Bali & Ärzte oder Vorsicht bei Arztbesuchen

In Bali geht man nicht einfach zum Arzt – vergessen Sie es! Zunächst sollte man sich einige Detektivfähigkeiten zulegen, die bei der Spurensuche von Nutzen sein könnten. Ist die Witterung einmal aufgenommen, so hat man mit der Spürnase eines Waldläufers schon mal gute Chancen sich nicht zu verlaufen. Wie Sie den Rest hinbekommen, verrate ich Ihnen in dieser Story …

Arztsuche in Bali: Wie man die Witterung aufnimmt …

Bali Krank Arzt ArztsucheDie Zeit war gekommen, nach einem Tierarzt Ausschau zu halten, um die Katzen zu impfen. Sinnvoll ist es, zuerst den Arzt zu besuchen, bevor man diesen zu sich bestellt, damit er den Titel auch vertrauenswürdig zur Schau stellt oder ihn aussortiert, wenn er eher die Einstellung eines Schlachters vertritt.

Nun begab es sich zu einer Zeit, dass ich mit einer einheimischen Freundin auf dem Weg war, nicht zu früh, nicht zu spät des Tags, sagen wir um ca. 17 Uhr, um einen dieser Spezies zu suchen, der meinen Vorstellungen entsprach. Durch Mundpropaganda wusste ich bereits, dass in einem ca. 20 km entferntem Dorf wohl irgendwo ein Tierarzt versteckt ist. Die Schnitzeljagd konnte beginnen.

Lieber jeden Tag ein Abenteuer, als banal, einfach ins Telefonbuch resp. in die Gelben Seiten zu sehen und den naheliegendsten Veterinär auszusuchen, der die Tierchen womöglich naturheilkundlich oder homöopathisch behandelt.

Nun denn, schon in Zielnähe etliche Einwohner der umliegenden Dörfer befragt und den Hinweisen gefolgt, halten wir am Meeting Point des fraglichen Dorfes, einem beschilderten Copy Shop, der sich als besserer Tante Emma Laden entpuppt. Ausgestiegen und den obligatorischen Wachmann gefragt, ja, es gäbe einen Tierarzt, sprachs und fährt fort den Laden zu bewachen – vor wem weiß der Teufel.

Also den Mannen noch mal befragt, ach so, wenn wir den Arzt sprechen wollen, ist das natürlich eine ganz andere Sache, wir sollen einen Augenblick warten. Ich lerne dazu. Eben in diesem Augenblick, der sich alles in allem auf eine dreiviertel Stunde beläuft. Na, derweil shoppen gewesen, unglaublich, was so alles gefunden werden kann in solchen Läden.

(Derweil sich der Dichter und der Romantiker wieder näher kommen und seufzend in die Abenddämmerung schmachten, die sich malerisch und glitzernd über dem Meer ansehen lässt, hintermalt von majestätischen Vulkanen und stolzen Bergen … )

Etliche Tüten Chips und diverse Softdrinks später taucht wie aus dem Nichts ein Mann auf, der sich als der Gesuchte vorstellt, halt nein, er sei derjenige, der Katzen impfen kann. Hm, eine ziemlich unorthodoxe Art vor einem Laden an der Hauptstraße, alle neugierigen Augen des Dorfes inklusive, Bekanntschaft mit dem zukünftigen Haustierarzt zu schließen.

Ein bisschen hin und her, er hat jedenfalls das Wissen und die Mittel sowie Werkzeug – das muss er nur holen. Bleibt nur noch die Frage nach der Telefonnummer, und da muss der Gute dann doch die Hosen fallen lassen: Die Nummer muss er besorgen – beim Tierarzt!

Ha, ich ahnte es doch! Wie gut wäre es doch eine Telefonnummer seiner Wahl aus den Gelben Seiten anzurufen, da weiß man gleich, wer dran ist!

Also auf zu neuen Taten, dem Guten dann noch die Wegbeschreibung aus der Nase gezogen, mittlerweile ist es dunkel, und mit der Info `nach der Schule N° 3 links rein` bei absolut keiner Straßenbeleuchtung ist das doch ein Kinderspiel. Und es bleibt spannend!

Um Umwege zu vermeiden, reißen wir unüblicherweise das Autofenster auf und fragen einen anscheinend ganz Ausgeschlafenen nach dem Tierarzt. Klar, richtiger Weg, nur ist der nicht nach der Schule N° 3 zu finden, sondern nach der N° 1. Auch gut, weiter geht’s. Schulen gibt’s in jedem Dorf zuhauf, nur sind sie bei Dunkelheit ebenso unkenntlich wie alles andere auch.

