Webseite Analyse: 8 Todsünden beim Erstellen von kommerziellen Homepages

WWWEine Homepage selber zu gestalten wird immer einfacher und zehntausende Startups versuchen jeden Monat auf´s Neue ihr Glück. Und Glück scheint man als Webmaster zu brauchen, denn laut unabhängigen Analysen scheitern zwischen 80 und 95% aller kommerziellen Webprojekte, innerhalb der ersten fünf Jahre. Unter „kommerziellen Webseiten“ wird jede Webseite verstanden, über die Einnahmen erzielt wird. Schon durch Einbinden von Werbung (Affiliates oder Google Adsense) wird aus einer privaten eine kommerzielle Homepage. Dabei spielt es keine Rolle, wieviel Geld genau verdient wird.

Die folgenden 8 Punkte beschreiben schwerwiegende Fehler, die man beim Startup als Webmaster machen kann. Falls Sie selbst ein Webprojekt betreuen, können Sie mit dieser Checkliste prüfen, ob Sie an alle grundlegenden Dinge gedacht haben. Sicher wird man beim eigenen Webauftritt auch ein wenig Glück brauchen, aber ohne die nötige Vorarbeit und entsprechende Kenntnisse geht es nicht.

1. Fehler – Unzureichende Konkurrenz- und Marktanalyse

Eine unzureichende Konkurrenz- bzw. Marktanalyse wird als der häufigste und schwerste Fehler genannt. Mir sind sogar Fälle bekannt, bei denen überhaupt keine Markt- und Konkurrenzanalyse vom angehenden Webmaster erfolgte. Eine gute Idee allein reicht nicht aus, denn Sie sind mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht der erste, der sich im Internet mit diesem Thema beschäftigt. Mangelhafte Marktanalysen können zu völlig unrealistischen Umsatz- und Ertragsprognosen führen.

Dabei ist eine Analyse gar nicht so schwer zu machen. Im einfachsten Fall kann man sich Begriffe rund um das Kernkonzept zusammensuchen und nach Konkurrenten googeln. Eine andere Möglichkeit ist, diese Kernbegriffe in das Google Keyword Tool einzugeben. Google gibt Ihnen dann das Suchvolumen und die Anzahl der Mitbewerber aus, die sich bereits um diesen Suchbegriff rangeln. So ein Vorgehen repräsentiert natürlich noch keine wirkliche Marktanalyse, es markiert lediglich einen Anfang, den man ausbauen kann.

Mein Tipp: Lernen Sie von der Konkurrenz. Sehen Sie sich deren Seiten an und notieren Sie alle Ideen die Sie gut oder schlecht finden. Je mehr Seiten Sie analysieren, desto mehr Ideen werden Ihnen kommen, wie man die Fehler der Konkurrenz vermeiden und sich deren Stärken zunutze machen kann. Fragen Sie sich, welche Alleinstellungsmerkmale Ihre eigene Seite haben soll und wie diese zur Geltung gebracht werden kann. In den meisten Fällen wird es nicht reichen, einfach nur „abzukupfern“. Gute eigene Ideen (oder kreative Ideenkombinationen) werden Sie trotzdem noch brauchen.

2. Fehler – Kein echter Nutzen für den Kunden

Ein recht weit verbreitetes Phänomen ist, daß sich Webmaster, Designer und Programmierer in ihr eigenes Konzept verlieben und dabei den faktischen Kundenutzen völlig außer Acht lassen. David Siegel bemerkte dazu, daß man kommerzielle Webseiten nicht für sich selbst, sondern für andere Menschen macht. Obwohl diese Feststellung banal klingt, wird sie dennoch in den wenigsten Fällen berücksichtigt.

KundennutzenHier wird oft der „vorgestellte oder intendierte Nutzen“ mit dem „echten Nutzen“ für den Kunden verwechselt. Wenn Sie den „echten Nutzen“ für den Kunden ermitteln wollen, müssen Sie ihn fragen, also eine Feedbackmöglichkeit vorsehen. Der Maßstab ist immer die Meinung des Kunden und nicht die eigene Wunschvorstellung. Ich habe mir dazu das Motto gewählt: Wenn die Besucher meiner Webseite keinen Nutzen in meinem Angebot erkennen können, dann hat sie keinen Nutzen!

