Die richtige Organisationsform für ein Unternehmen finden

Seit jeher stellen sich Manager immer wieder die Frage, wie man eine „richtige“ Organisationsform für das eigene Unternehmen finden kann. Sie sind überzeugt, daß es ein universelles Prinzip gibt, das man auf jede Einrichtung anwenden könnte. Zu diesem Thema sollen im folgenden Artikel einige Anregungen von Peter F. Drucker aus seinem Buch „Was ist Management?“ – „Das Beste aus 50 Jahren“ aufgegriffen und besprochen werden.

OrganisationsstrukturWährend der Entstehung der Managementtheorie in den 30er Jahren des vorherigen Jahrhunderts, wurden bestimmte Thesen über das Management verfochten. Damals ging man von der Vorstellung aus, daß Management – d.h. dessen Theorie und Praxis – eindeutig festzulegen bzw. zu bestimmen wäre.

Eine der damaligen Annahmen besagt, daß es „eine optimale Organisationsform geben müsse oder zumindest geben solle“. Diese Annahme nährte sich aus den Erfahrungen des 1.Weltkriegs.

Dort mußten erstmals Managementtechniken eingesetzt werden, um eine bisher nie gekannte Masse an Kriegsgütern zu produzieren und an die Front zu transportieren.

Damals übernahm man von der Armee das Modell von „Befehl und Kontrolle“ und übertrug es später auch auf die ersten privaten Unternehmen. Das erwies sich zu jener Zeit als sehr effektiv, besonders in der Anwendung von einfachen Fließbandarbeiten, da sich einfache mechanische Tätigkeiten leicht systematisieren und kontrollieren ließen.

Erst nachdem in der Industrie die Nachfrage an qualifizierten Wissensarbeitern immer größer wurde, erkannte man, daß man die „Arbeit mit Wissen“ nicht oder nur schlecht operational beschreiben bzw. kontrollieren konnte. Doch seit damals hat sich der Mythos, daß es eine „richtige (oder universelle) Organisationsform geben müsse, hartnäckig gehalten.

Seit dieser Zeit haben sich die Thesen und Modelle rund um diese „richtige Organisationsform“ stetig gewandelt. Heute können wir sagen, wir suchen sie immer noch. Darum stellt sich die Frage, ob wir nicht nach einem „Stein der Weisen“ Ausschau halten, den es so nie gegeben hat und auch nicht geben wird.

Wie wir heute aus der Praxis wissen, hat jede Organisationsform ihre eigenen Stärken und Schwächen, ihre eigenen Anwendungsbereiche und Grenzen. Es hat sich herausgestellt, daß die „richtige Organisationsform“ kein Ziel an sich, sondern nur ein speziell entwickeltes Werkzeug ist, welches Menschen unter bestimmten Bedingungen eine möglichst produktive Zusammenarbeit ermöglicht.

Radikalere Managementtheorien vertreten sogar die These, daß wir in einem Zeitalter angekommen sind, welches das „Ende der Hierarchie“ als neues Paradigma erfordert. Drucker verwirft diese These mit der Begründung, daß es in jeder Einrichtung eine letzte Autorität – oder einen Chef – geben muß, welche die endgültigen Entscheidungen fällt und für deren Umsetzung sorgt. Eine funktionierende Führung kann es nur geben, wenn sie auch Entscheidungen fällen kann. Denn erst durch die eindeutige Zuordnung der Entscheidungsbefugnisse können Führungskräfte überhaupt Verantwortung übernehmen.

Manch wichtige Entscheidungen können am Besten durch gemeinsame Überlegungen von kompetenten Wissensarbeitern, andere in einem Team oder vom CEO gefällt werden. In den meisten Fällen werden solche Entscheidungshierarchien nebeneinanderstehen und sich wechselseitig beeinflussen. Doch auch wenn sich keine universelle Organisationsstruktur ausmachen läßt, so kann man immer noch versuchen Prinzipien zu formulieren, die einer funktionalen Organisationsstruktur zugrunde liegen sollten.

