Sprachpflege: Akzente zur Entwicklung der deutschen Sprache

Es gibt zwei Seiten in der Entwicklung der deutschen Sprache, die von einer großen Mehrheit der Volksangehörigen in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Liechtenstein kritisch betrachtet und mit großer Sorge beobachtet werden.

Die eine Seite ist die Zwangseinführung der sogenannten Rechtschreibreform gegen den Willen der Völker mit Hilfe staatlicher Instrumentarien und Machtmittel. Die andere ist die auf Betreiben bestimmter einflußreicher Bevölkerungsgruppen zunehmende Überflutung des Deutschen mit anglo-amerikanischem Vokabular.

Zu diesen Problemkreisen sollen im folgenden analytische Betrachtungen angestellt werden, mit denen auf den Schaden hingewiesen werden soll, der durch die oben genannten Themen für die deutsche Sprache entsteht.

Die Sprache gehört dem Volk. Jeder gestaltet sie mit. Jeder ist durch seine Sprech- und Schreibeigenheiten an ihrer Entwicklung beteiligt. Deshalb sei mir gestattet, am Ende des Beitrages einige allgemeine Empfehlungen zu geben, mit denen man bewußt und gezielt darauf Einfluß nehmen kann, die Erhaltung und Pflege unserer Muttersprache wieder mehr in den Blickpunkt zu rücken.

Historie der Rechtschreibreform

Die Geschichte der Rechtschreibreform beginnt in den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Von niemandem bestellte Kommissionen haben sich zusammengefunden, um die deutsche Schriftsprache mit dem Ziel der Vereinfachung ihrer Erlernung zu reformieren, ein Ziel, das von Fachleuten stets als unrealistisch eingeschätzt und im Ergebnis auch in keiner Weise erreicht wurde.

In den Kommissionen und deren Arbeitsgruppen gab es Auseinandersetzungen zwischen den Didaktikern, die nach einer grundsätzlichen Umgestaltung der Rechtschreibung strebten, und den Sprachwissenschaftlern, deren Ziel die Beibehaltung des bestehenden Regelwerkes unter Maßgabe der moderaten Veränderung einiger durch die natürliche Sprachentwicklung überlebten Regeldetails war.

Im Laufe der Zeit verhärteten die Fronten zwischen den beiden Richtungen. Die Kräfte, die für eine grundsätzliche Neuregelung plädierten, wurden durch das Großkapital in Gestalt der Medienkonzerne und einiger Verlage unterstützt. Dadurch gewannen sie ein Übergewicht, das dazu führte, daß sich immer mehr Sprachwissenschaftler aus den Gremien zurückzogen, weil ihr Einfluß nicht mehr gehört werden sollte. Am Ende fehlte der Einfluß der Sprachwissenschaft gänzlich.

Dies führte erwartungsgemäß dazu, daß die Qualität der ausgearbeiteten Reforminhalte sehr stark litt, weil die verbliebenen Kräfte nicht im mindesten die erforderliche Qualifikation zur Ausarbeitung einer Reform der Schriftsprache besaßen.

Die am Ende vorgelegten Ergebnisse waren trotz des Ersatzes der aufgelösten Rechtschreibkommission durch den Rat für deutsche Rechtschreibung so unqualifiziert und schlecht, daß sie von der Mehrheit der Bevölkerung abgelehnt wurden, in einigen Bereichen waren die Ausarbeitungen völlig unbrauchbar. Wider besseres Wissen und gegen alle Appelle namhafter Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens und der breiten Volksmassen wurde die Reform durch unzulässige staatliche Eingriffe in die Sprache durchgepeitscht.

Einflüsse auf die Sprache

Für die deutsche Sprache ist auf diese Weise ein irreparabler Schaden entstanden. Es soll aber in diesem Beitrag nicht der Inhalt der Reformvorschläge behandelt werden. Dies ist in der Vergangenheit in Tausenden Dokumenten und Appellen namhafter Wissenschaftler und Kulturschaffender vorgenommen worden und kann mit vielen Quellen belegt werden. Die ganze Breite der Fehlleistungen ist in vielen Beiträgen auf meinem privaten Internetplatz "Dr. Manfred Pohl" dargestellt, ebenda befindet sich auch eine Liste mit Internetverweisen zu anderen Autoren, die sich mit der Reform auseinandersetzen. Ziel der vorliegenden Betrachtungen ist vielmehr die Darstellung der politischen Hintergründe, mit denen die Reform trotz der gesamtheitlichen fachlichen Mißleistung durchgesetzt wurde.

