Zeitmanagement oder die Kunst Zeit effektiv zu nutzen

Erfolgreiche Menschen wissen, daß vor allem der Faktor Zeit eine unserer wertvollsten und knappsten Ressourcen ist. Alle anderen Ressourcen lassen sich beschaffen oder verwalten – man kann sie kaufen oder verkaufen etc. – nur Zeit vergeht unwiederbringlich. Zeit ist ein universeller Faktor, der bei jeder Tätigkeit eine Rolle spielt, denn wir handeln immer in der Zeit, d.h. jede Tätigkeit verbraucht Zeit.

Einer der größten Managementtheoretiker – Peter F. Drucker – ist sogar der Ansicht, daß man besonders am fürsorglichen Umgang mit Zeit – d.h. an einem guten Zeitmanagement – schlechte von guten und effektiven Führungskräften unterscheiden kann.

ZeitmanagementDaher verwundert es nicht, wenn in den meisten Abhandlungen über Zeitmanagement gleich zu Beginn der Ratschlag zu lesen ist, die eigenen Tätigkeiten zu planen. Planen heißt, künftige Tätigkeiten zeitlich zu strukturieren.

Obwohl solche Ausarbeitungen meist gut durchdacht sind, helfen sie erfahrungsgemäß in der Praxis nicht weiter und bleiben wirkungslos. Meine Vermutung ist, daß Methoden auf die persönlichen Stärken, Verhaltensweisen und Arbeitsgewohnheiten zugeschnitten sein müssen, damit der einzelne Mensch damit etwas anfangen kann.

Modelle und Theorien, die nicht in die eigenen Verhaltensgewohnheiten passen, werden nur kurzfristig adaptiert und schnell wieder vergessen.

Daher will ich erst gar nicht versuchen, Ihnen ein weiteres unnützes Planungsmodell aufzuschwatzen, sondern vielmehr einige Schlüsselfragen erörtern, die hinter solchen Modellen stehen. Der Vorteil ist, daß sich jeder diese Fragen selbst beantworten kann und die Antworten persönlich sind, d.h. zum eigenen Lebenshintergrund passen. Denn die Ursachen – wer in welchem Ausmaß und in welcher Form Zeit verschwendet – sind individuell sehr verschieden. Der erste Schritt besteht darin herauszufinden, für welche Tätigkeiten man seine Zeit aufwendet.

Viele Menschen sind sich gar nicht darüber bewußt, wofür sie ihre Zeit faktisch verwenden. Wer keine Notizen in „Echtzeit“ darüber führt, für was er wieviel Zeit am Tag aufwendet, hat oft eine sehr verzerrte Vorstellung von der eigenen Zeitplanung. Er wird mit hoher Wahrscheinlichkeit Zeiträume beträchtlich über- oder unterschätzen. Da unser Gedächtnis rekonstruktiv arbeitet, kann man immer wieder das Phänomen beobachten, daß Menschen ihre Erinnerung „zurechtbiegen“ – nicht die Realität sehen, wie sie ist, sondern sie so konstruieren, wie sie „ihrer Meinung nach sein sollte.“

Ich hatte früher einen Mitarbeiter, der die Meinung vertrat, seine gesamte Arbeitszeit für das Schreiben von Artikel aufzuwenden. Er schrieb innerhalb von 8 Arbeitsstunden höchstens einen Artikel, oder weniger. Als ich ihn dazu aufforderte einige Wochen lang über jede Tätigkeit (und Ablenkung) Aufzeichnungen in Echtzeit zu führen, kam heraus, daß er faktisch höchstens 2 Stunden täglich am besagten Artikel saß.

Die restliche Zeit verbrachte er mit Ablenkungen z.B. Gesprächen mit anderen, ausgedehnten Frühstückpausen, Kaffeekochen usw.. Derartige Verzerrungen begegnen mir oft, d.h. Selbsteinschätzungen, die mit dem faktischen Handeln wenig bis gar nichts gemein haben.

Zeitmanagement PersonalDer erste Schritt seine Zeit zu strukturieren besteht darin, sich bewußt zu machen, für welche Tätigkeiten man seine Zeit tatsächlich verwendet. Das kann man nur mit mehrwöchigen Aufzeichnungen seiner Tätigkeiten erreichen, die man in „Echtzeit“ protokolliert. Dadurch kann man eigenen „Selbsttäuschungen“ auf die Spur kommen.

