Bernd Niquet: Die Romantik der Finanzmärkte – Rezension

Der Berliner Kapitalmarktexperte Dr. Bernd Niquet hat sich bislang hauptsächlich als Autor von Sachbüchern rund um das Thema Börse, sowie als Verfasser launiger Finanzmarktkommentare – z.B. bei wallstreet.online – einen Namen gemacht. In diesem Buch bekommt man nun die Gelegenheit Niquet als Schrifsteller kennenzulernen. Schon bei der Wahl des Titels kommt man ins Grübeln – was soll an Finanzmärkten romantisch sein?

Gerade dieses Business hat sich einen Namen durch knallharte Kalkulationen und Statistiken gemacht, bei dem das einzig gefühlvolle Element der Jubel oder die Trauer über die Bilanzen der eigenen Aktien ist. Wie dem auch sei – schon der Titel scheint einen Widerspruch oder eine ungewöhnliche Perspektive anzudeuten, der sich durch das Buch durchzieht.

Nach „Das Orwell-Haus. Aus dem Innenleben der Erbengeneration“ (2002) und „Klabautermannzeit“ (2003) kam im Juli diesen Jahres mit „Die Romantik der Finanzmärkte“ Niquets dritter Roman heraus. Mittlerweile auch schon gefolgt von „Finale Senkrechte. Alles, was Sie von unserer Wirtschaft verstehen müssen“.

Wer den Autor kennt, weiß, dass er sich bei seinen Texten oft auf Eigenwilliges, Originelles, aus dem Rahmen Fallendes gefasst machen muss. „Die Romantik der Finanzmärkte“ macht da keine Ausnahme.

Es fängt damit an, dass vom (Haupt-) Protagonisten, welcher gleichzeitig die einzige Person ist, die im Buch vorkommt, in der „Sie“-Form die Rede ist. So wird der Leser gleich zu Anfang verwirrt, da man sich leicht selbst angesprochen fühlt. Doch dieses psychologische Stilmittel – und damit die Unklarheit des Bezugs – erscheint nach einiger Eingewöhnungszeit durchaus interessant. Der Leser wird direkt angesprochen und so vielleicht ein wenig zum Nachdenken angeregt, was der Text mit dem eigenen Leben zu tun hat. Das Originelle dieser Schrift setzt sich über die Beschreibung von dessen recht verschrobenen Strategien bis zum skurril anmutenden Ende der Geschichte fort.

Der Protagonist („Sie“!) ist ein offenbar nicht ganz unvermögender Mann, der beschließt, fortan nur noch von der Erträgen seiner Börsenspekulation zu leben. Da dieses Unterfangen seiner Ansicht nach nicht umsetzbar ist, solange man unter Menschen bzw. in der „normalen“ Gesellschaft lebt, beschließt er den Gang in die Einsamkeit. Er sieht darin die latente „Gefahr“ sich von der Normalität des Durchschnittsmenschen und dessen Irrationalität „anstecken“ zu lassen. Die Einsamkeit soll verhindern, sich von den Mechanismen der Massenpsychologie anstecken zu lassen. Das Spekulieren wird zum Sinn des Lebens, welche die Ausrichtung des Lebens bestimmt.

Um den „Börsen-Eremiten“ selbst zu Wort kommen zu lassen: „Am besten, Sie beginnen mit der Massenpsychologie. Der Begriff Masse stammt vom griechischen maza, das ist der Brotteig, den man kneten muss. Die Massen werden geknetet, bis sie die Form haben, die man benötigt. Wir alle befinden uns in einem großen Topf. Und was sehen wir, wenn es uns gelingt, aus dieser Form heraus zu springen? Die bewusste Persönlichkeit des Einzelnen schwindet, die Gefühle und Gedanken aller orientieren sich in dieselbe Richtung. Erinnern Sie sich? Wir werden es schaffen! hieß es. – Sie haben es nicht geschafft. Sie sind untergegangen“. (Zitat aus „Die Romantik der Finanzmärkte“ S. 13).

Was der Mann „anstellt“, um eine eigene Sichtweise – mit der er „den Markt schlagen“ zu können hofft – zu entwickeln bzw. wie das Ganze endet – sollten Sie am besten selbst lesen.

Für mich stellt „Die Romantik der Finanzmärkte “ jedenfalls ein durchaus anspruchsvolles und nachdenklich machendes Werk dar. Es behandelt das Thema „Börsenerfolg“ etwas tiefschürfender als die „Mainstream-Börsenpublizistik“. Und genau dies mach seinen Reiz aus – ein echter Niquet eben!

Viel Spaß beim Lesen!

G.H.