Effektives Management von Wissensarbeitern / Spezialisten

Effektives Arbeiten und Selbstmanagement sind heute wichtige Voraussetzungen, um die interne Effektivität eines Unternehmens zu erhöhen. In diesem kleinen Aufsatz werde ich mich speziell mit der Bedeutung und Rolle der Effektivität von Wissensarbeitern widmen.

Der Begriff „Wissensarbeiter“ wurde von Peter F. Drucker geprägt und meint einen selbständig arbeitenden Mitarbeiter in einer Organisation, der in seinem Fachgebiet ein Spezialist ist. D.h. er versteht von seinem Arbeitsfeld mehr als sein Vorgesetzter. Sein Arbeitswerkzeug ist sein Know-How, welches er dem Unternehmen zur Verfügung stellt. Insofern kann man sagen, daß er seine eigenen „Produktionsmittel“ mitbringt.

Arbeiter SpezialistDie Leistungen eines „manuellen Arbeiters“ beruhen auf bestimmten Handgriffen oder Handlungsabläufen, die sinnlich wahrnehmbar sind, operational beschrieben und gemessen werden können. Die Leistung eines Wissensarbeiters ist hingegen „geistiger Natur“, d.h. er liefert beispielsweise Ideen, Konzepte oder Strategien als Beitrag für das Unternehmen. Früher hatte der „manuelle Arbeiter“ die dominierende Position in einer Organisation inne, d.h. er war noch bis kurz nach dem 2.Weltkrieg in der personellen Mehrheit. Wissensarbeiter und Führungskräfte wurden damals hauptsächlich an der Spitze der Organisation eingesetzt.

Doch diese personale Verteilung hat sich im Laufe der Zeit erheblich gewandelt, so daß es heute keine Seltenheit mehr ist, wenn in einem Unternehmen 40 Prozent oder mehr Wissensarbeiter beschäftigt sind. Bei der Frage – „ob ein Wissensarbeiter oder Spezialist effektiv arbeitet“ – ist leicht einzusehen, daß hier die Tests und Maßstäbe, die für manuelle Arbeiter entworfen wurden, versagen müssen. Die Qualität einer Idee oder eines Konzepts läßt sich schließlich nicht an der Anzahl der Handbewegungen, der Zeilenanzahl im Konzept oder der Menge des Papiers messen, welches zur Erstellung des Konzepts notwendig waren. Hinzu kommt, daß auch der Vorgesetzte nicht mehr unbedingt beurteilen kann, was der Output seiner Wissensarbeiter wert ist, da er vom Thema selbst weniger versteht als der Spezialist.

Mit dieser Umkehrung der Verhältnisse zwischen Vorgesetzten und Wissensarbeiter versagen also die üblichen Kontrollmechanismen. D.h. man kann den Output eines Wissensarbeiters nicht mehr (oder nicht mehr genauso) wie früher überwachen und beurteilen. Insofern steht der Wissensarbeiter heute selbst in der Pflicht seine Tätigkeiten zu planen. Er muß weitgehend selbst für die Erstellung von Leistungsmaßstäben sorgen, anhand derer seine Effektivität beurteilt werden kann. Damit sei nicht gesagt, daß es keine Möglichkeiten gibt, den Beitrag von Wissensarbeitern zu beurteilen, sondern vielmehr, daß wir andere und neue Fragen stellen müssen, um die Qualität und Effektivität des Outputs von Spezialisten zu verstehen.

Beginnen wir mit einer Idee von Drucker (die von mir etwas erweitert wurde) welche besagt, daß ein Wissensarbeiter:

  • … das Richtige …
  • … auf die richtige Art und Weise …
  • … zur richtigen Zeit tun muß, um effektiv arbeiten zu können.

Dies mag auf den ersten Blick banal erscheinen, doch ein Blick hinter die Fassade lohnt sich.

