Management: Wie ein Unternehmen seine primären Ziele definiert

Jedem Manager ist bekannt, dass die Entwicklung eines Unternehmens davon abhängig ist, welche Ziele und Zwecke ihm die Führungsebene vorgibt. In diesem Artikel wollen wir die Frage behandeln, welche Schlüsselfragen und Elemente für ein Unternehmen wichtig sind, um zu einer zukunftsweisenden Planung kommen zu können.

Als Anregung zur Ausarbeitung dieses Artikels diente das Buch „Was ist Management?“ – „Das Beste aus 50 Jahren“ von Peter F. Drucker, der von vielen Fachleuten als der größte Zunkunftsvisionär und Management-Theoretiker überhaupt angesehen wird. Falls Sie die Gedanken Druckers interessieren, so finden Sie am Ende dieses Artikels eine kleine Auswahl seiner Werke und eine Kurzbiographie.

GewinnAuf die Frage nach dem Ziel eines Unternehmens hört man oft vorschnell die Antwort, dass dieses „Geld einbringen soll“. Ganz nach dem Motto der Gewinnmaximierung -> billig einkaufen und teuer verkaufen. So einleuchtend diese Antwort auf den ersten Blick scheint, Drucker bezeichnet sie nicht nur als falsch, sondern auch als irrelevant. Warum?

Die Rentabilität eines Unternehmens kann niemals Ihr Zweck sein. Vielmehr ist es eine Einflussgröße, die seine Tätigkeiten einschränkt. Pure Rentabilität ist ein Mythos, der von der irrigen Überzeugung ausgeht, dass sich das Verhalten von Menschen (Hersteller und Konsument) anhand der Profitgier erklären und steuern ließe.

So verbreitet diese These auch ist, wirklich schlüssig nachweisen ließ sie sich nie. Außerdem kann man durchaus Kunden beobachten, die beispielsweise einen teuren Cadillac kaufen, weil sie ein Statussymbol wollen und nicht irgendein kostengünstiges Transportmittel.

So beantwortet die Frage nach dem angestrebten Gewinn nicht, welcher Tätigkeit man nachgehen sollte. Sie beantwortet nicht die Frage nach dem Nutzen für den Kunden. Richtig ist, dass der Gewinn eines Unternehmens bestätigt, dass das Produkt des Unternehmens einen Nutzen für eine Gesellschaft, Gemeinschaft oder ein Individuums darstellt, für das diese zu zahlen bereit sind.

Der eigentliche Zweck eines Unternehmens liegt niemals in ihm selbst, sondern außerhalb: Es muss Kunden finden. Das kann man nach dem Motto: „Der Kunde ist König“ verstehen, da es ohne Kunden keine Daseinsberechtigung für ein Unternehmen gibt. Insofern entscheidet immer der Kunde darüber, welches Produkt er akzeptiert.

Allein seine Bereitschaft ein Wirtschaftsgut oder eine Dienstleistung anzunehmen, macht aus Dingen Güter. Bedenkenswert ist, dass der Kunde niemals ein Produkt kauft, sondern einen Nutzen für sich selbst. Je größer er den Nutzen für sich einschätzt, desto mehr wird er bereit sein für das Produkt zu zahlen.

Es ist nicht von Belang, ob ihm der Nutzen schon bekannt ist. Man denke an die Entwicklung der Computer, deren Nutzen den potentiellen Kunden anfangs gar nicht bekannt war. Denn gerade bei innovativen Ideen, muss der Kunde erst von dem Nutzen einer neuen – für ihn noch unbekannten Möglichkeit – überzeugt werden. Wer neue Kunden schaffen will, muss die grundlegenden Funktionen des Marketings und der Innovation zu nutzen verstehen.

