Geheimnisse eines Rechengenies: Interview mit Rüdiger Gamm

Es gibt Menschen, die über ganz außergewöhnliche Einzelbegabungen verfügen, während sie zugleich in den meisten anderen Bereichen eine weit unterdurchschnittliche Leistungsfähigkeit aufweisen. Man spricht in diesem Zusammenhang von sogenannten Inselbegabungen bzw. dem Savant-Syndrom. In diesem Interview wird Peter Schipek zusammen mit Rüdiger Gamm versuchen, hinter die Kulissen dieses ungewöhnlichen Phänomens zu blicken.

Was ist ein Rechengenie?

Ein Rechengenie ist eine Person, die über außergewöhnliche Fähigkeiten im Bereich der Mathematik verfügt. Dies gilt insbesondere für die Fähigkeit, Berechnungen schnell und genau durchzuführen.

Was ist ein Rechengenie?

Diese Fähigkeiten können sich in verschiedenen mathematischen Bereichen wie Arithmetik, Algebra, Geometrie oder komplexeren Gebieten wie Zahlentheorie zeigen.

Rechengenies sind oft in der Lage, komplexe mathematische Probleme im Kopf zu lösen, ohne auf Hilfsmittel wie Taschenrechner oder Papier zurückzugreifen.

Ihre Fähigkeiten können angeboren sein oder durch intensives Training und Studium entwickelt werden. Einige Rechengenies werden durch ihre Teilnahme an Wettbewerben oder durch ihre Beiträge zur Lösung mathematischer Probleme bekannt.

Interview mit dem Rechengenie Rüdiger Gamm

Peter Schipek: Herr Gamm – Mathematik gehört bei Schülern ja nicht wirklich auf die Liste der beliebtesten Fächer. Viele Schüler stehen mit Mathematik auf Kriegsfuß. Sie beschreiben in Ihrem neuen Buch „train your brain“ auch Ihre Kindheit und Schulzeit.

Mathematik war nicht Ihr Lieblingsfach. Sie waren ein „schlechter, geradezu miserabler Schüler“. Wie wird man von einem „miserablen Mathematikschüler“ zum Rechengenie?

Rechengenie Rüdiger Gamm Interview

Rüdiger Gamm: Ich war von klein auf immer sehr wissbegierig. Mein Problem war, dass das, was in der Schule gerade dran war, nie zu meinen aktuellen Interessen gehörte und somit meiner Meinung nach nicht wert war, mich damit zu beschäftigen. Meine Eltern haben mich darin voll unterstützt und haben auch gegenüber meinen Lehrern immer zu mir gestanden.

Wenn mir Mathe auch egal war – habe ich alles über die Raumfahrt wissen wollen. Meine Eltern haben die Briefe der Schule unterschrieben, mir aber auch das nächste Buch, das mich interessierte, gekauft.

Mit 21 war dann wohl die Zeit für mein mathematisches Erwachen und die Zahlen hatten einen größeren Platz in meinem Leben bekommen, als nur auf Daten und Telefonnummern reduziert zu sein.

Peter Schipek: Bei den meisten Savants handelt es sich um Autisten. Sie leiden weder an Autismus, noch haben Sie eine kognitive Behinderung. Gibt es für Sie irgendwelche nachteiligen Auswirkungen durch Ihre genialen Fähigkeiten?

Rüdiger Gamm: Ich denke mal nicht.

Peter Schipek: Sie wurden von zahlreichen Wissenschaftlern untersucht. Konnten diese Wissenschaftler Besonderheiten in Ihrem Gehirn entdecken? Worauf führen Sie selbst Ihre außerordentlichen Begabungen zurück?

Rüdiger Gamm: Die Wissenschaftler finden immer wieder etwas Neues, mit jedem Schritt der Technik kommt man ein kleines Stückchen weiter. Die Wissenschaft möchte darum immer wieder neue Untersuchungen, um die Unterschiede zwischen mir und „Normaldenkern“ festzustellen.

Die Anatomie meines Gehirns ist etwas anders als üblich. Der Verbindungsbalken zwischen den beiden Gehirnhälften ist bei mir um einiges dicker ausgeprägt als bei anderen Menschen. Auch an den Seiten ist mein Hirn breiter.

Ich denke, meine Begabungen hängen zum Teil von der veränderten Anatomie und zum anderen von meiner extremen Verbissenheit zu trainieren ab. In den Monaten zu Anfang meiner Rechnerei habe ich teilweise täglich acht und mehr Stunden
alleine im Wald mit meinem Training verbracht. Eigentlich war ich nur noch zum Schlafen, Essen und Duschen daheim.

Rechengenie Rüdiger Gamm Interview

Peter Schipek: Beim Lösen komplizierter Rechenaufgaben sehen wir Sie immer mit den Händen arbeiten. Ist das für Sie eine Lern- und Trainingshilfe?