Sprachen werden von Völkern gesprochen und entwickelt. Sprachen haben sich schon entwickelt, als es noch lange keine Formen von Staatsmacht oder exekutiver Gewalt gegeben hat. Trotzdem funktionieren Sprachen und ermöglichen die Verständigung zwischen den Angehörigen der Völker. Das ist in jeder Sprache so. Es bedurfte und bedarf keiner Regulierung.

Mit der Entstehung der Notwendigkeit, das Gesprochene zu fixieren, um es aufzubewahren, zu hinterlassen oder auch ohne persönliche Anwesenheit zu übermitteln, haben sich Schriften herausgebildet. Auch das hat kein politisches Machtorgan veranlaßt oder betrieben. In den Völkern selbst sind die Methoden der Fixierung des gesprochenen Wortes entstanden. Fortgeschrittene Vertreter eines Volkes haben Vorschläge gemacht, dann wurde gewartet, ob die Vorschläge sich verbreiten, angenommen werden oder nicht.

So haben sich die Zeichen und Zeichensätze herausgebildet, die Alphabete, oder aber die Silben- bzw. Klangzeichen in ostasiatischen Sprachen. Stets durch natürliche Entwicklung und Auslese: Bewährtes wurde Allgemeingut, nicht benötigtes wurde verworfen. So wurden Sprache und Schrift in der weiteren Entwicklung auch Gegenstand der Wissenschaft, die diese Entwicklungen verfolgte und im Rahmen der Notwendigkeiten nach immer präziserer schriftlicher Fixierung des Gesprochenen Vorschläge zu Normierung mit dem Ziel der Vereinheitlichung der Schrift einer Sprache eines Volkes unterbreitete.

Allgemein anerkannte Prominente, das sind Wissenschaftler, Künstler, Geistesschaffende, mitunter auch Staatsmänner haben so zur Herausbildung einer von der Sprachgemeinschaft angenommenen und in der Breite des Volkes verwendeten Schriftsprache geführt. Die Erforschung der Grammatik der Sprache erbrachte Erkenntnisse über ihre logischen Grundelemente und die Formen des Aufbaus der Sprache zur erfolgreichen Kommunikation der Mitglieder der Sprachgemeinschaft.

Wichtig ist hierbei zu erkennen, daß die gesamte Sprachentwicklung nur in den wenigsten Fällen durch administrative Gewalt gesteuert wurde, sondern stets durch Veröffentlichung der Werke fortgeschrittener Volksangehöriger auf der Grundlage der historischen Entwicklungswege und der Sprachkultur des Volkes. Für die deutsche Sprache war z. B. ein solcher Vorreiter Konrad Duden. Einer der angedeuteten Gewaltakte war die Abschaffung der deutschen Frakturschrift in den Schulen und die Einführung des lateinischen Alphabetes durch Hitler 1941.

Tatsächliche Sprachkompetenzen

Was aber haben wir heute mit der sogenannten Rechtschreibreform zu verzeichnen? Eine völlig unbedeutende Gruppe selbsternannter Sprachverbesserer hat sich berufen gefühlt, die deutsche Schriftsprache völlig willkürlich außerhalb jeder Wissenschaftlichkeit abzuändern. Dabei sind die Mitglieder dieser Gruppe völlig inkompetent, ohne das notwendige sprachwissenschaftliche Fundament und ohne Kenntnisse der sprachgeschichtlichen Gegebenheiten, die sie vollständig ignorieren.

Aber selbst wenn die Ergebnisse der Reformausarbeitungen brauchbar und gut wären, hätten wir es mit einem nicht vertretbaren Verwaltungsakt zu tun. Der Staat ist nicht befugt, sich mit Dekreten und Erlassen in die Sprachentwicklung einzumischen. Und der Umfang, in dem das betrieben wurde, ist ein Skandal. Es wurde das Regelwerk der deutschen Orthographie in seiner Gesamtheit beseitigt und durch ein anderes ersetzt. Ein Vorgang, den es auf der Welt kein zweites Mal gibt.

