Erste Hilfe gegen Beziehungskrisen

Hilfe bei BeziehungskrisenKonflikte in Beziehungen sind normal und wichtig. Die Erfahrung mit Paaren zeigt, dass Konflikte und konstruktive Auseinandersetzungen eine Beziehung stabil halten. Auch wenn die gängigen Vorurteile anders lauten: Paare, die sich niemals streiten, sind nicht glücklicher, sondern verdrängen Probleme und Uneinigkeiten oft nur.

Dauerkonflikte um immer dieselben Themen und ohne zu einer Lösung zu gelangen, belasten hingegen eine Partnerschaft. Manchmal geraten Paare in einen stetigen Kreislauf von Vorwürfen, Gegenvorwürfen und Kränkungen. Auf Dauer sind solche negativen Erlebnisse eine Gefahr für jede Beziehung. In so einem Fall ist eine professionelle Paartherapie der sicherste Weg.

Wenn Sie sich wegen eskalierender Konflikte in Ihrer Beziehung Sorgen machen, aktuell aber keine Paartherapie nutzen können, habe ich fünf ‚Erste-Hilfe-Tipps‘ für Sie formuliert. Diese Anregungen ersetzen keine professionelle Beratung, können aber vielleicht Eskalationen vermeiden.

Erste-Hilfe-Tipp Nr. 1: „Das Eisen schmieden, wenn es kalt ist“

In Momenten, in denen die Gemüter erhitzt sind und es zwischen den Partnern brodelt, findet man selten zu einer guten Lösung. Mit dem Vorschlag, das Eisen zu schmieden, wenn es kalt ist, werden Sie eingeladen, anstehende Problemgespräche nicht im akuten Ärger anzugehen, sondern auf einen ruhigen Moment zu verschieben.

Ein Beispiel: Frau Meyer ärgert sich ständig, dass trotz ihres Vollzeitjobs der Großteil der Hausarbeit an ihr hängen bleibt. Schon häufig gab es deswegen heftigen Streit mit ihrem Mann. Montagabends kommt sie von der Arbeit nach Hause. Das Frühstücksgeschirr steht auf dem Tisch, die nasse Wäsche hängt in der Trommel, der Kühlschrank ist leer. Ihr Mann sitzt im Wohnzimmer und chattet im Internet mit Freunden.

Frau Meyer ist sauer! In diesem Zustand emotionaler Erregung ist das Risiko einer Eskalation sehr hoch. Der Montagabend ist daher ein sehr ungünstiger Zeitpunkt, das Thema anzusprechen.

Deutlich erfolgsversprechender, auch wenn´s schwerfällt: Frau Meyer lädt ihren Mann Dienstagabend in ein Restaurant ein. Sie schildert ihren Ärger, formuliert ihre Erwartungen und beide besprechen das Problem in relativ entspannter Verfassung.

Als Faustregel für „Schmieden, wenn das Eisen kalt ist“ gilt allerdings, dass ein Konflikt um so schneller angesprochen werden sollte, je belastender er erlebt wird.

Erste-Hilfe-Tipp Nr. 2 „Formulieren Sie konkrete Erwartungen“

Immer wieder erlebe ich Paare, die viel Energie darauf verwenden, einander zu kritisieren und dann die Gegenkritik abzuwehren.

Hinter jeder Kritik steht aber immer auch ein Appell! Bleiben wir doch bei Frau Meyer. Ihre Kritik ist: „Die Hausarbeit ist ungerecht verteilt.“ Doch welcher Appell steckt in der Kritik? Was erwartet sie von ihrem Mann? Soll er eine Haushaltshilfe suchen? Soll er 2 x im Monat den Müll runter bringen? 1 x am Tag die Küche wischen?

Wenn Sie Ihrem Partner/Ihrer Partnerin ganz konkret sagen, was Sie erwarten, ist die Wahrscheinlichkeit sehr viel höher, dass Sie es auch bekommen!

Herr Meyer kann auf den Wunsch „Ich erwarte, dass wir uns die Hausarbeit gleichberechtigt teilen“ ganz anders reagieren als auf den Vorwurf „Alles muss ich alleine machen!“

Bereiten Sie konfliktgefährdete Gespräche gut vor. Was wollen Sie erreichen? Was sind Ihre Wünsche und Forderungen? Versuchen Sie, diese möglichst konkret und detailliert zu formulieren.

