Sprachkritik: Randglosse zum politischen Sprachfeminismus

Der Verlust des grammatischen Genus für Kategorien und Funktionen kann Beschädigungen des natürlichen Sprachgefühls verursachen, die der Geschädigte bei andauernder Einwirkung des politischen Sprachfeminismus nur noch mit Mühe zu erkennen vermag.

1. Die Bedeutungen einiger Wörter gehen verloren

Das fortwährende Schreiben von Studentinnen und Studenten, Studenten beziehungsweise Studentinnen, Student/innen oder StudenInnen fällt ja nun den Verfechtern des Sprachfeminismus auch selbst als lästig auf. Deshalb weichen sie auf Studierende aus.

Damit ist zwar das Problem nicht behoben, aber es ist nicht sofort sichtbar. Schließlich müssen auch hier der Studierende und die Studierende unterschieden werden. Nur erlaubt hier die Kongruenz der Form eine unauffällige Zusammenfassung. Der Schaden im Sprachgefühl ist aber der allmähliche Verlust des Unterschiedes der beiden Begriffe.

Ein Studierender ist zum Beispiel einer, der sich mit einer Bedienungsanleitung befaßt mit dem Ziel, sie zu verstehen. Das jedoch ist kein Student.

2. Einzelne Sprachsequenzen lassen sich nicht mehr ausdrücken

In einer Gruppe Jugendlicher, die sehr deutlich der politischen Gleichstellungsgrammatik verfallen waren, habe ich in einem Gespräch Fragen gestellt. Einen Jungen habe ich gefragt: „Meinen Sie, daß Sie eine Persönlichkeit sind?“

Nach zögerlicher Bejahung, die wohl aus dem Unverständnis meiner provokativen Frage herrühren mochte, habe ich dann erklärt, daß dies nach den neuerlichen politisch geforderten Sprachveränderungen gar nicht möglich sei. Die Persönlichkeit ist weiblich, eine männliche Form davon existiert nicht. Ergo können nur Frauen Persönlichkeiten sein.

Danach richtete ich eine ähnliche Frage an ein Mädchen: „Meinen Sie, daß Sie ein Mensch sind?“ Natürlich überblickte sie nun meine nachfolgende zu erwartende Argumentation. Der Mensch ist männlich, eine weibliche Form gibt es nicht. Also können nur Männer Menschen sein.

Immerhin haben die Beispiele zur Nachdenklichkeit geführt. Meine nachfolgend ausgeführte sprachwissenschaftliche Erklärung wurde nicht verworfen.

Zwei semantische Formen gibt es in der deutschen Sprache:

  • das grammatische Genus einer Kategorie oder Funktion,
  • das biologische Geschlecht des Inhabers einer Kategorie oder Funktion.

Die Gleichsetzung der beiden Formen führt zu Fehlern, mit denen die Sprache beschädigt wird. Die permanente Doppelnennung weiblicher und männlicher Funktionsträger ist nicht notwendiger sprachlicher Unsinn, weil in allgemeinen Formulierungen das grammatische Genus verwendet werden kann, ohne die Frauen zu benachteiligen oder ungenügend zu berücksichtigen.

Auf Dauer führt dies zum Verlust der allgemeinen Audrucksweise mit Hilfe des grammatischen Genus. Bestimmte Inhalte lassen sich dann gar nicht mehr ausdrücken.

Hierzu ein Beispiel:

Angela Merkel ist der achte Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland. Richtig? – Nein, sagen die Politiker. Angela Merkel ist Bundeskanzlerin. Also korrigiere ich: Angela Merkel ist die achte Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland. Nun aber ist die Aussage falsch, denn ihre Vorgänger waren alle männlich. Nun kann man erneut korrigieren: Angela Merkel ist die erste Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland.

Das ist zwar richtig, aber um diese Aussage ging es gar nicht. Die beabsichtigte Aussage aber kann mit dieser feministischen Spracheinschränkung nicht mehr ausgedrückt werden, weil das hierzu benötigte grammatische Genus der Funktionsbezeichnung Bundeskanzler nicht mehr existieren soll und dem biologischen Geschlecht des Inhabers der Funktion zu weichen habe. Und genau hier liegt der Fehler.

Alles in allem kann festgestellt werden, daß diese Art der Sprachzerstörung in Ländern deutscher Amtssprache politisch inszeniert und vorangetrieben wird. Ursache ist eine falsch verstandene Einstellung zur allgemeinen Rolle der Frau in der Gesellschaft.

Meine Haltung dazu ist eindeutig: Ein Politiker, der die schädlichen Auswirkungen solcher gewaltsamer Sprachveränderungen nicht erkennt, zeigt keine fortschrittliche oder moderne Haltung zur Gleichberechtigung der Frau, sondern lediglich sprachliche Unfähigkeit, Mängel in den Kenntnissen seiner Muttersprache.

Dr. Manfred Pohl