Change-Tempo: Wieviel Veränderung halten Menschen aus?

In vielen Unternehmen jagt ein Veränderungsprozess den nächsten. Das Veränderungstempo nimmt seit Jahren stetig zu. Aber wie viel Veränderungen halten Menschen aus? Wann wirken Veränderungen konstruktiv? Was passiert, wenn man Menschen überfordert? Mit diesen Fragen beschäftigt sich das Modell der „Veränderungs-Balance“ von Prof. Dr. Axel Koch.

Mittlerweile gehen vielen Mitarbeitern die unaufhörlichen Change-Initiativen auf die Nerven. Zudem entsteht oft Angst, dem ständigen Anpassungsdruck nicht mehr gewachsen zu sein. Da Veränderungen in vielen Fällen jedoch richtig und notwendig sind, sollten sie so erfolgen, dass die Betroffenen konstruktiv damit umgehen können.

Aus diesem Grund befasse ich mich in meiner Forschung mit der Frage, wie viel Veränderungen Menschen aushalten und was die Bedingungen für erfolgreiche individuelle Veränderung sind. Als Ergebnis will ich Ihnen mein Modell der Veränderungs-Balance vorstellen, das Menschen helfen soll zu erkennen, ob und wie gut sie mit einem Veränderungstempo und dem Ausmaß einer Veränderung klar kommen.

Die folgende Grafik soll einen ersten Überblick über das Modell geben.

Modell der Veränderungsbalance von Axel Koch

Wie ist das Modell der Veränderungs-Balance zu verstehen?

Das Veränderungstempo (senkrechte Achse) beschreibt die Häufigkeit von Veränderungen, die Sie erleben. Das Veränderungsausmaß (waagerechte Achse) gibt an, wie sehr Sie sich aufgrund neuer Tätigkeiten und Anforderungen in Ihrem Denken oder Verhalten verändern müssen.

Die orange dargestellte Warnzone gibt an, dass es Menschen zu viel wird. Die meisten haben dafür einen guten inneren Kompass. Diese Warnzone ist vergleichbar mit dem Übergang vom Strand zum Wasser an einem Meer. Haben Sie gerade erst eine Zehe im Wasser, stehen Sie schon mit dem ganzen Fuß drin, oder schwappt Ihnen das Wasser bereits über die Knie?

Bei jedem gibt es eine individuelle Grenze (rot gestrichelte Linie), an der das Veränderungstempo, das Veränderungsausmaß oder beide zusammen in einen kritischen negativen Bereich abdriften. Um im eben genannten Bild zu bleiben: Ihnen steht dann das Wasser quasi schon bis zum Hals.

Erklärung der vier Felder

Checken Sie mit dem Modell Ihre Lage und werden Sie aktiv, wenn Sie sich Ihrer Warnzone oder gar Ihrer inneren Grenze nähern. Die vier Felder in dem Modell haben die folgenden Bedeutungen:

a) Veränderungs-Balance: Psychologisch gesehen ist das der Idealzustand. Dies ist der Fall, wenn sich Veränderungstempo und -ausmaß auf einem individuell angemessenen Level bewegen und Sie beides gut meistern können.

b) Erschöpfung: In dem Feld ist zwar das, was Sie an neuem Wissen oder Fertigkeiten lernen sollen, grundsätzlich machbar und entspricht auch Ihrem Stärkenbereich, nur ist das alles in der zur Verfügung stehenden Zeit eine Überforderung. Das geforderte Anpassungstempo führt zu Stress und Erschöpfung.

c) Nicht mein Ding!: In dem Fall müssen Sie Aufgaben und Arbeiten leisten, die nicht im Bereich Ihrer Stärken liegen. Obwohl das Veränderungstempo in diesem Feld eher gemäßigt ist und damit im Prinzip auch Zeit für Schulung und Übung vorhanden ist, kommen Sie nicht auf ein angemessenes Leistungsniveau.

Menschen haben dabei oftmals das Gefühl, dass eine Tätigkeit nicht zu ihnen passt oder sie sich verbiegen müssen. Es macht einfach keinen Spaß. Sie fühlen sich deplatziert und falsch. Wenn Menschen trotz Anstrengung und grundsätzlicher Veränderungsbereitschaft nicht so richtig vorwärtskommen, entstehen Selbstzweifel und die Motivation sinkt merkbar.

d) Selbstvergewaltigung: Dieses Feld ist besonders kritisch, da beides zusammenkommt. Sie müssen zu schnell zu viel lernen oder sich verändern und gleichzeitig passen die Aufgaben und Tätigkeiten nicht zu Ihren Werten und Stärken. Diesen Zustand kann eigentlich niemand unbeschadet lange aushalten. Psychische und körperliche Erkrankungen sind die Folge.

Mit dem Modell der Veränderungs-Balance möchte ich allen Betroffenen ein Werkzeug an die Hand geben, mit dem sie sich im Change jederzeit bewusst einschätzen und steuern können. Damit verbinde ich die Botschaft, dass sich die Menschen nicht kaputt verändern lassen sollen. Denn gerade die, die besonders veränderungsbereit und flexibel sind, sind am stärksten gefährdet, aus der Veränderungs-Balance zu geraten.

Wer also in ungünstige Bereiche hineinrutscht, sollte sehr bewusst nach Lösungen suchen, um nicht die eigene Motivation, Leistungsfreude und Gesundheit zu verlieren.

Wenn Sie mehr über das Thema erfahren wollen, finden Sie weitere Anregungen auf meiner Webseite "Die Transferstärke-Methode" oder in meinem Buch "Change mich am Arsch".

Viel Erfolg beim Reflektieren und Experimentieren mit diesem Modell!

Prof. Dr. Axel Koch