Erste-Hilfe-Tipp Nr. 3 „Unterbrechen Sie die Eskalationsspirale“

Wie laufen bei Ihnen die Streitgespräche ab? Immer nach demselben Muster? Geht es vielleicht nach kurzer Zeit schon gar nicht mehr um das Thema? Sondern nur noch um Sieg oder Niederlage? Gewinnen oder verlieren?

Einige Paare geraten beim Streiten in einen regelrechten Sog. Sie machen weiter und weiter auch wenn schon längst klar ist, dass es nicht mit einer Lösung, sondern mit Verletzungen enden wird. Aufhören geht jetzt nicht mehr!

Kommunikationswissenschaftler bezeichnen das als Eskalationsspirale.

Das Wichtigste in solchen Fällen: die Spirale unterbrechen. Wie und wo ist egal. Tun Sie etwas Unerwartetes, um das ritualisierte Streitmuster zu verändern!

Manchmal verordne ich Paaren, ihre Streitgespräche nur noch in der Badewanne zu führen (angezogen und ohne Wasser! :)) Das tut meistens keiner. Aber mit dieser seltsamen Anweisung wird die Absurdität der eigenen Rituale bewusst. So weiter zu streiten wie bisher wird dadurch erschwert bis unmöglich. Die Eskalationsspirale ist unterbrochen und die Paare können sich auf eine andere, neue Art und Weise mit dem Konfliktthema auseinandersetzen. Also: Verpflichten Sie sich zusammen mit Ihrem Partner/Ihrer Partnerin, Streitgespräche nur noch – mmhh – unter der Dusche zu führen! Und schauen Sie, was passiert …

Erste-Hilfe-Tipp Nr. 4 „Schaffen Sie schöne Erlebnisse“

In Krisenzeiten neigen Menschen dazu, sich auf das Negative zu konzentrieren. Aber: Was eine Beziehung trägt, sind nicht die stundenlange Gespräche über Krisen und Konflikte. Liebe lebt auch und gerade von positiver Zuwendung. Besonders in schwierigen Zeiten ist es wichtig, an das zu denken, was gut tut. Daher:

Vergessen Sie die angenehmen Seiten Ihrer Beziehung nicht und machen Sie einmal in der Woche etwas Schönes mit Ihrem Partner! Kino? Essen gehen? Spaziergang? Sauna? – Egal! Hauptsache es macht Ihnen beiden Spaß und Sie reden in der Zeit nicht über anstehende Probleme!

Und: Vergessen Sie auch die täglichen Freuden nicht! Ein nettes Wort beim Frühstück, ein Mitbringsel ohne Anlass, ein ‚Ich-hab-dich-lieb-Zettel‘ an der Kühlschranktür … Studien zeigen, dass Beziehungen, in denen positive Interaktionen die negativen überwiegen stabil bleiben!

Erste-Hilfe-Tipp Nr. 5 „Lassen Sie es sich gut gehen!“

Gründe für Beziehungskrisen sind nicht nur im Paar und der Interaktion miteinander zu suchen! Die ganz individuelle psychische Stabilität bzw. Labilität der Beteiligten spielt eine ebenso große Rolle. In Zeiten starker emotionaler Belastung oder bei massivem Stress werden problematische Persönlichkeitsanteile aktiviert. Das wiederum wirkt sich negativ auf Streitverhalten und Kommunikationsqualität aus.

Umgekehrt gilt: Wenn Sie glücklich und mit Ihrem Leben zufrieden sind, werden Sie auch bei partnerschaftlichen Konflikten eher die Fassung bewahren und zu guten Lösungen finden. Hohe Kompetenzen in der Stressbewältigung erhöhen die Wahrscheinlichkeit für eine glückliche und stabile Partnerschaft!

Also: „Lassen Sie es sich gut gehen!“ Achten Sie auf eine gute Balance zwischen Arbeit und Erholung. Achten Sie auf Entspannung, Sport, Lachen, Zeit mit Freunden … Alles was Ihnen gut tut, tut langfristig auch der Beziehung gut!

Kerstin Hillbrink