Also noch einmal Fenster aufgerissen, zwei verdutzten Männern das Gespräch unterbrochen und nach der gesuchten Schule gefragt. Die Gegenfrage wird beantwortet, „nein, wir suchen den Arzt!“ „Aha! Ja, der wohnt da auch, noch ca. 200 Meter weiter, aber Vorsicht! Die Schule hat zu!“ …

Bali Arzt BuschmannUnd das, lieber Leser, passiert einem nicht mal bei der Post! Die wissen zwar auch nicht, wie und warum alles zusammenhängt, aber sie drücken es nicht so direkt aus.

Von Lachkrämpfen geschüttelt und um Fassung bemüht, erreichen wir das Haus des lang Gesuchten. Der Eindruck ist ein seriöser, die Absprache getan, die Telefonnummern getauscht. Als ob dies alles wäre! Ein Wunder tut sich auf, denn beim Verlassen des Hauses fallen uns ganze 9 Paar Schuhe auf, die schön säuberlich in Reih und Glied stehen.

Kurzes Innehalten und Nachzählen der in dem 2-Raum-Haus angetroffenen 3 Personen – das ungute Gefühl, ob der Arzt uns nicht doch irgendeine Kleinigkeit verheimlicht haben könnte!?

Manchmal vermisse ich einfach schlichte, geordnete Bahnen, deren Verläufe absehbar sind. Eine Adresse, ein Haus mit Klingelschild, eine sterile Praxis und ein Lob auf das Branchenverzeichnis!

Bali: Von medizinischen Unwägbarkeiten …

Der Leser mag an dieser Stelle angehalten sein, sich den mitteleuropäischen Vorgang bewusst zu machen, den es bedarf, um sich ärztlich zu versorgen. Nichts einfacher als das. Meist geht dem Arztbesuch ein einfacher Telefonanruf voraus, bei dem ein Treffen vereinbart wird, zu dem sich der Patient mit genügend Spielraum an Zeit und einem guten Buch bewaffnet zu eben diesem begibt, um sein (mehr oder weniger dringendes) Anliegen an den Mann resp. die Frau zu bringen. Nach einem (mehr oder weniger ausführlichem) Gespräch verlässt der Patient die Örtlichkeit, ausgerüstet mit einem Zettel, welcher den Zugriff auf Heilmittel diverser Art ermöglicht, mit der Hoffnung auf baldige Gesundung.

Nun, dies mag überall auf diesem Erdball eine Rolle spielen, die Hoffnung wie auch die Gesundung.

Ich bin mir völlig im Klaren darüber, dass ich in dieser Welt etwas anderes zu erwarten habe, und auch diese Art von Erfahrung ist einer Schilderung Wert.

Die Schilder praktischer Ärzte sind nicht wenige, entlang der an der Hauptstraße stehenden Häuser zu lesen, schön bezeichnet welches Fachgebiet der jeweilige Arzt ausübt. Meist ist es jedoch der Fall, dass der Doc erst gegen Abend anzutreffen ist, denn er hat tagsüber viel auf dem Feld zu tun oder muss erst noch die Post des Dorfes sortieren.

Auch gibt es in jedem größeren Dorf eine Einrichtung, welche die Einheimischen als Krankenhaus bezeichnen – auch recht, wer wagt, der gewinnt.

Ein solches im Notfall aufzusuchen, ist die Regel, in der Hoffnung der wirkliche Arzt, nicht nur sein Assistent, ist anwesend und der Schlüssel zur Praxis auffindbar.

Bali Arzt Arztsuche KrankheitUm nicht auf einen Heiler zurückzugreifen, der Götteranrufungen und Weissagungen über die Krankheit macht, eile ich mit einem hochfiebernden Kind zu einer Klinik. Mit dem grassierenden Dengue-Fieber ist nicht zu spaßen und ich will eine Ausschlussdiagnose. Ohne Blutzapfen bitte – ich habe die sterilen Kanüllen vergessen.