Drucker nennt in seinem Buch einige Prinzipien, die ich im folgenden vorstellen möchte:

  1. Das Prinzip der Transparenz
    OrganisationDas Prinzip der Transparenz besagt, daß eine Organisationsstruktur nachvollziehbar und verständlich sein muß. Den Mitarbeitern muß der Sinn und Zweck der Organisation erschließbar sein, damit sie sie kennenlernen und sich nach ihnen richten können.
  2. Das Prinzip der eindeutigen Autorität
    Wie ein römischer Spruch so schön nahe legt – „Ein Sklave, der drei Herren hat, ist ein freier Mann!“ Positiv formuliert bedeutet dies, daß in jedem Bereich eine Person autorisiert sein muß, welche die letzten Entscheidungen fällen kann. Das ist besonders in Krisensituationen wichtig, wo eine schnelle und eindeutige Orientierung überlebensnotwendig wird.
  3. Das Prinzip „Autorität heißt Verantwortung“
    Wer die Möglichkeit in einem Unternehmen hat, bestimmte Entscheidung zu fällen, muß auch die Konsequenzen seiner Handlungen tragen, d.h. er muß bereit sein, die Verantwortung für sein Handeln zu übernehmen. Das kann im bestimmten Fällen bedeuten, für Fehlentscheidung zur Rechenschaft gezogen zu werden.
  4. Verantwortung und Autorität sind ein untrennbares Paar, was auch umgekehrt gilt. Ohne Autorität kann man keine Verantwortung tragen und ohne Verantwortung kann man keine Autorität ausüben.
  5. Prinzip der Loyalität
    Dem Mitarbeiter müssen eindeutige Werte und Ziele bekannt sein, hinter die er sich stellen bzw. für die er sich einsetzen kann. Drucker nennt das ein altes Prinzip „zwischenmenschlicher Beziehungen“. Er sagt vorher, daß einem Mitarbeiter, der mehr als „zwei Herren“ hat, fast zwangsläufig in einen Loyalitätskonflikt geraten muß.
  6. Das Prinzip der „flachen Organisation“
    Hierbei handelt es sich um ein bewährtes Prinzip in der Organisation. Entscheidungsebenen sollten auf eine Mindestmaß reduziert werden, um eine möglichst „flache Organisationsstruktur“ zu erreichen. Das hat den entscheidenden Vorteil, daß die Organisation übersichtlich und in ihren Entscheidungsprozessen nachvollziehbar wird. Denn wie Drucker anführt „verdoppelt jeder Knoten das Rauschen und zerteilt die Botschaft“.

Wie Sie vielleicht bemerkt haben, geben uns diese Prinzipien nur sehr allgemeine Hinweise auf eine brauchbare Organisationsstruktur. Manchmal sagen sie uns lediglich, was wir nicht tun sollten. Doch so banal uns diese Erkenntnis anmuten mag, Drucker meint selbst, daß es bis heute niemanden gibt, der ernsthaft behaupten würde zu wissen, wie man die Organisation in einem Unternehmen optimal strukturieren sollte. Was wir jedoch wissen ist, daß es keine Patentrezepte geben kann, um diese wichtige Aufgabe zu meistern.

Den Pionieren des letzten Jahrhunderts kann man zumindest in dem Punkt zustimmen, daß es bei jedem funktionierenden Unternehmen eine Organisationsstruktur geben muß. Doch anstatt nach der „richtigen“ Organisationsstruktur zu suchen, sollte ein gutes Management eher lernen, nach einer, für die spezifische Aufgabe zugeschnittene, Organisationsstruktur zu suchen. Sobald diese gefunden ist, sollte man sie weiterentwickeln.

Immerhin können uns die von Drucker genannten Prinzipien helfen zu überprüfen, ob wir bei unseren eigenen Entwürfen einer Organisationsstruktur alle wichtigen Faktoren berücksichtigt haben.

Tony Kühn