Decoy Effekt: Manipulationstechniken in der Werbung

Der Decoy-Effekt („Decoy“ engl. für Lockvogel) ist eine gezielt eingesetzte Manipulationstechnik von Werbefirmen, um Menschen dazu zu bringen, bestimmte Produkte oder Dienstleistungen zu kaufen. In diesem Artikel wollen wir Ihnen anhand von Beispielen zeigen, wie die Lockvogeltechnik in der vergleichenden Werbung eingesetzt wird, wie Sie Lockvogelangebote erkennen und was Sie dagegen tun können.

Vorab sei noch gesagt, dass diese Marketing-Strategie natürlich nur eine Technik unter vielen ist, die Sie unterbewusst manipulieren soll. Wir widmen diesem Thema dennoch einen eigenen Artikel, da dieses Prinzip in der vergleichenden Werbung recht häufig zur Anwendung kommt.

Worauf beruht der Decoy-Effekt?

In der Psychologie ist seit längerem bekannt, dass die meisten Menschen keine übergeordneten oder absoluten Maßstäbe haben, wenn es um Entscheidungen geht, was sie wirklich wollen oder brauchen. Wir werden heutzutage so mit Informationen überhäuft, dass es fast unmöglich ist, den Überblick zu behalten, was bei welchem Thema wirklich aktuell und relevant ist.

Daher greifen wir auf ein altes Muster zurück: Wir reduzieren die Komplexität, in dem wir die aktuellen Angebote direkt miteinander vergleichen. Das Vergleichen dient dem Zweck, sich darüber klarzuwerden, welche Kriterien bei der Kaufentscheidung wichtig sind.

Wenn wir beispielsweise einen neuen TV haben wollen, suchen wir oftmals zuerst nach konkreten Angeboten / Beratung und versuchen anschließend – anhand von Vergleichen – herauszufinden, welche Kriterien wichtig sind, um ein guten von einem schlechten Fernseher unterscheiden zu können. So wollen wir uns orientieren, welchen aktuellen Wert ein Produkt oder eine Dienstleistung hat.

Decoy Effekt: Alles ist relativ!

Wie das Gehirn Vergleiche verzerrt, kann man am obigen Bild mit der optischen Täuschung gut zeigen. Obwohl alle schwarzen Kreise gleich groß sind, erscheinen manche durch das Beiwerk kleiner oder größer.

Dieses grundlegende Orientierungsprinzip "Vergleichen als Entscheidungsstrategie", wird von Werbestrategen ausgenutzt, um mit Lockvögeln die Aufmerksamkeit gezielt in eine bestimmte Richtung zu lenken – sprich unser Kaufverhalten zu manipulieren.

Was ist der Decoy-Effekt?

Der Decoy-Effekt kommt zum Einsatz, wenn wir mehrere Angebote direkt miteinander vergleichen. Sind die Möglichkeiten halbwegs gleichwertig, fällt es den meisten Menschen schwer sich zu entscheiden. Daher baut man gezielt einen Lockvogel ein, der den Vergleich verzerrt und so die Entscheidung in eine bestimmte Richtung lenkt.

Decoy-Effekt: Beispiel Zeitungsabonnement

Eine amerikanische Wirtschafts-Zeitung bot ihren Lesern folgende Optionen für ein Abonnement:

Decoy Effekt: Manipulationstechniken in der Werbung

Welche Option würden Sie wählen? Falls Sie – wie die meisten Leser – sich für die dritte Option (Print-& Online) für 15,00 $ entschieden haben, sind Sie auf den Lockvogel reingefallen. Denn obwohl die meisten Leser die Zeitung nur Online lesen, erschien das Schnäppchen – beides für nur 3,00 $ mehr zu bekommen – zu verlockend.

Anhand dieses Beispiels kann man auch zeigen, dass der Decoy-Effekt auf der sogenannten "asymmetrischen Dominanz" beruht. Zwei der Angebote scheinen auf den ersten Blick nicht nur "recht teuer" zu sein – es ist auch schwierig zu entscheiden, ob eine Printversion oder eine Onlineversion besser ist. Die dritte Option hebt hingegen die Problematik auf, indem sie beide Optionen vereint und zudem noch günstiger anbietet.

