Geschichte des Managements nach P. F. Drucker – Buchrezension

In der heutigen Zeit gibt es kaum ein Thema, über das so vielfältig und ausführlich geschrieben wird, wie über das Management. In zahllosen Publikationen bekommt der geneigte Leser Modelle, Theorien und Studien vorgelegt, wobei deren praktischer Nutzen oft recht zweifelhaft ist. Doch es gibt immer wieder Autoren, die aus der Masse herausstechen. Im Bereich des Managements ist es Peter F. Drucker.

FabrikEr wurde 1909 in Wien geboren und publizierte über 30 Bücher sowie zahlreiche Artikel, die in mehr als 20 Sprachen übersetzt wurden. Sein Wissen kommt aus der Praxis. So beriet er zahlreiche Topmanager, Behörden, Regierungen und Non-Profit-Organisationen. Für viele Fachleute zählt er heute zu den bedeutendsten Zukunftsanalytikern und Managementtheoretikern überhaupt. Als Ideengeber findet er auch Erwähnung in Biographien von Erfolgsmanagern. Er wird z.B. in der Biographie von Jack Welch erwähnt – dem legendären CEO von General Electric – der dieses Unternehmen zum Erfolg führte und weltweit bekannt machte.

Der Artikel selbst ist inspiriert von Peter F. Druckers Buch: „Was ist Management? Das Beste aus 50 Jahren“ und widmet sich speziell dem Thema der Geschichte des Managements.

Doch beginnen wir am Anfang – genauer in den 50er Jahren des 19. Jahrhunderts – einer Zeit, in der Karl Marx sein berühmtes Werk „Das Kapital“ begann.

Zu dieser Zeit gab es das Management, so wie wir es heute kennen, weder als Begriff noch als Funktion. Damals war der größte Produktionsbetrieb eine Baumwollspinnerei in Manchester, die von Friedrich Engels – einem Freund und Mitarbeiter von Karl Marx – geleitet wurde. Sie zählte zu den rentabelsten Unternehmen dieser Zeit und wurde noch von Vorarbeitern geleitet, welche für die Produktivität und Disziplin der arbeitenden „Proletarier“ sorgten.

Einige Forscher vermuten, dass erst zu Beginn des 1.Weltkrieges, Management notwendig und angewendet wurde. Zum ersten Mal wurde ungeheuer große Mengen an Kriegsmaterial produziert und musste an die Front gebracht werden. Riesige Armeen unterschiedlicher Nationalität mussten organisiert und koordiniert werden. Um dieser Herausforderung gerecht zu werden, musste man eine große Zahl von gut ausgebildeten Menschen zu produktiver Arbeit bewegen. Durch diese Aufgabenstellung leitete sich später die grundlegende Funktion des Managements ab.

Es mussten Menschen mit gemeinsamen Werten, Zielen und Strukturen durch Aus- und Weiterbildung in die Lage versetzt werden, eine gemeinsame Leistung zu erbringen. Zudem musste gewährleistet werden, dass die Planung und Produktion auf Veränderung der äußeren Bedingungen reagieren kann. Diese grundlegende Aufgabenstellung hat sich für das Management bis heute nicht verändert.

China galt um das 18.Jahrhundert noch als führend in der Ausbildung von Intellektuellen. Es brachte zu dieser Zeit nicht nur ca. 20.000 gut ausgebildete Menschen hervor, sondern konnte diesen „Wissensarbeitern“ auch Arbeitsplätze zur Verfügung stellen, wo sie ihr Wissen produktiv einsetzen konnten. Vergleicht man diese Zahlen mit der heutigen USA, die fast eine Million Hochschulabsolventen pro Jahr hervorbringen, so kann man leicht ermessen, wie uns das Management in kürzester Zeit die Lage versetzt hat, unsere Wissensressourcen zu nutzen und in produktive Arbeit zu überführen.

Heute ist es keine Seltenheit mehr, dass Unternehmen um die 10 000 Wissensarbeiter in 60 unterschiedlichen Wissensbereichen beschäftigen. Dabei wird leicht ersichtlich, dass ein so große Anzahl verschiedenster Qualifikationen nur dann eine gemeinsame und produktive Arbeit erbringen kann, wenn dieses Unternehmen professionell geführt wird.