Oft ist die fehlende Kundenorientierung ein Resultat aus einer schlechten oder unrealistischen Marktanalyse. Sicher wird man nicht gleich, von Anfang an Feedback von Kunden bekommen können. Doch Sie können sich als Webmaster bei der Gestaltung jeder einzelnen Seite zunächst selbst fragen, welchen Nutzen sie dem Kunden bieten wird, welches Problem gelöst wird und welche nützlichen Informationen für Ihr Zielpublikum bereitgestellt werden. Insofern muß man in vielen Fällen bei der Webseiten-Planung mit einem „Modell über den theoretischen Nutzen“ anfangen, bevor man die eigene Hypothese in der Praxis verifizieren kann.

Mein Tipp: Lernen Sie auch hier von der Konkurrenz. Fragen Sie sich beim Surfen auf Konkurrenzseiten, welchen Nutzen Sie als „User“ erkennen können und welchen Wert dieser Nutzen für Sie hat. Durch welche Elemente / Inhalte haben Sie den Eindruck bekommen, daß eine bestimmte Präsentation, Content, Angebot etc. einen Nutzen für Sie hat? Wie hat Sie die Konkurrenzseite davon überzeugt nochmal wiederzukommen? Diese und ähnliche Fragen werden Ihnen Ideen liefern, die auch bei Ihrem Projekt erfolgreich umgesetzt werden können.

3. Fehler – Unrealistische Finanzplanung

Wer realistisch planen will, muß die Spielregeln des Marktes kennen und beachten. Die Vorstellung vom schnell verdienten Geld vernebelt allzuoft notwendigen finanziellen Weitblick. Der häufigste Fehler ist, daß anfallende Kosten einfach vergessen oder unrealisitisch eingeplant werden. Oft werden Personalkosten unterschätzt oder Sozialabgaben vergessen. Frisch gebackene Selbstständige müssen sich krankenversichern und für die Altersvorsorge (Rente) vorplanen. Bleiben die erwarteten Einnahmen einmal aus – oder sind temporär niedriger als erwartet – so fehlen finanzielle Rücklagen, um Durststrecken zu überstehen. Mangelnde Kenntnisse in der Buchführung – oder eine fehlerhafte Buchführung – sind ebenfalls unangenehme Stolperfallen für Unternehmensgründer.

Mein Tipp: Gehen Sie sehr sorgfältig bei der finanziellen Planung Ihres Projekts vor und versuchen Sie alle „Eventualitäten“ mit einzuplanen. Lassen Sie Ihre Planung von kompetenten Personen checken und fragen Sie sich immer wieder, ob Sie alle möglichen Ausgabeposten bereits berücksichtigt haben. Denken Sie auch an Rücklagen für Durststrecken.

4. Fehler – Abhängigkeit von Teammitgliedern

Wer heutzutage eine professionelle Webseite bauen will, braucht eine ganze Menge an Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen. Alleine die Liste an Fachliteratur, die man als kompetenter Webmaster kennen sollte, würde den Rahmen dieser Ausarbeitung sprengen. Deshalb merke ich nur grundsätzlich an, daß oft die technischen oder handwerklichen Voraussetzungen zur Gestaltung einer professionellen Webseite völlig unterschätzt werden.

MitarbeiterFür viele Webmaster sind Themen wie Usability, Accessibility, Readability, Suchmaschinenoptimierung, HTML-Kenntnisse, Programmierkenntnisse, Bildbearbeitungskenntnisse oder Internetrecht etc. immer noch böhmische Dörfer. Ein erfahrener Webmaster wird darauf achten, daß er selbst – oder seine Mitarbeiter – als Team alle nötigen Fähigkeiten bereitstellen können.

Aus der Arbeitsteilung ergibt sich meist eine Abhängigkeit von einzelnen Mitglieder des Teams, die Kernkompetenzen mitbringen. Oft können andere Teammitglieder diese Kernkompetenzen nur schwer oder gar nicht ausgleichen. Ich habe schon mehrere Projekte scheitern sehen, weil sich der Programmierer oder Serveradministrator kurzfristig verabschiedet hat und kein Ersatzmann gefunden werden konnte. Ein guter Unternehmer sollte für solche Fälle immer einen Plan B in der Tasche haben oder zumindest von dieser Abhängigkeit wissen und entsprechend für den „worst case“ vorsorgen.

Mein Tipp: Planen Sie so, daß Teammitglieder ersetzbar sind, sonst machen Sie sich von einzelnen Mitarbeitern abhängig. Lesen Sie Fachliteratur, denn bei so wechselhaften Medien wie dem Internet kann man nie genug wissen. Bedenken Sie, daß auch renomierte Fachbuchautoren die Realität nur interpretieren. Es gibt kein Patentrezept für gute Webseiten. Der beste Lehrmeister ist die eigene Erfahrung und das Feedback des Kunden.