Das Marketing eines Unternehmens verlangt, sich bei der Planung an den faktischen (oder unterstellten) Bedürfnissen des Kunden zu orientieren, seine Lebenswirklichkeit und seine Werte zu erfassen. Diese Bedürfnisbefriedigung des Kunden kann man als Zielformulierung für sein Unternehmen verwenden.

Marketing stellt nicht die Frage: „Was wollen wir verkaufen?“ – sondern „Was möchten unsere Kunden von uns kaufen?“. Gutes Marketing erklärt einem Kunden nicht, „was unser tolles Produkt XY kann und was man damit machen sollte“, sondern beantwortet die Frage, „ob das eigene Produkt dem Kunden einen Nutzen bringt, den er haben will und zu schätzen weiß“.

kaufen MarketingDrucker geht sogar soweit zu behaupten, dass ein gutes Marketing den Verkauf überflüssig macht, denn ein Produkt, welches genau auf die Bedürfnisse eines Kunden zugeschnitten ist, „verkauft sich von alleine“.

Da die Wirtschaft, die Umweltbedingungen und Lebensrealitäten von Menschen einem ständigen Wandel unterworfen sind, muss ein Unternehmen innovativ handeln, um sich den Veränderungen anpassen zu können.

Ergebnisse des innovativen Handelns können beispielsweise niedrigere Preise sein, ein neues oder besseres Produkt oder eine neue Annehmlichkeit, die dem Kunden bis dato unbekannt war. Innovation erschließt neue Märkte und ist der Motor, der die Produktivität der Volkswirtschaft erhöht. Innovation kann technischer Natur (z.B. eine neue Erfindung) oder wirtschaftlicher Natur (z.B. Vereinfachung und damit Verbilligung des Fertigungsprozesses) sein.

Drucker selbst nennt zwei mögliche Definitionen von Innovation:

  • die Aufgabe das Potential der menschlichen und materiellen Ressourcen zur Schaffung von Wohlstand zu erhöhen.
  • die Bedürfnisse der Gesellschaft in Möglichkeiten für eine rentable Unternehmenstätigkeit zu verwandeln.

Die nächste wichtige Frage für ein Unternehmen ist: „Was ist unsere Tätigkeit?“ Sie mag auf den ersten Blick banal klingen, ist aber faktisch schwierig zu beantworten. Doch nur eine Antwort auf diese Frage gewährleistet, dass ein Management dem Unternehmen eine Vision, einen gemeinsamen Wert und ein verbindliches Ziel geben kann, welches von allen Mitarbeitern geteilt wird. Um die Frage nach der Tätigkeit zu beantworten, gibt es wiederum nur den Kunden als Bezugspunkt. Einige nützliche Fragestellungen könnten in diesem Zusammenhang sein:

  • Welches Bedürfnis wird durch das Unternehmen beim Kunden befriedigt? (Denn der Kunde orientiert sich ausschließlich an seinen eigenen Werten, seiner Realität und seinen Bedürfnissen!)
  • Wer ist der Kunde(n)? (Beispiel: Der Großhändler oder die Hausfrau oder beide?)
  • Wo ist der Kunde? (Ist er lokal verortbar?)
  • Was kauft der Kunde genau? (Beispiel bei Cadillac – er kauft kein Fortbewegungsmittel, sondern ein Prestigeobjekt)

Innovation MarketingManche Manager warten mit diesen Fragen so lange, bis das Unternehmen in Schwierigkeiten gerät und offensichtlich wird, dass man am Kunden „vorbei produziert“ und sich damit überflüssig gemacht hat. Gerade in der Gründungsphase eines Unternehmens haben diese Fragen höchste Priorität.

Sie sind aber selbstverständlich auch für ein etabliertes Unternehmen stets von großer Bedeutung. Drucker schätzt die maximale Lebenserwartung von Unternehmen, welche diese Frage nur bei ihrer Gründung gestellt und erfolgreich beantwortet haben, bei ca. 30 Jahren. Je nach Konkurrenz – und deren Aktivitäten – bzw. Änderungen am Markt selbst, kann die Lebenserwartung auch kürzer sein .

