Empathie lernen: Wie man Einfühlungsvermögen trainieren kann

Wer viel mit anderen Menschen zu tun hat – wer tiefere soziale Bindungen eingehen will – sollte nicht nur „sachlich richtig“ und „verständlich“ sprechen, sondern auch Einfühlungsvermögen zeigen. Dieser Artikel handelt davon, wie man Empathie lernen bzw. das eigene Einfühlungsvermögen trainieren kann.

Grundwissen Empathie

Anmerkung: In diesem Artikel wird der Begriff der Empathie (Einfühlungsvermögen) vorausgesetzt. Falls aber noch Fragen zur Bedeutung, Voraussetzung und Wirkung von Empathie offen sind, lesen Sie zuerst den Artikel „Einfühlungsvermögen: Was ist Empathie? Wie wirkt sie?

Hier haben wir den Begriff erklärt und gezeigt, wie sich Einfühlungsvermögen im Denken, Handeln und dem Umgang mit anderen zeigt. Dies sollte verstanden sein, bevor man die Fähigkeit der Empathie weiter vertiefen will.

Wie kann ich Empathie lernen / mein Einfühlungsvermögen trainieren?

Grundlagen von Empathie / Einfühlungsvermögen

Wenn Sie empathische Menschen im Gespräch beobachten, werden Ihnen einige Besonderheiten in der Kommunikation bzw. im Umgang mit anderen auffallen. Diese „Besonderheiten“ stellen für mich die Grundlagen dar, ohne die Empathie bzw. Einfühlungsvermögen nicht möglich sind.

Empathie = Interesse am Erleben eines anderen Menschen

Das Wichtigste dürfte ein ehrliches Interesse an anderen Menschen und deren Erleben der Welt sein. In einer egoistischen Welt interessieren sich gewöhnlich die Menschen nur für sich, wie es ihnen selbst geht, was sie denken, was sie selbst fühlen. Die anderen sind (derb gesprochen) nur Statisten in ihrem „Film“ – dem „Film“ einer narzisstischen Diva, die nur sich selbst im Blick hat.

Empathie lernen Einfühlungsvermögen trainieren

„Interesse an anderen Menschen zeigen“ heißt, seine eigenen Interessen, Wünsche und Bedürfnisse zurückstellen zu können und einem anderen Menschen die Bühne zu überlassen.

Sich Zeit für einen ANDEREN zu nehmen, wenn ER gesprächsbedürftig ist. Zu verstehen, wie der ANDERE etwas erlebt – nicht wie man selbst etwas sieht oder bewertet.

D. h., man muss nicht nur „sachlich“ verstehen, um was es geht, sondern auch nachvollziehen können, was eine Situation in seiner Welt bedeutet. Warum ist etwas FÜR IHN ein Problem? Warum erfreut ER SICH über ein Ereignis? Erst dieses ehrliche Interesse AM ANDEREN UND SEINEM ERLEBEN öffnet die Tür für Empathie bzw. Einfühlungsvermögen.

Es gibt Menschen, die behaupten, dass so ein „ehrliches Interesse“ nicht trainiert werden kann, sondern eine Charakterfrage ist. Oder anders – wenn Sie kein ehrliches Interesse am Erleben von anderen Menschen haben, können Sie die folgenden Techniken zwar ausführen, aber Ihr Gegenüber wird sehr schnell merken, ob es „ehrlich“ oder nur „vorgespielt“ ist. Durch Ihre Körpersprache und Ihr langfristiges Verhalten offenbaren Sie sich selbst.

Dennoch können sich Menschen auch ändern. Ich selbst galt lange Zeit eher als hartherzig, konsequent und in meiner Ehrlichkeit auch als verletzend. Der Grund – warum ich mich heute anders verhalte – ist, dass ich mir den Wert meiner Beziehung, den Wert von Intimität, den Wert von ehrlicher Freundschaft bewusst gemacht habe. Und so sah ich mich veranlasst, mein Verhalten zu ändern – Empathie zu lernen, Einfühlungsvermögen zu trainieren, da es in meinem Elternhaus wenig bis nicht vorhanden war.

Empathie = Lebendiges Mitfühlen ohne „Mitleiden“

Der zweite wichtige Punkt ist das Erleben des Anderen nicht nur „sachlich“ verstehen zu können, sondern es „selbst zu fühlen“ – sich gefühlsmäßig zu beteiligen. Wer die Gefühle des Anderen nicht mitfühlen kann, gefühlsneutral oder gar stoisch bleibt – ist nicht einfühlsam. Die Kunst beim Einfühlen ist, sich dabei stets gewahr zu bleiben, dass man die Gefühle eines Anderen „miterlebt“ – nicht seine eigenen.

Es geht nicht um ein „Mitleiden“, bei dem man sich die Trauer, Freude des Anderen zu eigen macht und „mitleidet“, denn dann verliert man sich im Anderen und die Grenze zwischen sich selbst und dem Gegenüber verschwimmt. Es geht nicht darum sich selbst, das eigene Erleben und die eigenen Gefühle aufzugeben, sondern darum, möglichst viel vom Erleben des Anderen nachvollziehen zu können.

