Bali: Vom alltäglichen Wahnsinn und muslimischen Hochzeiten

Haben Sie Lust mich in Bali mal zu besuchen? Na denn los, denn wir haben einiges vor und der Weg ist lang – zur anderen Seite der Erde. Hier erfahren Sie mehr über die Rolle von Frauen in Bali und wie dort muslimische Hochzeiten gefeiert werden.

Es ist gleich halb 10, und wenn wir noch was sehen und erleben wollen, sollten wir langsam in die Gänge kommen. Leichtes Gepäck bitte, genug Wasser, Futter gibt’s unterwegs in Hülle und Fülle, keine Bange. Die Tickets sind abgelaufen, aber das macht nichts, es scheint so dass wir in der Zeit zurück gehen, obwohl die Uhren um ganze 6 Stunden Vorlauf haben. Und dann sind die Fahrscheine auch wieder gültig. Allerdings gibt’s keinen ICE. Und keine Fernbedienung.

I. Mein Alltag – oder wie man als Frau in Bali überlebt …

Bali Rolle der Frau muslimische HochzeitUm zwischen den Welten zu wandern muß man die Unterschiedlichkeit kennen – die der einen, die der anderen Welt. Nun, es ist eine Sache als gebürtiger Mitteleuropäer zu einem Urlaub auf die andere Seite der Erde – sagen wir Bali – aufzumachen, dort 2 Wochen in einem Hotel mit allen Annehmlichkeiten und Vorzügen zu schwelgen oder wiederum ebenfalls als eben dieser Europäer auf der anderen Seite zu leben und die Eier auf dem Markt im Kilo zu kaufen oder „trauriges“ Essen zu essen.

Doch von Anfang an, um der Verständlichkeit Willen, denn was nützt es eine Geschichte zu schreiben, die niemand versteht.

Dir, geneigtem Leser, der Du gerade Deine Augen verleihst um Deinen Geist zu erfüllen sei beschrieben, wie es Einer ergeht, die meint ihre Wurzeln verpflanzen zu müssen und feststellt einen starken Dünger zu brauchen, aber einen gaaaanz starken!

( Das habe ich nun davon, diese vermaledeiten Bücher übers Mittelalter, die mich schon immer faszinierten, färben einfach ab – sprachlich. )

Heute zum Beispiel: „flatsch“ macht es, und der mit Wasser gefüllte Beutel, der im Fensterrahmen meines Schlafzimmers hängt- oder besser hing – klatscht auf mein mit Kapok ( eine Art Baumwolle, nur Größer im Wuchs, wie so einiges hier; Naturfaser eben…) gefülltes Bett. Große Klasse, denn ich hatte gerade heute überlegt die ganze Matratze in die Sonne zu legen um sie dringenderweise zu lüften bzw. zu trocknen, denn schon die geringste Erhöhung von Luftfeuchtigkeit lässt sie schimmelig riechen, und gestern hatte es – ungewöhnlich für die Trockenzeit – doch kurz geregnet. Der Duft erschwert meinem feinen Näschen schöne Träume und einen durchgehenden, ruhigen Schlaf, wiewohl ich mein Vorhaben in Ermangelung helfender Hände der Nachbarn auf morgen verschob – das Ungetüm von Matratze ist mit über 50 kg in einer Hülle von 150/200 cm verteilt einfach zu schwer für mich alleine. Und dieselbe quer durchs Haus über die Terrasse durch den erdigen Hof schleifen um sie dort auf die Liege zu wuchten kommt nicht in Frage!

…Da fällt mir ein, ich muß noch einen Teppichklopfer besorgen, so einen den meine Oma anno dazumal wirklich benutzte um Teppich zu klopfen. Hier braucht man die Dinger eben um Matratzen zu prügeln – vor dem Wenden, um sie dann von der anderen Seite zu braten.

Warum nun ein wassergefüllter Plastikbeutel vom oberen Fensterrahmen fällt ist eine ganz andere Sache. Vielleicht lag`s an dem nur unzureichend ins Holz gedrücktem Reißnagel, am porös gewordenen Haushaltsgummi oder an den heute sowieso schon ständig kippenden, fallenden, verschütteten Wassergläsern, Saftkrügen und Flaschen und der Beutel dachte sich – Klasse, eine Party, da darf ich nicht fehlen! – jedenfalls hat’s grad so gar nicht gepaßt, aber er mußte ja mitmachen.