Interessant in diesem Kontext ist, dass eine symmetrische Preisgestaltung (sprich Print und Online für 7,50 $ anzubieten) in Versuchen mit Studenten dazu geführt hat, dass nahezu 80 % die billigeren Varianten gewählt hätten [1].

Bringt man den Kunden also erst einmal zum Vergleichen, kann man ihn in seinen Schlussfolgerungen manipulieren. Wichtig dabei ist, dass sowohl die "schlechten Optionen" als auch das "Schnäppchen" (Marketingziel) recht offensichtlich präsentiert werden.

Decoy-Effekt: Beispiel TV-Kauf

In diesem Beispiel nehmen wir einmal die Rolle eines Werbestrategen ein und wollen einem Händler helfen, seinen Warenbestand an Fernsehern der mittleren Preisklasse an den Kunden zu bringen. Der Lockvogel muss diesmal also in der Mitte des Preisangebots platziert werden und könnte wie folgt aussehen:

Decoy Effekt: Manipulationstechniken in der Werbung

Was der Kunde nicht weiß: Wir haben die Preise gezielt so verzerrt, dass die großen TVs unangemessen teuer erscheinen. Ebenfalls wurde der Preis für die kleine Variante etwas angehoben, sodass die TVs der mittleren Preisklasse eindeutig das beste Preis-Leitungsverhältnis ergeben. Für nur 60 Euro mehr bekommt man einen nahezu doppelt so großen TV mit ähnlichen Leistungsmerkmalen – ein echtes Schnäppchen!

Hier kommt ein weiteres Element der Werbestrategie zum Einsatz: Man verzerrt die Preise ganz bewusst oder schafft Vergleichsoptionen, die man gar nicht verkaufen will. Das überteuerte Angebot dienen lediglich dem Zweck, den Vergleich eindeutig in eine bestimmte Richtung zu lenken, sodass der Kunde die gewollten Schlüsse zieht.

Populär ist auch mit zusätzlichen Kennzeichnungen wie "Rabatt" – "Kaufempfehlung" – "Tipp des Tages" – "Ermäßigt" – "Nur kurze Zeit" etc. – den Lockvogel hervorzuheben, damit auch "begriffsstutzige" Kunden schneller auf das "richtige" Ergebnis kommen.

Decoy Effekt: Beispiel DSL-Anschluss mit versteckten Kosten

Eine Variante des Decoy-Effekts ist mir bei einem DSL-Anbieter aufgefallen:

Decoy Effekt: Manipulationstechniken in der Werbung

Klar ist, wer heute einen DSL-Anschluss haben will, will auch einen möglichst schnellen Anschluss. Auf den ersten Blick wird suggeriert, dass der langsamste und der schnellste Anschluss gleich teuer sind. So soll die erste Wahl natürlich eindeutig auf den schnellsten Anschluss fallen.

Damit man erfährt, was wirklich Sache ist, muss man jedoch das Kleingedruckte lesen. Denn erst hier wird erklärt, dass die Preise nur für 6 Monate gelten und sich erst danach sehr stark unterscheiden. Am Ende zahlt man für 50 MBit 25.- Euro und für 250 MBit über 60.- Euro im Monat. Gerechnet auf 2 Jahre Vertragslaufzeit, muss man also 630 Euro mehr für den schnellsten Anschluss zahlen.

Hier wird darauf spekuliert, dass der Kunde beim oberflächlichen Vergleichen das Lockangebot nicht durchschaut und schnell seinem Bauchgefühl (ohne weitere Prüfung der tatsächlichen Konditionen) folgt.

Was kann ich gegen Werbemanipulation / Decoy-Effekt tun?

Grundsätzlich muss man jedem Verbraucher zu einer gesunden Skepsis raten, wenn man "beraten" oder mit vergleichende Werbung konfrontiert wird. Denn leider geht es in vielen Fällen nur darum auszuloten, wo das Maximum dessen ist, was Sie zu zahlen bereit sind.