Daher behält ein empathischer Mensch sich selbst, denn er hat die Fähigkeit vom Erleben des Anderen wieder herauszutreten und in die eigene Psyche – sein eigenes Erleben (das ganz anders sein kann) – zurückzukehren.

Wenn Sie dies verstanden haben und andere Menschen in diesem Sinne „verstehen“ wollen, werden Ihnen die folgenden Übungen gute Dienste leisten.

Übungen: Empathie / Einfühlungsvermögen trainieren

Aktiv Zuhören – Verstehen, was der andere „meint“

„Aktiv Zuhören“ meint, nicht nur zu schweigen, wenn der andere etwas sagen will, sondern beschreibt einen Zustand des „Verstehen -wollens“ (den „Record-Button“ drücken).

Nehmen Sie sich bei einem Gespräch ausreichend Zeit und schenken Sie dem Anderen Ihre volle Aufmerksamkeit. Erzeugen Sie im Geiste ein Bild, wie ER die Situation erlebt hat – welche Gefühle FÜR IHN dabei wichtig waren.

Aktiv Nachfragen = die Welt des Anderen erkunden

Sie werden feststellen, dass Sie anfangs SEINE Gefühle noch nicht wirklich verstehen oder nachvollziehen können. Warum ist XY für IHN ein Problem / Grund zur Freude? Es geht nicht darum herauszufinden, warum SIE etwas verstehen oder nachvollziehen können! Es geht darum, die Welt des Anderen sehen zu lernen.

Stellen Sie sich vor, ER ist der Regisseur eines Bühnenstücks und Sie sollen als sein Gehilfe das Bühnenbild gestalten, Schauspieler aussuchen etc. und SEINE Interpretation des Theaterstücks realisieren.

Paraphrasieren = das eigene Verständnis vom Anderen prüfen

Wenn Sie nachfragen, vergewissern Sie sich, ob Sie die Erklärung richtig verstanden haben. Hierzu eignet sich die Technik des Paraphrasierens hervorragend. Da diese Technik schon ausführlich auf Philognosie beschrieben wurde, empfehle ich Ihnen den Artikel „Paraphrase: Paraphrasieren lernen leicht gemacht“ zum Einüben zu nehmen.

Gefühle zulassen und ablassen lernen

Beobachten Sie sich in einem Gespräch selbst. Stellen Sie sich die Situation des Anderen vor und fühlen Sie in sich hinein, ob bzw. welche Gefühle bei Ihnen entstehen. Fühlen Sie überhaupt etwas? Übermannen Sie die Gefühle? Versuchen Sie unterscheiden zu lernen, was Ihre Gefühle bzw. wie die Gefühle des Anderen sind. Schlüpfen Sie in seine Haut und imaginieren Sie, wie er sein Erleben beschreibt.

Am Ende eines solchen Gesprächs sollten Sie bewusst aus dieser Vorstellung wieder heraustreten. Lassen Sie das Bild verschwimmen – schalten Sie das Licht im Theater aus – und kehren Sie wieder zu Ihrem eigenen Erleben – Ihren eigenen Gefühlen zurück. Dies ist vor allem bei emotional belastenden Themen wichtig – sonst nehmen Sie die „Belastung“ mit und fühlen sich den Rest des Tages „belastet“.

Eine gute Technik des „Zurückkehrens zu sich selbst“ ist, den Körper kurz und kräftig anzuspannen und sich im Geiste zu sagen „Ich kehre nun zu meinem Erleben und Gefühlen zurück und lasse die Gefühle von XY los. Ich bin nun wieder in meiner eigenen Welt zurück.“

Feedback einholen = Lernen, wie andere Sie erleben

Fragen Sie am Ende eines solchen Gesprächs, ob der Andere den Eindruck hatte „verstanden worden zu sein“. Fühlt er sich wohl(er)? Sendet er positive nonverbale Signale (z. B. Lächeln). Sucht er künftig häufiger ein Gespräch mit Ihnen? Werden die von ihm angesprochen Themen intimer?

Solche Fragen können Sie sich stellen und werden damit besser unterscheiden können, ob Sie Fortschritte machen. Lernen Sie auch mit Misserfolgen oder „Zurückhaltung“ umzugehen. Sie üben – es passieren Fehler! Es ist nicht schlimm, Fehler zu machen – schlimm wäre nur, wenn Sie nichts daraus lernen.

Finden Sie am Ende wenigstens einen Punkt, den Sie beim nächsten Mal besser machen können. So haben Sie die Chance zu lernen, was Empathie ist und wie Sie Ihr Einfühlungsvermögen trainieren können.

Viel Erfolg beim Lernen von Empathie und beim Training Ihres Einfühlungsvermögens!

Andrea Munich