Sollte sich an dieser Stelle jemand im Publikum fragen welchen Grund so ein wassergefüllter Beutel am oberen Rahmen meines Schlafzimmerfensters hat (und warum dem gegenüber am oberen Rahmen meiner Eingangstür ebenfalls einer hängt, was aber bisher niemand weiß ), der kann nachlesen unter „Fliegenabwehr für das Haus“ . Ein bisschen Werbung muß sein.

Was dies nun auf heute bezogen mit Wandern zwischen den Welten zu tun hat – ganz einfach: in solchen Situationen wünsche ich mir auf der Stelle ein ganz normales deutsches Haus oder zumindest eine Wohnung in der es NICHT nötig ist Wasserbeutel rundum zu plazieren um den täglichen Ansturm an Fliegeviechern abzuwehren. Ich wünsche mir auf der Stelle ein ganz normales Bett, meinetwegen Federkern, von dem man Magnetstrahlen bekommt oder was auch immer, jedenfalls ein ganz normales Bett, welches nicht die Gemeinheit besitzt in regelmäßigem Abstand meine Nase zu beleidigen und mir den Schlaf zu rauben!

O.k., o.k., ich habe etwas übertrieben. Es ist mitnichten so dass ich tage- und wochenlang von einer Matratze um den Schlaf gebracht werde, im Gegenteil, es sind diese zu nachtschlafender Zeit krähende Hähne, die sich heimlich nach Sonnenuntergang alle ausgerechnet um mein Haus versammeln, um sich dann sozusagen von 23 Uhr bis Sonnenaufgang die verbale Klinke in die Hand zu geben und der Reihe nach – Dorfauf, Dorfab – ihre vermeintliche Existenzberechtigung hinauszuschreien.

Es hilft alles nichts. Einmal dachte ich, ich hätte sie endlich alle gegessen – Curry, Suppe, als Braten, am Spieß, ah, es sind derer Möglichkeiten viele – aber diese Untiere scheinen wie aus dem Nichts nachzuwachsen.

Dem Nachwuchs rücke ich nun meinerseits mir einer schönen, großen, gemeinen Steinschleuder auf den gefiederten Leib, und so mancher hüpft auch schon mal einen großen Satz, bevor er überhaupt zum gackern kommt um sich zu beschweren – oder seiner Pein Ausdruck zu verleihen. Pech, daß ich so gut geworden bin, im Steinschleudern.

Was das Wandern angeht: Da stelle ich mir mein ehemaliges fränkisches Landhäuschen vor, freistehend in einem malerischen Tal mit naturgeschütztem Flüßchen vor der Nase, Hahn und Hühnerfrei!!!!

So etwas gibt’s! Auch auf dem Land! Sorgenfreier, durchgehender, erfrischender Schlaf so lange man will inklusive. Und wehe den will mir einer streitig machen! Da kann, da muß was unternommen werden, da gibt es Mittel und Wege…….die hier jedoch nicht greifen, also zurück aus der Anderen Welt, in die Eine und einfach mal ein bisschen locker lassen! Immer diesen Western Head gleich voranstellen und wenn’s dann doch anders ist sofort auf mein Recht bestehen, dass es so sein muß wie ich es mir vorstelle oder wie ich es gewohnt bin.

Wozu bin ich denn hier? Warum, um nicht ein bisschen auf mich selbst zu stoßen, auf die ganz kleinen ureigenen Prägungen und Programme? Wenn ich als geborene Mittelfränkin den Entschluß gefaßt habe mich im tiefsten Indonesien, fernab jedweder Infrastruktur ( meint, die nächste Tankstelle ist 45 Min. entfernt; der nächste Supermarkt, der auch so essentielle Dinge wie Leberwurst, Essig, Milch und Butter führt, braucht 1,5 Std. Anfahrt ), dann impliziert das doch das Einlassen auf die Andersartigkeit, ist doch logisch! Also nicht kleckern, klotzen! Und morgen gibt’s Hühnerhahn!

