Konzentrationsstufen in der Meditation

Die Qualität einer Meditation hängt maßgeblich davon ab, ob und wie gut man sich konzentrieren kann. Dazu ist es wichtig zu verstehen, was Konzentration bedeutet, wie man die eigenen Fähigkeiten „sich zu konzentrieren“ einschätzt und wie man lernen kann, sich besser zu konzentrieren.

Was ist Konzentration?

Konzentration ist eine Tätigkeit, bei der die Aufmerksamkeit auf einen ausgewählten Bereich fokussiert wird und dort verweilt. Die Wahrnehmung ist auf dieses und NUR auf dieses Objekt (z. B. Mantram, Bild, Empfindung etc.) beschränkt. Es soll der gesamte Aufmerksamkeitsfokus auf ein bestimmtes, vorher definiertes Meditationsobjekt gerichtet werden.

Konzentration ist ein Prozess – kein Zustand – der als Kreislauf beschrieben werden kann. Dieser Prozess wird durch drei Elemente veranschaulicht.

Sich zu konzentrieren bedeutet:

  • Messen: den Ist-Zustand der Aufmerksamkeit feststellen.
  • Vergleichen: den Ist-Zustand mit dem Soll-Zustand (Meditationsobjekt) vergleichen. Abschweifung können erkannt und korrigiert werden.
  • Korrigieren: den Ist-Zustand an den Soll-Zustand angleichen – die Aufmerksamkeit zurück zum Meditationsobjekt lenken.
Was ist Konzentration Meditation

Das klingt zwar recht technisch, ist aber die beste Beschreibung, die den „Prozess des Konzentrierens“ schön auf den Punkt bringt.

„Messen“ bedeutet, sich selbst beim Meditieren zu beobachten, wobei man „vergleicht“, ob man den Fokus auf dem Meditationsobjekt legt und sich „korrigiert“ (d. h. zum Meditationsobjekt zurückkehrt), wenn man bemerkt, dass man gerade abschweift. Sich selbst zu beobachten, ob und wie man sich gerade konzentriert, erfordert einige Übung.

Sie müssen selbst herausfinden, in welchen Abständen Sie messen, vergleichen und korrigieren können oder wollen. Überprüfen Sie zu selten, werden die Abweichungen oft sehr groß. Überprüfen Sie zu häufig, wird die Meditation zu unruhig und der Prozess des Vertiefens wird gestoppt.

Auch die Zeitspanne der Korrektur soll angemessen sein. Ist sie zu klein, überwinden Sie die Differenz zwar schnell, doch der Fokus auf die „Kontrolle“ kann leicht zu einer inneren Anspannung führen. Das lenkt vom Meditationsobjekt wiederum ab, da die Aufmerksamkeit durch das Kontrollieren geteilt wird. Ist die Zeitspanne zu groß, bleiben Phasen der Ablenkung (z. B. Tagträume) lange unbemerkt.

Sobald Sie anfangen zu meditieren, werden Sie feststellen, wie viel in Ihrem Kopf los ist – wie viele Gedanken Sie parallel zu Ihrem Meditationsobjekt denken. Nehmen Sie dies gelassen hin und kehren Sie immer wieder ruhig zu Ihrem Meditationsobjekt zurück.

In den Anfängen der Meditation entsteht der Eindruck, dass Störungen und Unterbrechungen zunehmen. Tatsächlich bemerken Sie diese vielleicht nur häufiger, weil sich Ihre Achtsamkeit entwickelt. Bleiben Sie beharrlich und meditieren Sie regelmäßig weiter.

Stufen der Konzentration: Wie gut kann ich mich konzentrieren?

Sobald man das Konzept der Konzentration verstanden hat, bleibt die Frage, wie man den eigenen, aktuellen Stand einschätzen kann. Hierzu hat M.D. Eschner in seinem Buch „Techniken der Bewußtseinserweiterung“ ein Stufenmodell entwickelt, das im Folgenden modifiziert und verkürzt vorgestellt wird. Das betrifft im Wesentlichen die letzte hier beschriebene Stufe der Tiefen Konzentration, die nach M.D. Eschner mehrere Stufen umfasst (er beschreibt insgesamt 9 Stufen der Konzentration).

Es wird versucht verschiedene Stufen der Konzentrationsfähigkeit nachvollziehbar zu beschreiben, sodass eine Selbsteinschätzung des Übenden möglich wird. Außerdem hat sich in der Praxis herausgestellt, dass einige Arten der Meditation bereits eine bestimmte Konzentrationsfähigkeit voraussetzen, wenn die Technik erfolgreich gemeistert werden soll. Insofern kann diese Einteilung auch für Lehrer hilfreich sein, spezielle Meditationen – auf die aktuellen Fähigkeiten des Einzelnen angepasst – zu empfehlen.