Um Innovationsmöglichkeiten zu erfassen, wird folgende Frage gestellt: Welche Bedürfnisse des Kunden werden durch die eigenen Produkte oder Dienstleistungen nicht angemessen befriedigt? Damit kann man neue Tätigkeitsfelder des Unternehmens erforschen.

Eine weitere oft vernachlässigte Frage lautet: „Worin wird die Tätigkeit des Unternehmens in zwei, fünf oder zehn Jahren bestehen?“. Daraus können sich auch Entscheidungen ableiten lassen, wovon sich das Unternehmen trennen will, weil es seinem Zweck nicht mehr dient oder die Bedürfnisse des Kunden nicht mehr befriedigt.

Drucker zählt die Ziele des Marketing und der Innovation zu den grundlegendsten Zielsetzungen, da in diesen Bereichen ein Unternehmen seine Ergebnisse erzielt. Das Marketing ist oft ein sehr komplexer Bereich, der in Teilbereichen definiert werden muss. Deshalb will ich hier einige paradigmatische Fragen nennen, die im Bereich Marketing wichtig werden können:

  • Welche vorhandenen Produkte und Dienstleistungen sollen auf den gegenwärtigen Märkten angeboten werden?
  • Welche Produkte erfüllen die Bedürfnisse der Kunden nicht mehr – oder nur mehr ungenügend?
  • Sind veraltete Produkte obsolet, oder muss ein neuer Markt für sie gefunden werden?
  • Welche neuen Produkte und Dienstleistungen sollen auf dem bestehenden Markt angeboten werden?
  • Stehen neue Märkte zur Verfügung?
  • Entspricht die Vertriebsorganisation den aktuellen Anforderungen?
  • Sind die Dienstleistungsstandards und Dienstleistungsergebnisse konkurrenzfähig?
  • Wie sehen die Kreditstandards und Kreditergebnisse aus?

Wesentlich sind mindestens zwei Entscheidungen des Marketings. Eine Entscheidung über den „Schwerpunkt“ und eine Entscheidung über die zu erlangende Marktposition. Die Entscheidung über den Schwerpunkt ist insofern von zentraler Bedeutung, da durch sie definiert wird, „was das Unternehmen ist“. Bei der Frage nach der Marktposition mag das Beispiel der Firma Du Pont aufschlussreich sein.

Marktanteil MarketingDu Pont hielt nicht an seiner Monopolstellung der Nylonproduktion fest, sondern züchtete sich – durch die Vergabe von Lizenzen – bewusst Konkurrenten heran, die den Markt weiter ausbauten. Ohne diese Maßnahme wäre der Markt für Nylon viel zu langsam gewachsen.

Durch die zusätzliche Aktivität der Konkurrenz wächst dieser immer noch. Dahinter stand eine einfache Überlegung. Ein Marktanteil von 80% von 100 ergibt wesentlich weniger Gewinn, als 50% Marktanteil von 250. So könnte man bei der Frage nach dem Marktanteil sagen, dass man nicht dem maximalen, sondern den optimalen Marktanteil anstreben sollte.

Eine weitere wichtige Frage betrifft die Ressourcenziele, wobei hier Rohstoffe, Arbeitskräfte (Humanressources) und Kapital gemeint sind. Für diese Bereiche sollten vom Marketing ebenfalls Zielvorgaben formuliert werden.