Eine weitere Möglichkeit besteht darin, sich die Tätigkeiten selbst anzusehen und sich zu fragen, ob sie wirklich etwas mit dem originären Aufgabenbereich zu tun haben.

Wenn Sie beispielsweise als Spezialist oder Führungsperson tätig sind, können Sie sich fragen, ob eine konkrete Tätigkeit genausogut von anderen Personen erledigt werden kann. Entfernen Sie zuerst allen unnötigen „Ballast“ und konzentrieren Sie sich auf die wirklich wichtigen Aufgaben.

Weiterhin können Sie sich fragen, ob der aufgebrachte Zeitaufwand für eine primäre Tätigkeit angemessen ist oder nicht. Dazu braucht man Vergleichsmaßstäbe – also vergleichbare Arbeiten mit Erfahrungswerten von Anderen – oder man muß eine eigene Kosten-Nutzen-Rechnung aufstellen. Eine Antwort sollte man sich sorgfältig überlegen, denn Fehleinschätzungen geschehen schnell.

Ein Beispiel: Ich kannte einen Redakteur, der von seinen Mitarbeitern verlangte, in zwei Stunden (incl. Recherche) mindestens einen Artikel zu produzieren. Das Ergebnis war, daß die Artikel im Durchschnitt von minderer Qualität, teils schlecht recherchiert oder nur mit wenigen brauchbaren Informationen versehen waren. Damit war mit dieser Vorgabe zwar die Quantität berücksichtigt, aber nicht die Qualität des Outputs.

Aus meiner Web-Erfahrung kann ich sagen, daß wenig informative Artikel zur „Massenware“ gehören. Der Nutzwert für den interessierten Leser ist daher gleich Null. Das Resultat besteht darin, daß ein User eine Seite, die ihm nur wenig Nutzen bringt, nicht wieder besucht. Umgekehrt werden User Seiten bookmarken, auf denen sie besonders gute Informationen zu einem Thema finden.

So stelle ich mir die Frage nach den Nutzen meines Outputs für den Kunden. Ein informativer Artikel bringt langfristig genausoviel Besucher, wie 30 schlechte. Wenn ich diese Relation betrachte, könnte ein Zeitaufwand von 8 Arbeitsstunden in einem solchen Fall durchaus angemessen sein. Fragen Sie sich einfach, wieviel Zeit „ein bestimmtes Ziel oder Ergebnis wert ist“.

Ein Beispiel: Im Personalwesen verbringen Personalleiter viel Zeit damit, sich mit Mitarbeitern zu beschäftigen und das ist gut so. Denn darin besteht ihre originäre Tätigkeit. Bei Personalfragen ist zu bedenken, daß sie sich langfristig auswirken und nur schwer rückgängig zu machen sind. Eine schlechte Stellenbeschreibung oder eine hastige Auswahl von Bewerbern, führt zu Fehlentscheidungen und kann langfristig eine Menge Schaden anrichten.

Gerade hier ist die Qualität des Outputs von besonderer Bedeutung. Die Effizienz z.B. bei Personalentscheidungen besteht primär in der richtigen Auswahl eines qualifizierten Mitarbeiters bei einem Zeitaufwand von 2 Wochen. Ineffektivität bestünde darin einen Posten innerhalb von 3 Tagen mit einem schlechten Bewerber zu besetzen. Behalten Sie einfach im Hinterkopf, daß der Bewerber diesen Posten für die nächsten 20 Jahre bekleidet, d.h. eine Menge bewirken wird.

PersonalabteilungÜberlegen Sie, ob sich eine Entscheidung oder eine Tätigkeit langfristig auswirkt bzw. ob wesentliche Konsequenzen damit verbunden sind. Entscheidungen, die sich langfristig auswirken und mit wichtigen Konsequenzen verbunden sind, brauchen fast immer viel Zeit und sollten sehr gut durchdacht sein. In solchen Fällen zu verlangen „Zeit zu sparen“, ist nicht nur dumm, sondern auch gefährlich.

Eine weitere Form der Zeitverschwendung besteht darin, eine Tätigkeit in viele kleine Zeiteinheiten zu zerstückeln. Normalerweise rechnet man – speziell bei kognitiven Arbeiten – mit einer „Einarbeitungszeit“ , d.h. man braucht Zeit um seine Gedanken auf das Thema einzustimmen und sich die konkreten Arbeitsschritte zu vergegenwärtigen.