1. Konzentrationsstufe: Das Alltagsdenken

Die erste Stufe ist mehr der Versuch sich zu konzentrieren, als Konzentration im eigentlichen Sinne. Die Dauer der Konzentration beträgt 20 Sekunden oder weniger. Der Wille sich zu konzentrieren ist zu schwach (durch Lethargie/Tamas) oder zu stark (durch Aufregung/Rajas). Die Dauer der Abschweifungen ist länger als die Phase der Konzentration. Bei dieser Stufe kann man streng genommen noch von keiner Stufe der Konzentration sprechen.

Indizien außerhalb von Meditationen: Die Themen werden häufig gewechselt. Es sind nur Tätigkeiten möglich, die kaum bis keine Fokussierung – wie z. B. Routineaufgaben – verlangen. Man langweilt sich schnell, wenn man von Außen keinen ständigen „Input“ bekommt. Oftmals sind hier Lernschwierigkeiten vorhanden, weil man seine Gedanken bei komplexeren Inhalten nicht zusammenhalten kann. Ein beobachtbares Kriterium könnten das „Zappen“ beim Fernsehen sein oder assoziative Kommunikation – beispielsweise beim Smalltalk, der keinem „roten Faden“ zu folgen scheint.

Meditation ist auf dieser Stufe nicht möglich, da das Konzept der Konzentration entweder noch nicht verstanden wurde oder nicht selbstständig angewendet werden kann. Konzentration muss auf dieser Stufe zuerst erlernt werden, wobei eine externe, kompetente Hilfe (z. B. Berater / Lehrer) erforderlich ist.

2. Konzentrationstufe: Alltagskonzentration

Hier sind erstmals etwas kürzere Phasen der Konzentration ca. 2 bis 5 Minuten am Stück zu beobachten. Die Dauer des Abschweifens ist in der Regel nicht mehr länger als die Phase der Konzentration. Um die Konzentration zu halten, ist eine bewusste Willensanstrengung nötig. Die Phasen der Konzentration / Abschweifung wechseln sich meist beständig ab.

Kürzere Erklärungen können nachvollzogen und verstanden werden. Es ist möglich bei längeren Themen – wenn auch mit Abschweifungen – einen roten Faden zu behalten oder ihn wieder aufzugreifen. Themen mit niedriger Komplexität können bereits selbstständig erlernt und bearbeitet werden. Lernschwierigkeiten treten erst bei Lernfeldern mit mittlerer Komplexität auf.

Die Alltagskonzentration ist die unterste Stufe, ab der einfache Meditationsformen – beispielsweise Entspannungsmeditationen oder geführte Meditationen (wie Progressive Relaxation – Autogenes Training etc.) erlernt werden können. Außerdem ist es möglich, dem Übenden einfache Konzentrationsübungen zu vermitteln, die ihn auf die nächste Stufe führen können.

Auch Übungen der Achtsamkeit oder Bewusstheitsübungen können hier helfen, die Phasen der Konzentration merklich zu verlängern. Ein Kriterium für den Erfolg solcher Übungen besteht häufig darin, dass der Übende lernt, Abschweifungen selbst wahrzunehmen und zu versuchen, sie zu korrigieren. Dadurch entsteht schnell der Eindruck, dass die Abschweifungen beim Üben zunehmen. Tatsächlich werden sie meist nur häufiger bemerkt, weil sich die Achtsamkeit entwickelt.

3. Konzentrationsstufe: Unterbrochene Konzentration

Die Konzentration gleicht jetzt einem halbwegs durchgehendem Seil mit Flickstellen. Bezogen auf eine Stunde Meditation treten nicht mehr als ca. 10 Unterbrechungen oder Abschweifungen auf. Die Unterbrechungen werden selbstständig erkannt und korrigiert. Die Phasen der Konzentration sind deutlich länger als die Phasen der Ablenkung.

Indizien: Der Wille ist bereits stark genug, längere Konzentrationsphasen einzuleiten und zu halten. Längere Lernphasen sind möglich – Themen mit mittlerer Komplexität können selbstständig angegangen und erfolgreich bewältigt werden. Themenzentrierte Kommunikation ist möglich – ein roter Faden im Gespräch kann über längere Zeit aufrechterhalten werden.

Diese Konzentrationsstufe deutet an, dass der Mensch bereits einige Erfahrungen erworben und gefestigt hat. Dadurch kann auch ein schwächerer Wille die Aufmerksamkeit auf dem Meditationsobjekt halten und bei Störungen wieder auf das Meditationsobjekt zurück lenken. Meditationen, die Konzentration voraussetzen, werden möglich und können erfolgreich vertieft werden.

