Magie des Voodoo – eine haitianische Hexentradition

Voodoo – eine Welt zwischen Magie und Religion

Aus ursprünglich afrikanischer Natur-Religion (Region Benin) herkommend, wonach
Kräfte/Geister (Rada-Loas und Petro-Loas) Himmel, Erde
und Unterwelt regieren und verbinden, zwischen denen ein energetischer Austausch
herrscht und denen man opfern muß, um sie wohlgesonnen zu
machen, wurde, infolge der historischen Ereignisse der Sklaverei auf Haiti,
der Voodoo-Glaube geboren.

HaitiDiese
Geister entsprechen den Elementen der Natur und den vier Himmelsrichtungen,
die jeweils heilend oder zerstörend wirken können. Hinzu kommt – ähnlich wie
beim Wicca-Kult – der Spirit: Göttin, Gott und Schöpfungskraft.

Der Spirit hilft
als Mittler zwischen Diesseits und Jenseits sowie Ober- und Unterwelt im Diesseits.
Dieser Mittler kann in verschiedenen Formen erscheinen (Zweigesichtig): Als „Gott der Sonne“ oder „Göttin des Mondes“, als „Tunnel“, „Baum“oder „Säule“.
Die Dualität selbst wird in den Zwillingskräften symbolisiert.

Symbol des Universums von Himmel, Erde, Unterwelt ist – wie bei den Druiden
– das gleichschenklige Kreuz. Am einfachsten ist der Zugang zu den Geistern
und Kräften am „Scheideweg“ durch eine bestimmte Übereinstimmungen in der Symbolik.
Symbole wie – ein Wegkreuz in der Dämmerung, die Übergangsjahreszeiten von Frühling
und Herbst oder Sonntage – sind solche Übereinstimmungen, die einen direkten
Zugang zu diesen Kräften ermöglichen. Der senkrechte Balken des gleichschenkligen
Kreuzes verbindet Ober- und Unterwelt – Diesseits und Jenseits. Der horizontale
Balken stellt die Zeitdimension dar und verbindet Vergangenheit und Zukunft
im Diesseits.

Die Geister „Azacca“ und „Gèdè“ repräsentieren das Schwarze, den Abgrund, den
Tod (den „Herrn der Finsternis“) und den Übergang. Die Zeit repräsentiert einerseits
die Veränderung in positiver Gestalt – hierzu gehört das Prinzip des Aktiven
und der Erlösung – und andererseits die negative Gestalt oder das Ungleichgewicht,
die Einseitigkeit und die Zerstörung. (Anmerkung: Bei den alten Ägyptern ist
die Göttin Hathor u.a. die Herrin der Finsternis!)

Das Luftelement (Mentalebene) wird in „Loco“ und „Ayizan“ (Ahnenkräfte) verehrt,
da die Voodooisten auch an Reinkarnation bzw. Karma glauben. Hier besteht eine
Ähnlichkeit mit den alten Ägyptern und ihrer Vergöttlichung der Ahnen. Ein ausgeklügelter
Totenkult gehört daher ebenso zum Glaubenssystem, wie ein abgestufter Kult mit
Riten zur Ehrung der Toten.

Das Wasser- und das Erdelement zusammen wird in der „Göttin Ezilie“ verehrt,
die später auch mit der Jungfrau Maria gleichgesetzt wurde. Man könnte sagen,
die Natur, der Körper und der Planet Erde (Gaia) als Lebewesen kann als das
Passive (Gleichgewicht) interpretiert werden. In der Natur gilt das Gesetz:
je mehr Vielfalt an verschiedenen Arten, Kräften, Geistern und Göttern vorhanden
ist, desto stabiler ist das Gleichgewicht.

Die Lebensenergie wird auch als Schöpfungskraft, Sexualität und Kreativität
gesehen. Sie ist ein Symbol des Wasserelements und wird als Schlangengott und
Göttin des Regenbogens angebetet. Diese korrespondieren auch mit der Darstellung
der Erd- oder Himmelsschlange, auch Ouroboros genannt.

Dem Schlangengott untergeordnet ist „Simbi“ der Bote des wässerigen
Mediums oder der Unter- und Gefühlswelt. Er vermittelt zwischen Menschen-
und Geisterwelt, während „Legba“ der Bote der oberen Hälfte
der Säule des gleichschenkligen Kreuzes dem Himmel (Spirit) zugeordnet
wird. Das Bild des Wasser ist universal – es kommt in der Erde, auf der Erde und über der Erde vor.