Rüdiger Gamm: Die Bewegungen sind kleine Gedankenstützen. Da ich gleich zu Anfang mit diesen unbewusst gemachten Bewegungen trainiert habe, helfen sie mir, die Lösungen leichter zu finden, sodass die Aufgaben immer komplexere Ausmaße annehmen.

Peter Schipek: Was motiviert Sie zu solchen Leistungen und wie trainieren Sie Ihre Fähigkeiten?

Rüdiger Gamm: Am meisten motiviert es mich immer weiterzumachen, damit ich auf meinem Gebiet weltweit der Einzige und somit auch der Beste bin. Noch als Zwanzigjähriger war ich äußerst schüchtern. Doch mit meinem Erfolg ist auch mein Selbstbewusstsein immer weiter gewachsen und einstige Probleme existieren heute nicht mehr.

Peter Schipek: Sie erklären in Ihrem Buch leicht verständlich, wie das Gehirn arbeitet. In einem Kapitel beschreiben Sie „Die optimalen Voraussetzungen für das Lernen“. In diesem Kapitel habe ich einen besonders schönen Satz gefunden: „Wir müssen wieder selbst mit uns in einen Wettstreit treten.“

Viele Kinder und Jugendliche erleben die Schulzeit jedoch als einen harten Konkurrenzkampf – sie treten in Konkurrenz zu ihren Mitschülern. „Wir müssen wieder selbst mit uns in einen Wettstreit treten.“ Was bedeutet dieser Satz für Ihre Arbeit? Erläutern Sie uns den Satz bitte ein wenig näher.

Rüdiger Gamm: Wenn wir damit aufhören, jeden Tag mehr zu versuchen – besser zu sein als am Tag zuvor – haben wir ein Problem. Denn nur, wenn wir uns immer weiter nach vorne treiben und motivieren, können wir uns weiter entwickeln und Erfolge erzielen.

Ein großes Problem in der Schulzeit ist ja auch möglichst nicht der Beste zu sein, denn dann zählt man zu den Strebern. Man wird verlacht, verspottet, gedemütigt. Genauso, wie die Schwachen sehr schnell als dumm verlacht werden.

Also möglichst nicht vom Durchschnitt abweichen, denn Mittelmaß schafft Freunde und so vermeidet man Stress. Aber genau diese Mittelmäßigkeit kann später zu großen Problemen führen und die Entwicklung des Selbstbewusstseins stören. Darum sollte man immer wieder die Latte gegen sich selbst höher hängen.

Peter Schipek: In Ihrem Buch finde ich auch eine Menge praktischer Übungen. Eine davon ist – „die liegende Acht“. Erklären Sie uns bitte diese Übung.

Rüdiger Gamm: Sie ist eigentlich ganz einfach. Jeder kennt die Form der „liegenden Acht“. Und genau diese Form gilt es, mit den Augen oder Armen nachzuzeichnen. Diese Übung regt im Wechsel beide Hirnhälften an und aktiviert so die Zusammenarbeit beider. Denselben Effekt haben auch andere Überkreuzübungen. Darum ist beispielsweise auch Kampfsport oder Tanzen so effektiv fürs Gehirn.

Peter Schipek: Konzentrationsschwierigkeiten nehmen bei Schülern rasant zu. Eine der Ursachen liegt in der falschen Ernährung. Auch aus Ihrem Buch erfahren wir, wie wichtig die richtige Ernährung ist. Was sind denn Ihrer Meinung nach die schlimmsten Ernährungsfehler und wie schaut der „ideale“ Speiseplan aus?

Rüdiger Gamm: Zuerst die Probleme: zu viel Zucker, zu viel Glutamat und andere Zusatzstoffe. Zu wenig Mineralien und Vitamine, zu wenig hochwertiges Eiweiß, zu viel schlechte Fette und zu wenig gute Omegafette und dann noch das Fatalste, viel zu wenig Wasser.

Eine gute Alternative zu all dem Fast Food und Fertigessen wäre z. B. Frühstück: 1 Roggenbrötchen mit Frischkäse und etwas frischem Obst oder Gemüse. Zwischendurch Obst oder Gemüse, Joghurt mit Früchten aber nicht das Fertigzeug – da ist viel zu viel Zucker drin; ein belegtes Brot oder auch Brötchen.

Mittags: Eine Handvoll Nudeln, Reis oder auch zwei kleine Kartoffeln. Etwa dieselbe Menge Gemüse oder Salat und dann etwa der größte Teil mageres Fleisch, Fisch, Eier oder andere gute Eiweißlieferanten.

Snack: Obst oder Gemüse, auch ein Glas Milchmix mit frischen Früchten

Abends: Etwa die Hälfte auf dem Teller sollte eine Proteinquelle sein, die andere Hälfte Gemüse. Aber abends bitte keine Rohkost mehr und nur noch ganz wenig Kohlenhydrate wie Brot, Nudeln, Reis oder Kartoffeln. Gelegentlich sind Süßigkeiten oder auch eine Limo ganz o. k., aber eben nicht in der üblichen Häufigkeit und Menge.

