite. Nehmen Sie
sich einige Minuten Zeit und fragen Sie sich:

  • Wobei bin ich glücklich?
  • Wie werde ich glücklicher?

Jetzt kann es weitergehen. Glück wurde bislang als etwas dargestellt,
wofür man etwas tun muss. Glück ist das oberste Ziel jedes Menschen
– und das kann es ja nur sein, solange man es noch nicht erreicht hat (sonst
ist es kein Ziel mehr), oder wenn man es erlangt und auf jeden Fall beibehalten
will. Wie gesagt, es wurde nicht behauptet, dass es irgendein Ziel ist,
sondern glücklich zu sein, ist das höchste Ziel.

Glück und Abhängigkeit

Diese Vorstellung deckt sich nun offensichtlich kaum mit dem, was gemeinhin
unter Glück verstanden wird. Die Medien, die Werbung und sogar die Regierung
suggerieren uns – wenn es überhaupt, was selten ist, darum geht – eine ganz
andere Idee von Glück. Wir können nicht leben wie die Helden aus Hollywood,
aber irgendwie spricht es uns an.

Ob die clevere Hausfrau mit ihrem neuen Sunil
glücklicher ist als der Typ, der gerade noch zum Stichtag seinen Bausparvertrag
abschließt – schwer zu sagen, aber oft leiten sie unser Konsumverhalten. Ob
wir die Regierung gewählt haben oder nicht, ihre Sorgen um den Wirtschaftsstandort
Deutschland sind nicht aus der Luft gegriffen.

In ganz unterschiedlichen Bereichen und nur selten direkt drücken diese
Stimmen aus, dass uns etwas Gutes geschenkt wird oder werden kann. Und
nicht irgendetwas, sondern jede beansprucht, das Beste für uns zu haben.

Was als Gegenleistung gebracht werden muss, ist nebensächlich, wenn
sie doch genau das haben, was wir unbedingt wollen. Anders ausgedrückt:
Wenn Politik oder Wirtschaft genau das haben, was wir am meisten wollen, können
sie es verkaufen und es lässt uns völlig kalt.

Oder es gelingt ihnen, es so darzustellen, dass sie es uns schenken. So
bleibt man in guter Erinnerung. Politik und Wirtschaft (Medien) prägen
unsere Gesellschaft und halten sie zusammen, indem sie zum einen ihre Interessen
als die jedes einzelnen darstellen, und zum anderen, indem sie den Handel darstellen,
als wäre er ein Geschenk von ihnen. Ob das den Tatsachen entspricht, ist
unwichtig.

Wichtig ist, dass die Masse der Menschen so denkt. In diesem Fall haben
andere etwas, wovon ich meine, dass ich es brauche. Ich bin auf sie angewiesen.
Je weniger ich beeinflussen kann, was die ‚andere Seite‘ tut, desto abhängiger
wähne ich mich.

Politik und Wirtschaft sollen die Rechte des Einzelnen und seine grundlegenden
Bedürfnisse sichern. Sonst nichts. Weniger soll es nicht sein, denn das
ist essentiell wichtig. Mehr soll es nicht sein, denn jeder hat das Recht, sein
Leben selbst zu gestalten. Eine Kritik kann sich also nicht grundsätzlich
gegen sie richten, aber dagegen, diesen Rahmen zu überschreiten. Denn dann
denkt der Einzelne, dass sein Leben wesentlich von anderen bestimmt wird.

Anstrengendes Glück?

Zunächst hat das Ganze eine angenehme Seite. Mitunter findet man es ja
reizvoll, dass es einen indirekten Bezug zwischen dem eigenen Tun und dem
Ergebnis gibt. Die Erfahrung des Alltags hat uns eingeprägt, dass
der direkte Bezug zwischen Tat und Ergebnis Anstrengung voraussetzt. Wie in
der Schule oder im Beruf, dem Paradebeispiel für Arbeit. Arbeit ist oft
genug nicht angenehm, sie dient vorrangig dem Ziel, das nötige Geld zu
verdienen und wenig darüber hinaus. In zumindest allen größeren
Firmen wird nach Betriebszugehörigkeit oder Position bezahlt, damit nur
indirekt nach Leistung. Jeder kann so ziemlich jede politische Meinung vertreten,
doch hat das zu 99 Prozent keine Auswirkung auf die Politik.