Bali und die Schrecken einer muslimischen Hochzeit

Bali muslimische HochzeitUm Vergleichen zu können muß man die Unterschiede kennen. Das hatten wir schon bemerkt. Manchmal genügt ein einmaliger Zusammenstoß mit einem Unterschied, oder sagen wir, der Andersartigkeit, um für alle Zeiten Bescheid zu wissen.

Das ist so im Falle einer muslimischen Hochzeit. Für immer geheilt einer solchen Zeremonie nochmals beiwohnen zu wollen, nachdem ich über Stunden einer der kitschigsten Theaterkulissen gegenüber saß, ein überplüschtes Sofa in Goldrahmen und rotem Samtabklatsch, umtüllt von Taft und wogendem Plastikstoff. Um den Gästen die Zeit zu vertreiben bekommt man bei Ankunft einen kleinen Karton überreicht, das indonesisch-kulinarische Überraschungsei sozusagen: Viel klebriger, ungesalzener Reis, wenig undefinierbares Magerhuhn, reichlich scharfes Sambal und pappigen Krupuk. So verköstigt sieht man sich wie in einem Sitzplatzkonzert dem Hochzeitspaar gegenüber, um sich an dessen Anblick und am Essen zu laben.

Das Sambal hat’s in sich, sprechen ist nach dem ersten Bissen nicht mehr, da hat man dringend anderes zu tun ( …nur nicht tief atmen, kurze und oberflächliche Atemzüge wirken reizlindernd, und auf keinen Fall verschlucken, das wäre fatal! Und mit Essensverweigerung hat das auch nichts zu tun, eher mit Selbsterhaltungstrieb.). Eine Unterhaltung ist sowieso hinfällig, da die Gastgeber, um allen Anwohnern auch noch im übernächsten Dorf das freudige Ereignis kund zu tun, eine PA-Anlage aufgebaut haben, die jedem mittelgroßen Freiluftkonzert alle Ehre gemacht hätte. Nicht nur die Lautstärke, sondern auch die Wahl der Musik jagt unsereins durch alle emotionalen Stadien. Wehrlos ist man dem Endlosband vom Las Ketchup-Song, Muslim Version ausgesetzt. Gnade gewährt eine unendliche Ansagenfolge annähernd aller bestimmt 150 Familienmitglieder, alle karaokegefestigt ohne Scheu in ein quietschendes Mikro leiernd, die Lautstärke bleibt bestehen, obwohl es unmöglich sein kann irgendetwas aus dem Waberlaber zu verstehen, sollte man auch der Sprache mächtig sein. Innerlich von anfänglicher Belustigung über Empörung bis hin zu schierer Wut gewechselt, gebe ich auf!

Ich füge mich dem Unvermeidlichem und harre aus.

Kurz vorm endlichen äußerlichen Zusammenbruch kommt Rettung in Form einer Familieninterna, die das Rätsel des allzu erstarrt sitzenden, nicht besonders glücklich wirkenden Paares vorn auf dem Sofa erklärt und der Abend ist gerettet: Nach all den Jahren der Entbehrung und des Wartens auf den lang ersehnten Augenblick in trauter Zweisamkeit die erste körperliche Erfahrung betreffend – setzt bei der Braut vor lauter Aufregung die Mens ein und es ist Essig mit Gehechel. Gemeinerweise finde ich mich innerlich feixend auf meinem Stuhl wieder. Nicht dass ich es den Frischvermählten nicht gönnen würde, nein, ich empfinde es als gerechten Ausgleich meiner akustischen Qual.

Der Gedankensprung ist unvermeidlich: Wenn die wüßten, wie bei uns Hochzeit gefeiert wird, da könnten sie sich aber Hallo eine Scheibe abschneiden!

muslimische Hochzeit Bali HeiratGehobenes Ambiente, gutes Essen, eine nette Combo, angenehme Unterhaltungen, rührende Toasts, alkoholische Gelage und überhaupt ein rauschendes Fest.

Froh und halb taub komme ich spät nachts zu Hause an, brülle mein Kind an da ich mich selbst nicht höre, und merke: an Schlaf ist nicht zu denken. Die PA ist ca. 150 m Luftlinie entfernt aufgebaut, die Boxen zeigen in Richtung meines Hauses und der Wind steht günstig.

