Diskussionsleitung: Wer fragt, der führt!

Für den Diskussionsleiter ist es wichtig, die richtigen Fragen zu stellen. Fragen lenken eine Diskussion und geben ihr den roten Faden, der den Gesprächsraum umreißt und die wichtigsten Perspektiven eines Themas eröffnet. In diesem Artikel werde ich Ihnen den Aspekt des „Fragens“ näherbringen und erläutern, wie ein guter Diskussionsleiter eine Diskussion durch konkrete Fragestellungen führen kann.

Fragen in einer Diskussion

Damit die Schlüsselrolle von Fragen in einem Gespräch klarer wird, geht es zunächst um die Funktion von Fragen in einem Gespräch – ihre Natur und Wirkungsweise.

Fragen regen – im Gegensatz zu fertigen Antworten – die Teilnehmer zum Denken an. Diesen Grundsatz hatte schon Sokrates entdeckt, indem er durch seine Fragen die Gesprächspartner anleitete, über ihr Weltbild oder ihr Wissen zu reflektieren.

Das berühmteste Beispiel ist wohl, wie er einem ungebildeten Sklaven des „Satz des Pythagoras“ formulieren ließ. Er leitete dessen Gedanken durch Fragen so gezielt, dass der Sklave selbst durch sein Denken diesen Lehrsatz hervorbringen konnte.

Das Beispiel zeigt, dass die Fragemethode auch für Lehrer geeignet ist, die Schüler einen bestimmten Inhalt oder Zusammenhang näherbringen wollen. Der Vorteil – gegenüber dem Nennen einer Antwort – ist, dass die Beteiligten eines solchen Gesprächs selbst über das Thema nachdenken, was den Haftwert (Erinnerung) des Ergebnisses enorm steigert.

Wer fragt der führt

Beim Nachdenken über eine Frage erzeugt der Teilnehmer nämlich bereits Verknüpfungen – persönliche Assoziationen etc. – zu dem Thema und erinnert daher auch besser den Kontext, in dem die Frage relevant war.

Bedenken Sie, dass wir in einer „Gesellschaft des Vergessens“ aufwachsen. Wir werden tagtäglich über die Medien mit Informationen zugeschüttet und wählen ständig aus, was unwichtig ist und in Folge vergessen wird. Kein Mensch könnte die auf ihn einprasselnden Informationen in vollem Umfang verarbeiten. Je mehr Informationen uns – gewollt oder ungewollt – überfluten, desto mehr müssen wir uns angewöhnen zu vergessen – auszusortieren.

Dabei werden wir mit Antworten, Statements, Meinungen, Fakten überschüttet, über die wir gar nicht mehr nachdenken müssen, da wir sie schon vorgefertigt vorgesetzt bekommen. Fragen hingegen zielen auf „Leerstellen“ in unserem Denken, die wir nur selbst – durch aktives Nachdenken – füllen können. Diese Funktion erfüllen Antworten nicht – man braucht darüber nicht nachzudenken – sie mit eigenen Assoziationen zu verknüpfen – man kann sich lediglich entschließen, sich die Antwort zu merken oder zu vergessen.

Fragen geben Struktur

Daher sind Fragen das Hauptelement jeder Moderation – durch Fragen werden die Gedanken der Teilnehmer gesteuert. Die Kunst zu fragen besteht darin, die Fragen so zu stellen, dass:

  • die Gespräche in Gang gebracht und in Gang gehalten werden,
  • das Wissens- und Erfahrungspotenzial der einzelnen Teilnehmer „herausgearbeitet“ und eingebracht wird und
  • die Gruppenarbeit sich konsequent auf das gesteckte Ziel hinbewegt.

Wichtig für den Diskussionsleiter ist es, sich selbst zurückzunehmen und den Gesprächsteilnehmern die Initiative zu überlassen. Wenn Sie gute Fragen finden, werden Sie feststellen, dass die Antworten der Gesprächsteilnehmer genauso gut oder besser sind, als das Statement, das Sie selbst hätten beitragen können.

Fragen richtig stellen Diskussionsleiter

Zudem sprechen die Gruppenteilnehmer ihren eigenen Slang – also eine Sprache, die von den anderen Teilnehmern besser verstanden wird, als Ihre eigene Ausdrucksweise.

Fragen können ebenso dazu dienen, einen Gesprächsfluss in Gang zu halten. In Pausen können Sie die Teilnehmer ansprechen – beispielsweise – „Was meinen Sie?“ oder „Wer möchte dazu etwas sagen?“ oder „Welche persönliche Meinung haben Sie zu diesem Thema?“.