So hat das Management in weniger als 150 Jahren die soziale und wirtschaftliche Struktur der Industrieländer völlig verwandelt. Es brachte die globale Wirtschaft hervor und sorgte für die gleichberechtigte Teilhabe der Nationen an deren Ergebnissen. Es gibt wohl kein anderes Fachgebiet, welches soviel Einfluss auf die Gesamtentwicklung unseres Planeten in so kurzer Zeit genommen hat, wie das Management.

Heute wird oft die sogenannte „Bildungsexplosion“ der letzten 100 Jahre als Voraussetzung für die Entwicklung des modernen Managements gesehen. Denn ohne eine hoch qualifizierte Wissensgrundlage in einer Gesellschaft, könnte das Management nicht existieren. Umgekehrt ermöglicht aber auch erst das Management eine wirksame Nutzung des Wissens dieser hoch qualifizierten – und meist fachlich spezialisierten – Menschen.

Doch zu jener Zeit konnte kaum jemand vorhersehen, welch große Bedeutung das Management in den nächsten Jahrzehnten bekommen würde. Denn die einzige bekannte große Organisation, die damals existierte, war die Armee. Von daher war es naheliegend, dass sich die ersten „Manager“ von Stahlwerken, transkontinentalen Bahnlinien oder Banken etc. am Vorbild der hierarchischen Struktur – von Befehl und Kontrolle – des Militärs orientierten. Diese Struktur beherrschte fast ein Jahrhundert lang die Wirtschaft und begann sich erst zu wandeln, als immer mehr Wissensarbeiter mit Spezialkenntnissen in die Unternehmen strömten.

Laut Drucker war der erste Ingenieur, der an einer Universität ausgebildet und von Siemens im Jahre 1867 eingestellt wurde, Friedrich von Hefner Alteneck. Dort baute Alteneck innerhalb von fünf Jahren eine Forschungsabteilung auf. Weitere Standardabteilungen folgten. Neben der Forschung, wurden von ihm die Fertigung, der Vertrieb, das Finanz- und Rechnungswesen und die Personalabteilung bis zum 1.Weltkrieg erschaffen.

Ein weiterer wichtiger Baustein für den Erfolg und die Entwicklung des Managements, war die betriebsinterne Weiterbildung von Arbeitern. Mit Hilfe der Weiterbildung konnte ein Unternehmen in relativ kurzer Zeit eine große Menge an spezialisierten Wissensarbeitern erzeugen, deren Wissen genau auf den jeweiligen Fachbereich des Unternehmens zugeschnitten war. Diese Art der Schulung war im 1.Weltkrieg noch aus der Notwendigkeit geboren worden, schnellstmöglich Arbeiter mit spezialisierten Wissen zu erzeugen. Wir wissen heute, dass die gezielte Aus- und Weiterbildung von Mitarbeitern der wesentliche Motor war, der den Wandel in der Weltwirtschaft im vergangenen halben Jahrhundert vorangetrieben hat.

Man muss bedenken, dass zum Zeitpunkt des 1.Weltkriegs lediglich Arbeitskräfte zur Verfügung standen, die bis dahin unter vorindustriellen Bedingungen gearbeitet hatten. Damit diese Arbeitskräfte sinnvoll eingesetzt werden konnten, wurden zunächst die nötigen Produktionsabläufe analysiert und in einzelne Tätigkeiten und Handgriffe zerlegt, die von diesen Menschen leicht erlernt und ausgeführt werden konnten. Diese Art der Schulung griffen die Japaner und Südkoreaner zwanzig Jahre später auf, was die Grundlage für den phänomenalen Aufstieg ihrer Wirtschaft bildete.

Die in den Kriegsjahren 1917 bis 1918 für die Planung entwickelten „Gantt-Charts“, dienten später als Vorbild für die Entstehung zielorientierter Planung eines Unternehmens. Desweiteren bekamen Fachgebiete wie die analytische Logik und die Statistik eine immer größere Bedeutung, da sie es ermöglichten, betriebliche Erfahrungen in Definitionen, Informationen und Diagnosen zu verwandeln. Managerkonzepte wurden auf den Vertrieb und Verkauf angewendet. Daraus entwickelte sich das Marketing.