Die meisten Autobesitzer überlassen die Reparatur einem Fachmann, dem
sie mehr oder weniger vertrauen, dass er einen angemessenen Preis verlangt.
Wer bei einem Reisebüro eine Reise bucht, wählt oft nach mündlichen
Beschreibungen und Katalogen aus. In diesen und allen ähnlichen Fällen
wird ein gewisses Grundvertrauen vorausgesetzt, dass das Ergebnis ähnlich
den Erwartungen ist. In diesen und ähnlichen Fällen kann man das nie
genau wissen. Geschweige denn, direkt beeinflussen. Soweit so gut.

Glückskinder haben es leicht

Anders wird es, wenn man von Einzelfällen auf ein allgemeines Prinzip
(fehl)schließt. Die wesentlich wichtigeren Lebensbereiche unterliegen
der Kontrolle jedes Einzelnen. Zumindest prinzipiell; wer diese Kontrolle nicht
wirklich beansprucht und nutzt, vergibt sich sehr viel. Die Tragweite liegt
auf der Hand, wenn z. B. jemand mehr Umgang mit Freunden haben will, aber nichts
dafür unternimmt, da er denkt, dass gute Freunde sich von selber bei
ihm melden. Sicher macht das Verhalten nicht glücklich. Könnte es
einen psychologischen Grund geben, dennoch so zu handeln?

Gibt es keinen direkten Bezug des Tuns zu dem Ergebnis (wie bei der Erwartung,
andere seien dafür zuständig, das Gewollte zu bewirken), kann man
sich als ‚Glückskind‘ fühlen, wenn es sich so entwickelt – man
hat Glück gehabt. Glück ist etwas, das ein guter Zufall über
einen bringt. Wie angenehm kann die Überlegung sein, dass es dann
doch kein reiner Zufall war, sondern dass man etwas Besonderes ist, was
die anderen nicht sehen und man selbst ab und an auch nicht.

Es muss ja
einen Grund haben, dass es gerade mich(!) getroffen hat; andere werden
nicht so verwöhnt vom Schicksal. Und wenn doch … Bei anderen ist es völlig
offensichtlich: Das ist nur Zufall, sicher hat es nichts mit ihnen zu tun, da
braucht man sich auch nichts darauf einzubilden, könnte jedem so gehen.
Werde aber ich ‚auserwählt‘, so wiegt dies viel schwerer, als wenn
ich ‚nur‘ selber etwas erreiche.

Ich will damit Folgendes verständlich machen: Es ist ein allgemeines
psychologisches Prinzip, dass Menschen dazu neigen, eigene Erfolge in jedem
Fall, unabhängig von den Tatsachen oder Zufall, sich selbst als Verdienst
zuzuschreiben. Misserfolge werden meist pauschal der Umwelt zugeschrieben,
sie kommen von außen – auch unabhängig von einer realistischen Einschätzung.
Und Erfolge anderer werden dabei oft als eigener indirekter Misserfolg
gewertet.

Ein bekanntes Beispiel dazu: Die 15-jährige Tochter kommt von der Schule
nach Hause, in der Klassenarbeit hat sie eine Eins geschrieben. Der stolze Vater
zu seiner Frau: „Siehst du, das ist meine Tochter!“ Am Nachmittag
zieht seine Tochter mit ihrer Clique los, kommt spätabends bekifft zurück.
Der empörte Vater: „Was hast du bloß aus dem Kind gemacht, Frau!“

So leicht diese Zuschreibung von Erfolg und Misserfolg auf mich und die
Umwelt ist, hat sie einen entscheidenden Nachteil. Ich kann kaum selbst entscheiden
und bewirken, wobei ich Erfolg habe und aus Fehlschlägen werde ich nur
selten lernen. Auch wenn das oft als entlastender Vorteil angesehen wird,
ändert es nichts daran – ich bin als Spielball der Laune der Natur ausgesetzt.