Als Flüssigkeit hauptsächlich Wasser oder auch Tees. Das Wasser kann man auch mit einem kleinen Schuss Fruchtsaft aufpeppen, aber nie mehr als ¼ Saft in der Mischung. Eistee ist übrigens eine genauso große Zucker- und Koffeinbombe wie Cola. Und ein Glas Apfelsaft hat sogar noch mehr Kalorien und Zucker wie Cola. Darum Wasser, Wasser, Wasser – alles andere sollte ein kleines Extra bleiben.

Rüdiger Gamm Interview

Peter Schipek: Sie arbeiten auch als Coach und Mentaltrainer. Gemeinsam mit Ihrer Lebensgefährtin Alexandra Ehlert unterstützen Sie Schülerinnen und Schüler mit speziellen Lerntrainings.

Welche Tipps können Sie Eltern und Schülern geben, um mehr Freude und Erfolg beim Lernen zu haben?

Rüdiger Gamm: Finde deine Interessen, fördere deine Talente und lass’ dir vor allem nie einreden, dass du etwas nicht kannst.

Peter Schipek: Herr Gamm – herzlichen Dank für das interessante Gespräch und für Ihre Tipps!

Woran erkenne ich außergewöhnliche mathematische Fähigkeiten bei einem Kind?

Besondere mathematische Begabungen bei Kindern können auf verschiedene Weise erkannt werden. Hier sind einige Anzeichen und Merkmale, auf die Eltern und Erzieher achten können:

  • Frühes Interesse an Zahlen: Das Kind zeigt schon in sehr jungen Jahren ein ausgeprägtes Interesse an Zahlen, an Mustern und an der Lösung von Rätseln. Es spielt gerne mit Zahlen, sortiert sie oder sucht nach Mustern.
  • Schnelles Erlernen mathematischer Konzepte: Das Kind erfasst mathematische Konzepte schneller als seine Altersgenossen. Es benötigt nur wenige Wiederholungen, um neue Fertigkeiten zu erlernen oder komplexe Probleme zu lösen.
  • Hervorragende Problemlösefähigkeiten: Kinder mit besonderen mathematischen Begabungen sind in der Lage, komplexe Probleme intuitiv zu lösen, manchmal auch ohne Anwendung formaler Methoden oder Techniken. Sie finden oft eigene Wege, um zu einer Lösung zu gelangen.
  • Interesse an komplexeren mathematischen Problemstellungen: Das Kind sucht nach anspruchsvolleren Aufgaben. Es zeigt Interesse an mathematischen Themen, die über den Lehrplan seiner Altersstufe hinausgehen.
  • Gedächtnis für Zahlen und Fakten: Das Gedächtnis für Zahlen, mathematische Fakten und Formeln ist oft außergewöhnlich gut.
  • Fähigkeit zur Mustererkennung: Das Kind erkennt natürliche Muster in Zahlenreihen oder geometrischen Anordnungen. Es kann diese Fähigkeit in verschiedenen Kontexten anwenden.
  • Selbstmotivation zum Lernen: Beim Erlernen neuer mathematischer Konzepte und beim Experimentieren mit Zahlen und beim Lösen von Problemen zeigt das Kind ein hohes Maß an Eigeninitiative.
  • Mathematik kreativ anwenden: Kinder mit besonderen mathematischen Fähigkeiten neigen dazu, kreative Lösungen für Probleme zu finden und können Mathematik auf ungewöhnliche Weise in andere Interessengebiete integrieren.

Wenn Sie vermuten, dass Ihr Kind über diese Fähigkeiten verfügt, können Sie sich von einem Lehrer oder Pädagogen beraten lassen. Es ist wichtig, das Kind zu ermutigen und zu unterstützen. Es darf aber nicht überfordert werden. Eine positive Einstellung und Interesse an Mathematik sind immer hilfreich.

Kurzvita: Rüdiger Gamm

Rüdiger Gamm ist einer von weltweit ca. 100 Savants, sein IQ liegt bei über 200. Er gilt als eines der größten Rechengenies und spricht mehrere Fremdsprachen perfekt – gerne auch rückwärts.

Dabei geht es nicht nur um Rechnen im herkömmlichen Sinne, sondern auch um das Behalten von Ergebnissen mit großen Zahlenmengen, die bei Bedarf auch nach vielen Jahren „abgerufen“ werden können.

Während andere Savants ihre Begabung als gegeben hinnehmen, betont Gamm die Notwendigkeit, angeborene Fähigkeiten und Talente permanent zu trainieren. Er ist bekannt durch internationale Wettbewerbe, Fernseh-Auftritte und Medienberichte. Er arbeitet als Coach, Kreativitäts- und Mentaltrainer. Zusammen mit seiner Lebensgefährtin Alexandra Ehlert unterrichtet er an Schulen das Zusatzfach: Mathematisches Mentaltraining.

Autoren: Peter Schipek und Tony Kühn

Viel Spaß beim Rechnen!

Philognosie Team