Das Arbeitsfeld eines Wissensarbeiters ist aufgrund seiner Spezialisierung vorbestimmt. Insofern könnte man daraus ableiten, daß er innerhalb seiner „Spezialisierung“ tätig sein und keine Arbeit übernehmen sollte, die von jeder x-beliebigen Person erledigt werden kann. Das Hauptaugenmerk muß auf den Beitrag gerichtet werden – den Output – den nur er zu liefern imstande ist. Sein Beitrag muß so beschaffen sein, daß die darin enthaltenen Daten und Fakten praktisch für andere verwertbar sind – er also einen Nutzen produziert, der von anderen faktisch gebraucht wird.

Spezialist EffektivitätEine Kontrollfrage wäre, was passieren würde, wenn man den Beitrag eines bestimmten Wissensarbeiters nicht zur Verfügung hätte. Denn Ausarbeitungen, die sich in keiner Weise in einen praktischen Nutzen überführen lassen – bzw. in Handlungen „übersetzt“ werden können – sind nutzlos. Wir sollten uns überlegen, welchen Beitrag ein Wissensarbeiter erbringen muß, um die Leistungen und Ergebnisse der Organisation wesentlich zu beeinflussen. Oder anders – wie kann er Beiträge so gestalten, daß sie der Organisation einen maximalen Nutzen bringen?

Damit er diese Frage beantworten kann, braucht er selbst ein genaues Bild von dem Output, der von seiner Planstelle erwartet wird. Eine konkrete und verständliche Definition seiner Tätigkeit ist von großer Wichtigkeit. Schließlich muß er daraus eindeutig ableiten können, was von ihm gefordert wird.

Da seine Arbeitsleistung auf Beiträgen für andere beruht, muß weiterhin sichergestellt werden, daß andere mit seinen Beiträgen arbeiten können. Das besagt, daß seine Beiträge für andere klar verständlich sein bzw. sich daraus eindeutige Konsequenzen (Handlungsrichtlinien) ableiten lassen müssen.

Es soll immer noch Wissensarbeiter geben, die sich nicht die Mühe geben ihre Arbeit für „Laien“ verständlich zu machen. Dies ist aber kein Zeichen von Kompetenz, sondern eher von Ignoranz, da hier völlig übersehen wird, daß es die wesentliche Aufgabe von Spezialisten ist, ihr Wissen für andere produktiv zu machen.

Daraus läßt sich ableiten, daß der Nutzer eines Beitrags entscheidet, ob dieser brauchbar ist oder nicht und nicht der Spezialist! Denn nur derjenige, der einen Beitrag verstehen muß, kann entscheiden, ober er auch verständlich ist. Ob ein Betrag relevante Informationen enthält, kann nur derjenige entscheiden, der die Informationen zu verarbeiten hat. Dadurch kann sich auch ein Vorgesetzter ein Bild über die Qualität der Beiträge seiner Wissensarbeiter machen, ohne selbst das Thema wirklich beherrschen zu müssen. Er muß sich nur Feedback von denjenigen holen, welche die Beiträge des Spezialisten bearbeiten.

Ein Spezialist steht damit niemals für sich allein. Erst wenn andere seine Beiträge nutzen können, hat die Organisation einen effektiven Gewinn. Ein Wissensarbeiter muß sich also um die Bedürfnisse seiner Kollegen kümmern und es muß ihm transparent sein, mit welchen Ergebnissen sie umgehen können. Schlüsselfragen für die Brauchbarkeit von Beiträgen könnten sein:

  • Wann benötigen Sie meinen Beitrag?
  • In welcher Form benötigen Sie meinen Beitrag?
  • Welche Informationen benötigen Sie genau von mir?
  • Wie benötigen Sie meinen Beitrag? (Wie ausführlich müssen die Informationen sein? Welche Kriterien muß ich bei der Selektion der Informationen berücksichtigen? etc.)