Die SS-Tastatur. Ein kleiner Eingriff mit pikanten Folgen.

Und auf dieses Übel obendrauf muß nun noch die Tatsache gesetzt werden, daß die Erarbeiter dieser sogenannten „neuen“ Regeln für diese Tätigkeit völlig unqualifiziert sind und die Ergebnisse ihrer Arbeit einen absoluten Ausschuß in allen Teilen darstellen. Diese Mißqualität zieht permanente Änderungsnotwendigkeiten zur Beseitigung immer neuer festgestellter Mängel nach sich (Reform der Reform).

Ein Vertreter des Bertelsmannkonzerns hat es mit der Bemerkung auf den Punkt gebracht, „je schlechter die Qualität der Änderungen, um so besser für uns“. Darin liegt auch der eigentliche Zweck der Sache: Man hat eine Profitquelle entdeckt. Eine Medienlobby benutzt die in Deutschland stark ausgeprägte Regulierungsmanie, um mit Hilfe der Politik ihre Ziele durchzusetzen und große finanzielle Gewinne zu machen.

Ich habe an einer Stelle auf meinem Internetplatz die Formulierung gebraucht: „Für Geld verraten diese Leute Vaterland und Muttersprache“. Die Durchführung einer solchen Reform offenbart den völligen Verlust des Respekts vor dem Kulturgut Sprache und seiner historischen Entwicklung und den Verlust der Achtung vor den Völkern, die diese Sprache sprechen und schreiben.

Der langjährige Leiter der Dudenredaktion und Mitglied des Internationalen Arbeitskreises für Orthographie, Günther Drosdowski beschrieb die Zustände so:
„In den Arbeitsgruppen herrschten mafiaähnliche Zustände. Einige Reformer hatten von der Verschriftung der Sprache und der Funktion der Rechtschreibung für die Sprachgemeinschaft keine Ahnung, von der Grammatik, ohne die es bei Regelung der Orthographie nun einmal nicht geht, sowieso nicht.

Sie mißbrauchten die Reform schamlos, um sich Ansehen im Fach und in der Öffentlichkeit zu verschaffen, Eitelkeiten zu befriedigen und mit orthographischen Publikationen Geld zu verdienen. Selten habe ich erlebt, daß Menschen sich so ungeniert ausziehen und ihre fachlichen und charakterlichen Defizite zur Schau stellen. Es ist schon ein Trauerspiel, daß die Sprachgemeinschaft jetzt ausbaden muß, was sich Zabel, Schaeder, Heller und andere ausgedacht haben.“

Diese beschriebenen mafiosen Zustände ziehen sich bis in die Politik. Am 01.12.1996 startete in Schleswig-Holstein eine Volksinitiative gegen die Rechtschreibreform, in deren Folge 1997 ein Volksbegehren begann, das am 27.09.1997 in einen Volksentscheid mündete. Er ergab eine Mehrheit von 56,4% gegen die Einführung einer reformierten Rechtschreibung bei 14,6% Enthaltungen.

Nur 29% stimmten für die Einführung des reformierten Deutschs. Ein Kommentar von Andreas Paust befindet sich auf der Webseite „Zeitschrift für direkte Demokratie“.

Am 15.09.1998 wurde dieser Volksentscheid per Beschluß des schleswig-holsteinischen Landtages aufgehoben. Wie auch immer Herr Jürgen Weber (SPD) diesen Schritt zu begründen versuchte, es ändert nichts an der Tatsache, daß die Aufhebung eines Volksentscheides durch ein Parlament eine völlig antidemokratische Aktion ist, die dem Artikel 20, Absatz 2, des Grundgesetzes widerspricht: Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Das Volk ist der höchste Souverän, mit einem Volksentscheid übt es unmittelbar die Macht aus. Der Landtagsbeschluß vom 15.09.1998 kann deshalb nur als verfassungsrechtlich ungültig angesehen werden.

Beschränkte Innovation

Was findet man im speziellen bei der Betrachtung der Reform? Schon der Begriff „neue“ Rechtschreibung ist irreführend. Die Reform reaktiviert Schreibweisen, die sich durch natürliche Sprachentwicklung bereits im 17. und im 18. Jahrhundert überholt oder überlebt haben, als Beispiel sei nur die Bindestrichverwendung genannt. Die reformierte Schreibung ist also einige hundert Jahre alt, die neue Rechtschreibung ist die, welche sich bis zur Einführung der Reform entwickelt und herausgebildet hatte. Mit welch unbeschreiblicher Arroganz die Reformer arbeiten, will ich mit zwei Beispielen belegen.

