Indonesien: Das Land des Lächelns

Eine psychologische Betrachtung über die Mentalität Südost-Asiens

Fast jeder Europäer, der von einer Reise in ein asiatisches Land erzählt, hebt die allgegenwärtige Freundlichkeit, das immerwährende Lachen der Menschen und auch die Friedliebigkeit hervor, die in so deutlichem Gegensatz zu unserer Grundstimmung zu liegen scheinen. Die Begegnung mit den Einheimischen, ob Thailand, Indonesien, Philippinen oder Myanmar (um nur Einige zu nennen) ist geprägt durch Offenheit, Toleranz und oft kindliche Neugier, doch am auffälligsten ist das Lachen, welches ständig auf den Gesichtern erscheint.

Nicht nur Ausländern, auch den eigenen Landsleuten gegenüber, doch gerade in Situationen in denen wir Europäer eher die Tendenz haben Ärger, Wut oder Bestürzung zu äußern, reagieren asiatische Menschen mit Lachen. Lachen entspannt ja bekanntlicherweise, und diese Grundhaltung scheint den Asiaten so manche Ärgernisse leichter zu machen.

Des öfteren kann man auf Bali (Indonesien) einen der unzähligen Motorradfahrer eben jenes in der größten Mittagshitze schieben sehen, da offensichtlich das Benzin ausging – mit einem Grinsen im Gesicht, egal wie weit die nächste private „Tankstelle“ wohl gelegen ist, an der das nötige Benzin aus Flaschen gekauft werden kann.

In Singapur fällt in einem Straßencafé ein Kind mit dem Kopf hart auf einen Steinsockel. Es drückt seinen Schmerz mit einem lautstarken Wehklagen aus. Die Eltern heben es lachend auf und trösten es liebevoll. Nebenbei untersuchen sie es nach Verletzungen. Die neugierigen Umstehenden hören dabei zu, wie die Eltern des Kindes den Vorfall amüsiert kommentieren. Der Schmerz des Kindes wird fast schon ver-lacht.

Auf Cebu (Philippinen) weht es einem Mopedfahrer die Schirmmütze vom Kopf, diese kullert an den Straßenrand und verschwindet im Abhang zwischen Gestrüpp und Palmen. Der Besitzer wendet mit breitestem Grinsen sein Motorrad, und fängt an, unter gutgemeinten Ratschlägen und Witzen der Anwesenden, im Gebüsch zu graben, bis er sein Prachtstück wieder an sich gebracht hat und setzt mit einem nicht weniger breitem Grinsen als vorher seinen Weg fort, obwohl es offensichtlich ist, dass er sich einer intensiven Unterredung mit diversen Dornen nicht entziehen konnte.

Auf Koh Samui (Thailand) äußert ein hochroter Tourist seinen Ärger über ein, seiner Ansicht nach zu teures Souvenir für alle Anwesenden lautstark, die Verkäuferin lächelt zurück und läßt durch ein paar Sätze in der Landessprache ihre Landsleute laut auflachen, was den Kunden wohlweislich nur noch mehr in Rage bringt…….

Die Liste der Begebenheiten ist endlos verlängerbar, doch augenfällig wird die Fähigkeit des Lachens erst, wenn man auch in wirklich heiklen Situationen beobachten kann, dass die Menschen auch dann eben diese Fähigkeit fast immer beibehalten. Ob während ernsthafter Auseinandersetzungen, bei Unfällen oder Streitgesprächen, die Mundwinkel der Beteiligten ziehen sich nach oben und es erscheint zumindest ein Lächeln.

In den seltenen Fällen, in denen einer der Beteiligten diese Fassade aufgrund übermächtiger Gefühle nicht beibehalten kann, kommt es jedoch fast immer zur Eskalation der jeweiligen Situation. Dieses geschieht aber weitaus weniger oft als, der erstbeschriebene Umgang mit der Situation. Erschreckend ist hier das Ausmaß der absoluten Überreaktion, die nicht vorhandene Kontrolle der übermächtigen Gefühle zu beobachten, worauf die Umstehenden ihrerseits mit fassungslosem, oft hilflosem Staunen reagieren.

In schwierigen, emotional geladenen Situationen sind oft entweder Rückzug (mit einem mehr oder weniger verzerrtem Lächeln) oder seltener, völlige Eskalation, die am meist zu beobachtenden Verhaltensmuster. Entzieht man sich mit einem Lächeln der Situation, so bleibt obendrein das „Gesicht gewahrt“, jegliche Äußerung von negativen Gefühlen schließt unweigerlich Gesichtsverlust mit ein, welcher wieder zu erlangen mit einigen Schwierigkeiten verbunden ist.

Um dieses für uns Europäer manchmal verwirrende, kaum nachvollziehbare Verhalten zu verstehen muß an dieser Stelle ein kleiner Bogen gezogen werden. In den meisten asiatischen Ländern läßt sich immer wieder ein Kernsatz herausgreifen: No Problem!

