Heinrich Heine: „Denk ich an Deutschland in der Nacht….“

Über Freigeister und Geisteskranke

Wie lange noch holt man Heinrich Heine, als Märtyrer für obsolete Weltverbesserungsutopien aus der Grabsruhe? Findet dieser Genius nie seinen Seelenfrieden? Die herrschenden Systeme seiner Zeit haben sein Wirken nicht begriffen. Die ihn heute exhumieren, wollen ihn für ihre Anachronismen nutzen, ohne auch je sein wahres Wesen erkannt zu haben.

Heine stand jeder neuen Denkart aufgeschlossen gegenüber. Er war ein Freigeist. Ein Seher. Das einzig wichtige für ihn war die Freiheit. Die Freiheit des Denkens und die Freiheit des Ausdrucks.

Die damit verbundenen opportunistischen Züge seiner Persönlichkeit, ließen ihn, je nach Lage und Bedürfnis, Monarchist oder Sozialist, Nationalist oder Kommunist sein, denn sein Geist schwebte über den Dingen, die ihn umgaben und lies ihnen den Raum für ihre Ideale.

Heines Genius machte nie Halt vor Geschmacklosigkeiten und der Herabwürdigung der bestehenden Verhältnisse. Seine Lyrik hat bis heute nichts an Aktualität verloren. Mit Leichtigkeit verfasste er je nach Laune und Anspruch, als Poet oder Journalist, seine Lyrik oder Artikel, einmal als glühender Patriot, ein anderes Mal als Emmigrant, der Frankreich vor der deutschen Gefahr warnte.

Viele warfen ihm vor, dass er nie eindeutig Stellung bezog. Griff man ihn aber an, hat er mit höhnischem Akzent reagiert. Von Anarchisten und Sozialisten, als zu schwach in seiner Haltung charakterisiert, lernten diese von ihm, was sie in seinen Augen wirklich waren. Als „Armee der hungrigen Ratten“, beschreibt er die anarchistischen, gottlosen, rasenden Bestien, die die Welt aufs Neue zu teilen verlangen:

„Es gibt zwei Arten von Ratten,
die hungrigen und die satten,
Sie lassen nicht taufen ihre Brut,
Die Weiber sind Gemeindegut…
Ein schweigender Stockfisch
in Butter gesotten,
behagt den radikalen Rotten
Viel besser, als ein Mirabeau
Und alle Redner seit Cicero“.

Heinrich Heines Vision …

Seine Vision einer unvermeidlichen Vernichtung der Reichen und ihres Staates durch die Armen, fand in einem Artikel seinen Ausdruck, der am 20. Juni 1842 in Paris veröffentlicht wurde: „Kommunismus ist der geheime Name des furchtbaren Antagonisten, der die Proletarierherrschaft mit allen Konsequenzen dem heutigen Bourgeois-Regime entgegensetzt.

Es wird ein furchtbarer Zweikampf sein, obgleich er (der Kommunismus, Anm. d. Verf.) jetzt so wenig besprochen wird und in verborgenen Dachstuben auf elenden Strohlagern dahinlungert, so ist er doch der düstere Held, dem eine große, wenn auch nur vorübergehende Rolle beschieden ist in der modernen Tragödie.“

Drei Wochen später, am 11. Juli 1842 prophezeite er in einem weiteren Artikel, „Ein europäischer Krieg würde sich in eine soziale Weltrevolution verwandeln und aus dieser eine eiserne kommunistische Diktatur hervorgehen…es wird alsdann nur einen Hirten geben, mit eisernem Hirtenstab und eine gleich geschorene, gleich blökende Menschenherde! Wilde, düstere Zeiten dröhnen heran, und der Prophet, der seine neue Apokalypse schreiben wollte, müsste ganz neue Bestien erfinden…“

Heute kennen wir die Namen dieser Bestien: Wladimir Iljitsch Uljanow, genannt Lenin, Jossif Wissarionowitsch Dschugaschwili, genannt Stalin. Mao Tse Tung, Es erscheint mir unbegreiflich und immer mehr auch unerträglich, mit welcher ignoranten Hybris sich heutzutage unbelehrbare Rotfrontnostalgiker dieser historischen Wahrheit verweigern?!!