In den Veröffentlichungen zum Regelwerk der Reform kann man lesen: „Mit den neuen Regeln der Getrennt- und Zusammenschreibung will die Rechtschreibreform dem allgemeinen Trend zur Zusammenschreibung entgegenwirken“. Ein von keinem Volk bestelltes Gremium will sich also einem natürlichen Entwicklungsprozeß der Sprache mehrerer Völker entgegenstellen.

Ein solches Ansinnen bedarf keiner Kommentierung. An anderer Stelle liest man in den Veröffentlichungen: "So ist der Bindestrich aus seinem "Schattendasein" – in vielen Schullehrwerken wird er gar nicht behandelt – als Ausdruck einer modernen Sprachentwicklung herausgetreten, und er wird durch die Rechtschreibreform gefördert." Das heißt also, diese Leute „machen die Sprachentwicklung“. Sie stellen sich über die Völker, um ihnen zu sagen, was moderne Sprachentwicklung ist.

Wenn Sie mir nun sagen, daß Ihnen für solche Argumentationen die Worte fehlen, so ist das völlig verständlich. Mir fehlen sie auch. Ein faktischer Beweis für die Überheblichkeit ist auch die Tatsache, daß die Reformer ihre Ausarbeitungen zunächst in „Geheimsitzungen“ (von den Reformern selbst so genannt!) vorgenommen haben, um die Bevölkerung dann in einer Hauruckaktion damit zu überrumpeln. Zitat aus einem Kommentar von Medianet.at am 07.03.2006:

Theodor Ickler hat den Rat für deutsche Rechtschreibung am 23. Februar unter Protest verlassen. Auslöser dieses Schrittes war die Verfahrensweise der Geschäftsführerin Kerstin Güthert: Diese hatte mehrere Geheimsitzungen mit den im Rat vertretenen Wörterbuchverlagen abgehalten. "Die Ankündigung des Rates, nun das Paket samt Wörterverzeichnis vorzulegen, ist ein wüstes Stück", teilte Ickler dieser Zeitung mit. "Niemand im Rat hat dieses Wörterverzeichnis gesehen, außer den Wörterbuchredaktionen, die es gemacht haben. "Nun sind die Kritiker der Rechtschreibreform trotz eines reformkritischen Bevölkerungsanteils von 60 bis 80% in diesem Gremium nicht mehr klar unter-, sondern praktisch überhaupt nicht mehr repräsentiert."

An anderer Stelle sagte Prof. Dr. Theodor Ickler: „Das ganze Theater mit Kommission, Beiräten, Rat usw. findet nur statt, weil der widerstrebenden Bevölkerung durch List und Gewalt und Zermürbung eine vollkommen mißlungene, aber einträgliche Neuschreibung aufgenötigt werden soll.“

Nun gibt es in den Reformbestrebungen auch Dinge, deren Realisierung völlig ausgeschlossen ist. So wird zum Beispiel nicht nur die Rechtschreibung verändert, sondern der Versuch unternommen, die Sprechweise, also die Sprache selbst, zu verändern. Zum Beispiel soll es das Wort „Selbständige“ nicht mehr geben, es soll „Selbstständige“ heißen.

Ein ganz normales Kreuzworträtsel. Genauso wie verwirrte Scrabblespieler ein unschuldiges Opfer.

Abgesehen davon, daß beim Sprechen dieser Schöpfung einem Prothesenträger leicht die Zähne aus dem Gesicht fallen können, ist so etwas überhaupt nicht durchsetzbar. Das Wort existiert seit sehr langer Zeit, niemand hat das Recht, es aus der deutschen Sprache zu entfernen. Oder „Stengel“ wird zu „Stängel“, „überschwenglich“ zu „überschwänglich“, „behende“ zu „behände“, „numerisch“ zu „nummerisch“ und vieles andere. Beim letzten Beispiel würde sogar die Betonung verändert.