Teamwork SpezialistErst wenn auf diese Fragen klare Antworten vorliegen, kann ein Spezialist versuchen, seinen Output für andere so aufzubereiten, daß die Nutzer seiner Informationen tatsächlich etwas mit seinem Beitrag anfangen können. Insofern müssen gerade Spezialisten lernen die Ziele, Grenzen und Wahrnehmungsfähigkeit ihrer Umgebung zu berücksichtigen. Denn erst dann können andere ihre Beträge konstruktiv verwerten.

Aus dieser Forderung ergeben sich implizit zwei weitere Fähigkeiten eines Wissenarbeiters. Nämlich die Fähigkeit zur Teamarbeit – also „etwas für andere zu tun“ – und die Fähigkeit der Kommunikation mit anderen – oder genauer – die Fähigkeit die richtigen Fragen zu stellen, um zu verstehen, was erwartet wird bzw. die darauf zugeschnittenen Antworten in einer verständlichen Sprache zu liefern.

Aus den genannten Überlegungen lassen sich bereits einige brauchbare Bewertungsmaßstäbe ableiten, die zur Beurteilung der Effektivität von Spezialisten herangezogen werden können. Außerdem kann man sich auch direkt an den Spezialisten wenden, um die Bedingungen zu erfragen, die er für eine effektive Arbeit ansetzt.

  • Was können wir von Ihnen erwarten?
  • Für welche Beträge sind Sie der Organisation bzw. Ihren Vorgesetzten gegenüber verantwortlich?
  • Wie könnten wir Ihr Wissen und Ihre Fähigkeiten am effektivsten nutzen?

Damit geben Sie dem Spezialisten die Möglichkeit seine Erfahrungen und Wünsche einzubringen. Manchen Wissensarbeiter ist durchaus bewußt, mit welchen Tätigkeiten sie im Grunde nur ihre Zeit verschwenden. So kommen Sie ohne Umwege an Verbesserungsmöglichkeiten, wie sich die Zeit Ihrer Spezialisten effektiver nutzen ließe.

Von Non-Profit-Organisationen ist bekannt, daß die Motivation (und damit der Arbeitseinsatz) von Mitarbeitern direkt damit gekoppelt ist, ob der Mitarbeiter den Eindruck hat, etwas „wertvolles für ein bestimmtes Ziel beitragen zu können“. Dies setzt voraus, daß er hinter dem Ziel des Unternehmens steht und zudem ein Feedback über den Wert seines Beitrages erhält. Denn erst durch das Feedback von anderen kann ein Spezialisten den Wert seiner Arbeit einschätzen. Erst das konkrete Feedback gibt ihm die Informationen an die Hand, „seine Fehler zu sehen“ oder seine Arbeit für andere zu verbessern.

Wer weiß, was an der eigenen Arbeit gewürdigt / kritisiert wird, wird selbst mit der Zeit seine Leistungsmaßstäbe an ein solches Feedback anpassen. Beispielsweise in der Form, daß der Mitarbeiter sich fragt, wie er sich weiterentwickeln muß, um seine Beiträge optimieren zu können. Er kann sich konkret fragen, welche Kenntnisse und Fähigkeiten er benötigt, um seinen Output optimieren zu können. Er kann sich fragen, welche Stärken er nutzen kann oder welche neuen Standards er benötigt, wenn der Wert seiner Arbeit steigen soll.

Hat er so ein konkretes Ziel vor Augen, wie er seinen Wert für die Organisation erhöhen kann, wird er am ehesten den Willen aufbringen sich neue Fähigkeiten – z.B. durch Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen – anzueignen. Gerade bei Non-Profit-Organisationen ist zu beobachten, daß Spezialisten mit den Anforderungen wachsen, die sie an sich selbst stellen. Wer den Wert seiner Arbeit kennt, wird auch motiviert sein sich weiterzuentwickeln, d.h. den Wert seiner eigenen Arbeit steigern wollen.

Damit kommen wir zum Ende dieser Ausarbeitung. Ich hoffe, daß Ihnen die geschilderten Perspektiven nutzen werden, die richtigen Fragen zu finden, wie Spezialisten effektiver arbeiten können.

Viel Erfolg!

Tony Kühn