Die Reste jener Roten Saat sind weltpolitische Zeitbomben. Während in Russland gegen alle Menschrechte eine Pseudodemokratie unter Putin den Schein wahrt, mit übelster KGB–Manier die Meinungsfreiheit traktiert und dabei nicht vor Mord zurückschreckt, bauen in China über 300 Millionen Wanderarbeiter einen staatlichen Kapitalismus auf, dessen Ausbeutermentalität alle Oktoberrevolutionen der Weltgeschichte zur Farce erklärte.

Heines Vision, über den sich entwickelnden Nationalismus in Deutschland zu seiner Zeit, lässt einmal mehr sein prophetisches Sendungsbewusstsein in seiner Lyrik erscheinen. Dieses fand in folgenden Versen seinen Ausdruck:

„Aber wir verstehen uns bass,
wir Germanen auf den Hass.
Aus Gemütes Tiefen quillt er:
Deutscher Hass!
Doch riesig schwillt er,
und mit seinem Gifte füllt er
schier das Heidelberger Fass“.

Ideale der Revolution – die Wölfe im Schafspelz …

Die Ideale der Revolution von 1848 wurden von der französischen Revolution übernommen. Das weitaus größere Ziel, die Gründung eines deutschen Nationalstaates, scheiterte, letztlich aus Mangel an Nationalempfinden der herrschenden Klassen, die sich nicht entschließen konnte, die Kleinstaaterei und das Konstrukt Preußen sowie Österreich, einem deutschen Nationalstaat zu opfern.

Alle Verantwortlichen dienten aus Mangel an Weitsicht nur ihren eigenen Interessen. Das Scheitern der Revolution veranlasste Heine zu einer Warnung an die Franzosen, die ihm Exil gewährten: „…die deutsche Revolution der Zukunft, werde die französische an Furchtbarkeit bei weitem übertreffen. <...> Der deutsche Nationalismus ist anders, als der französische. Er ist nicht weltoffen, weltbrüderlich und missionsbegeistert, sondern verneinend und aggressiv, besonders gegen Frankreich. Ich meine es gut mit Euch, und deshalb sage ich Euch: Ihr habt von einem befreiten Deutschland mehr zu fürchten, als von der gesamtem heiligen Allianz mitsamt allen Kroaten und Kosaken…“

Die Reichsgründung von 1871 in Versailles bestätigte Heines Vision. Das Ende des Kaiserreiches 1918 hinter lies das Chaos der Weimarer Republik, als jenen fruchtbar – fluchbeladenen Nährboden für den prophezeiten „europäischen Krieg…“.

An dieser Stelle vervollständige ich das Bild der Bestien, die der Nationalismus in Deutschland hervor gebracht hat. Adolf Hitler, Heinrich Himmler, Josef Goebbels. Jenen, die glauben aus dem Sumpf der Geisteskrankheit aufzuerstehen, sage ich, sie frönen dem falschen Ideal! Eine besondere Aufmerksamkeit gelte hierbei der faschistoiden Entwicklung in den neuen Bundesländern, deren 40-jähriges Unterdrückungstrauma, durch die Diktatur des Proletariats längst nicht erlöst ist.

Heine hat die Tragödie des Abendlandes kommen sehen. 100 Jahre später standen sich die apokalyptischen Systeme in breiter Front gegenüber, und es erscheint einer apokalyptischen Offenbarung gleich, wenn man sich den 22.Juni 1941, als den tatsächlichen Beginn des Russlandfeldzuges vor Augen führt.

Heines Wirken, als heimatloser Freigeist, blieb durch die Selbstübererhebung seiner Zeitgenossen ohne Wirkung. Es war eine Wirkung, die in ihrer Nachhaltigkeit in der Geschichte ihres gleichen sucht.

Mit Freuden hätte er allerdings das schwarz-rot-goldene Fahnenmeer, anlässlich der Fußball- WM 2006 angeschaut, und darüber ein „Deutsches Sommermärchen“ höchsten Heine-Elysiums verfasst, wobei ich mir nicht sicher bin, ob er das ganze nicht mit einem Treffen Hambacher Schlossgeister verwechselt hätte.

Bernhard Lubberger