DschungelDas
Feuerelement, welches das alchemistische Umwandlungselement (oder Herz/Seele)
verkörpert, ist „Ogu“ zugeordnet und mit ihm auch die untergeordneten Geister.
Zur Symbolik ist anzumerken, daß auch das Feuerelement überall zu finden ist
– in der Erde, auf der Erde und über der Erde.

Der Gottesdienst im Voodoo, bei dem es eigentlich um Heilung geht, beinhaltet
Besessenheit der Tänzer, welche durch die heilige Trommel hervorgerufen wird.
Man spricht von den Tanzenden auch als „die vom Geist Gerittenen“. Die Opfergabe
wird in Form von Lebensenergie – durch das Töten eines Tieres – dargebracht.

Da die Rhythmen der Trommeln den Pulsschlag von Menschen und Geistern synchronisieren,
sind sie das wichtigste Instrument des Gottesdienstes. Die Aufgabe der Trommler
ist also gezielt – durch einen genau abgestimmten Rhythmus – Besessenheiten
hervorzurufen. Außerdem können sie durch Rhythmen von argloser Fröhlichkeit diese
Besessenheit nachträglich wieder lösen bzw. beenden.

Da die Voodoo-Anhänger sich in der Trance mit dem invozierten Geist verbinden,
können die Geister als Vermittler auftreten. Sie vermitteln einen Zugang
zu den existentiellen Wahrheiten ihres Daseins und können dadurch verdrängte
Traumata und Leiden der Tänzer heilen. Die Kraft dieser Geister hilft den
Tänzern ihre blockierte Lebensenergie freizusetzen, welche durch die Traumata
oder Leiden gebunden ist.

Die Namen der jeweiligen Geister charakterisieren die Eigenschaften der in
der Trance freigesetzten (erlösten) Traumata. Auch die Bewegungen in der
Trance sind für den speziellen Geist charakteristisch. Die Tänze für
die Wasser- und Schlangengeister bestehen aus schlängelnden, fließenden
Grundbewegungen, während stampfende, wirbelnde, elektrisierende Bewegungen
den Erd- oder Feuergeistern zugeordnet werden können. Geister des „Herrn
der Finsternis“‚ zeigen sich durch stoßende, wackelnde oder wiegende
Bewegungen mit Becken und Hüfte.

Ob man als Voodoo Priester(in) berufen ist, wird durch die eigenen Träume
entschieden. Eine andere Möglichkeit ist, von einem der besessenen Tänzer
während des Gottesdienstes angesprochen zu werden. Nach der Berufung folgt
eine Initiationszeit. Während dieser Zeit pflegen die Adepten lebhaft zu
träumen. Die Träume sind Botschaften ihres Geistes, Gottes oder ihrer
Kraft. Durch diese Initiation sollen sie die Fähigkeit erlangen, später
als Priester eine Zeremonie leiten bzw. kontrollieren zu können.

Die Adepten
werden jedoch mittels Einschüchterung in das Glaubenssystem des Voodoo
initiiert und durch Opfergaben ausgebeutet. Hierbei kommen sogenannte „Seelenkrüge“
zum Einsatz, die von den Priestern verwahrt werden und eine Mischung von Opfertieren
und Haaren und Nägeln des Initiierten enthalten. Darüber hinaus sorgen
die Priester aber auch für ihre Schützlinge und kümmern sich
um ihre Gemeinde. Ein gutes Verhältnis zum Priester oder der Priesterin
soll Glück und Frieden garantieren.

Die Geister von Himmel, Erde und Unterwelt können sowohl weiße als auch schwarze
Magie wirken. Hierbei wird der weißen Magie das „Werden“ und der schwarzen Magie
das „Vergehen“ zugeordnet. Außerdem gibt es im Voodoo auch Amulette oder Glücksbringer,
die zur Abwehr von Schadenszaubern genutzt werden (Gris-gris-bag). Desweiteren
verwendet man im Voodoo auch magische Lampen (zur Anziehung von Reichtum/Glück),
magische Bäder oder magische Heilpulver. Bei Liebeszaubern soll der/die Geliebte
durch ein Ritual an eine bestimmte Person gebunden werden. Allgemein üblich
sind auch Vermehrungs- und Fruchtbarkeitszauber, die förderlich für den Kindersegen
einer Familie sein sollen.

