Diagnose-Methoden: Was heißt Gesundheit oder Krankheit?

Vor kurzem habe ich eine, auf den ersten Blick, überraschende Aussage gelesen. Patienten, die von ihrem Arzt nicht (genau) erfahren, welche Krankheit sie haben, werden schneller wieder gesund. Wie kann das sein?

Wer eine Diagnose bekommen hat, möchte natürlich wissen, was sie bedeutet. Man fragt Freunde und Bekannte, man hat daheim ein kleines Hausarzt-Lexikon, man schaut im Internet nach und erfährt, wie lange diese Krankheit im Durchschnitt dauert und welche Symptome auftreten können.

Wir sind in diesem Stadium geneigt immer anzunehmen, dass wir die schlimmste und nicht die leichte Variante einer Krankheit bekommen haben. Daher warten wir fast schon darauf, dass die erzählten und beschriebenen Zustände auch eintreffen.

Jetzt steht die diagnostizierte Krankheit im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit des Patienten und die damit verbundene Krankengeschichte. Der Wunsch wieder gesund zu werden, tritt in den Hintergrund. Das typische Patientenverhalten ist, dass wir zum Arzt gehen und erwarten, einige Medikamente verschrieben zu bekommen.

Auch die Ärzte meinen, dass die Patienten in erster Linie kommen, um ein Rezept mitnehmen zu können. Die Pharmaindustrie hat alle Beteiligten an unserem komplexen Gesundheitssystem schon darauf konditioniert. Wer sich allerdings ein wenig mit den Gepflogenheiten in diesem Sektor auseinandergesetzt hat, weiß auch, dass die positive Wirkung der Medikamente oft sehr bescheiden ist.

Sie hängt davon ab, welche Erwartungen der Arzt beim Verschreiben geweckt hat, und oft nur ganz gering von den darin enthaltenen Wirkstoffen. Der Glaube, dass die Einnahme einer Pille zum Gesundwerden führt, weil das bei hunderten Patienten auch schon zuvor so war, führt dann schließlich zur Gesundung. Die medizinische Forschung will die Wirksamkeit der Medikamente dadurch beweisen, dass sie einigen Testpersonen die richtigen Pillen, das Verum, gibt, anderen Testpersonen hingegen nur Placebos, die in Aussehen, Geschmack und Verpackung gleich aussehen, aber eben nicht die zu testenden Wirkstoffe enthalten.

Diagnose MethodenEs ist aber an der Zeit. dass in der Medizin ein Umdenken einsetzt, um den Placebo- Effekt wirklich zum Nutzen der Patienten einsetzen zu können. Ein Placeboforscher hat die Meinung vertreten, so genannte Curabos [übersetzt: ich werde gesund] zu erzeugen. Die Bedeutung liegt damit nicht beim Medikament, sondern im begleitenden Gespräch, das der Arzt mit dem Patienten führt. Nebenbei wird darin die Heilwirkung mit einem wirkstoffarmen Medikament verbunden.

Dann kann auch auf dem Beipackzettel stehen, dass keine Nebenwirkungen zu erwarten sind. Wenn hingegen auf einem Beipackzettel viele unerwünschte Reaktionen als Möglichkeiten angeführt sind, die tatsächlich im Bereich des Möglichen liegen, dann hebt das nicht das Vertrauen in die baldige Genesung. Es muss sogar mit einem Nocebo-Effekt [übersetzt: es wird mir schaden] gerechnet werden.

Der Placebo-Effekt ist seit der Antike bekannt. Bereits der Philosoph Platon sprach davon, dass Worte heilende Kraft haben. Er rechtfertigte die Lüge eines Arztes, wenn dieser einem schwer erkranken Patienten durch Worte das Gefühl gibt, dass er gute Heilungschancen hat.

Vermutlich wusste er, dass der Arzt damit ein positives Denken auslöst, welches wiederum die Selbstheilungskräfte stärken kann.

