Buchempfehlung „Magier der Märkte“““

Es ist nun mittlerweile fast 15 Jahre her, dass in den USA das Buch Market Wizards von Jack D. Schwager herauskam. Was einigen wenigen von Anfang an klar war, hat sich im Laufe der Jahre auch für eine breitere Öffentlichkeit immer deutlicher herauskristallisiert: Dieses Werk ist mit Sicherheit eines der wichtigsten und essentiellsten in der Welt der Börsenliteratur!

Nachdem die 1992 vom Kulmbacher Börsenbuch Verlag herausgebrachte deutsche Übersetzung bereits seit längerem vergriffen war, kam vor einigen Tagen, wir schreiben September 2004, im Münchener FinanzBuch Verlag eine bzw. die langerwartete (deutschsprachige) Neuauflage heraus.

Worum geht es? Nun, Mr. Schwager, ein anerkannter Finanzexperte, interviewt einige der größten Trader (neudeutsch für „Börsenspekulant“) aller Zeiten!

Auf ausgesprochen intelligente und kenntnisreiche – dabei aber nie trockene sondern im Gegenteil oft höchst unterhaltsame! – Art und Weise führt der Autor Gespräche mit so schillernden Figuren wie beispielsweise Michael Marcus, der für seinen Arbeitgeber, Commodities Corporation, mit dem Handel von Futures (Terminkontrakten) hauptsächlich auf landwirtschaftliche Produkte innerhalb von knapp zehn Jahren aus 30.000 Dollar 80 Millionen machte, dem legendären Trendfolger Ed Seykota, dessen Performance, man glaubt es kaum, über die Jahrzehnte (fast) schon in Millionen (!!) Prozent gemessen werden muß oder dem notorischen Querdenker Jim Rogers, der sich kein X für ein U vormachen läßt fast schon aus Prinzip das Gegenteil von dem tut, was die Masse macht – und damit reich wurde – und blieb!

Das Buch ist in mehrere Sektionen aufgeteilt, die jeweils aus Interviews mit Tradern eines Spezialgebietes bestehen, so z.B. dem Handel hauptsächliche mit Futures, dem mit Aktien, dem direkt auf dem Handelsparkett oder auch dem, welcher quasi „von allem etwas“ beinhaltet.

Ich denke, dass sich die Botschaft an den Leser in zwei Bereiche aufteilen lässt:

a.) fachspezifische Informationen über funktionale Spekulationstechniken und
b.) die Psychologie erfolgreichen Spekulierens bzw., eigentlich – erfolgreicher Lebensbewältigung!

Was haben die großen Trader uns also in fachlicher Hinsicht zu sagen?

Nun, die essentielle Regel für erfolgreiche Spekulation ist wohl die folgende: Laß Deine Gewinne laufen und begrenze Deine Verluste! Die Logik dahinter ist einleuchtend: Wenn ein Anleger in 50 Prozent der Fälle richtig liegt, seine Positionen ab einem Buchverlust von ca. zehn Prozent schließt und seine Gewinne laufen lässt (und zur Gewinnsicherung einen Stop nachzieht), dann macht er mittel- und langfristig – Gewinn! Wie gesagt: die wohl essentiellste Börsenregel, die aber von erstaunlich vielen (Klein-)Anlegern missachtet wird…

Zwei andere beachtenswertes Prinzipien werden beispielsweise vom legendären Futures-Trader Richard Dennis formuliert: Erwarten Sie (in den Märkten) das Unerwartete, erwarten Sie das Extreme – also: Sagen Sie nicht „Diese Aktie ist bereits von 10,00 auf 50,00 Euro gestiegen, sie kann nicht mehr zulegen“ sondern lieber „Es ist möglich, dass sie sich noch einmal verfünffacht!“…

Weiters betont Dennis die Wichtigkeit davon, praktisch in gleichem Ausmaß steigende und fallende Kurse für möglich bzw. wahrscheinlich zu halten. Die meisten professionellen Trader, so meint er, hätten am Anfang ihrer beruflichen Laufbahn eine Art Prägungsphase durchlebt, die sie in weiterer Folge eine Seite bevorzugen lässt – je nachdem, womit sie in eben dieser Phase Geld gemacht haben. Ein Beispiel aus der jüngeren Börsengeschichte wäre wohl der unglaubliche Bullenmarkt in Technologieaktien in den Jahren 1997 – 2000 – Anleger, die zu dieser Zeit begonnen und mit steigenden Notierungen Geld verdient haben, sind hoffnungslos auf eine Welt immerfort steigender Kurse geprägt und verlieren dann auch wieder einen guten Teil ihres Geldes in einem Jahre andauernden Bärenmarkt (wie z.B. von 2000 – 2003)…