Häufige Unterbrechungen stören den Konzentrationsfluß und verhindern, daß man sich in das Thema vertieft. Eine amerikanische Firma hat beispielsweise die Effektivität ihrer Programmierer um mehr als hundert Prozent gesteigert, indem sie an jeder Tür ein Schild mit der Aufschrift anbringen ließ: “ Ist Ihnen diese Störung 100 Dollar wert?“

Je häufiger ein Mitarbeiter bei seiner Arbeit unterbrochen wird, desto schlechter wird sein Output. Das kann für ihn im „worst case“ bedeuten, wieder komplett von vorne anfangen zu müssen. Planen Sie also für bestimmte Tätigkeiten soviel Zeit ein, wie Sie benötigen, um das gewählte Ziel zu erreichen. Bedenken Sie, daß auch Sie selbst Ihren Mitarbeitern durch häufige Störungen eine Menge Zeit stehlen können.

Ein Chef, der sich ständig in die Abläufe anderer Abteilungen einmischt, kann deren Effektivität deutlich reduzieren. In diesem Sinne könnte man die Faustregel formulieren: „Immer wenn Sie einen Mitarbeiter bei seiner primären Tätigkeit unterbrechen, stehlen Sie ihm Zeit!“

Eine weitere Art von überflüssigen Zeitfressern sind Krisensituationen, die regelmäßig in einem Unternehmen auftreten. Sie sind fast immer ein Zeichen für eine mangelhafte Organisation oder schlechte Planung. Gute Führungskräfte sollten immer darum bemüht sein, die Organisation oder Planung so zu verbessern, daß regelmäßige Krisen in Routinen transformiert werden können, die für das Personal leicht zu bewältigen sind. Denn nur wer praktikable Lösungsansätze generiert, wird langfristig einem falschen Ressourceneinsatz vorbeugen und Zeitverschwendung vermeiden.

Auch eine zu große Belegschaft kann ein „Zeitfresser“ sein. Ein Indiz dafür ist, daß die Mitarbeiter immer wieder Zeit mit Statusspielchen, der Thematisierung von „zwischenmenschlichen Problemen“ oder Streitigkeiten über ihre Zuständigkeiten verbringen. Dies zeigt an, daß sie nicht primär mit ihren Aufgaben beschäftigt sind, sondern der Personalstand so hoch ist, daß sich die Leute gegenseitig im Weg stehen.

Den letzten Zeitfresser, den ich vorstellen will, ist eine schlechte Informationsübermittlung, d.h. eine schlechte Kommunikationsstruktur im Unternehmen. Eine schlechte Kommunikationsstruktur kennzeichnet sich dadurch, daß ein Mitarbeiter viel Zeit aufwenden muß, um an Informationen zu gelangen, die für seine primäre Tätigkeit wichtig sind.

Wenn in einem Betrieb häufig Mißverständnisse geklärt werden müssen, ist das fast immer ein direktes Indiz für eine unzureichende Kommunikationsstruktur. Das gilt insbesondere dann, wenn eine konkrete Information umständlich zu beschaffen ist, bzw. Mitarbeiter regelmäßig Fehler machen, weil sie nicht, zu spät oder nur mangelhaft informiert wurden.

Grundlegend für eine gute Informationsverarbeitung ist, daß man weiß …:

  • … welche verläßlichen Quellen man benutzen kann … (Wo?)
  • … wie man daraus die benötigte Information gewinnen kann …(Wie?)
  • … wie man am effektivsten die gewonnen Informationen verarbeiten kann. (Wozu?)

Wenn Ihnen zu jedem dieser Punkte eine klare Antwort vorliegt, haben Sie Ihren Informationsfluß gut strukturiert.

Damit komme ich zum Schluß dieser kleinen Ausarbeitung über die Grundlagen des Zeitmanagements. Ich hoffe es waren Anregungen dabei, die Ihnen helfen werden, Ihre eigene Zeitstrukturierung zu verbessern. Damit halten Sie den Schlüssel für Ihr persönliches Zeitmanagement in den eigen Händen.

Viel Erfolg!

Tony Kühn