Ein Beispiel: Gegen Ende des 1.Weltkriegs begann der Niedergang der großen Eisenbahngesellschaften in den USA. Grund dafür war, dass die Bahngesellschaften die Attraktivität für Hochschulabsolventen und andere qualifizierten Berufseinsteiger verloren hatten. Dieser Mangel an qualifizierten und innovativen Arbeitskräften sollte den Bahngesellschaften später das Leben kosten. Damit ein Unternehmen an die gewünschten Arbeitskräfte kommt, können folgende Fragestellungen hilfreich sein:

  • Sind die von uns angebotenen Tätigkeiten so gestaltet, dass sich die gewünschte Personengruppe angezogen fühlt?
  • Was haben wir zu bieten, damit sich Fachkräfte mit der Firma identifizieren/sich an sie binden?
  • Welche Arbeitskräfte sind auf dem Markt vorhanden?
  • Was können wir tun, um fachlich qualifizierte Arbeitskräfte anzulocken?

Die Festlegung der Ressourcenziele ist immer ein doppelter Prozess. Einerseits berücksichtigt man die vorweggenommenen Bedürfnisse des Unternehmens, welche auf die Außenwelt projiziert werden. Andererseits sieht man sich die Märkte selbst an, die anschließend auf die Struktur, Richtung und Pläne des Unternehmens projiziert werden müssen.

Aus den Ressourcenzielen ergeben sich Produktivitätsziele, d.h. man kalkuliert den Ertrag aus dem Ressourceneinsatz. Drucker ist der Ansicht, dass die stetige Erhöhung der Produktivität eines Unternehmens eine der schwierigsten Aufgaben des Managements ist.

Diese Schwierigkeit resultiert aus der Tatsache, dass die Produktivität das Ergebnis vielfältiger Faktoren ist, die weder leicht bestimmbar, noch eindeutig zu messen sind. Obwohl es schwierig ist, operationale Maßstäbe zu finden, kommen wir um eine Definition dieser Faktoren nicht herum. Denn ohne Produktivitätsziele ist ein Unternehmen ziellos und ohne Produktivitätsmessungen hat es keine Kontrolle über seine Leistungsfähigkeit.

Am Ende dieser Ausarbeitung will ich noch ein paar Hinweise für das Formulieren von Zielen geben. Ziele die lediglich Absichtserklärungen darstellen – also nicht handlungsleitend sind – sind wertlos. Deshalb hier noch einige wichtige Kriterien, die bei der Zielformulierungen wichtig sind:

  • Formulieren Sie Ziele immer operational, d.h. beschreiben Sie den sichtbaren Output, der bei der Erlangung des Ziels beobachtet werden kann.
  • Formulieren Sie Ziele immer konkret – nicht abstrakt – denn Sie sollen für Ihre Mitarbeiter einen nachvollziehbaren Handlungsleitfaden darstellen.
  • Ziele müssen immer umsetzbar sein, d.h. in konkrete Handlungen und spezifische Vorhaben überführt werden können.
  • Ziele müssen eindeutig formuliert sein, d.h. genau beschreiben, welche konkreten Ergebnisse erzielt werden sollen.
  • Ziele müssen ausgewogen sein, d.h. es ist zu prüfen, ob ein „Gleichgewicht“ zwischen einer Vielzahl von Erfordernissen gegeben ist.
  • Ziele sollten mindestens für alle überlebensnotwendigen Bereiche eines Unternehmens formuliert werden.

Soweit zu meiner kleinen Ausarbeitung, wie ein Unternehmen zu seinen primären Zielen kommen kann. Die wesentlichen Anregungen kamen von Peter F. Drucker.

Seine Kurzbiographie:

Peter F. Drucker wurde 1909 in Wien geboren und publizierte über 30 Bücher, sowie zahlreiche Artikel, die in mehr als 20 Sprachen übersetzt wurden. Sein Wissen kommt aus der Praxis. So beriet er zahlreiche Topmanager, Behörden, Regierungen und Non-Profit-Organisationen.

Für viele Fachleute zählt er heute noch zu den bedeutendsten Zukunftsanalytikern und Management-Theoretikern überhaupt. Als Ideen-Geber findet er auch Erwähnung in Biographien von Erfolgsmanagern – beispielsweise in der Biographie von Jack Welch – dem legendären CEO von General Electric.

Tony Kühn