Angst vor Nähe: Wie gehe ich mit Bindungsangst um?

Es gibt immer wieder Menschen, die darunter leiden, wenn ihr Partner (emotionalen) Abstand hält, sich nicht öffnet oder sich auf nichts „Festes“ oder „Verbindliches“ einlassen will. Hier erfahren Sie, wie man mit Bindungsängsten umgeht.

Bindungsängste erkennen

Zuerst sollte man solche Bindungsängste und deren mögliche Ursachen kennen. Wie man Bindungsängste erkennt und was sie ausgelöst haben könnte, wurde bereits im Artikel „Bindungsangst: Was bedeutet „Angst vor Nähe“?“ beschrieben. Es ist empfehlenswert diesen Artikel vorab zu lesen.

Bindungsangst erkennen

Hier geht es um die Praxis und Frage: Wie kann ich mit Bindungsängsten umgehen? Was kann ich tun, um meinem Partner oder mir die Angst vor Nähe zu nehmen?

Liegt überhaupt eine Bindungsangst vor?

Machen Sie sich bewusst, dass wir nur äußere Indizien im Verhalten des Partners wahrnehmen. „Bindungsangst“ oder „Angst vor Nähe“ ist immer eine Interpretation von uns, die wir anhand bestimmter Verhaltensweisen vornehmen. Es handelt sich dabei um keine Fakten!

Bevor man die Frage nach „Bindungsängsten“ stellt, sollte man folgenden Sachverhalt kritisch und ehrlich prüfen. „Sich nicht binden zu wollen“, kann viele verschiedene Ursachen haben. Und – so hart es klingt – auch mangelnde Zuneigung oder echtes Desinteresse an Ihrer Person kann die Ursache für den emotionalen Abstand sein.

Jemanden „zu lieben“ heißt nicht notwendig, dass der andere das Gefühl erwidert. Es gibt Menschen, die mit einer Beziehung andere Interessen verfolgen, sich z. B. mehr finanzielle Sicherheit versprechen, mit sich selbst alleine nichts anzufangen wissen etc.

In diesem Fall geht es nicht um Bindungsangst, da kein wirkliches Interesse an einer intimen Beziehung vorliegt. In einem solchen Fall sollte man den Mut haben, die Beziehung infrage zu stellen und für sich zu klären, was man will.

Wie spreche ich Bindungsängste an?

Wie im vorherigen Artikel bereits erwähnt (Link – siehe oben), stehen hinter Bindungsängsten meist Erwartungsenttäuschungen aus der Vergangenheit. Der Betroffene wurde früher von einem nahestehenden Menschen emotional „verletzt“, ausgenutzt oder – in schweren Fällen – vielleicht sogar misshandelt.

Umgang mit Bindungsangst Angst vor Nähe

Alle Bindungsängste sind individuell geprägt, daher gibt es keine Allheilmittel. Doch der erste Schritt ist immer zu verstehen, wie der andere denkt, was ihn dazu bewogen hat, die Nähe anderer zu meiden. Unterstellen Sie dem anderen nicht, „Bindungsängste“ zu haben, denn dadurch wird er sich nur angegriffen fühlen und sich verteidigen.

Offene Fragen wie – „Was sind für dich intime Beziehungen?“ – „Was bedeutet Intimität für dich?“ – „Welche Nähe oder welcher Abstand ist für dich in einer Beziehung wichtig?“ – können helfen, das Terrain erst einmal zu erkunden, das Weltbild des anderen nachvollziehen zu können.

Wenn Sie verstanden haben, warum jemand „Abstand für wichtig hält“, können Sie entscheiden, wie Sie damit umgehen wollen. Anmerkung: Die obigen Fragen kann und sollte man sich natürlich auch selbst beantworten.

Welche Möglichkeiten gibt es, mit Bindungsängsten umzugehen?

Die Zahlen der Trennungen legen nahe, dass fast jeder Mensch eine Trennung erlebte, vielleicht sogar schon in der Kindheit den Verlust eines geliebten Menschen hinnehmen musste (z. B. Trennung der Eltern oder der Tod eines wichtigen Menschen) und keine Möglichkeit hatte, damit konstruktiv umgehen zu lernen. Auch Missbrauchsfälle oder andere Schockerlebnisse und Traumata können leichtere oder schwere Bindungsängste zur Folge haben.

Umgang mit Bindungsangst Angst vor Nähe

Doch diese Ängste zu haben, unabhängig davon, welche Ursachen im Einzelfall infrage kommen, ist kein Gesetz. Jeder Mensch hat die Möglichkeit mit seinen Ängsten umgehen zu lernen.