Ein weiterer Meilenstein wurde von amerikanischen Managementpionieren wie Thomas Watson und Robert E.Wood in den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts gesetzt. Es ging um die Einführung der Automation im Herstellungsprozess, der Teamarbeit, der Einführung von Qualitätszirkeln, welche erlauben sollten, den Einsatz von menschlichen Ressourcen anhand von Information zu steuern. Wenn man diese Entwicklung im Nachhinein kommentieren will, passen die Worte von Frederick Taylor hervorragend, der hierzu anmerkte: „Man arbeitete nicht härter, sondern intelligenter!“

managerDie durchschlagende Bedeutung des Managements sollte vielen Nationen jedoch erst nach dem 2. Weltkrieg vollends klar werden. Denn den Sieg über die Deutschen verdankten die Alliierten im wesentlichen dem Management. Die USA produzierten beispielsweise mehr Kriegsmaterial als alle anderen Länder zusammen. Außerdem gelang es ihnen dieses Material an sämtliche Fronten (China, Russland, Afrika, Indien, Westeuropa) zu bringen, was zu dieser Zeit einer logistischen Meisterleistung gleich kam. Insofern war es nach Kriegsende kein Wunder, dass vielen Nationen die Bedeutung eines funktionierenden Managements bewusst wurde.

Es wurde schnell ersichtlich, dass das Management nicht nur für die Armee oder eine bestimmte Form der Unternehmensführung beschränkt war, sondern sich auf jede menschliche Aktivität anwenden ließ, in der Menschen mit verschieden Qualifikationen in einer Organisation zusammenarbeiten mussten. So konnten auch Organisationen wie Krankenhäuser, Kirchen, Universitäten etc. von den Früchten der Erkenntnisse des Managements profitieren. Denn gemeinsam war all diesen Organisationen, dass sie Ziele und geeignete Mittel festlegen, die Fähigkeiten ihrer Mitarbeiter entwickeln, ihre Leistungen messen und die Dienste ihrer Organisation vermarkten mussten.

Nach Drucker ist einer der bedeutendsten Fortschritte in Theorie und Praxis des Managements darin zu suchen, dass im Management das Unternehmertum und die Innovation zusammenfällt. Beim dem raschen Wandel der äußeren Umstände und Bedürfnisse in der heutigen Zeit, ist jedes Unternehmen darauf angewiesen innovativ zu handeln, um sich den laufenden Veränderungen anpassen zu können. So bezeichnet Drucker einen „Mangel an Innovation“ als den wichtigsten Grund für den Niedergang bestehender Organisationen. Genauso wie ein „Mangel an Managementkenntnissen“ der wichtigste Grund für das Scheitern neuer Unternehmen ist.

Wie aus der bisherigen Darstellung zur Geschichte des Managements ersichtlich wird, musste diese Disziplin eine ganze Mengen an Fragestellungen und Problemlösungen meistern, um zu der herausragenden Bedeutung zu kommen, die ihm heute zugeschrieben wird. Doch ist die wesentliche Frage „Was ist Management?“ bislang nur anhand von einigen geschichtlichen Betrachtungen her grob skizziert worden. Daher will ich an dieser Stelle noch 7 Prinzipien von Drucker vorstellen, die für ihn die wesentlichen Eckpunkte des Managements darstellen.

