Kalkulation Gerichtsverfahren – Kosten und Nutzen vergleichen

Gericht AnwaltDas völlig undurchsichtige Honorarwesen der Juristen kommt viele Bürger teuer zu stehen. Ursache ist das Unterlassen einer Nachkalkulation der Prozeßkosten. Diese Unkenntnis möchte ich anhand eines Rechenbeispiels einer Kosten-Nutzen-Rechnung vor und nach dem Prozeß darstellen.

Vorbedingungen

Noch immer werden weit über 90% aller Streitigkeiten gerichtlich (kaum 10% durch Mediation) geklärt, wobei fraglich bleibt, ob man überhaupt von Klärung sprechen kann, wenn ein Verfahren mit einem Vergleich endet und die Vergleichsquote einiger Gerichte schon bei über 80% liegt.

Bei genauer Betrachtung eines Vergleichsverfahrens wird sehr schnell erkennbar, daß das Vergleichsverfahren für die beteiligten Juristen einen äußerst lukrativen Prozeßausgang darstellt, der jedoch fast vollständig zu Lasten der Parteien geht.

Vorteile des Gerichtes

Die Gerichtskosten fallen immer und in gleicher Höhe an, unabhängig davon, ob das Verfahren in einem Vergleich endet, oder ob ein Urteil gesprochen wird. Aus der Sicht des Richters ergibt sich jedoch im Vergleichsfall eine äußerst lukrative Situation.

Ein intensives Aktenstudium ist nicht unbedingt notwendig. Er erklärt die Schilderung der Sachlage für unsubstantiiert (d.h. verworren) und drängt auf einen Vergleich. Dabei handelt es sich um eine subjektive Einschätzung des Richters. Diesem Drängen geben die Anwälte meist gerne nach, winkt doch eine schnell verdiente Vergleichsgebühr, von der die Betroffenen oft gar nichts wissen. Diese Vergleichsgebühr entspricht einer Erhöhung um etwa 30%. Haben die Parteien einem Vergleich zugestimmt, kommt es abermals für den Richter zu einer erheblichen Arbeitsreduzierung, da das mühsame Ausarbeiten einer Urteilsbegründung entfällt.

Zusammenfassend läßt sich sagen, daß die Parteien zwar die vollen Gerichtskosten bezahlen, aber keine 50% der Leistungen des Gerichtes erhalten. Ein Umstand, den der Bürger nicht sieht, da er den hohen Arbeitsaufwand von entfallendem Aktenstudium und Ausarbeitung der Urteilsbegründung nicht kennt. Zudem ist ein Vergleich revisionssicher, d.h. der Richter braucht die „Kollegenschelte“ eines höheren Gerichtes nicht zu fürchten, die manchmal dazu führt, daß das Verfahren zurückgewiesen wird, was wiederum Mühe und Arbeit bedeutet hätte.

Richter HammerDie Kosten- und Arbeitsvorteile des Gerichts, wirken sich nicht direkt auf den Bürger aus, wohl aber die finanziellen Konsequenzen nach einem Vergleich, vorausgesetzt, man unterzieht sich einer Kosten-Nutzen-Analyse.

Zum besseren Verständnis habe ich ein Kostenbeispiel aufgeschlüsselt, das keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit erhebt und nur auf einer vagen Kostenschätzung fußt.

Kostenschätzung vor dem Prozeß – Annahme: Streitwert: EUR 10.000,–

Gerichts- Anwalts- und Eigenkosten (Fahrtkosten, Büro, Telefon) = 10% = EUR 1.000,–. Dem Streitwert als erhofften Ertrag stehen also Vorleistungskosten von ca. 10% gegenüber, vorausgesetzt, man obsiegt und erhält nach gewonnenem Prozeß die Kosten zurück. Diese Annahme ist aber schon deshalb abwegig, da man mit einer Vergleichswahrscheinlichkeit von 80% rechnen muß (Vergleichsquote siehe oben).

Kostenermittlungen nach dem Prozeß mit dem Ausgang eines Vergleichs

Der Vergleich endet mit einem Anspruch von EUR 5.000,–. Der erhoffte Ertrag reduziert sich demnach um 50%. Diesem reduzierten Ertrag stehen jedoch nachfolgende Mehrkosten gegenüber, die sich am STREITWERT und NICHT am neuen ERTRAGSWERT orientieren! Deshalb ergeben sich 30% Mehrkosten aus dem Streitwert von EUR 10.000,– .

Prozentuale Verschiebungen von Kosten und Ertrag durch einen Vergleich der Kostenschätzung und Kostenermittlung

Da die Büro- und Gerichtskosten vernachlässigbar klein sind und die Anwaltskosten den größten Anteil ausmachen, kommt es zu nachfolgender Ertrag-Kosten-Verschiebung:

  • Kostenplanung: EUR 10.000,– Ertrag standen aus der Planung EUR 1.000,– Kosten gegenüber
  • Kostenermittlung (Nachkalkulation): EUR 5.000,– Ertrag stehen aber nun EUR 1.500,– Kosten gegenüber. (Mehrkosten durch 30% Vergleichsgebühr)

Die 10% Kostenschätzung in der Planung erhöhen sich auf 30 % und so ergibt sich aus Sicht der streitenden Parteien eine Verdreifachung der Kosten!

Solange diese Unkenntnis bestehen bleibt und eine nachträgliche Kosten- und Ertragsermittlung bei gerichtlichen Auseinandersetzungen unterbleibt, werden die streitenden Parteien niemals die wirtschaftliche Sinnlosigkeit eines gerichtlichen Vergleichs erkennen!

Stefan Fügner – Zwingenberg, September 2000

Stefan Fügner