Mit den Reformregeln der Getrennt- und Zusammenschreibung würden in konfuser Willkür Tausende Wörter aus der deutschen Sprache ersatzlos entfernt (hier sind nur 360 Beispiele). In der überwiegenden Anzahl der Fälle drücken Getrennt- und Zusammenschreibung unterschiedliche Inhalte aus, die beide ihre semantische Berechtigung haben. Keine der Schreibungen kann per Festlegung aus der Sprache gestrichen werden. Fast immer genügt für die Entscheidung, ob getrennt- oder zusammengeschrieben werden muß, das natürliche Sprachgefühl des Deutsch-Muttersprachlers.

Wenn man die gesamte Vorgehensweise der Reformpolitiker untersucht und weiter hinterfragt, bemerkt man, daß unter Ausnutzung der deutschen Volksmentalität mit einer Reihe von Suggestivbegriffen der Reform zum Durchbruch verholfen werden soll. Zum Beispiel „alte“ und „neue“ Rechtschreibung. Wer schon will sich ewig dem neuen verschließen? So sollen die Formulierungen „Rechtschreibreform erlassen“ oder „…in Kraft setzen“ der Reform einen unwidersprechbaren gesetzlichen Akzent verleihen. Oder man sagt, die Reform sei „amtlich“. Man erwartet ganz einfach, daß der Deutsche, der das Wort „amtlich“ hört, die Hacken zusammenreißt, „jawoll“ sagt und nicht fragt, um welches Amt es sich handelt.

Alles in allem – auch wenn wir dabei die mißratene Qualität völlig unberücksichtigt lassen – hätte es eine solche Reform nicht geben dürfen. Sie ist zustande gekommen, weil das Kapital es verlangte. Und der Staat dient nicht dem Volk, sondern nur dem Kapital. Beredtes Zeichen dafür: Noch immer sind 70% der Deutschen gegen die Reform, es wäre ein urdemokratischer Akt, auf diese Mehrheit zu hören, aber dazu kommt es in Deutschland nicht.

Überflutung des Deutschen mit anglo-amerikanischem Vokabular

Hier komme ich auf ein anderes Problem. Was ich meine, ist die fast nicht mehr aufzuhaltende Überflutung unserer Muttersprache mit völlig unnützen Anglizismen. Unnütz, weil man sich ja auch deutsch verständigen kann. Um Irrtümern vorzubeugen: Ich habe nichts gegen die englische Sprache, ich spreche sie neben Russisch auch und denke sogar, nicht schlecht.

Aber ich wende mich gegen eine Vermischung der Sprachen und gegen ein Verdrängen deutscher Wörter durch englische. Ich will hierzu einige Denkanstöße geben, weil die Tendenz mitunter so stark ist, daß der einzelne ihr verfällt, ohne es bewußt zu registrieren. Dabei ist manchmal ein kleiner Schubs nicht zu vermeiden.

Ich habe mir beim Umgang mit Gesprächspartnern eine Verfahrensweise angeeignet, die schon öfter Erfolge gezeigt hat. Schleudert mir jemand bei seinen Ausführungen allzu viele englische Vokabeln entgegen, ändere ich die Sprache und spreche englisch mit ihm. Häufig ist dann der Dampf schnell raus und der Gesprächspartner versteht mich nicht.

Bereitwillig kehre ich dann zum Deutschen zurück, erkläre aber ohne Umschweife, daß ich unter diesen Umständen das Englischgetue für reine Angeberei halte. Ist es nicht eine krankhafte Auffassung Ministerpräsident Oettingers, das Deutsche werde als Familien- und Freizeitsprache wohl erhalten bleiben, im Arbeitsprozeß werde zukünftig aber englisch gesprochen? Fangen wir doch gleich an, Mr. Governor Ottindscher.

Gemeinsame Entwicklung

Wie überall im Leben gibt es auch hier keine absoluten Kriterien. Es gibt militante Kreise, die ich nicht billige. Sie treten gegen jedes englische Wort auf und wollen es durch ein deutsches ersetzen. So soll „Internet“ zukünftig „Weltnetz“ heißen, „E-Mail“ wird ausgemerzt, „E-Post“ wird eingeführt und vieles andere. Auch ich sage mal „Rechner“ mal „Computer“. Aber letzteres beseitigen zu wollen, wäre Unfug. Das Wort ist im Deutschen angekommen, auch wenn es nicht in unsere Phonetik paßt.

