Was sollte ich bei der Führung von Spezialisten beachten?

In diesem Artikel will ich Ihnen einen Ansatz von Peter F. Drucker näherbringen, der von vielen Fachleuten als einer der herausragendsten Theoretiker und Zukunftsvisionäre des Managements betrachtet wird. Seine Ideen inspirierte eine ganze Generation von erfolgreichen Managern, darunter auch bekannte Größen wie Jack Welch, der Konzerne wie General Electric zur Weltspitze führte. Wir werden uns hier den Aspekt der Menschenführung herausgreifen – oder genauer – das Management von „Wissensarbeitern“.

MenschenführungIm Bereich des Managements gibt es sehr viele unterschiedliche Modelle, wie Menschen geführt werden sollten. Eine These, die im Bereich der Menschenführung immer wieder vertreten wird, lautet, daß es eine einzig richtige Methode gibt – oder zumindest geben sollte – um Menschen erfolgreich zu führen.

Ein bekannter Vertreter dieser These ist Douglas McGregor, der in seinem Buch „The Human Side of Enterprise“ seinen Lesern nahelegte zwischen zwei grundlegenden Arten der Menschenführung zu wählen. Er selbst präferierte eine dieser Thesen als „richtig“ und versuchte damit, die eine und universelle Art der Menschenführung zu etablieren.

Diese Annahme kam geschichtlich, kurz nach dem Ende des 1.Weltkriegs, auf. Man ging davon aus, daß Menschen, die in einem Unternehmen zusammenarbeiten „Angestellte“ sind, die dem Unternehmen ihre gesamte Arbeitszeit widmen.

Das Unternehmen war der Ort, an dem die Angestellten ihren Lebensunterhalt verdienen und von dem ihre gesamte Karriere abhängig ist. Sie wurden als „Untergebene“ betrachtet, wobei man ihnen nur geringe Fähigkeiten unterstellte. Der effektivste Weg sie zu beschäftigen war, daß sie tun sollten, was ihnen vom Vorgesetzten aufgetragen wurde.

Selbst Drucker war lange Zeit ein aufrechter Verfechter dieser These, bis er sich durch das Werk „Eupsychian Management“ von Abraham H. Maslow eines besseren belehren ließ. Maslow nahm ganz von der Prämisse – eine „richtige“ Menschenführungsmethode zu finden – Abstand und demonstrierte Drucker überzeugend, daß unterschiedliche Menschen in unterschiedlichen Organisationen auch unterschiedlich geführt werden müssen. Der Grund für diesen Paradigmenwechsel war, daß sich die Personalstruktur – durch den ständigen Zustrom von Wissensarbeitern in Unternehmen – bis dahin völlig verändert hatte.

Was kann man sich unter dem Begriff des Wissensarbeiters vorstellen? Drucker definiert einen Wissensarbeiter, als einen „selbständig arbeitenden Mitarbeiter einer Organisation, der als Spezialist in seinem Fachgebiet mehr weiß, als jeder andere.“ Insofern ist ein Wissensarbeiter in seinem Spezialgebiet auch seinem Vorgesetzten an Fachkenntnis überlegen.

Eine weitere entscheidende Änderung in der Personalentwicklung war, daß Vorgesetzte heute oft nicht mehr das Unternehmen – oder ihre Abteilung – von Anfang an kennen. Sie werden beispielsweise von anderen Unternehmen übernommen und müssen sich selbst erst in ihre neue Tätigkeit einarbeiten.

Menschenfürhung WissensarbeiterDabei wird nicht selten die Einarbeitung – oder sogar die Ausbildung – solcher Führungskräfte maßgeblich von den Wissensarbeitern in ihrer Abteilung übernommen. Insofern liegt es nahe, die Wissensarbeiter der eigenen Abteilung nicht mehr als „Untergebene“, sondern vielmehr als Partner zu betrachten.

Denn einem Experten kann man – zumindest wenn er von seinem Fachgebiet mehr versteht, als man selbst – nicht mehr wirklich sagen, was er genau zu tun hat bzw. auch wie er es genau tun sollte.

Die Aufgabe des Managers besteht vielmehr darin, dem Wissensarbeiter das „Big picture“ zu vermitteln, ihm also beizubringen über den eigenen Tellerrand hinauszusehen, ihm Orientierung zu geben und strategische Vorgaben verständlich zu machen.

