Lampenfieber: Unsicherheit bei einer Rede vor Publikum vermeiden

Wer kennt es nicht, das Lampenfieber? Da steht man vor dem Publikum, um einen Vortrag zu halten oder ein Liedchen zu trällern und kurz vor dem Auftritt ändern sich die Emotionen drastisch. Der Körper schwitzt vor Angst, man denkt „ich schaff das nicht“, die Knie werden weich und zu guter Letzt fängt man auch noch zu stottern an. Der Auftritt vor dem Publikum wird zu einem selbstinszenierten Horrorfilm und man würde sich am liebsten wie ein Mäuschen in ein Loch verkriechen.

Lampenfieber vor der RedeLampenfieber ist ein seltsames Phänomen, das jeder kennt, der vor einem größeren Publikum im Brennpunkt der Aufmerksamkeit stand. Um zu verstehen was passiert, wenn wir Lampenfieber haben, sehen wir uns dieses Phänomen unter verschiedenen Perspektiven einmal genauer an.

Lampenfieber hat immer etwas mit Unsicherheit oder Angst vor Menschen zu tun. Emotionen wie Angst oder Aggression haben wir Menschen in der Evolution entwickelt, um erfolgreich überleben zu können. Ursprünglich sollten uns diese Emotionen helfen in lebensgefährlichen Situationen zwischen Flucht oder Kampf zu entscheiden.

Diese Mechanismen im vegetativen Nervensystem zu steuern, übernimmt in unserem Körper der sogenannte „Sympathicus“. Der Sympathikus kann den Körper zu einer enormen Leistungssteigerung bewegen. Er bereitet ihn auf Flucht oder andere außergewöhnliche Anstrengungen vor.

Dazu kurz eine Erklärung des Vorgangs: Der Hypothalamus – die „Steuerzentrale“ im Gehirn – löst eine Sympathicusreaktion aus, was zur Folge hat, daß die Nebennierenrinde Adrenalin und Noradrenalin produziert. Adrenalin ist ein Streßhormon und schafft die Voraussetzungen für die rasche Bereitstellung von Energiereserven, die in gefährlichen Situationen das Überleben sichern sollen (Kampf oder Flucht). Wie Menschen auf einem hohen Adrenalinpegel reagieren ist individuell sehr verschieden. Da Menschen lernen können mit Streß – und damit einem hohen Adrenalinpegel – klarzukommen, scheint es mir eher ein psychisches Problem zu sein, als ein rein Physisches.

Beim Kampfsport kann man sich beispielsweise dazu erziehen, selbst unter einem hohen Streßlevel, eigenen Handlungen weiterhin zu kontrollieren. In anderen Worten: Welche Handlungsfähigkeiten ein Mensch unter Adrenalin hat, hängt im Wesentlichen von seiner Psyche ab, was natürlich mit einschließt, daß wir selbst unsere Psyche verändern, d.h. neue Verhaltensgewohnheiten einüben können.

Sieht man die Adrenalinausschüttung des Körpers wertfrei, so kann man sagen, daß zunächst einmal nur sehr viel Energie zur Verfügung steht, die wir für alle möglichen Zwecke nutzen können. Ein positives Beispiel: -Viele bekannte Schauspieler sind erst dadurch gute Schauspieler geworden, weil ihnen der Adrenalinschub dazu verhalf wahre Höchstleistungen zu vollbringen.

Dennoch bringt uns ein hoher Adrenalinpegel im Körper auch psychisch in eine labile Situation. Wir haben unter „Hochstrom“ viel eher die Neigung affektiv, triebhaft oder sehr emotional zu reagieren. Unsere rationalen Fähigkeiten können sehr eingeschränkt sein. Wer sich nicht mehr richtig konzentrieren kann, macht leichter Fehler. Bei einem Vortrag kann das bedeuten, daß man den roten Faden verliert, etwas falsches sagt oder einfach nur den Eindruck hat sich zu blamieren. Man hat Angst zu versagen, was den Fluchtreflex stimuliert.

Angst vor ZuschauernDoch vor was wollen wir eigentlich flüchten? Der Mensch ist ein soziales Wesen, wobei seine Reputation (und damit die Wertschätzung) anderer einen hohen Stellenwert für sein (Über-) Leben hat.

Es gibt mehrere Möglichkeiten unsere Reputation in einer Gemeinschaft zu verlieren. Wer gegen die ethischen Konventionen einer Gemeinschaft verstößt, wird zum Verbrecher.

Ist das kognitive Niveau (im Vergleich zum Level der Gemeinschaft) zu niedrig, wird man als Narr oder als „Wahnsinniger“ bezeichnet. Die allgemeinen Wirkungen von einem Verlust der Reputation sind, daß man von anderen als Mensch nicht mehr anerkannt oder für voll genommen wird. Ein Reputationsverlust hat somit immer auch den Aspekt eines „sozialen Abstiegs“ – der eigene Wert in der Gemeinschaft sinkt.