Wir feiern ja auch durchaus über 3 Tage, aber anders! Die haben ja keine Ahnung! Aber hab ich eine??

Es ist das gleiche Phänomen wie mit dem Wasser, welches hier in entgegengesetztem Wirbel ins Waschbecken abfließt. Ich muß nicht alles verstehen.

Doch es geht auch anders.

Die großen Unterschiede zwischen einer muslimischen und einer hinduistischen Hochzeit bestehen in erster Linie in der Religion ( Einleuchtend, oder? ), einer echten, live spielenden Combo ( das klassische Gamelanorchester, eigens bestellt und zuhauf anwesend ) und in zu fast hunderten gestapelten Geschenken an einer Wand des Hauses. Diese völlig gleichförmigen, doch in verschiedenes Glitzerpapier verpackten Dinger enthalten sämtlich und sonders das Gleiche: einen 6er-Pack Saftgläser, aus denen wahrscheinlich noch in den nächsten 5 Generationen getrunken wird. Wehe dem, der als Zweit-oder Drittgeborener heiratet. Das Puzzle beginnt nach der Feier – welche Gläser passen zusammen? Glück dem, der ein Dutzend zusammenbekommt!

Der Gedanke an die in diversen Läden ausgestellten Hochzeitstische mit Wunschdeko der zukünftigen Eheleute wird wach, auch ätzend, dann schon lieber Gläserpuzzle. Die Hinduvariante des Überraschungseis.

Der Priester ist zugegen, jedenfalls die ersten zwei Tage, gefeiert wird auch hier bis am dritten Tag alle umfallen, spätestens am Zweiten gibt das Orchester auf ( wahrscheinlich ist die Hornhaut auf den Fingerspitzen ab – oder so dick geworden dass sie die Töne nicht mehr treffen…) und die Karaokebar wird eröffnet. Das Buffet ist 24 Stunden geöffnet, wobei unsereinem das Sambal nicht weniger die Schleimhaut verätzt, doch dem kann hier mit einem kräftigem Schluck destillierter Palme abgeholfen werden. Dass die Wirkung erst nach dem 5 Glas einsetzt und das Labsal als Blindmacher betitelt wird verschweige ich hier und keiner hat’s gelesen. Alles brave Leute.

Und sie wissen sich zu amüsieren!

Für die Kulisse sorgen die Unmengen an Gästen, alle voll in Schale geschmissen, will sagen in die prächtigsten Sarongs und Farben gewickelt, die reinste Augenweide.

Kein einziger steifer Kragen oder rauschendes Rüschenkleid, die Etikette wird auch dann gewahrt wenn der Priester den Sarong lüpft und sich zur Musik in Pose schmeißt, umtanzt von einer bezaubernden Vortänzerin, die ihrerseits seine tänzerischen Annäherungsversuche unter Jubel der Zuschauer abwehrt um dann das nächste Männchen auf die Tanzfläche zu locken.

Das frisch getraute Ehepaar derweil hat wortwörtlich alle Hände voll zu tun: jedem ankommenden Gast und einem jeden der da geht wird von beiden die Hand geschüttelt. Strategisch günstig am Eingang plaziert harren sie über die vollen 3 Tage in ihren schönsten Schärpen auf Stühlen aus, nur um sofort aufzuspringen, wenn einer der mehreren hundert Gästen erscheint.

Wie sie den Muskelkater in den Hinterbacken behandeln, der unausweichlich scheint, habe ich bisher noch nicht eruiert. Da schweigen sie wie die Lämmer, nichts zu machen.

Meine Erinnerung wird wach an Hochzeiten von Freunden oder Tanten in Deutschland. Da waren der Mittelpunkt doch eigentlich immer das Brautpaar. Gut, kurz mal entführt resp. auf der Jagd, dennoch ihr eigenes Fest in vollen Zügen genießend. Aber so unter freiem Himmel, laue Nächte lang, praller Sonne des Tags und rund um die Uhr Haus und Hof voller Leute – das hat noch keiner geschafft! Hut ab!

Susanne Guckenberger