Erscheint Ihnen ein Angebot oberflächlich betrachtet günstig, sollten Sie skeptisch bleiben, denn manchmal entstehen die tatsächlichen Kosten erst durch „Zusatzleistungen“ oder besondere Vertragskonditionen, die im Kleingedruckten erklärt sind.

Decoy-Effekt erkennen

Wenn Sie künftig vergleichende Werbung ansehen, versuchen Sie doch einmal selbst die Lockvögel zu erkennen. Auf welches Angebot soll Ihre Aufmerksamkeit gelenkt werden, weil es scheinbar "so günstig" ist. Manche Werbetreibenden kennzeichnen diese Angebote extra mit "Kaufempfehlung" usw. um den Lockvogel hervorzuheben.

Decoy Effekt: Manipulationstechniken in der Werbung

Aber auch Eyecatcher (Augenfänger) wie großgeschriebene Werbeschilder, Worte und Zahlen, sind beliebte Marker, mit denen Ihre Aufmerksamkeit gelenkt werden soll. Je eher Sie den Lockvogel erkennen, desto kritischer können Sie mit Ihrer Kaufentscheidung umgehen.

Reiz-Reaktions-Schema durchbrechen

Der Decoy-Effekt will unseren Jagdtrieb befriedigen, in dem er uns vorgaukelt, dass wir selbst auf die beste Wahl gekommen sind – das Schnäppchen "erlegt haben". Damit springt unser Belohnungszentrum in Gehirn an, dass sich über den "Erfolg" freut und uns mit Glückshormonen belohnt.

Eine Option ist, über eine wichtige Entscheidung zu schlafen – d. h. nicht direkt dem ersten emotionalen Impuls zu folgen. Da der Decoy-Effekt meist darauf hinaus läuft, mehr zu kaufen als man eigentlich braucht, können folgende Testfragen hilfreich sein:

  • Brauche ich das Produkt / Dienstleistung wirklich?
  • Werde ich das Angebot tatsächlich in vollem Umfang nutzen?
  • Bereitet mir die Aussicht XY nutzen zu können Freude?

Ist die Antwort ein klares Ja, dann haben Sie das Richtige gewählt. Kommen Ihnen Zweifel, sollten Sie prüfen, ob Sie einen Köder geschluckt haben.

Soziales Umfeld checken – Woher kommen meine Erwartungen?

Manchmal entspringen verzerrte Ansprüche "Was man so braucht" auch den Erwartungshaltungen aus dem sozialen Umfeld. Unter "Technikfreaks" ist es angesagt immer, den neuesten TV, Spielekonsole, Smartphone, Heimkinoanlage etc. haben zu müssen. Aber brauchen Sie den Schnickschnack wirklich oder wollen Sie nur den Erwartungen anderer entsprechen.

Soziale Gruppen machen eigene Regeln, die gefordert werden und angesagt sind. Hier übernimmt man leicht Standards wie Mode, Körperpflege (Parfüms), Essen, Präsentation, Statussymbole, usw. ohne sich selbst zu fragen, ob man das "Zeug" wirklich braucht oder haben will.

Dan Ariely zitiert hier einen Freund, der dem Lockvogel seiner Gruppe nicht mehr folgen will sinngemäß mit den Worten: "Wer einen (Porsche) Boxter hat, will als Nächstes einen 911er fahren. Wer einen 911er fährt, schielt sehnsüchtig auf einen Ferrari. Um diesen Teufelskreis zu entkommen, habe ich mir einen Toyota Prius gekauft und bin glücklich!" [2]

 

Quellenangaben:

[1] How to Use the Decoy Effect to Help Buyers Choose the Right Option – https://blog.jeremysaid.com/blog/how-to-use-the-decoy-effect/

[2] Dan Ariely: „Denken hilft zwar, nützt aber nichts“ S.57 – ISBN 978-3-426-78035-0

Tony Kühn