Voodoo PuppeEs
sind auch Schadenszauber bekannt, die Wanga genannt werden. Ein Wanga ist ein
Schadenszauber mit begrenzter Wirkung, d.h. er wirkt nur auf eine einzelne Person.
Um einer verzauberten Person zu helfen, muß ein Priester das versteckte Wanga
finden. Um diesen zu vernichten, muß der Wanga verbrannt oder im tiefen Wasser
vesenkt werden.

Um einen „harmlosen Gegenstand (z.B. eine Nadel, Stock, Glas, Pulver,
Stein etc.) mit einen tödlichen Zauber zu belegen, genügt es, daß
ein Priester(in) die betreffende Sache „bespricht“ oder einfach nur
berührt. Außerdem gibt es den berühmt berüchtigten Puppenzauber,
der weiß- und schwarzmagisch eingesetzt werden kann.

Das „Zombie-Machen“ könnte man mit dem im Westen bekannten Mobbing
vergleichen. Hier werden Menschen ihres „Geistes“ oder ihres „Willens“
beraubt und als Arbeitssklaven mißbraucht.

Mich interessiert beim Voodoo das hinter Opfergedanken und der Initiation stehende
Weltbild. Im Gegensatz zum Wicca-Glauben, geht man hier nicht so „freimütig“
mit seinen Geistern, Göttern und Kräften um. Zunächst ist beim
Voodoo die symbolische Verbindung des Willens der Person mit dem ihr entsprechenden
Geist, Gott oder Kraft relevant. Die demütigende Initiation in der „Seelenkrugzeremonie“
ist in einem übertragenen Sinne zu verstehen. Hier soll der Geist einer
bestimmten Person bei der Umwandlung ihrer eigenen negativen Energien helfen.

Frei nach dem Motto: „Was mich nicht umbringt, macht mich stark“,
ist der durch die Initiation erfolgte Eingriff in die Persönlichkeit (der
auch als psychischer Schock erfahren werden kann) förderlich. Dieser Schock
stellt die Hilfe des invozierten Geistes einer Person dar, die heilenden Kräfte
aktiv werden zu lassen. Je mehr Energie durch eine Person transformiert wird,
desto mächtiger wird sie, desto größer wird ihr Charisma (bzw.
ihr Geistpotential).

Diese Stärkung des eigenen Charismas hilft ihr, in
widrigen Umständen mit sich selbst oder ihren Problemen klar zu kommen.
Dann kann sie besser zwischen ihren eigenen Kräften (oder geistigen Fähigkeiten)
und den auf sie einwirkenden, manipulierenden Kräften der Um- und Unterwelt
unterscheiden und sich entsprechend schützen.

Im Opfergedanken des Voodoo selbst findet sich aber eine mechanistische Sichtweise
von der Begrenztheit der Kräfte im Universum wieder: Wenn ich hier etwas
wegnehme, muß ich woanders wieder etwas hinzufügen (von mir opfern).

Der Gedanke von der Schöpfungskraft als ewige Umwandlungskraft – wie er
auch in der altägyptischen Religion in der Metamorphose der Gegensätze
(Gesetz der Hathor) vorkommt – ist im Voodoo nicht relevant oder wird zumindest
verdrängt. Dabei zeigt allein die Tatsache des Totenkults selbst (bzw.
auch der Glaube an Reinkarnation), daß man von einer ewigen Umwandlungskraft
ausgeht. Geht man jedoch von diesem Transformationsprinzip aus, geht keine Energie
verloren, sondern sie wird immer nur in verschiedene Formen umgewandelt.

Wenn jedoch Energie lediglich umgewandelt wird, muß nichts zurückgeben werden,
da niemals etwas verloren ging. Demzufolge wäre auch die Idee des „Opfers“ sinnlos.
Wenn man dennoch opfern möchte, wäre mein Vorschlag, ein Äquivalent für Lebensenergie
zu benutzen, wie das z.B. sibirische Schamanen tun, wenn sie Geld, Wertgegenstände
oder Nahrung opfern, um Anerkennung, Dankbarkeit und Wertschätzung des Opfernden
für den Geist /Gott /Kraft auszudrücken. Durch das Tieropfer erhält das Ganze
einen dramatischen Anstrich, passend zum Einschüchterungsszenario der Initiation.

Übrigens: ca. 80 % der Bevölkerung Haitis bekennt sich zum katholischen Glauben
und praktiziert gleichzeitig Voodoo. Haiti befindet sich, seit Präsident Aristide
geflohen ist, unter internationaler Verwaltung – ist also faktisch unregierbar.

(Quelle: Pietro Bandini, Voodoo, 1999)

Shakti Morgane