Drucker vergleicht diese Funktion mit dem Dirigenten eines Orchesters. Dieser beherrscht nicht alle einzelnen Instrumente – das können die spezialisierten Musiker besser – aber er weiß, wie er das „Big Picture“ (also die Symphonie) durch eine Zusammenarbeit aller am Besten erzeugen kann. Daher besteht die dringlichste Aufgabe eines Managers darin Menschen zu führen, ihnen eine Ausrichtung zu geben und dafür zu sorgen, daß aus ihren einzelnen Stärken und Schwächen eine produktive Einheit entstehen kann.

Drucker schlägt daher vor, Wissensarbeiter als „freiwillige Mitarbeiter“ (oder Partner) an einem Projekt zu betrachten, die ihre eigenen Produktionsmittel (ihr Wissen) ständig bei sich führen. Dadurch sind sie nicht an ein spezielles Unternehmen gebunden. Sie sind mobil und können beispielsweise durch einen Jobwechsel auch einem anderen Arbeitgeber ihre Leistungen zur Verfügung stellen.

Menschenführung TeamDa Wissensarbeiter mehr von ihrer Tätigkeit wissen als ihr Vorgesetzter, können sie nicht wirklich effektiv kontrolliert werden. Unternehmen, die versuchen durch eine rigide Kontrolle ihre Wissensarbeiter an die Leine zu nehmen, machen oft nur die Erfahrung, daß die Wissensarbeiter anfangen die Kontrollen zu umgehen oder ad absurdum zu führen.

Sie passen sich den Wünschen der Führung an und lernen schnell Berichte so zu verfassen, daß sie der Führung genehm sind. Damit bekommt die Führung keine echten Informationen mehr, sondern wird nur in ihren eigenen Erwartungen bestätigt.

Ein wesentlich erfolgsversprechender Weg ist die Wissensarbeiter selbst als Partner in Problemlösungen einzubinden. Fragen Sie sie nach ihren Vorstellungen und Verbesserungsvorschlägen. Geben Sie ihnen damit die Chance, einen wertvollen Beitrag zum Ganzen leisten zu können.

Nach einem ähnlichen Prinzip werden freiwillige Helfer in Non-Profit-Unternehmen motiviert. Auch sie suchen eine Herausforderung, die sie als konkrete Person wertvoll macht. Solche Mitarbeiter wollen die Ergebnisse ihres Einsatzes sehen und sind dadurch auch motiviert ihre eigenen Kenntnisse (z.B. durch Weiterbildung) zu erweitern.

In diesem Kontext wird schnell ersichtlich, daß es auf die Frage nach der „richtigen Führung“ keine universelle Lösung geben kann. Da unterschiedliche Mitarbeiter unterschiedliche Stärken und Schwächen haben, ist es viel wichtiger eine Form der Führung und Organisation zu finden, wo die Stärken der Wissensarbeiter gelebt werden können. Welche Lösung den meisten – oder qualitativ hochwertigsten – Output bringt, ist immer von den konkreten Personen und dem Kontext abhängig, in dem sie zusammenarbeiten.

Die wichtigste Quelle auf die Frage, wie man die Leistung einer bestimmten Abteilung optimieren kann, sind damit immer die Wissensarbeiter. Auf ihre Anregungen, Verbesserungsvorschläge und Probleme zu hören, liefert einer Führungskraft die wichtigsten Informationen, die man für Innovationen benötigt. Wenn Sie es schaffen Ihre Wissensarbeiter zu überzeugen, daß sie wertvoll für das Unternehmen sind und ihre Innovationen und Problemvorschläge entsprechend honorieren, wird im Allgemeinen deren Leistungsbereitschaft von selbst steigen.

Drucker faßt diese Überlegungen in folgenden Leitsätzen zusammen:

„Mitarbeiter werden nicht gemanagt. Die Aufgabe besteht darin sie zu führen. Und das Ziel lautet, die spezifischen Stärken und Kenntnisse jedes einzelnen Mitarbeiters produktiv einzusetzen“ (Zitat – Peter F. Drucker – „Was ist Management?“ – S.107)

Ich hoffe Sie haben sich durch diese grundlegenden Gedanken zum Thema „Menschenführung“ anregen lassen, selbst einige Perspektiven zu entdecken, wie Sie Ihre Mitarbeiter noch effektiver und erfolgreicher führen können.

Viel Erfolg beim Anwenden dieser Überlegungen!

Tony Kühn