Interessant ist auch der Aspekt, daß Lampenfieber eine Angst vor einer künftigen „Möglichkeit“ ist. Es ist also eine fiktive oder konstruierte Angst, im Gegensatz zu einer realen Angst, wenn wir beispielsweise vor einem Tiger stehen, der uns fressen will. Reale Ängste entstehen durch die sinnliche Wahrnehmung einer Gefahr (Tiger), während fiktive Ängste durch uns selbst (unsere Vorstellung) konstruiert werden.

Im Falle des Lampenfiebers müssen wir also unsere Angst in Gedanken selbst konstruieren, bevor das reale Ereignis überhaupt stattfindet. Wir schaffen es quasi, unsere eigene Fiktion so real erscheinen zu lassen, daß wir uns selbst davon überzeugen, vor unserer Vorstellung „Angst haben zu müssen“.

Wenn fiktive Ängste in unseren Vorstellungen – also durch einen kreativen Akt – entstehen, kann man genau an diesem Punkt ansetzen, den Prozeß zu verändern. Schließlich kann Sie niemand dazu zwingen, vor Ihren eigenen Vorstellungen Angst zu haben – oder positiv ausgedrückt – wir können uns genausogut vorstellen erfolgreich zu handeln.

Im eigentlichen Sinne erzeugt man in sich selbst den Impuls zu flüchten, weil man Angst hat nicht anerkannt zu werden. Da der Mensch ein soziales Wesen ist, will man natürlich zu einer Gemeinschaft oder Gruppe gehören. Somit ist gerade die konstruierte Vorstellung, vom Publikum abgewiesen zu werden, selbstverständlich „tödlich“.

Aus der Geschichte wissen wir, daß es früher einem Todesurteil gleichkam, wenn man von seiner Sippe verstoßen wurde. Ohne den Schutz der Gemeinschaft war man Feinden oder wilden Tieren wehrlos ausgeliefert. Sicher wird man bei einem mißlungenen Vortrag nicht mit derart drastischen Wirkungen rechnen müssen – dennoch sind solche Befürchtungen als Archetypen tief in uns verankert.

Oft verstärkt die Befürchtung vor einem Publikum als Redner nicht perfekt zu sein das Lampenfieber. Doch dabei vergißt man, daß Menschen nie perfekt sind, es gar nicht sein können. Von daher ist es nur gesund sich von einer so hohen Erwartungshaltung zu verabschieden. Gute Redner kennen ihre Schwächen – mehr noch – sie nutzen ihre Schwächen, um eine Rede interessanter zu machen. Nehmen Sie als Beispiel den Komiker Ralf König. Er nutzt sein teilweise unzusammenhängende Gestammel, um damit sein Publikum zu amüsieren – er bringt die Menschen zum Lachen – er macht aus einer Schwäche einen Beruf.

Die Fähigkeit sich über seine eigene Schwäche zu amüsieren – beispielsweise sich selbst bei einem Fehler auf die Schippe nehmen zu können – kann einem Vortrag erst die richtige Würze geben. Wer es schafft seine eigenen Schwächen humorvoll zu kommentieren hat sein „Lampenfieber“ bereits halb besiegt.

Außerdem kann man diese Fähigkeit auch in einer Art „Trockenübung“ leicht trainieren. Stellen Sie sich einfach vor einem Spiegel, stottern Sie mal ordentlich herum und kommentieren Sie anschließend humorvoll anschließend ihr Gestotter. Probieren Sie dies auch mit anderen möglichen Pannen aus – sie werden sehen – eigentlich können Sie keine Situation konstruieren, mit der Sie nicht irgendwie humorvoll fertig werden können.

Wenn Sie das verstanden haben, müssen Sie sich nicht mehr vor Pannen oder Ihren eigenen Emotionen fürchten. Im Gegenteil – wenn Sie lernen Ihre Emotionen zu steuern, können Sie damit überhaupt erst das Publikum mitreißen. Ein guter Redner setzt seine Emotionen in der Rede selbst ein und selbst im schlimmsten Fall hat das Publikum bei einem emotionalen Redner weniger Möglichkeiten einzuschlafen. Es ist ein Trugschluß Emotionen unterbinden oder vermeiden zu wollen, denn wer will schon mit einer Schlaftablette ein geselliges Ereignis verbringen?

Emotionen zeigen dem Zuschauer erst, daß man engagiert für ein Thema eintritt – es einen selbst bewegt und betrifft. Niemand kann andere von dem Wert eines Themas überzeugen, wenn er selbst nicht davon bewegt wird. Emotionen unterstreichen eine Überzeugung – sie zeigen anderen die Priorität einer Überzeugung – sie können Andere anstecken, sich selbst für ein neues Thema zu begeistern.

