Superrechner der Zukunft: Quantencomputer-Projekt aus Jülich

Gegen sogenannte Quantencomputer würden die heute bekannten Superrechner schlichtweg alt aussehen. Würden? Ein neues Projekt soll die Riesen aus der Welt des Konjunktivs in die Gegenwart katapultieren – zumindest die Hoffnung schüren, dass solche Rechner nicht nur auf dem Blatt Papier skizzierbar sind.

Vor genau 100 Jahren wurde der Bauingenieur Konrad Zuse in Berlin geboren. Er baute 1941 weltweit den ersten Computer. Dank seiner damaligen Pionierarbeit ist es den Wissenschaftlern am Jülicher Rechenzentrum nun gelungen, einen Weltrekord aufzustellen: Sie simulierten das größte Quantencomputersystem mit 42 Bits.

Bisher existieren im Labor nur kleine Prototypen dieser Rechnerart – jedoch mit einer Kapazität von wenigen Rechenbits. Das soll sich nun ändern.

Kleiner Wert, große Wirkung

SuperrechnerUm die Reichweite des Wertes zu verstehen, muss man sich das eigentliche Prinzip eines Quanten verinnerlichen.

"Die Rechenleistung eines Quantencomputers wächst exponentiell mit seiner Größe", sagt Prof. Dr. Kristel Michielsen vom Jülich Supercomputing Centre. Michielsen leitet das Institut für fortgeschrittene Simulation.

„Erweitert man also einen Quantencomputer um ein einzelnes Rechenbit, verdoppelt sich direkt seine Rechenleistung aufgrund der quantenmechanischen Gesetze, die ihm zugrunde liegen.“

Die Rechenleistung eines klassischen Computers wächst dabei nur linear mit seinen Komponenten: Zehn Prozent mehr Transistoren bewirken im Idealfall auch nur zehn Prozent mehr Leistung.

Auch beim Quantencomputer gilt das Bit als kleinste Einheit, doch sind die Möglichkeiten in der Folge ganz andere. Während das klassische Byte, die nächstgrößere Einheit, 256 verschiedene Werte annehmen kann, verfügen Quantenbytes schon über 65.535 zum Großteil unabhängige Elemente.

Quanten-Computer verwenden für ihre Berechnungen Atome und subatomare Partikeln als Übertragungseinheiten. Sie sind das Gedächtnis und die ausführende Recheneinheit in einem. Mit dieser Eigenschaft könnte ein solcher Rechner, ohne Leistungsschwankungen, parallel rechnen und hoch-wissenschaftliche Aufgaben übernehmen – sowie die Ent- und Verschlüsselung von Datenströmen kontrollieren.

Letzteres ist sogar schon in Kreisen von Geheimdiensten kein Geheimnis mehr. Seit Phil Zimmermann 1991 seine PGP-Verschlüsselung frei für jedermann ins Internet stellte, ist jeder Bürger in der Lage seinen Datenstrom einfach zu verschlüsseln. Dieses kryptische Unterfangen ist jedem Geheimdienst natürlich ein Dorn im Auge. Auch weil Terroristen dieses zu nutzen wissen.

Ob Einstein bei seiner Erklärung des photoelektrischen Effekts im Jahre 1905 mit einer solchen Reaktion rechnete, ist eher fraglich. Ging es bei diesem Phänomen doch lediglich um die Quantisierung der Energie, also wie Licht Energie in nur ganz geringen Mengen abgegeben wird, um Elektronen aus der Oberfläche herauszulösen.

In der Quantenphysik spricht man dennoch vom Anfang des Gedankens rund um das Quantencomputing. Warum es aber bisher noch keinem solchen Rechner gibt, zeigt die Komplexität der aktuellen Simulation aus Nordrein-Westfalen.

JUGENE: Europas schnellster Supercomputer

Will man einen Quantencomputer mit heutiger Rechenpower simulieren, stößt man schnell an die Grenzen: Für den Jülicher Quantencomputer mit 42 Rechenbits benötigt man Boliden wie den Jülicher Supercomputer JUGENE. Er ist mit 300.000 Prozessoren und einer Leistung von einer Billiarde Rechenoperationen pro Sekunde zurzeit der schnellste Rechner Europas.

Eine Milliarde Menschen müssten jeweils pro Sekunde eine Million Berechnungen mit dem Taschenrechner durchführen, um annähernd gleich schnell zu sein. Auf dieser, in einer riesigen Halle untergebrachten Maschine, ließen die Wissenschaftler eine der gängigsten Test-Anwendungen für Quantencomputer, den Shor-Algorithmus, mit 42 Rechenbits erfolgreich laufen.

Er zerlegte die Zahl 15.707 in das Produkt 113 mal 139. „Damit lassen sich nun in der Simulation Zahlen zerlegen, die rund 1000- mal größer sind als bislang mit experimentellen Quantencomputern möglich erschienen“, beschreibt Michielsen stolz.

Um das Projekt reibungslos über die wissenschaftliche Bühne zu bringen, wurde eine Software sogar extra für den Versuch weiterentwickelt. Denn wenn viele Prozessoren zusammenarbeiten, kann es bei einfachen Algorithmen schnell passieren, dass Prozessoren aufeinander warten und so Leistung verloren geht. Die Jülicher Software ist gut vorbereiten und darauf optimiert, Tausende Prozessoren nahtlos zusammenarbeiten zu lassen.

Sie „skaliert fast perfekt“. Mit Skalierung bezeichnen Computerexperten die Eigenschaft von Software, mehr Prozessor-Ressourcen auch 1:1 in mehr Leistung, also schnellere Ergebnisse, umzusetzen. Somit wird Skalierbarkeit auch bei den Multi-Core-Prozessoren in PCs eine immer stärkere Rolle spielen. Eben weil durch die Quantencomputer Geschwindigkeit und das parallele Rechnen zusammenfließen.

Doch die Quantenforschung ist ein internationales Geschäft. So waren es 2008 die Nachbarn aus Dänemark, die sozusagen den roten Jülicher Teppich ebneten. Dr. Henrik Ingerslev Jørgensen, vom Niels Bohr Institut in Kopenhagen, hatte es geschafft QuBits zu einem Zusammenspiel zu bringen. Seine Ergebnisse gaben zum ersten Mal den Blick frei, die Wechselwirkung zwischen zwei Elektronen zu verstehen, die damals nebeneinander in Kohlenstoff-Nanoröhren lagen, einem Röhrchen, das aus mehreren Grafitschichten besteht – auch Nanotube genannt.

Blick in die Zukunft

Konrad Zuse würde nicht mehr aus dem Staunen kommen, wenn er in die heutige Zukunft blicken könnte: Denn schon jetzt forschen Wissenschaftler an der Möglichkeit, synthetische Erbgut-Schnipsel als Software zu nutzen.

Enzyme, die DNA lesen, spalten und zusammenfügen, stellen die Hardware. Um dann über die Masse Leistung zu bündeln, behilft man sich eines Tricks: Die Molekular-Rechner werden in einen Wassertropfen gepackt, und da sie parallel arbeiten, schaffen sie theoretisch 66 Milliarden Operationen pro Tropfen – auch weil rund drei Billionen der Rechner in einem solchen Wasser-Balg Platz finden. Diesem Plätschern würde Zuse nur zu gerne lauschen.

Markus Henkel