Von William O’Neil und seinem Schüler David Ryan erfahren wir sehr viel über die Kriterien erfolgreicher Aktienauswahl. Altmeister O’Neil, ein äußerst erfolgreicher Fondsmanager, weist z.B. auf den Fehler hin, Aktien mit niedrigem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV; die Relation zwischen Aktienkurs und Gewinn pro Aktie. Bei einem Aktienkurs von 30,00 Euro und einem Gewinn pro Aktie von 1,50 Euro beträgt das KGV 20) zu kaufen und solche mit hohem KGV zu verkaufen. Zitat (S. 228): „Ein gängiger Fehler, den viele Anleger machen, ist, Aktien rein wegen eines niedrigen KGVs zu kaufen. Es gibt normalerweise einen sehr guten Grund für ein niedriges KGV. Vor vielen Jahren, als ich begonnen habe, den Markt zu studieren, habe ich Northrop zu einem KGV von vier gekauft und ungläubig mitangesehen, wie die Aktie auf ein KGV von zwei absank. Ein anderer weit verbreiteter Fehler besteht darin, Aktien mit hohem KGV zu verkaufen. Ich erinnere mich noch an das Jahr 1962, als ein Investor ein das Brokerage-Büro eines Freundes platzte und mit lauter Stimme verkündete, dass Xerox drastisch überteuert sei, da das Papier zu einem KGV von 50 notiere. Er ging bei 88,00 $ short („Short Selling“: eine geliehene Aktie in der Erwartung fallender Kurse verkaufen; damit geht die Verpflichtung einher, das Papier zu einem späteren Zeitpunkt zurückzukaufen und an den Verleiher zurückzugeben. Das Problem bei dieser Vorgangsweise ist, dass die Verluste das eingesetzte Kapital bei weitem übersteigen können. Anm.). Xerox stieg auf 1.300,00 $, Aktiensplits miteingerechnet.“

Viel über den Handel mit Rohstoffen (Commodities) bzw. von Futures oder Optionen darauf kann man wohl von James B. („Jim“) Rogers lernen. Der schillernde Spekulant, von dem Ende diesen Jahres übrigens ein wohl äußerst lesenswertes Buch zu diesem faszinierenden Sujet herauskommen soll – das mit Sicherheit auf Philognosie.net rezensiert werden wird! – lässt uns in dem entsprechenden Interview, das in der gediegenen Atmosphäre seinen New Yorker Town House geführt wurde, ein wenig an der geballten Weisheit seiner jahrzehntelangen Forschungs- und Handelstätigkeit teilhaben.

Hier ein Zitat (S. 307): „Ich habe hunderte, womöglich sogar tausende, Bullen- und Bärenmärkte erlebt oder studiert. In jedem Bullenmarkt, ob in IBM oder Hafer, scheinen die Bullen (Anleger, die steigende Kurse erwarten, Anm.) immer wieder auf’s Neue mit Gründen aufzuwarten, warum es immer so weiter gehen muß. Ich habe hunderte male gehört „Das Angebot kann die Nachfrage nicht mehr befriedigen“, „Dieses mal ist alles anders“, Öl muß zu 100,00 $ pro Barrel notieren“, „Öl ist kein Rohstoff“ (lacht), „Gold ist unterschiedlich von jedem anderen Rohstoff“. Nun, verdammt, 5.000 Jahre lang war es nicht unterschiedlich von jedem anderen Rohstoff. Es gab Zeiten, in denen es stark angestiegen ist und Zeiten, in denen es für mehrere Jahre abwärts ging. Es gibt hier nichts Mystisches. Sicher, es war eine Wertanlage – aber das waren auch Weizen, Mais, Kupfer – alles. Alle diese Dinge gibt es seit tausenden von Jahren. Manche sind wertvoller als andere, aber es sind alles Rohstoffe. Sie waren es immer, und sie werden es immer sein“.

Ich hoffe, Ihnen mit den angeführten Interviewauszügen auch einen Eindruck von dem trockenen Humor gegeben zu haben, der viele der Gespräche durchzieht – und den Leser die Fachinformationen umso leichter aufnehmen lässt!

Neben den rein „fachlichen“ Aspekten finde ich vor allem interessant, mit welcher Deutlichkeit in den Interviews herausgearbeitet wird, welche herausragende Rolle das Thema Psychologie für erfolgreiches Trading spielt.