5. Fehler – Mangelhafte Analyse der Stärken und Schwächen

Die Analyse der Stärken und Schwächen einer Webseite werden nicht oder nur unzureichend durchgeführt. Grundlegend ist die Technik, d.h. die gesamte Funktionalität der Webseite, die wenigstens mit den beiden großen Browsern – Firefox und dem Internet Explorer – getestet sein sollte. Es gibt keinen effektiveren Weg User loszuwerden, als ihnen tote Links oder fehlerhafte Funktionen zuzumuten.

Eine andere Grundregel lautet: Automatisieren Sie, was Sie automatisieren können. Manche „Handarbeiten“ lassen sich bei 100 Usern noch mit einem vertretbaren zeitlichen Aufwand durchführen. Spätestens bei 10000 Usern ist man damit völlig überlastet. Der berühmte Management Autor Peter F. Drucker merkte einmal an, daß neben dem Mißerfolg auch ein „ungeplanter“ Erfolg ein Unternehmen ruinieren kann. Das oben genannte Beispiel soll Sie nur anregen, das Prinzip dahinter zu verstehen. Ein guter Unternehmer plant nicht nur den „worst case“ sondern auch den „best case“ ein, denn beides sind Extreme, die ein Unternehmen an die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit führen können.

Ein anderer Schwerpunkt liegt in der Gestaltung des Contents und der Navigation. Textgräber will niemand lesen und ein Hauptmenü mit ellenlangen Unterverzeichnissen eignet sich nicht zur Orientierung. User sind keine Forscher, sondern wollen gesuchte Informationen oder Dienstleistungen möglichst bequem und einfach finden. Jede Navigation, die unnötig kompliziert erscheint, unverständlich wirkt, unübersichtlich ist, keine eindeutigen Erwartungshaltungen aufkommen läßt etc., kostet Sie eine Menge User. Menüs sollten immer „aussagekräftige Links“ enthalten, d.h. die Menüpunkte sind so bezeichnet, daß der User eine klare Vorstellung davon bekommt, was ihn „dahinter“ erwartet.

Eine intuitiv einleuchtende Navigation ist ein Ideal, das schwer zu erreichen ist, vor allem dann, wenn die Webseite eine bestimmte Komplexität überschreitet. Aber auch hier entscheidet der Kunde – und nicht der Designer oder Programmierer – was intuitiv einleuchtend ist und was nicht. Falls Sie Statistiken von Ihrer Seite einsehen können, ist die Verweilzeit und die Anzahl der Seitenaufrufe pro Besucher ein Indiz dafür, ob die User finden was sie suchen. Falls Sie Google Analytics verwenden, können Sie auch die Abwanderungsrate in % von bestimmten Seiten kontrollieren. Gerade bei Seiten, deren Abwanderungsrate über 80 bis 90% liegt, sollten Sie überlegen, wie Sie die User dort vergrault haben.

6. Fehler – Falscher Umgang mit dem Zielpublikum

Viele Internetangebote scheitern, weil sie nicht das richtige Zielpublikum ansprechen. Hier besteht die Schwierigkeit das Zielpublikum konform zu ihren Gewohnheiten anzusprechen bzw. über eine entsprechend aufgemachte Werbung auf die eigene Webseite zu bekommen. Dazu ist es wichtig die Gewohnheiten und Urteile des eigenen Zielpublikums zu kennen und sich nach ihnen zu richten, vor allem dann, wenn man ein sehr spezielles Publikum ansprechen will.

PersonalEin fataler Fehler wäre z.B. eine reißerische Aufmachung für eine Lebensversicherung. Menschen, die Lebensversicherungen – oder eine seriöse Altersvorsorge – suchen, wollen Sicherheit in ihrem Leben haben. Vermittelt die Werbung oder Webseite nicht den Eindruck von Sicherheit, Seriosität oder langfristigem Denken, wenden sich die Leute schon nach den ersten Klicks ab. Dabei mag es völlig unerheblich sein, ob Sie ein gutes Produkt anbieten oder nicht. Für den Eindruck beim Kunden zählt neben dem Inhalt auch die Verpackung. Sie hinterläßt bereits einen ersten emotionalen Eindruck, der den Besucher bei seinen weiteren Entscheidungen beeinflussen wird.