Die Räumlichkeit, ein etwas größeres hiesiges Einfamilienhaus, ist gefunden und am Tresen stehend, wecken wir den diensthabenden Arzt aus dem schönsten Mittagsschläfchen. Mir egal, ich erkläre kurz den bisherigen Verlauf des Fiebers, betone, dass kein Blut abgenommen oder sonstige fragwürdige Flüssigkeit gespritzt werden soll. Alles klar, hier ist der Kunde noch König, und der Mann macht erst einmal eine sehr, aber wirklich sehr genaue Anamnese: Alter des Kindes, Gewicht, bisherige Krankheiten, Beginn des Fiebers und welche Temperatur zu welcher Tageszeit, Ess- und Trinkverhalten, Schlaf und Allgemeinzustand. Auch die Frage nach Umgang mit anderen Kindern, Wohnort (nein, das ist keine Anmache!), Tagesablauf, Spielgewohnheit und vieles mehr. Ich gestehe, ich bin überrascht! So ausführlich bin ich lange nicht von einem Arzt befragt worden und ich merke, dass ich doch so manche Frage wohlüberlegt beantworte.

Dann wird das Kind untersucht, es ist wie bei uns in der einen Welt, nur viel ausführlicher und genauer. Da bin ich wiederum sehr überrascht. Das war beim Kinderarzt in Deutschland nicht der Fall. Allerdings war es auch nicht der Fall, dass dieser einen hölzernen Zungenstab aus einer Schublade zieht, ebenjenen kurz mit einem Schmuddeltuch abreibt, meiner Tochter in den Mund steckt und sie „Ahhhh“ sagen lässt. Zu perplex von der Vorstellung hier das einzige Exemplar an Zungenstab vorzufinden, mit dem aller Wahrscheinlichkeit nach Hunderte von Zungen gedrückt wurden … Schon ist’s vorbei, Diagnose steht, kein Grund zur Besorgnis, Antibiotika heißt das Allheilmittel, sprach’s und strahlte übers ganze Gesicht.

Noch milde mit Brechreiz kämpfend, nehme ich mir ernsthaft vor, während meines nächsten Deutschlandaufenthalts bei einem Doc mindestens einen Mundgucker aus Plastik zu besorgen und diesen dann hier feierlich zu übergeben – ein solcher kann wenigstens vernünftig desinfiziert werden und ich werde eine Heldin sein!

Siehe, in dieser Welt ist also weder ein gutes Buch nötig, noch geht der ganze Vormittag flöten, sucht man ärztliche Hilfe auf. Der Stress kommt von ganz unerwarteter Seite. Man sollte einfach nicht so vorbelastet mit einem westlich geprägten Kopf in solche Situationen gehen. Das erschwert die Kommunikation im Allgemeinen und den Hormonhaushalt im Besonderen.

Die absolute Horrorvorstellung schon in der anderen Welt – ein unverzichtbarer Zahnarztbesuch Dringlichkeitsstufe I. Allein der Gedanke an die erlösende Spritze bringt mich ins Schwitzen, ganz zu schweigen von den Bohrgeräuschen, die sämtliche archaischen Abwehrsysteme ins Rollen bringen. Schluss mit Lustig.

Die böse Ahnung wird unerwartet zur harten Realität, natürlich des Sonntag morgens, ausgerechnet durch ein Stück schmackhafter Ananas ausgelöst. Wie sie es geschafft hat, weiß ich nicht. Vielleicht machen die hier ja irgendwas in die Ananas, was ein schön angepasstes Backenzahninlay ausfallen lässt.

Wie gesagt, es gibt viele Ärzte; der nächste Zahnklempner ist jedoch 1 ½ Stunden Fahrzeit entfernt. (Von wegen Ärztehaus, Notfalldienst, Wochenendbereitschaft, ha, lächerlich!) Da nach einer halben Stunde und 4 Aspirin keinerlei Aufschub mehr herauszuschinden ist, sediere ich mich selbst mit wohlweislich aus dem Westen mitgebrachten Tropfen, um die Anfahrt einigermaßen zu überstehen und meine Panik niederzukämpfen. Die Tropfen sind gut, ich laufe in Schlangenlinien, bin der Überzeugung nie mehr einen Zahnarzt zu brauchen und rede unsinniges Zeugs.

Doch ich füge mich, lasse mich in die Stadt fahren und habe genug Zeit zu überlegen, wie ich dem Bader wohl begreiflich machen kann, dass ich auf Spritzen aller Art verzichte. Aus hygienischen Gründen, versteht sich, doch das braucht er nicht zu wissen. Mag er doch denken, was er will.

Die beruhigende Wirkung der Tropfen nimmt im gleiche Maße ab wie die Entfernung zum Zielpunkt. Örtliche Betäubung würde ich zwar wirklich nicht brauchen, aber gegen die innere Übelkeit vor Aufregung ist anscheinend kein Kraut gewachsen.