Prinzipien des Managements

  1. Im Mittelpunkt jeder Managementtätigkeit steht immer der Mensch. Ein erfolgreiches Management versetzt Menschen in die Lage, gemeinsame Leistungen zu vollbringen. Ein besonderes Augenmerk wird hierbei auf die Entwicklung und Förderung der Stärken eines Menschen gelegt. Diese müssen sich entfalten können, ohne dass seine Schwächen seine Arbeit wesentlich behindern.
  2. Die Funktion des Managements muss darauf beruhen, verschiedenste Menschen in einer gemeinsamen Unternehmung zu integrieren. Welche Formen der Integration nötig oder möglich sind, wird wesentlich von der Kultur bestimmt, in welcher die Organisation aufgebaut wird bzw. aus welcher die Mitarbeiter stammen. Jedes Volk bringt seine eigene Tradition, Geschichte und Kultur mit, welche als Bausteine für die Integration verwendet werden können. Selbstredend wird es ein Management schwer haben, erfolgreich zu sein, wenn es die Tradition und Geschichte seiner Mitarbeiter außer acht lässt oder diesen gar widerspricht.
  3. Die wichtigste Aufgabe des Managements ist, die Aufgabenstellung – und damit die Ziele und Werte – einer Organisation festzulegen und bei deren Realisierung vorbildlich voranzugehen. Eine Organisation kann nur dann funktionieren, wenn sich alle Mitarbeiter zu den gemeinsamen Zielen und Werten bekennen. Diese Ziele müssen einfach und verbindlich sein, so dass allen Beteiligten eine klare Vision des Ganzen (Big Picture) vor Augen schwebt.
  4. Jedes moderne Unternehmen muss sowohl eine Lern- als auch eine Lehreinrichtung sein, damit die Mitarbeiter die Chance haben, sich wandelnden Erfordernissen und Möglichkeiten des Marktes anzupassen bzw. künftigen Entwicklung vorgreifen zu können.
  5. Um die verschiedenen Fachgebiete eines Unternehmens zu organisieren, ist es elementar eine gute Kommunikationsstruktur zu etablieren. Der Idealfall wäre, wenn alle Mitarbeiter sich Gedanken darüber machen, welche Informationen sie ihren Kollegen zur Verfügung stellen müssen und jeder die Ziele und Verantwortlichkeiten der Beteiligten kennt.
  6. Das Management muss geeignete Werkzeuge zur Verfügung stellen, anhand derer Leistungen im – und außerhalb des Unternehmens – gemessen werden können. Denn nur eine operationale Bewertung von Ergebnissen macht es möglich, dass die Leistungen einzelner Organe – oder der gesamten Organisation – verbessert werden können.
  7. Das wichtigste Ergebnis eines erfolgreichen Managements muss immer ein zufriedener Kunde sein. Denn letztlich stellt die Nachfrage des Kunden nach dem Output der Organisation die Daseinsberechtigung eines Unternehmens dar. Manager, die hauptsächlich unternehmensinterne Belange in den Vordergrund rücken, verlieren oft den Blick auf den Zweck des Unternehmens – einen Nutzen für den Kunden zu liefern, für den er bereit ist etwas zu geben.

ManagerWie man aus der Geschichte – und den von Drucker aufgestellten Prinzipien – des Managements ersehen kann, umfasst ein erfolgreiches Management viele verschiedene Qualitäten, die zu einer Einheit gebracht werden müssen, um erfolgreich wirken zu können.

Einerseits könnte man es als eine „technische Disziplin“ beschreiben, bei der das Handeln und die Anwendung von Wissen im Mittelpunkt stehen, welches am Output der Organisation (Gewinn, Produkte, Dienstleistungen etc.) gemessen wird. Zum anderen muss es Menschen mit ihren Werten und Fähigkeiten dabei helfen, sich in einer größeren gemeinsamen Einheit zu verwirklichen – produktiv zu werden – und könnte somit auch als Humanwissenschaft charakterisiert werden. Selbst ethische Fragestellungen werden mittlerweile für ein langfristig planendes Management interessant, da die Wirkungen des eigenen Handelns über die Grenzen der eigenen Organisation weit hinausgehen können.

Zudem verlangt es Selbsterkenntnis und Wissen – Drucker meint sogar „Weisheit“ – um sich seinen Führungsaufgaben erfolgreich stellen zu können. Es ist laut Drucker eine „angewandte Kunst“, weil es immer auch die praktische Anwendung von Wissen gewährleisten muss. Wissen muss in den Dienst von Effektivität und Resultaten gestellt werden, damit Studenten ausgebildet, ein Haus gebaut oder ein Patient geheilt werden kann.

Tony Kühn