Rechtschreibreform
Ein Vorschlag zur geschriebenen Kommunikation. Sieht doch auch nett aus.

Solche Bestrebungen gab es schon einmal vor hundert Jahren gegen das Französische. Da sollte „Friseur“ durch „Haareschneider“ ersetzt werden, und ähnliche Marotten waren vorgeschlagen. Aber es hat nichts gebracht, die Sprachgemeinschaft hat es nicht angenommen. Dafür schreiben wir heute auch „Frisör“. Vielleicht schreiben wir irgendwann auch „Kompjuter“.

In allen Sprachen gibt es Fremdwörter aus anderen Sprachen, das ist entwicklungsbedingt nicht vermeidbar. Nur gibt es im Deutschen zur Zeit ein alles umfassendes Überspülen unserer Sprache mit englischem Wortschatz. Das ist ein krankhafter Prozeß.

All und jedes muß englisch benannt werden, sonst fürchtet man fehlende Akzeptanz. Dieser Prozeß wird vor allem durch die Werbung, durch maßgebliche Vertreter von Industrie und Wirtschaft sowie durch Politiker vorangetrieben, die glauben, den Globalisierungsgedanken durch die intensive nationale Verbreitung der englischen Sprache unter Verdrängung des Deutschen vorantreiben zu müssen und jede nationale Identität abschaffen wollen.

In Berlin-Marzahn zum Beispiel wurde ein Einkaufzentrum gebaut, für die deutschen Kunden, von deutschen Projektanten und Bauherren, mitten in der deutschen Hauptstadt, und wie wurde es genannt? „Eastgate“. Falsch obendrein, denn englisch würde es „east gate“ heißen. Allerdings hat man die sprichwörtliche Schnodderigkeit der Berliner Schnauze unterschätzt. Die nennen die Einrichtung nun „Ostladen“. Somit hat man gar nichts gewonnen, denn im ostdeutschen Sprachraum ist „Ostladen“ nicht frei vom Ruch der DDR-Mangelwirtschaft.

Vorschläge zum Erhalt der eigenen Muttersprache

Man muß also bei der Anwendung von Fremdwörtern ein richtiges Maß finden. Und beginnen muß es bei der Spracherziehung in der Schule. Diesen wichtigen Teil der Erziehung aber hat die Rechtschreibreform völlig zum Erliegen gebracht. Die Lehrerschaft weiß selbst nicht mehr, wie richtig geschrieben werden soll und resigniert deshalb.

Seit Beginn der Rechtschreibreform sind fünf Dudenauflagen erschienen, jede anders, keine wurde je widerrufen oder zurückgenommen. Der findige Schüler kann schreiben, wie er will, der Lehrer kann nichts beanstanden, denn irgend einen „Duden“ findet er, in dem das so steht, wie er es geschrieben hat. Die „ “ müßte man öfter setzen, denn der Name Konrad Dudens wird für diese Werke mißbräuchlich verwendet.

Für die Pflege der eigenen Sprache ist wichtig, daß man sich stets darin übt. Gutes Deutsch kommt nicht von allein, es erfordert ein wenig Selbstdisziplin. Es lassen sich einige Grundregeln und -gedanken aufstellen, die beim Schreiben und beim Sprechen beachtenswert sind. Sie können helfen, auf die eigene Sprache zu achten, Nachlässigkeiten zu erkennen und nach Möglichkeit zu vermeiden. Sie seien nachfolgend als Vorschläge genannt.

  • Bewußt sprechen. Nicht gedankenlos der Nachlässigkeit verfallen.

  • Wörter und Begriffe gezielt auswählen. Ihren Sinn abwägen. Nach starken Ausdrucksformen suchen, die Vielfalt des deutschen Wortschatzes einsetzen.

  • Banale, abgegriffene, überstrapazierte, ständig wiederholte Formulierungen vermeiden oder sparsam einsetzen: …kann doch nicht wahr sein, …kannst du vergessen, noch und nöcher, in keinster Weise, nichtsdestowenigertrotz, jein, …Traumurlaub, Traumreisen, Traumjobs, Traumleben auf Traumschiffen , alles erfolgt nur noch im Traum, …Topservice, Topqualität, Topberatung, Topverpflegung, Topstraßen, Tophäuser, Topleute , exzessiv viel „Top“, … und vieles andere).