Versuchen Sie also nicht die wichtigste Quelle ihrer Überzeugungskraft zu unterdrücken. Nutzen Sie Ihre eigene Energie, um andere von Ihrem Thema zu begeistern. Selbst wenn alles schiefgeht, können Sie immer noch einen Witz daraus machen und haben am Ende die Sympathien der Zuschauer auf Ihrer Seite.

Am Ende meiner eigenen Rede, will ich Ihnen noch ein paar weitere nützliche Tips geben, die mir selbst geholfen haben, mit Lampenfieber besser umgehen zu können.

Tipps gegen Lampenfieber:

  1. Wenn Sie nicht ausreichend Zeit für eine Vorbereitung Ihres Themas haben, machen Sie im Zweifelsfall lieber keinen Vortrag. Bedenken Sie, daß eine gute Vorbereitung schon die halbe Miete ist, erfolgreich vor einem Publikum zu sprechen.
  2. Nehmen Sie sich kleine Zettel oder Kärtchen mit, auf denen Sie die einzelnen Schritte (in Stichworten) aufschreiben, d.h. wie bzw. über was Sie in Ihrem Vortrag sprechen wollen. So haben Sie zur Not immer eine Merkhilfe auf die Sie schauen können, um sich zu orientieren.
  3. Lesen Sie Ihren Vortrag nicht vom Zettel ab – damit nehmen Sie sich die Möglichkeit auf die Reaktionen des Publikums einzugehen. Lernen Sie Ihren Vortrag nicht auswendig, sondern reden Sie frei nach den Stichworten, die Sie auf Ihrem Zettelchen aufgeschrieben haben. Beim freien Reden besteht weniger die Gefahr nicht mehr weiter zu wissen. Einen auswendig gelernten Text kann man in der Aufregung leicht vergessen.
  4. Sprechen Sie in Bildern. Sich ein Bild vorzustellen und dieses zu beschreiben hilft Ihrem Gedächtnis, sich komplexere Zusammenhänge merken zu können. Außerdem ist eine bildliche Sprache anschaulich für den Zuschauer – sie können Ihrer Vorstellung leichter folgen bzw. diese besser verstehen. Zudem können Bilder Ihnen selbst helfen, sich bestimmte Eckpunkte besser zu merken und dadurch sinkt die Gefahr „Steckenzubleiben“.
  5. Bestimmte Details, die schwierig zu merken sind, können Sie ebenfalls auf einem Zettel oder kleinen Kärtchen notieren. Dies gilt auch für schwer zu merkende Wörter, ungewohnte Fachbegriffe oder Zungenbrecher.
  6. Machen Sie vorher Atemübungen, Yoga oder Meditieren Sie, damit die Spannung vor dem Vortrag abgebaut wird. Reden Sie beim Ausatmen.
  7. Imaginieren sie sich vorher ein Bild, wie sie erfolgreich auftreten werden. Stellen Sie sich aus Sicht des Publikums vor, wie Ihr Vortrag gelingt.
  8. Wenn Sie unsicher sind, suchen Sie sich bei Ihrem Vortrag im Publikum einen Zuschauer aus, der Ruhe und Zuversicht ausstrahlt. Lassen Sie sich von seiner Gelassenheit tragen – behalten Sie das andere Publikum im Auge.
  9. Am Anfang eines Vortrages empfiehlt es sich in kurzen Sätzen zu reden und Zungenbrecher zu vermeiden.
  10. Beim Vortrag selbst sollte man darauf achten, langsam, laut und deutlich zu reden. Machen Sie zwischendurch ruhig Pausen – das Publikum wird es Ihnen danken. Schnell und hektisch zu reden, verunsichert nicht nur Sie selbst, es kann auch für das Publikum schwierig werden Ihnen zu folgen. Die meisten Anfänger reden viel zu schnell. Eine gut artikulierte Rede kommt Anfängern meist wie „Zeitlupe“ vor, was auch an der Aufregung liegen mag. Wenn Sie nicht sicher sind, welche Geschwindigkeit Sie wählen sollen, nehmen Sie Ihre Rede mit einem Kasettenrekorder in verschiedenen Geschwindigkeiten auf. So bekommen Sie für die richtige Redegschwindigkeit ein „Feeling“.
  11. Sollten Sie nun doch bei Ihrem Vortrag steckenbleiben, dann wiederholen Sie in anderen Worten einfach das zuletzt Gesagte. Sollten Sie auch das vergessen haben, fragen Sie einfach jemanden aus dem Publikum, ob er sich daran erinnert. Mit solchen witzigen Einlagen können Sie Unsicherheiten überbrücken und wenn Sie es humorvoll genug machen, nebenbei die Gunst des Publikums gewinnen.

Viel Erfolg bei Ihrem nächsten Vortrag!

Aaron Ackermann