Immer wieder hört man diese Aussage von den Einwohnern, egal ob ein Reisender aus Unwissenheit um Gebräuche „Fehler“ begeht, ein mitunter kaum zu erfüllender Wunsch geäußert wird oder die Leute untereinander Meinungsverschiedenheiten austragen. Zum Einen ist dies begründet in der Haltung, dass eine Ablehnung in irgendeiner Form, wie etwa das Ausschlagen einer Einladung, das Abweisen von Essen oder Geschenken oder einen Wunsch zu verneinen als äußerst Unhöflich gilt. Zum Anderen bringt diese Grundhaltung ganz einfach die „Vermeidung“ irgendwelcher Probleme von vornherein mit sich, wie die Aussage impliziert.

„No Problem!“ in Verbindung mit einem freundlichem Lachen vermeidet die Auseinandersetzung mit denselben, ganz zu schweigen von einem An- bzw. Nachdenken, oder sogar dem Ansprechen von Tabuthemen, die sich von Sexualität über familieninterne Angelegenheiten bis hin zu alltäglichen Dingen ziehen lassen.

Ihren Beginn nimmt diese Lebenshaltung schon im zarten Prägungsalter. Kinder in Asien dürfen von Geburt an bis ca. Schulalter grundsätzlich fast alles. Sie erfahren kaum Begrenzung von den Erwachsenen die sie umgeben, auf jegliche Aktion folgt als Reaktion ein Lachen oder zumindest ein Lächeln. Den Kindern wird keinerlei pädagogischer oder erzieherischer Rahmen gesteckt, dabei spielt es keine Rolle ob, sie z.B. Übertretungen aus Unwissenheit oder voller Absicht begehen, auch in Bezug auf emotionale Äußerungen der Kinder wird immer wieder mit Lächeln reagiert.

Es ist ganz natürlich an Freude, Spaß oder Glück mit einem Ausdruck ebensolcher zu reagieren, ist ein Kind jedoch enttäuscht, weil ein Spielzeug kaputt ging, wird mit Lachen „getröstet“, ist es zornig oder sogar wütend, weil es ohnmächtig ist sich gegen andere Kinder zu wehren, erfolgt wiederum die gleiche Reaktion.

Aufgrund der fehlenden Grenzen von Außen, bzw. der immer gleichbleibenden Reaktion der Umwelt auf Gefühlsäußerungen, gibt es somit kaum Gelegenheit sich mit den eigenen Gefühlen auseinander zu setzen, da es durch den einzigen Verhaltenskommentar ( Lachen ) vermieden wird, sich überhaupt mit den eigenen Emotionen konfrontieren zu müssen.

Unterschiedlichste Gefühle werden nicht unterschiedlich behandelt, die Erwachsenen bieten keine Lösungsmöglichkeit an, wie mit Gefühlen wie Ohnmacht, Enttäuschung, Zorn, Wut, Ärger, Traurigkeit oder Einsamkeit umzugehen ist. Die Erwachsenen haben dies ihrerseits nicht in ihrem Verhaltensprogramm erlernt und aufgenommen, insofern kann der Umgang mit derlei Gefühlen auch nicht vorgelebt werden, für die Kinder ist es somit fast unmöglich eine Art „Emotionsmanagement“ zu erwerben.

Kommen die Kinder dann in ein Alter, in denen die ersten Grenzen aufgezeigt werden (Schule, Übernahme von hauswirtschaftlichen Aufgaben, Mitarbeit auf Feldern) ist die lächelnde Fassade als Verhaltensmuster programmiert.

Die Emotionale Entwicklung gerät durch diese Art von frühkindlicher ins Hintertreffen, dies wird ins Erwachsenenalter mitgenommen und gelebt, was sich dann in für uns manchmal seltsamen Begebenheiten äußert: So ist es durchaus zu beobachten dass ein 20 oder 25jähriger junger Mann pastellfarbenes, mit Popidolen bedrucktes Briefpapier anhimmelt, nicht selten mit Küsschen bedeckt, um es daraufhin mit kindlicher Begeisterung seiner Angebeteten und zukünftigen Frau zu senden.

Oft sind Erwachsene mit Micky Mouse, Donald Duck, Teletubbies oder einfach nur Bärchen bedruckten Kleidungsstücken zu sehen, welche sich dann auf Anfrage als erklärte Lieblingsstücke entpuppen. Das zieht sich über das Design von Handys (Pinkrosa, Glitzerlämpchen oder auch diverse Fußballclubaufdrucke), über die Art der bevorzugten Musik (Softrock oder lokale Popschnulzen) bis hin zu Postern von Stars und Sternchen, welche die Wände der Häuser zieren.

Eine Verallgemeinerung ist bei dem Obengenanntem unumgänglich, natürlich gibt es auch Viele, welche eine Veränderung der Entwicklung vollziehen oder schon vollzogen haben. Meist sind diese jedoch in den privilegierteren Schichten zu finden, was aber leider nicht auf das Groß der in Asien lebenden Menschen zutrifft.

Nichtsdestotrotz wäre die Welt um einiges ärmer, würde die Freundlichkeit und das Lächeln von so vielen Gesichtern verschwinden, die Leichtigkeit Situationen zu meistern wäre dahin und die so angenehme Andersartigkeit wäre nicht mehr so offensichtlich.

Letztendlich bleibt zu hoffen, dass die Menschen ihr Lächeln nicht verlieren, doch selbst in diesem Falle würde Eines wohl immer gelten:

NO PROBLEM!

Susanne Guckenberger