Es folgen einige Anregungen, die helfen können, Bindungsängste abzubauen:

Bedürfnisse bewusst machen

Ein wichtiger Schritt besteht darin, sich seine Ängste und die damit zusammenhängenden Bedürfnisse bewusst zu machen und zu akzeptieren. Dabei ist es hilfreich Situationen zu erkennen, wo sich die typischen Angstreaktionen im Körper zeigen.

Erst dann kann man überlegen, wie man in Zukunft damit umgehen will. Wer in einer Beziehung lebt, sollte seine Ängste und Bedürfnisse mit seinem Partner besprechen. Vielleicht sind einige grundlose oder überzogene Ängste darunter und der Partner denkt ganz anders darüber. Vielleicht hat er ganz andere Erwartungen an uns als wir befürchten.

Eigene Bedürfnisse und Wünsche zu äußern, stärkt das Selbstwertgefühl. Jeder Mensch hat das Recht seine Wünsche zu äußern und eigene Grenzen zu formulieren. Das ist völlig normal und gesund!

Intimität ist eine Entscheidung

Machen Sie sich klar, dass es im Leben keine 100%tige Sicherheiten gibt. Der Preis einer glücklichen Beziehung birgt immer das Risiko, dass Menschen Fehler machen, die wehtun können. Glücklich zu sein bedeutet, dass es auch Phasen im Leben gibt, die unglücklich oder unbefriedigend verlaufen.

Hier braucht es die grundsätzliche Entscheidung, dieses Risiko in Kauf zu nehmen. Ansonsten bleibt nur ein seichtes Leben – ohne Höhen und Tiefen – ohne Glück.

Es gibt viele Menschen, die dieses Risiko erfolgreich eingehen, denn es bereichert das eigene Leben enorm: Unterstützung vom eigenen Partner zu bekommen oder sich eigene Wünsche erfüllen zu lassen, ist eine schöne Erfahrung.

Es hilft sich klar zu machen, dass das eigene Glück tatsächlich von dieser Entscheidung maßgeblich abhängt. Es hängt primär von einem selbst ab, nicht vom Partner. Es gibt immer wieder das (romantisierende aber naive) Missverständnis, dass nur der oder die Richtige kommen muss, die große Ausnahme, wo alles wie von selbst klappen wird. Doch die Realität sieht anders aus. Die Folge: häufiger Beziehungswechsel, weil der Richtige oder die Richtige noch nicht gefunden wurde.

Vertrauen erzeugt Nähe

Sie werden sich nur einem Menschen annähern, dem Sie vertrauen. Doch was genau bedeutet Vertrauen für Sie? Worauf müssen Sie sich bei einem Menschen fest verlassen können, damit Sie ihn als „vertrauenswürdig“ bewerten?

Machen Sie sich Ihre Werte bewusst und kommunizieren Sie sie. Was Vertrauen heißt, kann sehr individuell sein. Erst indem man darüber spricht, was einem wichtig ist, hat der andere die Möglichkeit sich danach zu richten.

Reflektieren Sie darüber, dass es keine Beziehungen ohne Erwartungsenttäuschungen gibt. Wer erwartet, nie enttäuscht zu werden, wird nie eine Beziehung führen können. Das mag in Groschenromanen funktionieren – aber nicht im Real Life. Mit vielen Enttäuschungen lässt es sich dennoch gut umgehen. Oft reicht ein Gespräch mit dem Partner. Doch es gibt Enttäuschungen, die den eigenen Werten derart konträr entgegenstehen, dass man damit nicht leben will. Ein Beispiel dürfte Gewalt sein.

Entspannen – die Ritterrüstung auflösen

Führen Sie regelmäßige Entspannungsübungen oder entsprechende Meditationen durch. Es gibt viele Entspannungstechniken, die sich hervorragend dafür eignen, den gestressten Körper zu lockern, was sich wiederum sehr harmonisierend auf die eigene Psyche auswirkt.

Wer z. B. regelmäßige Atemübungen praktiziert, wird in akuten Stresssituationen die Möglichkeit haben, in den Bauch zu atmen, was den Angstsymptomen (der Bindungsangst oder Angst vor Nähe) massiv entgegenwirkt. Zudem helfen Meditationen, sich selbst näherzukommen und die eigene Mitte zu finden.

Hier einige Übungen, die Sie auf Philognosie finden können:

Hilfe bei Bindungsängsten zulassen?

Es gibt Paarkonstellationen, wo beide unter Bindungsängsten leiden oder Angst vor Nähe haben. Hier sollte man Profis zurate ziehen, sich informieren, um dann z. B. eine Paartherapie zu beginnen. Das gilt auch für Menschen, die unter sehr starker Bindungsangst (Panikattacken) leiden.

Ist die Angst und der damit verbundene Leidensdruck sehr groß, empfehlen Experten, therapeutische Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Ich wünsche Ihnen den Mut, sich Bindungsängsten zu stellen und die Angst vor Nähe zu überwinden!

Cassandra B.