Oftmals treten ab dieser Stufe die ersten Phänomene (Licht, Ton, Glücksgefühle etc.) auf und erkennbare Wirkungen der Bewusstheitsveränderung werden auch nach der Meditation bemerkt (Veränderung oder Intensivierung der Sinneswahrnehmungen). Diese Beispiele sind natürlich nicht vollständig, sondern deuten nur die Richtung an, in die es geht.

4. Konzentrationstufe: Durchgehende Konzentration

Ab dieser Stufe kann die Konzentration durchgängig – ohne Unterbrechungen – etwa eine Stunde lang gehalten werden. Der Übende erkennt im Prozess des Meditierens aufkeimende „Störungen“ bereits im Entstehen und kann sie auflösen, bevor sie wirksam werden.

Eine Metapher zur Veranschaulichung: Störungen haben auf dieser Stufe die Qualität eines Hintergrundgeräusches (oder Gebrabbels im Hintergrund). Man kann sie wahrnehmen, aber sie haben keinen Einfluss mehr auf die Tätigkeit, die man ausführen will. Ganz so, als würde man mit einem Freund ein intensives Gespräch in einem Café führen. Die Umgebungsgeräusche / Gespräche anderer werden zwar registriert, aber die Aufmerksamkeit liegt vollständig und ungeteilt bei der eigenen Unterhaltung.

Starkes Absinken und Erregen treten immer noch auf. Diese Phänomene sind häufig ein Problem der Dosierung der Korrekturen bei der Steuerung der Konzentration. Die Willensanstregung – die Konzentration zu halten – sinkt deutlich, die Konzentration beginnt zu einer „natürlichen“ Tätigkeit zu werden, die immer „leichter“ absolviert werden kann.

Meditationsphänomene treten häufiger, regelmäßiger und intensiver auf. Körper und Geist sind nach der Meditation harmonisiert. Man hat das Gefühl „Energie getankt zu haben“ – alle Sinne arbeiten deutlich intensiver, nehmen schärfer wahr – belastende Gedanken / Stress können durch die Meditation neutralisiert werden.

Ab dieser Stufe können auch höheren Meditationsformen erlernt werden.

5. Konzentrationstufe: Tiefe Konzentration

Die Konzentration kann willentlich durchgängig und (meist) mühelos gehalten werden. Gemütsregungen werden nur noch als leichtes Erregen oder Absinken registriert. Die Aufmerksamkeit wird sehr ruhig und ist durchgängig beim Meditationsobjekt. Diese Stufe der Konzentration stellt das „Tor zum Eintritt in die Einpunktigkeit“ dar, welche man auch als Meisterstufe der Konzentration betiteln könnte.

Auf dieser Stufe treten Phänomene auf, die je nach Religion als „Erleuchtung“, „Magie“, „Erwachen“, „astrales Erleben“, „Verwirklichen des ZEN“ usw. bezeichnet und beschrieben werden. Dabei werden die Phänomene nicht mehr nur einfach „nebenbei registriert“, sondern sie entwickeln eine Kraft, die die Psyche nachhaltig verändern oder transformieren können. Das Verhalten und der Charakter einer Person können tief greifende Änderungen erfahren.

Das Problem bei der Beschreibung dieser Stufe ist, dass hier Erfahrungen und Effekte auftreten, die jenseits der alltäglichen Erfahrung liegen. Jeder Versuch diese Erfahrung auf eine verständliche oder alltägliche Metapher „herunterzubrechen“ kommt unterm Strich nur einer Verstümmelung gleich.

Wer sich detaillierter mit den Konzentrationsstufen, insbesondere den höheren, beschäftigen will, findet in „Techniken der Bewusstseinserweiterung“ von M.D. Eschner eine differenziertere Beschreibung.

Letztlich sind alle (höheren) Stufen nur zu verstehen, wenn sie erfahren werden. Die Beschreibungen einer Sache ist eben nicht die Sache selbst.

Was sind Unterbrechungen / Störungen?

Zur Beurteilung der Konzentration in der Meditation hat sich eine Unterscheidung von zwei Arten von Konzentrationsproblemen bewährt.

  • Unterbrechungen: Sie vergessen Ihr Meditationsobjekt vollständig oder es tritt so stark in den Hintergrund, dass sich die Aufmerksamkeit auf etwas anderes richtet.
  • Störungen: Das Meditationsobjekt steht zwar im Vordergrund Ihrer Aufmerksamkeit, doch andere Gedanken, Bilder oder Geräusche laufen parallel im Hintergrund zum Meditationsobjekt mit.

Mit dieser Differenz lässt sich der Unterschied zwischen der dritten und der vierten Stufe der Konzentration besser verstehen.