  • Eingefahrene Sprechweisen kritisch betrachten, Fehler vermeiden, z. B. „weil“ sagen, wenn man „denn“ meint: „Ich muß essen, weil ich habe Hunger“ , sind Dinge nötig oder notwendig , haben wir völlig recht oder vollkommen recht, was sind Worte – was sind Wörter , dreimal mehr oder dreimal so viel , das erste ist nämlich viermal so viel, … und weitere Nachlässigkeiten.

  • Den Genitiv richtig einsetzen, überhäufte Dativanwendungen mit „von “ einschränken: Die Hauptstadt Deutschlands statt die Hauptstadt von Deutschland – das ist ein Anglizismus der im Deutschen zu einem Fehler führt, im Englischen richtig: „the capital of Germany“ – dem „of“ folgt gedanklich ein Genitiv, durch die Übersetzung mit „von“ wird ein Dativ daraus.

  • Abkürzungen einschränken, stets entschlüsseln und erklären, mit dem Leser oder dem Zuhörer kein Rätselraten veranstalten. Viele Abkürzungen sind nur für begrenzte Personenkreise in bestimmten Fachgebieten verständlich. Und „MfG “ am Briefende ist nicht nur schreibfaul, sondern unhöflich.

  • Unnütze Anglizismen vermeiden. Deutsch sprechen, wo immer möglich. Für Events statt Ereignisse , Connections statt Beziehungen oder Locations statt Orte gibt es im Deutschen keinen Bedarf. Unsere Sprache ist selbst sehr wortreich.

  • Unvermeidbare oder auch eingefahrene Anglizismen mit deutschen Begriffen ergänzen, erklären. So kann man allmählich eine Rückkehr zum Deutschen erreichen. Nicht „flat rate“ oder „Flatrate“ , „Flat“ schon gar nicht, sondern Pauschaltarif oder Festpreis , nicht „access point“ sondern Zugangspunkt oder auch Anschlußgerät , nicht „Handy“ sondern Funktelefon„Handy“ ist gar kein englisches Wort, es ist eine deutsche Erfindung, die mit englischer Phonetik gesprochen wird. Das englische Adjektiv handy bedeutet bequem, griffbereit, handlich, passend, auch praktisch , ist also etwas anderes.

  • Überspanntes Feministendeutsch unterdrücken: Die Arbeiten der StudentInnen oder der Studenten/-innen, alle SchülerInnen oder Schüler/innen . Der agenuine Plural bei Massenaufzählungen ist durchaus verwendbar und stellt keine Geringschätzung der Frau dar. Wenn man dennoch Wert darauf legt, dann Studentinnen und Studenten, Schülerinnen und Schüler . Und Vorsicht bei Pluralismen! Falsch ist: Liebe Mitglieder und Mitgliederinnen.

  • Pausenfüllende „äh, äh“ in verschiedenen Intonationen unterlassen. Besser eine tonlose Pause zum Überlegen, als in jeden Satz drei langgezogene Umlaute einzubauen, die keinerlei sprachlichen Inhalt haben.

Natürlich ist das im Schriftlichen einfacher als im Mündlichen, weil man bei ersterem mehr Zeit hat. Schreiben ist langsamer als Sprechen. Aber auch im Mündlichen ist der Versuch nützlich, darauf zu achten. Das gelingt sicher nicht immer, aber immer öfter (frei nach einem bekannten Schlagwort aus der Bierwerbung).

Über den Autor

Mein Ziel beim Verfassen des vorliegenden Beitrages war es, den geneigten Leser für die deutsche Sprache zu sensibilisieren, das heißt , ihn anzustoßen, die Schönheit unserer Sprache zu erkennen und sie nicht zu einem notdürftig verwendeten Verständigungsmittel verkommen zu lassen, die Erkenntnis zu fördern, daß gute Sprache der Ausdruck des klaren Gedankens ist und den Appell zu verbreiten, daß niemand das Recht hat, mit administrativen Mitteln unser Kulturgut Sprache zu zerstören. Wenn beim Lesen solche Denkprozesse angeregt wurden, ist ein gutes Ziel erreicht.

Dr. Manfred Pohl

Dr. Manfred Pohl