Da jeder Teilnehmer selbst entscheidet, wann und zu welcher Frage er antworten will, stellen Sie Ihre Fragen pauschal an die Gruppe. Damit sprechen Sie alle Beteiligten an und können so am besten prüfen, wer sich für welches Thema interessiert. So können Sie auch Kompetenzen der Teilnehmer ermitteln, den diese Teilnehmer fühlen sich oft angeregt, spezifische Fragen zu antworten. Sprechen Sie Teilnehmer dann persönlich an, wenn sie sich selbst melden – oder über die Körpersprache ersichtlich ist, dass sie das Thema bewegt. Dadurch vermeiden Sie peinliche Situationen, die auf die Gesprächsatmosphäre negativ zurückwirken können.

Falls Sie jedoch mit Experten in einer Arbeitsgruppe diskutieren, kann es sehr nützlich sein, sie direkt auf ihr Fachwissen anzusprechen.

Denn gerade Experten haben verschiedene Fragestellung und dadurch mögliche „Antworträume“ schon viel intensiver durchdacht, als Laien. So können Expertenmeinungen einem Thema „Tiefe“ verleihen und auch die anderen Diskussionsteilnehmer auf Aspekte hinweisen, an die sie selbst niemals denken würden.

Roten Faden mit Fragen erzeugen

Um an das Wissens- und Erfahrungspotenzial eines jeden Teilnehmers heranzukommen, ist es erforderlich, mit „offenen“ oder den sog. „W-Fragen“ zu arbeiten. Das sind Fragen, die mit einem Fragewort, z. B. warum?, was?, weshalb?, wie? (deshalb „W-Fragen“), beginnen und eine ausführliche, tiefer gehende Beantwortung erwarten lassen („Was haben Sie für Erfahrungen gemacht?“ oder „Warum sind Sie der Meinung, dass das nicht geht?“).

Ist ein Zwischenergebnis erreicht oder eine Diskussion zum Abschluss gekommen, so wird der nächste Schritt hin zum Ziel mit einer weiterführenden oder richtungweisenden Frage eröffnet:

  • „Was ergeben sich daraus für Konsequenzen?“
  • „Warum ist das so wichtig?“
  • „Wie wollen wir dieses Ergebnis jetzt in unser Projekt einbeziehen?“

Vermeiden Sie beim Fragen sogenannte geschlossene Fragen – also Fragen, die man mit Ja oder Nein beantworten kann. Geschlossene Fragen sind nur dann sinnvoll, wenn Sie sich der Zustimmung oder Ablehnung der Gesprächsteilnehmer versichern wollen.

Eine andere Technik, ein Gespräch in Gang zu bringen ist, provokante Fragen zu stellen. Hier besteht die Kunst darin, die Übertreibung in einem angemessenen Verhältnis zu halten – die Gruppenetikette zu wahren.

Probieren Sie diese Technik selbst einmal aus. Man kann viel dazu sagen, aber die Kunst für einen Moderator besteht darin, interessante Fragen stellen zu können. Ob und welche Fragen interessant sind, entscheidet sich operational immer an der aktiven Beteiligung und Engagement der Gesprächsteilnehmer. Ihr einziges Erfolgskriterium ist, dass Sie eine lebendige und interessante Diskussion erzeugen und am Ende der Diskussion das Ziel (die Frage, die es zu klären galt) erreicht haben.

Umgang und Tipps zu Fragestellungen

  1. Fragen Sie freundlich-positiv, bleiben Sie sachlich und werden Sie nie persönlich.
  2. Formulieren Sie Ihre Fragen verständlich, kurz und prägnant. Vermeiden Sie Fachausdrücke und Fremdworte. Stellen Sie keine Doppelfragen mit „und“ oder „oder“.
  3. Geben Sie Fragen aus der Gruppe grundsätzlich wieder an die Gruppe zurück oder – falls anwesend – an den/die Experten. Sie als Moderator sind nicht dazu da, Fragen zu beantworten (sei es zur Tagesordnung oder zur Organisation).
  4. Richten Sie Ihre Fragen prinzipiell pauschal an die Gruppe und sprechen Sie dann denjenigen an, der sich zuerst meldet. Sprechen Sie keinen an, der sich nicht gemeldet hat (außer bei Störungen oder Expertenbefragung).
  5. Bleibt die Beantwortung Ihrer Frage aus, formulieren Sie die Frage um.
  6. Stellen Sie Ihre Fragen in Form von „offenen“ oder „W-Fragen“, also Fragen, die eine ausführliche, tiefer gehende Beantwortung erwarten lassen.
  7. Stellen Sie Ihre Fragen so, dass sie die Teilnehmer Schritt für Schritt zum Ziel/Ergebnis führen.
  8. Verstärken Sie Ihre Fragen durch entsprechende Mimik und Gestik.
  9. Neutralisieren Sie aggressive Fragen, indem Sie diese positiv-sachlich umformuliert wiederholen.
  10. Provozieren Sie die Gruppe (sachlich) mit Ihren Fragen, wenn die Diskussion nicht in Gang kommen will.

Viel Erfolg bei Ihrer Moderation!

Wacki Bauer