Layla in BaliAlso ran an den Feind, die FlipFlops vor dem Haus ausgezogen, wie hierzulande die Höflichkeit vorschreibt, und ich befinde mich kurzerhand einem älteren, verhutzelten Weiblein gegenüber, die genauso wie das übrige Praxisinventar aus der Steinzeit zu stammen scheint. (Die Bohrer sind manuell mit Fußpedalen anzutreiben, so wie Großmutters Nähmaschine, wo doch mittlerweile mancherorts zumindest ein kleiner Kompressor dazu bereitsteht …) Ich strecke ihr mein Inlay entgegen und versuche ihr verständlich zu machen, gut auf Betäubungsspritzen verzichten zu können. Sie ignoriert das nicht einmal!

Ich werde auf den Behandlungsstuhl genötigt, sie wirft einen kurzen Blick auf meine Zähne und erkennt fachmännisch den langen Leidensweg, der darauf geschrieben steht. Ich starte einen neuen Anlauf, von wegen Verzicht auf Betäubung und sie winkt mit einer wegwerfenden Handbewegung alle Zweifel aus dem Raum: Spritzen besitzt sie gar nicht!

Na Bravo! Bin ich sicher, dass sie wirklich die Zielperson ist? So ganz ohne sterile, weiße Kleidung, Mundschutz, desinfizierten Händen? Keine Zeit für Überlegungen, denn sie nähert sich unverhofft mit einem Fläschchen diffuser Flüssigkeit, bedeutet mir den Mund zu öffnen und raspelt mit einem in die Flüssigkeit getauchten Ohrenstäbchen durch den hohlen Backenzahn. Die Nerven darin schweigen sofort still, das Zahnfleisch krümmt sich und die Lippen brennen wie Feuer. Mit Schadensbegrenzung und dem dringenden Bedürfnis nach Flucht beschäftigt, verpasse ich den günstigen Augenblick, sie nähert sich schon wieder! Diesmal mit dem wohlbekannten Täfelchen, auf dem sie einen Klecks Irgendwas zusammenmischt.

Keine Aufforderung nötig, den Mund habe ich freiwillig geöffnet, die Tinktur ist wie Fisherman`s Friend hoch 10! Ob das Berechnung ist?

Dann geht alles sehr schnell. Ihr Zeigefinger, beladen mit einem Teil des Kleckses, drückt die Füllung in den Krater – ich soll doch mal zubeißen, ob es zu hoch ist? Ja? Moment … – sprach’s und kratzt den Überstand mit dem Fingernagel ab. Noch mal Zähneklappern – passt? Und das war’s auch schon!

Wenn’s in 3 Tagen nicht weh tut, kann ich nach einer Woche kommen und das Inlay reinhaben!!!

Ich stehe unter Schock! Fassungslos zahle ich eine, im Vergleich zu bisher gewohnten Zahnärzten, lächerliche Summe und befinde mich nach der insgesamt nicht länger als 5 Minuten dauernden Behandlung wieder auf der Rückfahrt! (Soviel zu guten Büchern und überfüllten Wartezimmern.)

Der Schock sitzt tief! Meine ganze schöne Panik, das flaue Gefühl im Magen und rudimentäre Haareaufstellen – alles für die Katz! (Auch keine schiefe Backe, kein Verzicht auf den nötigen Doppelten, die Zigarette oder einen stärkenden Biss in ein Stück Fleisch – schließlich habe ich seit dem Frühstück nichts gegessen.)

Der schön programmierte Ablauf meiner westlichen Schaltungen und Programme völlig umsonst!

Mir bleibt nichts anderes übrig, als umzuschalten, die Deprogrammierung läuft, Fragmente der Angst zusammengekehrt in den Müll und ich gebe mich dem erlösenden Gefühl einer neuen Erfahrung hin: Mami, Mami, er hat gar nicht gebohrt!

Jetzt fehlt nur noch der grüne Apfel.

(Schon gemerkt, wie leicht das Wandern mittlerweile fällt?)

Dem Leser sei angemerkt, dass ich mit diesem Provisorium locker 5 Monate ohne weitere Zwischenfälle alles zu Brei mahlen konnte. Das wohlgehütete Inlay ließ ich dann doch von einem deutschen Zahnarzt nach dieser Zeit wieder einsetzen, der seinerseits seine liebe Not hatte, den Indozement rauszumeißeln. Tja, wer wagt, gewinnt eben doch!

Susanne Guckenberger