Der griechischer Arzt Galenos-von-Pergamon gilt als Begründer einer Theorie, die auch Gemeinsamkeiten mit chinesischer und hinduistischer ayurvedischer Medizin hat. Seine Lehre geht von Körper-Elementen aus – ein Ungleichgewicht dieser Elemente führt demnach zu einer Krankheit. Diese Elemente sind Blut, Schleim, schwarze und gelbe Galle.

Galenos Theorie führte dazu, dass Ärzte sich auch mit psychischen Problemen ihrer Patienten auseinandersetzten. Wenn wir einen Blick in die moderne Astro- Medizin werfen, die sich ansieht, wieviele und welche Planeten in Erd-, Wasser-, Feuer- oder Luft-Zeichen stehen und daraus auch einiges über das Gesundheitsbild eines Menschen ableitet, dann wissen wir, mit welch einer großartigen Entdeckung wir es zu tun haben.

Den Ursachen der Krankheiten ging am Beginn der Neuzeit auch der Arzt Paracelsus nach und fand fünf Hauptursachen für unsere Erkrankungen:

  • die Umwelt- und Gestirneinflüsse
  • unsere Ernährung (gesundes oder ungesundes, zu wenig abwechslungsreiches Essen). Bei Heilmitteln (Heilpflanzen) lehrte er, dass es nicht nur auf die richtige Auswahl ankommt, sondern auch auf die richtige Dosis
  • unsere Konstitution (oder ihre Beschädigung durch zu harte Arbeit)
  • der Einfluss der „Geister“ und der Gedanken
  • der schicksalhafte, der göttliche Einfluss.

Methoden der Diagnose Paracelsus hat in seinen Vorlesungen und Vorträgen immer wieder betont, dass diese Ursachen nicht einzeln zu betrachten sind, sondern immer in ihrer Gesamtheit. Er war auch der erste Arzt, der einen Streik als notwendig ansah. Er unterstützte den Aufstand der Arbeiter in den Tirolern Bergwerken, in Schladming und Schwaz, weil sie völlig unakzeptable Arbeitsbedingungen hatten, die zu Krankheiten und zum Tod führten.

Auch der Arzt Victor Adler gab Ende des 19. Jahrhunderts seine Praxis in Wien als „Armeleutedoktor“ auf, um auf politischer Ebene in der Sozialdemokratie für bessere Arbeits- und Lebensbedingungen (kürzere Arbeitszeit, mehr Lohn und bessere Wohnungen) einzutreten. Das Ergebnis ist, dass heute alle Menschen Anspruch auf eine staatlich organisierten Gesundheitsvorsorge haben.

Wir bekommen diese Leistungen unabhängig von unserem Einkommen. Die Krankenkassen verteilen unsere Kassenbeiträge gemäß erbrachter Leistung unter den Ärzten. Das Gesundheitssystem zeichnet sich durch ständig wachsende Kosten aus.

Seit mehr als 20 Jahren kennen wir einen neuen Gesundheitsbegriff, den die Weltgesundheitsorganisation in ihrer Ottawa-Charta geprägt hat:

„Gesundheit ist der Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur des Freiseins von Krankheiten und Gebrechen.“

Wenn wir diesen schönen Leitsatz ernst nehmen, dann sollten wir uns herausgefordert fühlen, uns anzuschauen, wo es in unserem Beruf, in der Familie, im gesellschaftlichen Bereich oder beim Wohnen Umstände gibt, in denen wir uns nicht wohl fühlen können.

Es ist heute nicht wie früher, dass nur zu harte Arbeit krank macht, sondern auch, wenn Menschen erfahren, dass sie nicht gebraucht werden und keine Arbeit finden, bzw. eine Arbeit annehmen müssen, die überhaupt nicht zu ihnen passt. Es gibt noch viel zu tun. Wir brauchen Menschen, die unser Gesundheits-Bewusstsein immer wieder schärfen.

Von Günter Wittek

Günter Wittek