Denn es sollte nicht vergessen werden, dass …

a.) die meisten der interviewten Trader praktisch bei Null anfingen (Rogers kam z.B. nach eigen Angaben als armer Landjunge nach New York, Dennis begann mit 2.000 Dollar, von denen allerdings 1.600 an div. Gebühren zu entrichten waren), und
b.) gerade in volatilen Märkten wie dem Handel mit Futures und Optionen die meisten Anleger Geld verlieren – und nur eine (sehr) kleine Minderheit dauerhaft vorne liegt!

Und es sind eben wohl psychologische Faktoren und nicht, wie so oft angenommen, „Fachwissen die Gewinner von den Verlierern unterscheiden! Dies lsst sich fr mich fast aus jedem Interview herauslesenals Draufgabe findet am Ende des Buches aber auch noch ein ausfhrliches und hochinteressantes Gesprch mit dem auf Brse spezialisierten Psychologen Dr. Van K. Tharp.

Um welche Faktoren geht es nun?

Der wichtigste Faktor ist Disziplin. Einen Plan haben – und sich daran halten. So meinte Dr. Tharp einmal an anderer Stelle: „You have to stick to a plan. Most people don’t even have a plan” (“Du mußt dich an einen Plan halten. Die meisten Leuten haben überhaupt keinen Plan.”).

Beispiele für diszipliniertes Trading wäre das Einhalten einer Stopmarke, der Einstieg, nachdem ein bestimmter charttechnischer Widerstand gebrochen wurde oder auch das konsequente Laufenlassen von Gewinnen.

  • Geistige Offenheit
    Dazu aus dem Interview mit Michael Marcus (über seinen Kollegen Bruce Kovner): „ Ein guter Trader kann nicht starrsinnig sein. Wenn Sie jemanden finden, der wirklich offen für alles ist, dann haben Sie die seltene Ingredienz eines guten Traders gefunden – und ich sah das in Bruce von Anfang an.“
  • Eigenverantwortung
    Nicht der Markt oder die anderen sind schuld an einem schlechten Trade – sondern man selbst, da man die Entscheidung zu diesem Trade getroffen hat. Eine eigenverantwortliche Einstellung führt schlicht zu erhöhten Lerneffekten!
  • Eigenständiges Denken
    Das Verfolgen eines eigenen Ansatzes. Auf den Punkt gebracht von Michael Marcus: „Du musst deinem eigenen Licht folgen“ („You also have to follow your own light“).
  • Organisiertheit
    Jack Schwager musste ein einstündiges (!) Interview mit Richard Dennis mehrere Wochen im voraus vereinbaren. Während des Gespräches, für das der Autor extra nach Chicago reisen musste, hoffte er (natürlich) darauf, dass Dennis sich nicht streng an den Zeitplan halten und dieses länger dauern würde. Womit er sich gründlich getäuscht hatte! – „Nachdem 45 Minuten vorbei waren, dachte ich, dass die Sache so gut laufe, dass Dennis unsere Konversation über die zugewiesene Zeit hinaus verlängern würde. Genau zehn Minuten vor Ablauf der Stunde wurde meine Illusion zerstört. „Ich habe nur noch zehn Minuten“, sagte er, „also wenn es wichtige Themen gibt, wollen Sie sie jetzt vielleicht ansprechen.“ Ich durchblätterte schnell meinen Fragenkatalog und versuchte, einige Schlüsselfragen, die noch nicht besprochen worden waren, zu finden. Genau nach Ablauf der Stunde sagte Dennis „Mehr Zeit habe ich nicht, danke“. (S. 87)

Intensive Beschäftigung mit dem Thema

Diese Auflistung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, letztendendes sind die „Wizard Lessons“ in ihrer Gesamtheit zu komplex, um sie im Rahmen einer bescheidenen Rezension auf Philognosie ausführlich zu besprechen.

Für mich sind die psychologischen Hintergründe, auf deren Basis die großen Spekulanten über Jahrzehnte hinweg spektakulären Erfolg generiert haben, der wohl interessanteste Aspekt von Magier der Märkte – weswegen meiner Ansicht nach auch jene, die sich kaum oder wenig für die Börse interessieren, aus diesem bemerkenswerten Buch großen Nutzen ziehen können!

Fazit: zumindest für alle Börseninteressierten Pflichtlektüre! Die gediegen ausgestattete Hardcover-Edition ist mit einem Preis von 54,90 Euro allerdings nicht ganz billig, sollten Sie des Englischen einigermaßen mächtig sein, so bietet sich das amerikanische Original an, welches in der Paperback-Ausgabe z.B. bei Amazon bereits um verhältnismäßig wohlfeile 19,95 Euro zu haben ist!

G.H.