Ursachen der Konzentrationsstörungen

Aus der Meditationspraxis sind einige Ursachen von Konzentrationstörungen bekannt, die recht häufig auftreten.

1. Konzentrationsstörung: Tamas/ Trägheit

Die Trägheit zeigt sich darin, dass die Übungen zu selten, zu kurze Zeit oder nicht korrekt durchgeführt bzw. durchgehalten werden. Das Ergebnis sind zu wenige Erfolge oder und Misserfolge. Dadurch sinkt wiederum das Interesse an den Übungen. Als Folge wird die Meditation zu selten, zu kurz und mangelhaft durchgeführt. Auf diese Weise gerät man leicht in eine „Abwärtsspirale“.

Träge Menschen klagen häufig über Lustlosigkeit, mangelnde Energie und Tatkraft. Ihnen fehlt die Motivation und „Energie“, die den Mangel ausgleicht. Aber auch Überforderung, dauerhafter Stress, ein Trauerfall oder Streit können temporär in Trägheit münden.

Um Trägheit zu überwinden, braucht es eine Kraftquelle: positive Gefühle oder einen Stimmungsumschwung, der den Mangel ausgleicht. Die Meditation wird zu einer Kraftquelle, wenn man in dieser Phase genug Willen aufbringt, sie regelmäßig durchzuführen.

Gelegentliche Phasen der Trägheit oder Lustlosigkeit sind normal und treten bei jedem früher oder später auf. Bei größeren psychischen Problemen als andauernde Trägheit / Energielosigkeit, ist oft kompetente Hilfe nötig, um das seelische Gleichgewicht wieder herzustellen.

Eine spezielle Form der „Trägheit“ tritt bei den ersten Konzentrationsstufen auf, wenn das Meditationsobjekt sehr vertraut ist. Es bleibt dann automatisch irgendwo im Randbereich der Aufmerksamkeit. Parallel dazu treten andere Wahrnehmungen und/oder „Tagträume“ auf.

2. Konzentrationsstörung: Vergessen

Vergessen meint das Vergessen/Verlieren des Meditationsobjekts. Die Gedanken schweifen zu anderen Themen ab. Vergessen tritt nur in den ersten drei Konzentrationsstufen auf. Stärken Sie Ihre Achtsamkeit und Ihren Willen. Wenn das Vergessen des Meditationsobjekts auf Rajas oder Tamas beruht, können Sie Gemütsschwankungen mit speziellen Meditationen harmonisieren.

Vergessen ist manchmal auch ein Indiz dafür, dass wir (noch) keinen inneren Bezug zu einer Sache / Tätigkeit gefunden haben. Wir erinnern uns gewöhnlich nur an Dinge, die wir wichtig finden und denen wir auch gerne unsere Beachtung schenken (z. B. aus Freude / Wohlgefallen / Spaß an der Sache etc.).

Meditation ist nutzlos und reine Zeitverschwendung, wenn uns ein positiver Bezug fehlt. Meditation kann man weder absitzen noch abarbeiten. Nur, wer einen persönlichen Bezug oder eine positive Motivation findet, wird eine Meditationserfahrung erzeugen können und sie als Abenteuer begreifen, die das Leben berreichert.

3. Konzentrationsstörung: Rajas/ Erregung

Unter „Rajas“ versteht man innere Unruhe oder Erregung, wobei die „Aufgeregtheit“ sich hartnäckig im Vordergrund hält, anderes verdrängt und manchmal sogar die eigenen Energiereserven verzehrt.

Aber auch Phasen einer größeren Lebensumstellung können Auslöser sein, wenn alte Gewohnheiten unterbrochen werden und die Bewältigung des Alltags an sich zum Problem wird. Typisch sind kleinere oder größere „Katastrophen“, die bei uns existenzielle Ängste auslösen.

In Worten der Hirnforschung: Wenn sich unser Reptilienhirn einschaltet / das Denken dominiert, hat man auf höhere Funktionen kaum bis keinen Zugriff mehr. Die Angst / Wut / schlechtes Gewissen usw. überschattet dann (im Extremfall) schlichtweg alles.

Hier ist es wichtig eine – der Situation angepasste – Vorgehensweise bei der Wahl der Meditationsart zu reflektieren. So kann man bei Existenzängsten beispielsweise Meditationsarten bevorzugen, deren primärer Zweck die Lockerung, Entspannung und Harmonisierung ist. Wenn man starke Schwankungen der Erregung so weit reduziert, dass die Psyche die Erregung gut bewältigt, können auch andere Meditationsformen praktiziert werden.

Rajas ist ein Ausdruck der Energieintensität, des Erlebens von Energien einer Person. Energie zu haben ist grundsätzlich positiv – wir müssen nur lernen sie produktiv zu lenken.

Tony Kühn