Und in diesem Rahmen nehme ich kaum meine Chancen wahr, glücklich zu werden
durch eigene Aktionen. Bin ich unzufrieden, kann und muss ich mich mehr
oder weniger darin fügen und auf Besserung warten. Wer so durchs Leben
geht, hat sich sicher nie vor Augen geführt, nach welch unsicheren Regeln
er die Welt einteilt.

Um glücklich zu sein, müssen Sie die Verantwortung für Ihr Handeln
übernehmen. Genau herauszufinden, was Sie selber bewirken, ist oft
genug nicht leicht. Aber – es führt kein Weg daran vorbei. Irgendwo las
ich den Satz ‚Wer glücklich sein will, muss das Chaos in seinem
Kopf bändigen.“ Die Folgen des eigenen Handelns zu kennen, gehört
offensichtlich dazu. Eine kleine Geschichte soll verdeutlichen, worum es geht.

Die alten Rittersleut …

Glück in der Antike GlücksforschungDie Ritter im Mittelalter kämpften in schwerer Rüstung, mit gepanzertem
Pferd, ein den Kopf verdeckendem Helm, Brustpanzer sowie Arm- und Beinschienen.
Dadurch waren sie zwar geschützt, aber auch höchst unbeweglich. Wenn
ein Ritter gegen einen anderen kämpfte, geboten es die Regeln, für
gleiche Kampfbedingungen zu sorgen. Unter gleichen Bedingungen wählten
sie dann auch die gleiche Kampfweise.

Als
sie in den Kreuzzügen gegen die ‚Ungläubigen‘ zogen, zeigte sich ihre eingeschränkte
Beweglichkeit als sehr nachteilig, da ihre Gegner zweimal um sie herumreiten
konnten, ehe sie sich einmal drehten. Die einzige Möglichkeit – und darauf waren
sie bestens eingestellt – war, das andere Heer niederzuwalzen.

Die gefürchtete
Angriffsformation der Kreuzritter wurde als ‚Eberkopf‘ bekannt wegen ihrer
Keilform. Wenn sie in dieser Anordnung angriffen, zerstreuten sie die Gegner
in alle Richtungen; oft konnten sich diese kein zweites mal sammeln und wurden
vernichtet. Jeder Kreuzritter, der nicht zum richtigen Moment in die richtige
Richtung stürmte, verringerte die Effektivität des ganzen Heeres erheblich.

Nun sind Sie kein Kreuzritter und Ihr Ziel ist nicht die Eroberung Jerusalems.
Aber in jeder anderen Hinsicht trifft die Geschichte auch auf Sie und Ihr Leben
zu: Je mehr Sie sich in unterschiedliche Richtungen verteilen, sich teils zurückhalten
oder mit halber Kraft etwas angehen, desto weniger bewegen Sie. Wenn Sie sich
aber mit sich selbst einigen, potenzieren Sie Ihre Kräfte um ein Vielfaches.

Eins-Sein mit sich selbst erfordert Eins-Sein mit seinen Gedanken, Gefühlen
und Handlungen ebenso wie mit seinen Zielen. Stellen Sie sich vor, das Schlachtfeld
ist in Ihnen. Die Ritter sind dann Ihre Gedanken, Gefühle und Handlungen.
Nur wenn alle geschlossen in eine Richtung streben, werden sie erfolgreich sein.
Je mehr ausscheren, desto waghalsiger wird das Unternehmen. Die Gegner sind
die harten Fakten dieser Welt, sie schenken einem den Sieg nicht. Fast schwerer
als der Kampf ist die Aufgabe, die eigene Armee zu ordnen. Doch wenn das gelingt,
ergibt sich der Rest fast von allein.

Selbstwidersprüche oder der innere Bürgerkrieg

Jede Unordnung in den eigenen Reihen, jede Unstimmigkeit macht Sie weniger
einpunktig. Die Unstimmigkeiten zwischen Gedanken, Gefühlen und Handlungen
sind Selbstwidersprüche. Vielleicht denken Sie bei dem Wort ‚Einpunktigkeit‘
an jemanden, der wie ein Komet ohne jede Pause durch´s Leben glüht,
einem einzigen Ziel entgegen ohne jede Pause, ohne sich neu zu orientieren auf
einer Bahn – nichts hält ihn auf, nichts und niemand anderes ist wichtig,
er ist reine Energie … Und so kann kein Mensch leben, der Maßstab wäre
utopisch hoch und alles andere als erstrebenswert.