Marktanalysen und statistische Gutachten können helfen das Zielpublikum grob zu bestimmen. Doch solche Untersuchungen sind keine Wahrheiten, sondern nur ungefähre Erfahrungswerte, die „andere Menschen“ über „andere Webseiten“ ermittelt haben. Wenn Sie Ihr eigenes Zielpublikum kennenlernen wollen, brauchen Sie auf Ihrer Webseite Interaktionsmöglichkeiten – z.B. Kommentare, Bewertungsysteme, Feedbackmöglichkeiten, Forum oder Umfragen etc. – die Ihnen helfen können zu verstehen, mit wem Sie es wirklich zu tun haben. Wer die eigenen User nicht kennt, läuft stets Gefahr an deren Gewohnheiten und Wünschen „vorbeizuplanen“.

7. Fehler – Beharren auf dem falschen Angebot

Ein falsches Angebot kann bedeuten, daß Sie etwas anbieten, das keiner haben will. Wenn dem so ist, haben Sie auch bei den oben genannten Punkten schon gravierende Fehler gemacht. Es kann aber auch bedeuten, daß User bestimmte Parts der Webseite – oder Funktionen – begeistert nutzen (oder ignorieren), was Sie so nicht vorgesehen haben. Ein berühmtes Positivbeispiel dafür ist die Flickr Fotoseite. Sie war eigentlich für das Computerspiel Neverending vorgesehen, erlaubte es aber auf eine einfache Art, Fotos im Web hochzuladen und mit Kommentaren zu versehen. Diese Funktion nutzten die User.

In diesem Fall hat Flickr nicht auf der Ursprungsidee beharrt, sondern sich mit ihrem „falschen Angebot“ auf den tatsächlichen Nutzen für den User umgestellt. Ein Webseitenplaner muß bereit sein, seine eigenen Wünsche und Vorstellungen loszulassen und sich auf den faktischen Umgang der User mit der eigenen Webseite einzustellen.

Ich selbst habe bei Philognosie schon viele Ideen produziert und viele Ideen sind wieder im Papierkorb gelandet. Mein Hauptkriterium war immer, welche Ideen vom User angenommen werden. Das beinhaltet natürlich auch die Bereitschaft sich selbst – oder seine Ideen – zu ändern. Wer heute eine gute Idee hat, wird feststellen, daß sie schon nach kurzer Zeit zum „alten Eisen“ gehört. Nur wer bereit ist sein Angebot upzudaten bzw. nach Erfahrungen mit dem Kunden zu verbessern, wird letztlich das eigene Überleben langfristig sichern.

8. Fehler – Mangelnde Kompetenz und Überzeugung

Es gibt immer wieder Webmaster, die versuchen aufgrund von Keyword-Trends, Webseiten aus dem Boden zu stampfen. Sie hoffen beim „aktuellen Run“ auf die Keywords selbst mit „absahnen“ zu können. Ein grundlegender Fehler ist dabei der kurzfristige Zeithorizont. Moden gehen wie sie kommen, d.h. man wird nur in einem relativ engen Zeitfenster mitspielen können. Andererseits werden User über kurz oder lang merken, ob die Gestalter einer Webseite wirklich exklusive und kompetente Infos bieten können oder nur billige Copy&Paste-Abklatsche sind. Kurzfristige Moden oder Hobbys eignen sich höchstens zum Bau von kleinen Seiten.

Wer langfristig denkt und große Webseiten aufbauen will, muß selbst vom Thema begeistert sein und die Fähigkeit haben andere Menschen zu überzeugen. Wer sich nur für den Gewinn statt für das Thema begeistern kann, sollte es bleiben lassen. Die User werden über kurz oder lang merken, ob die Betreiber einer Seite von ihrem eigenen Konzept überzeugt sind oder nur formal etwas „abarbeiten“. Die Erfahrung zeigt, daß es bei jedem Aufbau einer Webseite zu „Durststrecken“ kommt, d.h. der Erfolg bleibt aus oder ist viel niedriger als erwartet. Wer sich selbst in schwierigen Zeiten zum Weitermachen motivieren will, muß vom eigenen Konzept überzeugt sein.

Damit bin ich am Ende meiner kleinen Ausarbeitung. Wie Sie sicherlich bemerkt haben, habe ich einige Themen nur angerissen, um den Artikel nicht die nötige Prägnanz zu nehmen. Es ließe sich zu jedem dieser Punkte noch eine Menge sagen. Doch um dieses Thema erschöpfend zu behandeln, müßte man mehrere Bücher schreiben. Mein Anliegen ist in diesem Falle, den Blick für einige Stolperfallen zu schärfen und Ihnen ein paar Kriterien an die Hand zu geben. Mit deren Hilfe können Sie Ihre eigenen Planungen reflektieren. Ich hoffe es waren ein paar Informationen dabei, die Sie bei Ihrem Projekt anwenden können.

Viel Erfolg bei Ihrem Webprojekt!

Tony Kühn