Sicher will auch niemand so leben. In Extremsituationen sollte man fähig
sein, alle Reserven zu mobilisieren. Das wäre bei dem oben gezeichneten
Bild die Schlacht selbst. Diese braucht aber eine lange Vorbereitung, einen
langen Weg – und vielleicht kann man sie dann sogar umgehen. Auch ein Sieg,
der nicht gefeiert wird, ist keiner. Und man muss auch nicht die Welt erobern,
um glücklich in ihr leben zu können.

Einpunktigkeit meint also, im entscheidenden Augenblick alles für ein
Ziel einzusetzen; ansonsten, sich in kleinen Dingen zu verbessern und zu vervollkommnen,
nichts zu tun, was den eigenen Ansprüchen ans Leben entgegenläuft.

In diesem Zusammenhang ist die aktuelle Veränderung in der psychotherapeutischen
Beratung interessant. In den USA führt der Trend weg von der psychologischen
Sitzung im Sinne Freuds, hin zur sog. philosophischen Lebensberatung. Dem liegt
die Erkenntnis zugrunde, dass die klassische psychologische Herangehensweise
ziemlich wirkungslos ist. Sie hat zwar einen relativ hohen Erkenntniswert, jedoch
bietet sie nur wenig Orientierung für das Handeln des Beratenen – sie bewährte
sich nicht in der Praxis.

Aber genau darum geht es. Was hat ein erwachsener Mensch davon, wenn er herausfindet,
dass seine Höhenangst dadurch verursacht wurde, dass er als Kleinkind
bei stürmischem Wetter nachts auf den Balkon krabbelte und sich ängstigte?
Von dieser Erinnerung allein wird er Höhenangst nicht los. Mehr noch: Um
sie zu bewältigen, ist es nebensächlich, was sie in der Vergangenheit
verursachte. Denn so oder so muss man sich seinen jetzigen Problemen als
der stellen, der man jetzt ist. Dort setzt die philosophische Lebensberatung
an. Die Ursachenforschung als Basis wird aufgegeben. Statt dessen zielt sie
darauf ab, Widersprüche im Weltbild aufzulösen.

Was ist Glück?

Aristoteles
sagte schon, das höchste Ziel jedes Menschen sei Glück. Alle anderen Ziele sind
so verschieden wie die Menschen, und es ist für den Einzelnen unwichtig, wie
groß oder wichtig seine Vorstellungen im Vergleich mit anderen ausfallen mögen.

Jede Vorstellung von einem schönen Morgen, jede Vision, jedes Ziel ist
ein Platzhalter für das eine gemeinsame Überziel, glücklich zu
leben. Glück ist also notwendig an Ziele oder Lebensziele eines Menschen
gebunden. Es kann nicht nur ein Gefühl sein, sondern eine Lebenseinstellung.
Denn nur, wer ein für sich selbst wichtiges Ziel gefunden hat und anstrebt
und dabei alle Hindernisse in Kauf nimmt und weiter daran festhält, kann
glücklich werden.

Wer denkt, es könnte von außen kommen, denkt, jemand oder etwas
anderes könne ihn glücklich machen. Er wird warten müssen und
kann nur ab und an feststellen, er hat eben ‚Glück‘ oder ‚Pech‘
gehabt. Das heißt meist nur, der Zufall bescherte ihm dieses oder jenes.
Wenn sich ein Mensch aber selbst als verantwortlich und prinzipiell fähig
ansieht, das, was ihm am Herzen liegt zu tun, kann er selber bewirken, dass
er besser und glücklicher lebt.

Natürlich kann er auch Fehler machen oder sich irren, aber er kann auch
daraus lernen und besser werden. Dann wird es der Mensch als Bestätigung
erfahren, dass er direkt Einfluss nimmt auf die Ergebnisse seiner
Handlungen; er kann selbst schaffen, selbst Erfolg haben, und ist nicht auf
Launen des Schicksals angewiesen. Er ist kein Spielball mehr, sondern fängt
an, selber zu spielen.

Steward